Heilige des Tages

Man kann die Taten der Heiligen und der Martyrer nicht lesen, ohne im Innersten angerührt zu werden. Sie sind unsere Vorbilder. Die Menschen, die einen anderen Weg gehen, als den der Heiligkeit und der Nachfolge Christi, sind schnell verzweifelt und ohne Hoffnung. Es gibt keinen Mittelweg für die Ewigkeit! Es gibt entweder die Glückseligkeit oder die Unglückseligkeit. Die Glückseligkeit ist der Lohn der Nachfolge Jesu und Mariä und aller Heiligen, die Unglückseligkeit der Lohn der Sünde und Lauheit. Wer auf Erden sich um Heiligkeit bemüht, wird zu der Zahl der Heiligen im Himmel dazugerechnet. Ich werde demnach in der Ewigkeit sein, der ich im Leben gewesen bin. Und für die Wahrheit dieser Gedanken steht eine Wolke von unendlich vielen Zeuginnen und Zeugen.
Matthias Hergert
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4. Oktober
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Der heilige Franziskus Bernardone von Assisi,
Diakon, Ordensstifter,
+ 4.10.1226 - Fest: 4. Oktober
Wie war die Jugend des heiligen Franziskus? Dass das einzige Kind des reichen Kaufmanns Bernardone ebenfalls Kaufmann wird, war für den Vater eine ganz klare Sache. Zumal sich der Sohn durch eine angeborene ungezwungene Liebenswürdigkeit im Umgang mit Menschen für den Kaufmannsstand sehr gut eignete. So stand der junge Franz Bernardone hinter dem Ladentisch, ging mit Maß und Schere um, verkaufte Nähgarn, Samt und Seide. Aber sein Herz war von all dem weit entfernt, denn nicht Arbeit und Verdienst lockten ihn, ihn zog es vielmehr mit allen Sinnen, mit Auge und Ohr und Herz, zum Leben und zur Lust. So verlief für Franz Bernardone die Jugendzeit.
Dann kam eine andere Zeit für ihn, die war überreich an Freuden. Da kleidete sich der Kaufmannssohn von Assisi prächtig und prunkvoll. Um Freunde brauchte er nicht besorgt zu sein, denn viele kamen, weil seine Tasche immer mit Geld gefüllt war. Mit einer Gitarre im Arm und mit einem Lied auf den Lippen zogen sie scherzend und lachend über die Berge. Die Abende verbrachten sie bei Wein und Tanz in den Schenken der Weingärten. Die Eltern drückten beide Augen zu, denn sie freuten sich, dass der Sohn wie ein König unter den Gleichaltrigen geehrt wurde. Bemerkenswert ist es, dass sich Franz bei aller Lust am Feiern, mit der er das Leben in vollen Zügen genoss, der Armen annahm und sie reich beschenkte. Schön wie ein Lied war für Franz Bernardone dieses Leben.
Aber schon früh änderte sich sein Leben. Schwere Krankheit und kurze Kriegsgefangenschaft bildeten den Anfang. Von Äußerlichkeiten, von Spiel und Zeitvertreib, flüchtete sich der junge Mann in die Einsamkeit zum Gebet vor den stillen Kapellen an den Wegen und in den Weinbergen. Und als er einmal vor einem Kreuzbild in einem zerfallenen Gotteshaus kniete, glaubte er die Stimme des Gekreuzigten zu hören, der ihn aufforderte, die einstürzende Kirche wieder aufzubauen. Der Auftrag war bildlich gemeint, denn Franz hat später durch seinen Orden die Kirche Gottes auf Erden vor dem Zerfall gerettet. Im Augenblick verstand er aber den Befehl jedoch wörtlich. Mit eigener Hand trug er Steine und Mörtel herbei, um das Kirchlein draußen vor den Toren Assisis wiederaufzurichten. Und das Geld, das er für den Kirchbau brauchte, holte er sich aus der reichen Kasse daheim. Als ihn der Vater daraufhin enterbte, gab ihm der Sohn auch die Kleider zurück, die er am Leib trug, und zog die Lumpen an, die ihm ein Bettler schenkte. Nun stand Franz Bernardone, bisher der Liebling aller, im Gelächter aller.
