Maria Maienkönigin

Maienkönigin
Maienkönigin

 

Maienkönigin

 

Komm, holde Herrin, in dein Reich!

Es blüht auf allen Wegen!

Ihr Herzen alle schmücket euch,

Eilt freudig ihr entgegen.

Weiht euch aufs neue mit frommem Sinn

Der hehren Maienkönigin!

 

Es knospt und prangt die Gotteswelt,

Wohin die Blicke schweifen,

Sie, die dem Höchsten wohlgefällt,

Nie Sündenhauch durft` streifen!

Zu ihr die keuschen Seelen zieh`n,

Zur makellosen Königin!

 

Tautröpflein schimmern hell und klar

Auf den smaragd´nen Fluren;

Sind`s wohl von ird`schen Tränen gar

Die letzten heißen Spuren?

Der Erde Leid schmilzt bald dahin,

Bei ihr der milden Trösterin!

 

Manch Blümlein, schwer vom Reif versengt,

Das Köpflein tief gebeuget,

Zur Herrin sehnsuchtsvoll sich drängt,

Die huldreich ihm sich neiget;

Der Sünder Zuflucht jederzeit,

Die Mutter der Barmherzigkeit!

 

Es tobt der Kampf in wildem Streit,

Wie brennen seine Wunden!

Doch wer Maria sich geweiht,

Hat Rettung stets gefunden,

Und siegesfroh die Herrin grüßt,

Sie, die der Christen Hilfe ist!

 

O ziehe, süße Herrin, ein,

Es steht dein Reich dir offen!

Dein eigen will`s für ewig sein,

In Glauben, Lieben, Hoffen!

O herrsche immerdar darin,

Du himmlische Gebieterin!

 

Mit deinem Kindlein segne mild

Uns, Mutter voll der Gnaden!

Bis du ins selige Gefild

Zu ew`gem Mai wirst laden,

Die dir gedient in treuem Sinn,

Maria, Maienkönigin!

 

Monat Mai

 

Eigentlich ist im Maimonat jeder Tag ein Festtag, denn der Mai ist vom ersten bis zum letzten Tag der lieben Mutter Gottes als der Maienkönigin geweiht. Im Maimonat sind alle Tage Muttergottesfeste.

 

Wie schön ist es doch, dass wir im Mai ein Muttergottesfest feiern, das einunddreißig Tage dauert! Überall auf der weiten Welt sind in den Kirchen und in den Häusern die Maialtäre geschmückt. Millionen Blumen blühen vor den Bildern und Statuen der Mutter Gottes. Lieder ohne Zahl preisen die Mutter Maria, und Gebete loben und verherrlichen sie als die Maienkönigin.

 

Wann mag wohl die erste Maiandacht gehalten worden sein?

 

Die allererste Maiandacht hat bereits vor zweitausend Jahren im Haus der Heiligen Familie zu Nazaret stattgefunden. Es ist zwar in keinem der heiligen Bücher aufgeschrieben, aber sicher ist es mehr als einmal geschehen, dass der Jesusknabe, wenn der Frühling kam, am Wegrand die ersten frischen Blumen gepflückt und sie zum Strauß oder Kranz gebunden hat. Dann ist er heimgegangen und hat der Mutter Maria, um sie zu ehren und ihr seine Liebe zu bezeigen, die Blumen dargereicht.

 

Das war die allererste Maiandacht, und schöner ist später nie mehr eine Maiandacht gefeiert worden.

 

Wenn nun aber der göttliche Heiland selbst auf diese Weise die Maiandacht gehalten hat, dann dürfen und müssen auch wir sie halten mit Blumen und frischem Grün, mit Gesängen und Gebeten, im Gotteshaus und daheim. Im Maimonat muss in jeder katholischen Familie auch ein Maialtar sein, und die Kinder im Haus sollen an erster Stelle dafür Sorge tragen, dass die Blumen am Maialtar immer frisch sind.

 

Doch das genügt noch nicht. An einer schönen Legende soll erklärt werden, wie man die Maiandacht auf die beste Weise hält.