Am 24. Februar 1208 hörte Bernardone bei einer Verlesung des Evangeliums jene Stelle, in der Jesus seine Jünger mahnt, dass sie weder Gold noch Silber noch zwei Röcke noch Schuhe noch Stab besitzen sollten. Wieder verstand Franz die Worte wörtlich. In der gleichen Stunde vermählte er sich mit der Armut um Christi willen. Bettelarm wurde er und nannte sich ab jetzt Bruder Franziskus, der die Sterne und die Blumen und die Tiere und alle Menschen, die Armen besonders, seine lieben Brüder und Schwestern nannte.
Doch aus dem scheinbar dürren Stamm zu Assisi keimte und wuchs neues Leben. Durch sein Beispiel zog der Heilige Männer und Frauen an. Drei Orden, die größten, die es je gegeben hat, bildeten sich, aus denen im Laufe der Zeit noch viele andere entstanden, so dass der Baum, der Franziskus ist, heute schon siebenhundertfünfzig Jahre lang die Kirche Christi auf der Erde stützt.
Angelus über Assisi
(Aus: „Tiere unterm Regenbogen“, Aloysius Roche, Berlin 1954)
Bis jetzt hat noch keiner der Weisen dieser Welt uns mitgeteilt, wie viel Vögel es auf der Erde gibt; das ist fast merkwürdig, wenn wir bedenken, was alles berechnet wird! Aber die Vögel warten noch auf ihren Rechenmeister. Sind sie zum Beispiel zahlreicher als wir Menschen? Wir wissen wohl, dass es „ziemlich viele sind“, wie einmal ein Kind sagte. Das Wunderbare daran ist, wie alle die Vögel zu ihrem Futter kommen, - besonders zur Winterszeit.
Vor langer Zeit lebte in Italien ein Mann, der sich über diese und ähnliche Dinge seine Gedanken machte. Sein Kopf war voll von ganz großen Plänen zur „Vogelfrage“, - einer davon war folgender: Der Kaiser sollte ein Gesetz erlassen, das alle Bürgermeister und die verschiedenen Verwaltungen verpflichtete, die Wege entlang Vogelfutter streuen zu lassen, besonders zu Weihnachten. Zugegeben, manche seiner Einfälle – so auch dieser – waren recht poetisch, aber diese Art Poesie verwandelt sich manchmal früher oder später in Prosa – und die Welt, in der wir leben, wird dann ein wenig besser. Das Streusystem die Wege entlang hat sich zwar nicht durchgesetzt, aber ein bescheidener Plan wurde Wirklichkeit. Tatsächlich funktioniert er nun schon seit mehr als 750 Jahren.
Wir sprechen natürlich vom heiligen Franz. Er liebte sein Assisi mehr als jeden anderen Ort auf Erden. Mit das letzte, was er sich erbat, ehe es mit ihm zu Ende ging, war: man möchte ihn doch auf seiner Bahre, auf der man ihn trug, ein wenig aufrichten, damit er die geliebte kleine Stadt segnen könnte. Vielleicht hat er gehofft, sie könnte für alle Städte ein Beispiel werden. Jedenfalls aber ließ er ihre Einwohner versprechen, für die hungrige Vogelwelt zu sorgen. Und da er wusste, dass Versprechungen nicht etwas besonders Stabiles sind, richtete er einen festen Brauch ein.
„Meine lieben Freunde, ihr wisst wohl, was für eine Menge Esswaren ihr alle täglich verkommen lasst, - man kann das wohl nicht ändern, Brot wird eben hart, und man kann es dann nicht mehr essen. Aber denkt an unsere kleinen Geschwister, die Vögelchen, wie froh sie wären, wenn sie dieses Brot hätten! Ich möchte, dass ihr jeden Abend eure Krümel und Bröckchen auf den Marktplatz bringt, und zwar, wenn der Angelus geläutet wird. Tut das doch und lasst niemals davon ab. Die Jungen werden es von den Alten lernen, und so wird diese gute Tat bis zum Ende der Zeiten weiterdauern.“
In vielen Ländern ist das Angelus-Läuten um 6, um 12 und um 18 Uhr eine sehr vertraute Sache. Früher läutete es nur zum Tagesende und sollte das Volk daran erinnern, dass vor langer Zeit unser Erlöser Einer von uns wurde. Die Glocke selber hieß häufig „Gabriels Glocke“, manchmal stand sogar des Engels Name drauf, etwa so: „Ich bin wie Honig süß und heiße Gabriel“ oder: „Hört, diese Glocke tönt vom treuen Gabriel“ oder: „Ich trage Gabriels Namen, der vom Himmel gesandt ward.“
Um es kurz zu machen: das Volk von Assisi tat, wie im geheißen wurde, und in kürzester Zeit entdeckten die Vögel, dass diese Abendglocke für sie Krümel, Berge köstlicher Krümel bedeutete. Sobald sie den ersten Glockenschlag hörten, kamen sie zum Markt. Die Stadt liegt hoch wie ein Adlernest, und so konnte man den Kling-Klang meilenweit hören, bis in die umbrische Ebene hinein. Er zog immer mehr und mehr Vögel an. Und genau so, wie die Einwohner der Stadt diese gute Übung an ihre Kinder weitergaben, so machten es auch die Vögel: sie brachten ihren Kindern diese Futterzeit bei. So haben denn Einwohner und Vögel seit dem dreizehnten Jahrhundert an diesem Brauch festgehalten.