 

Die Legende erzählt:

 

Vor vielen Jahren gab es irgendwo, weltfern und abgeschieden in großer Einsamkeit, ein Kloster, das der Mutter Gottes geweiht war. Auf dem Hauptaltar der Klosterkirche befand sich ein Gnadenbild der Mutter Maria. Aufrecht stand sie da mit gesenkten Augen und gefalteten Händen, als betete sie immerwährend. Von weither pilgerten leidgeprüfte Menschen zu dem Gnadenbild, und Wunder ohne Zahl ereigneten sich dort an heiliger Stätte. Jahrhunderte war das so.

 

Einmal kam dann ein Krieg über das Land. Das Kloster wurde zerstört, die Wallfahrtskirche verwüstet, und einer der Soldaten war so roh, dass er mit dem Schwert der Muttergottes beide Hände abschlug. Seit jener Zeit steht das Gnadenbild verstümmelt auf dem Altar, und Wunder ereignen sich dort keine mehr. Es scheint, dass die Muttergottes deswegen keine Wunder mehr vom Himmel erflehen kann, weil sie keine Hände mehr hat, um zu beten.

Nun wird die Legende noch schöner, denn sie berichtet weiter:

 

Wenn einmal vor dem verstümmelten Gnadenbild ein Mensch knien wird, dessen Hände so sündenrein sind, dass er sie der Muttergottes als Ersatz für die ihrigen anbieten kann, dann werden wieder Wunder geschehen an der heiligen Stätte.

 

Schön und sinnreich ist diese Legende fürwahr.

 

Worin besteht demnach die schönste und beste Maiandacht?

 

Darin besteht die schönste und beste Maiandacht, dass man mit sündenreinen Händen betet. Wo ein Mensch, vor allem ein Kind, mit sündenreinen Händen betet, da geschehen auch heute noch Wunder. Wer mit sündenreinen Händen betet, wird erhört.

 

Das ist übrigens auch leicht zu verstehen, denn kann Maria auf die Hände achten, die ihren liebsten Sohn, den göttlichen Heiland, durch die lässliche Sünde stoßen und schlagen oder die ihn gar durch die schwere Sünde ans Kreuz heften? Zwar verlässt die gute Himmelsmutter auch die schlimmsten Sünder nicht, wenn sie sich voll Vertrauen an sie wenden, aber nach Gottes Anordnung kann sie ihnen nur die Gnade der Bekehrung verschaffen, sonst nichts. Wer dagegen von ihr, der gütigen Mutter der Barmherzigkeit, mehr erhalten will, der muss die Sünde meiden, und je sündenreiner er dann ist, desto mehr ist ihm die Himmelsmutter gut.

 

Vom Titel Marias

 

Wenn man jemand anspricht, sollte man ihm zuerst den Titel geben, der ihm gebührt. Wenn also zum Beispiel jemand zum Arzt gehen muss, sollte er nicht zu ihm sagen: "Sie, untersuchen Sie mich, ich bin krank." Würde er so sprechen, so wäre das ein Zeichen von mangelhafter Bildung und von Unhöflichkeit. Er sollte vielmehr dem Arzt bei der Begrüßung den Titel geben; er sollte sagen: "Herr Doktor, untersuchen Sie mich bitte, ich bin krank." Ähnlich verhält es sich auch Gott gegenüber; auch Gott dem Herrn sollten wir, wenn wir ihn beim Gebet ansprechen, zuerst den Titel geben. Daher hat uns Christus gelehrt, das Gebet anzufangen mit den Worten: "Vater unser im Himmel." Wir sprechen Gott an mit dem liebevollen Wort "Vater". Auch Maria, der Mutter Jesu, sollten wir, wenn wir sie um ihre Fürbitte bei Gott bitten, zuerst den Titel geben, der ihr gebührt. Und der eigentliche Titel, der Maria gebührt, ist der Titel "Mutter Gottes" oder "Gottesgebärerin". Daher beten wir im Ave Maria: "Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder..." Am Wallfahrtsort zu Loreto in Italien pflegte man seit jeher der Mutter Gottes, wenn man sie inständig um ihre Fürbitte anrief, noch viele andere schöne Titel beizulegen, die jetzt auch in der Lauretanischen Litanei und in unseren Maiandachten vorkommen.

 

Matthias Hergert