Diese Erscheinung, so bemerkenswert sie ist, ist aber kein Wunder. Vögel gewöhnen sich rasch an eine Futterstelle und auch an bestimmte Zeiten. Und wie es scheint können sie sich auch darüber untereinander verständigen, denn bei schlechtem Wetter finden zum Beispiel Möwen in Not ihren Weg zu den merkwürdigsten Hintertüren, wo die Brocken für sie liegen, die sie nötig haben. Und was Glocken angeht, so gab es vor wenigen Jahren in Essex ein Pferd auf einer Weide, das immer zum Zaun getrabt kam, wenn die Glocke zur Messe läutete. Es wusste aus Erfahrung, dass dann in kurzer Zeit etwas zu erwarten war.
Jedenfalls vergaßen die Vögel von Assisi ihren Wohltäter nicht. Als es zum Sterben kam, flogen seine besonderen Lieblinge, die Haubenlerchen, in Scharen über dem Ort, wo er lag, als ob sie noch seiner scheidenden Seele Ehre antun wollten.
Der selige Franz Xaver Seelos, Redemptoristenordenspriester,
Missionar in den USA, + 4.10.1867 – Gedenktag: 4. Oktober
Wo die bayerischen Alpenberge wie gewaltige Finger zum Himmel weisen, im Städtchen Füssen, wurde am 11. Januar 1819 einem braven Pfarrmesner ein Söhnlein geschenkt, das sechste von zwölf Kindern, das den Namen des großen Indien-Apostels Franz Xaver erhielt. Seinem heiligen Namenspatron würdig nachstrebend, sollte dieses Gotteskind auch einst über das weite Meer in die Fremde fahren, um in Nordamerika unter den vielen eingewanderten katholischen Deutschen zu missionieren.
Auf Veranlassung und mit Beihilfe eines Füssener Geistlichen kam Xaver zum Studieren nach Augsburg und später auf die Universität nach München. Nach reiflicher Prüfung hatte er sich für den Priesterstand entschieden, ja seine Sehnsucht ging dahin Missionar zu werden. Verriet dieser Entschluss schon seinen großen Starkmut, so noch mehr die Art seiner Ausführung. In den letzten Ferien, die Xaver bei den Seinigen zubrachte, sprach er mit seinem Vater nur auf ganz allgemeine Weise über sein Vorhaben und konnte leicht herausfinden, dass jener mit einem solchen Schritt ganz einverstanden wäre. Obwohl er nun wusste, dass sein Aufnahmegesuch in die Kongregation der Redemptoristen bald ankommen werde, ließ er doch kein Wort darüber vor seinen Eltern, seinen Brüdern und Schwestern verlauten. Herzlich nahm er Abschied von ihnen; er sah keines je wieder. Ins Seminar in Dillingen eingetreten, erhielt er nach kaum einem Monat die Anweisung für die amerikanischen Missionen. Ohne mehr die Seinigen zu besuchen, was er noch hätte leicht tun können, reiste Seelos von der Stätte der lieben Mutter Gottes in Altötting aus, wo die Redemptoristen damals eine Niederlassung hatten, geradewegs über Paris, Le Havre und den weiten Ozean nach Baltimore ins Noviziat. Und doch war Franz Xaver während seines ganzen Lebens seinen Familienangehörigen mit besonderer Liebe zugetan, wie dies aus seinen Briefen hervorgeht. Als er später einmal gefragt wurde, ob er nicht einmal sein Vaterland wieder besuchen möchte, gab er die eines Dieners Gottes würdige Antwort: „Nein, solange ich noch ein Kreuz in Amerika finde.“
Mit ganzer Seele erfasste der gottbegeisterte junge Mann die Aufgabe des Noviziates: „Völlige Wiedergeburt des inneren Menschen nach dem Vorbild Jesu Christi, unseres Stifters und Erlösers.“ Am 22. Dezember 1844 zum Priester geweiht, gehörte er nun nicht mehr sich, sondern Gott und den Mitmenschen. Voll Sammlung und Andachtsglut am Altar, war er der verkörperte Eifer im Beichtstuhl, am Krankenbett, in allen Zweigen der pfarrlichen Seelsorge, in der er zuerst verwendet wurde. In der bevölkerungsreichen Stadt Pittsburgh stand er unter dem ehrwürdigen Pater Neumann, der später Bischof von Philadelphia wurde, während ihm Pater Josef Müller aus Dinkelsbühl in Bayern, der sich schon als Kaplan in Aichach und Augsburg große Verdienste erworben hatte, zur Seite stand. Drei heiligmäßige Männer wirkten hier zusammen, um eine riesengroße Aufgabe unter harten Entbehrungen zu bewältigen. Aber Arbeit und Entbehrung war ihm gerade lieb. Nach dem Beispiel seines heiligen Ordensstifters schätzte er jede Minute Zeit hoch ein. Gebet, Studium und Arbeit wechselten einander ab. Er wollte sich nicht immer in Arbeiten nach außen ergießen, um schließlich innerlich selber zu vertrocknen. „Wie gerne möchte ich das Geschäft der Maria üben,“ schrieb er einmal, „in stiller Zurückgezogenheit zu den Füßen des Herrn . . . Doch da ruft nicht bloß eine Martha um Beistand und Hilfe, nein, da kommen Weiße und Schwarze, Deutsche und Engländer, Hausgenossen und Auswärtige, Geistliche und Weltliche, Vornehme und Arme usw. Die einen wollen dies, die einen das. Ruhe gibt es keine.“
Mit ganzer Seele war Pater Seelos Redemptorist. Für seine teure Kongregation opferte er alles. Mehrmals war er Oberer, Novizenmeister und auch Studentenpräfekt. „O es ist schön, im Orden zu leben, aber noch schöner, darin zu sterben.“ Wie sehr man ihn liebte und seine Kraft schätzte, ersehen wir aus einem merkwürdigen Vorgang. Als er einmal spät in der Nacht aus dem Beichtstuhl kam, zersprang ihm ein Blutgefäß und ein starker Strom Blutes ergoss sich aus seinem Mund. Da bot sein Beichtvater, Pater Poirier, Gott dem Herrn sein Leben für das des teuren Pater Seelos an, und der Herr erhörte augenscheinlich diese heroische Bitte. Pater Poirier starb nach etlichen Tagen und Seelos erholte sich wieder.
Im Regelbuch der Redemptoristen heißt es: „Die heiligen Missionen sind nichts anderes als eine fortgesetzte Erlösung, die der Sohn Gottes unablässig mittels seiner Diener hier auf Erden vollbringt.“ Daher war Pater Seelos mit vollster Hingabe „Gehilfe, Genosse und Mitarbeiter Jesu Christi“ an dem großen Werk der Erlösung. Besonders in den Jahren 1863-1866 wirkte er als Missionsoberer, ein Amt, das hohe Anforderungen stellt. In seiner Demut hielt er sich freilich nie dafür geeignet, hatte aber wohl gerade deshalb große Erfolge. Überall galt er dem Volk als „Heiliger“. So hatte man ihn schon vorher in Pittsburgh genannt. In Baltimore kam es vor, dass eines Tages ein kleines Mädchen dem Diener Gottes auf der Straße nachging und in seine Fußstapfen zu treten suchte in der Überzeugung, dass es ihm großen Segen bringen werde. Die Tat des treuherzigen Kindes spiegelt die Anschauung des Volkes wider.
Einst kam ein Mann auf Krücken zum Diener Gottes und bat ihn, dass er seinen gelähmten Gliedern die Kraft wieder gebe. Der Pater widersprach, dass er doch diese Macht nicht besitze. Da warf der Mann seine Krücken weg und erklärte, er werde das Haus nicht verlassen, bis er ihn geheilt habe. Als Pater Seelos diesen Glauben sah, betete er über den Gelähmten und er wurde wirklich geheilt. Ein Mann, namens Sell, war vom Gerüst gefallen und hatte sich so schwer verletzt, dass drei Ärzte ihn für hoffnungslos verloren erklärten. Die Rippen der rechten Seite waren gebrochen, die linke wies eine tiefe Wunde auf; dazu kamen innere Verletzungen. Nach einigen Tagen fühlte denn auch der arme Mann, dass er jetzt sterben müsse. Er seufzte bitterlich, dass er nun seinen Kindern nicht mehr Vater sein könne. Dem Diener Gottes ging das zu Herzen. Er ließ die Kinder um das Bett des leidenden Vaters knien und er selbst betete mit so inbrünstigen Worten um die Gesundheit des Mannes, dass alle in Tränen ausbrachen. Dann sprach er mit aller Bestimmtheit zum Kranken: „Herr Sell, Sie werden diesmal noch nicht sterben, sondern wieder gesund werden und arbeiten können.“ So geschah es. Er wurde allmählich gesund und lebte noch neun Jahre.
Das Urteil und die Verehrung des Volkes für Pater Seelos sprach nach seinem Tod auch die Baltimorer Volkszeitung in den Worten aus: „Der Orden der Redemptoristen hat an ihm eine seiner schönsten Zierden, die Katholiken einen ihrer eifrigsten Missionare, die Kirche einen musterhaften Priester verloren, der Himmel aber einen Heiligen, einen Martyrer gewonnen. Liebe, Milde, Frömmigkeit sprachen aus seinen Zügen und seine Predigten und Ermahnungen im Beichtstuhl erzwangen sich Gehorsam gerade durch Liebe und Güte. Er war in der Tat ein Mann, der durch seine Herzensgüte, durch seine aufrichtige Teilnahme für alle Bedrängten, seine Einfachheit und Herablassung sich die Herzen aller erwarb.“
Nicht anders urteilten auch die Bischöfe. Als Bischof O`Connor von Pittsburgh sein bischöfliches Amt niederlegen wollte, um in den Jesuitenorden einzutreten, empfahl er dem Heiligen Stuhl den Pater Seelos als den Würdigsten zum Nachfolger. Gerade bei dieser Gelegenheit erwies sich die vollkommene Tugend des Dieners Gottes. Noch hatte er von diesem Plan des Oberhirten keine Kenntnis, da hörte er beim Abbeten des Kreuzwegs merkwürdigerweise eine Stimme, die zu wiederholten Malen rief: „Man will dich zum Bischof machen.“ Er sah darin einen Fallstrick des bösen Feindes, der ihn zum Stolz versuchen möchte, weshalb er der Stimme gebot: „Pack dich fort! Schweige!“ Als dann kurz darauf die Nachricht kam, dass auf Wahrheit beruhe, was er auf so eigentümliche Weise gehört hatte, da betete er inständig, ließ auch in seiner Gemeinde und in anderen Kommunitäten beten und schrieb deshalb an den Generaloberen, dass er seine Ernennung verhindern wolle, da er zu einem solchen Amt ganz und gar unfähig sei. Der Generalobere bewahrte ihn auch vor dem bischöflichen Amt.
Im Spätherbst 1866 wurde Franz Xaver Seelos für New-Orleans bestimmt, das wegen des gelben Fiebers gefürchtet war. Obwohl noch im kräftigsten Mannesalter, ahnte er seinen nahen Tod, wie er dies einem Mitbruder gegenüber äußerte. Zu den vielen Opfern des Fiebers im Herbst 1867 zählten zwei Priester und zwei Laienbrüder der Kongregation, darunter auch Pater Seelos. Die außerordentlich großen Schmerzen seiner Krankheit ertrug er in aller Geduld und mit immer gleichbleibender Heiterkeit und Freundlichkeit. Schon lag der Diener Gottes ohne Bewusstsein da, als Gott noch einen Beweis für seine Heiligkeit geben wollte. Pater Duffy, der schon vor Jahren an einer unheilbaren Wunde am Knie erkrankt war, fühlte, von einem nächtlichen Krankenbesuch heimkehrend, das böse Übel am Knie mit einer plötzlichen Schwäche neuerdings ausbrechen. Der vielen Kranken wegen, die zu versehen waren, sehr darüber betrübt, schleppte er sich in das Zimmer des Sterbenden, kniete am Bett nieder und bat Gott inständig, ihm durch die Verdienste des Dieners Gottes die Gesundheit wieder zu schenken. Augenblicklich wurde sein Gebet erhört; das kranke Knie war geheilt. Am 4. Oktober, am Tag des heiligen Franziskus von Assisi, im Jahr 1867, entschlief der treue Ordensmann, um für ewig im Frieden zu ruhen.
Die Demut nennt der heilige Gregor die Lehrerin und Mutter der Heiligkeit und Hieronymus die erste Tugend des Christen, die alle anderen im Gefolge hat. „Was werde ich einmal, urteilt Pater Seelos über sich selbst, für ein Gericht zu bestehen haben vor einer Menschenmenge, die mich für einen Heiligen hält. Ich will doch kein Heuchler sein; aber bis jetzt habe ich noch keinen gefunden, der mir glauben will, dass ich der elendeste Mensch sei.“
Pater Petrus von der Mutter Gottes
Gedenktage und Lebensskizzen hervorragender
Mitglieder des Karmelitenordens
Am 4. Oktober 1683 endete zu Leiden in Holland ein verdienter Missionar des Ordens sein tatenreiches Leben. Der lobwürdige Pater Petrus von der Mutter Gottes, Abraham Bert, geboren am 15. März 1610, war ein Sohn des Regens im theologischen Kollegium zu Leiden, der von einem argen Augenübel befallen, das Gelübde machte, zur katholischen Kirche überzutreten, wenn ihn die heilige Genoveva davon befreie. Glücklich geheilt, zögerte er nicht, sein Gelübde zu erfüllen. Bereits ein Jahr darauf folgte die Gemahlin mit den drei Kindern seinem Beispiel. Abraham trat im Jahr 1627 zu Charenton in den Orden der Unbeschuhten Karmeliten. 27 Jahre lebte er in seiner Ordensprovinz, bis ihn im Jahr 1654 die Einladung seines Bruders und der Auftrag des Heiligen Vaters nach Leiden in Holland berief. Mit größtem Eifer wirkte er daselbst und in Amsterdam, wo er ebenfalls die Gründung einer Missionsstation des Ordens vorbereitete, wie ein Apostel. Der Herr verlieh seinen Missionsarbeiten ein so reichliches Gedeihen, dass die anfänglich kleine Gemeinde von nur 200 - 300 Seelen bis zum Jahr 1668 auf 1000 Kommunikanten wuchs. Gott weiß, unter welchen Beschwerden Pater Petrus dies zustande brachte. Mehrmals schwebte er geradezu in Lebensgefahr und vermochte sich nur durch List zu retten, indem er sich verkleidete und im Gewand des ärmsten seiner Bauern die fahndenden Häscher täuschte. Eine stattliche Reihe gediegener Schriften, deren Verfasser Pater Petrus war, beweist heutzutage noch, welch klaren, regen und fruchtbaren Geistes er war und wie emsig er jeden Augenblick ausnützte, um durch sie Abwesende zu belehren und auch noch nach seinem Tod Nutzen zu stiften. So eifrig er übrigens im Weinberg des Herrn arbeitete, so gewissenhaft erwies er sich in Beobachtung der Ordensvorschriften. Obschon er in der Welt leben musste und manches nur schwer beobachten konnte, erbaute er doch die ihm unterstellten Christen nicht bloß durch die Übung der gewöhnlichen priesterlichen Tugenden. Er beobachtete auch die Enthaltung von Fleischspeisen und das Abbruchsfasten nach Vorschrift des heiligen Ordens, gleich als wenn er in einem geordneten Kloster gelebt hätte. Er hielt seine Gebetsstunden genauestens ein, ruhte stets nur auf dem durch die Satzungen vorgeschriebenen, harten Lager, einem Bett mit zwei wollenen Decken, und hielt treu an allen übrigen Vorschriften des heiligen Ordens fest, wie uns der Bericht des Generalvisitators an die Generaloberen erzählt.
Gebet am 4. Oktober
Maria, du Fürstin der Engel! Von dir sagt die Schrift: "Bei mir ist Reichtum und Ehre, bei mir sind unvergängliche Güter, damit ich reich mache, die mich lieben." Träufele einige Tropfen Gnade aus dem reichen Born deiner Hilfe auf uns Arme, entferne unser Elend, bereichere unsere Dürftigkeit und lass uns, die wir uns deinem heiligen Thron nähern, nicht leer ausgehen. Arm an Tugenden und Verdiensten haben wir jetzt und später deinem göttlichen Sohn nichts zu bieten, nichts aufzuweisen, das eines ewigen Lohnes wert wäre, wenn du nicht aus der Fülle deines Reichtums uns mitteilst, dass wir zunehmen an guten Werken und so der einstigen Herrlichkeit würdig werden. Ja, hilf du uns zum Genuss des unvergänglichen Gutes himmlischer Seligkeit. Amen.
Zu Gott
O Gott, der Du dem heiligen Franziskus die Gnade gegeben hast, alles Irdische zu verachten, verleihe uns, dass wir nach seinem Beispiel nur nach dem Himmlischen trachten, durch Jesus Christus, unseren Herrn. Amen.
Andenken an die seligste Jungfrau
An diesem Tag im Jahr 1626 hat Papst Urban VIII. zu Rom den ersten Stein zu der Kapuzinerkirche gelegt, die unter dem Titel "der seligsten Jungfrau" auferbaut worden ist.
Die Andacht des heiligen Franziskus zur seligsten Jungfrau mag man besonders aus der besonderen Neigung erkennen, die er zu dem Kirchlein Portiunkula oder der "heiligen Maria von den Engeln" im Leben und im Tod gezeigt hat.
Andacht am 4. Oktober:
Das Thema im Oktober:
Vertrauen
"Habt Vertrauen." (Markus 6,50)
"Wir sind doch gewiss überzeugt, dass die Wahrheiten des Glaubens uns nicht irreführen können; und trotzdem handeln wir so, als wären wir hiervon nicht überzeugt. Mehr hören wir, was die menschliche Klugheit, als was der Glaube uns rät. Daher kommt denn auch unser geringer Fortgang in den Tugenden, sowie nicht weniger der geringe Erfolg in den Geschäften für Gottes Ehre." (Der heilige Vinzenz von Paul)
Der heilige Einsiedler Antonius und der heilige Franz von Assisi gelangten nur darum zu einer so hohen Vollkommenheit, weil sie den Rat des Evangeliums befolgten: "Wenn du vollkommen sein willst, so verkaufe, was du hast und folge Mir nach!"
Als der heilige Joseph Benedikt Labre in seinem Innern fühlte, dass der Herr ihn zu einem verachteten, armen und strengen Leben berief, sprach er: "Alles kann ich in Dem, der mich kräftigt!" Da seine Mutter, die ihn zärtlich liebte, sah, dass ihr Sohn so oft fastete, ganze Nächte auf harten Brettern schlief, statt sich ins Bett zu legen, und ungeachtet seiner zarten Jugend viele Werke strenger Abtötung übte, stellte sie ihm mit mütterlichem Zartgefühl vor, dass derlei Bußübungen seiner Gesundheit nachteilig sein müssten. Hierauf antwortete der fromme junge Mann mit wenig Worten: "Gott beruft mich zu einem strengen und bußfertigen Leben; ich muss wohl einmal anfangen, den Weg Gottes zu betreten!" Kurze Zeit darauf bat er sie um die Erlaubnis, das väterliche Haus zu verlassen, seinem Beruf zur Buße zu folgen. Sie aber weigerte sich, in seine Abreise einzuwilligen, und sagte ihm, es würde ihm an Mitteln zu seinem Unterhalt fehlen. Hierauf gab er ihr eine Antwort, aus der sein Mut deutlich hervorglänzte. "Liebe Mutter," sprach er, "ich werde mit den Kräutern und Wurzeln der alten Einsiedler mich behelfen; denn mit Gottes Gnade können wir auch jetzt noch leben wie sie." Er gehorchte also der Gnade und lebte vom Glauben. Und hat er etwa nun Ursache, es zu bereuen?
Lass mich, o Gott, in allen Dingen dem Glauben um Rat fragen; und verleihe mir, dass ich vom Glauben lebe! Alles will ich tun, was Du von mir verlangst; und hoffen will ich auf Deine Hilfe! Amen.
Ein Gedanke heiliger Dominikaner am 4. Oktober
"Beseitigt einmal die blinde Ansicht der Welt.
Was ist das Gold?
Was ist das Silber?
Ein weißer und ein gelber Staub,
dessen ganzer Wert auf den törichten Vorurteilen der Menschen beruht."
hl. Ludwig von Granada OP
1504 bis 31.12.1588
Betrachtung am 4. Oktober - Der heilige Franz von Assisi
Franziskus, der mit Siegeswunden prangt,
Hat als ein Held das Himmelreich erworben;
Denn starke Siege hat das Heer erlangt,
Das er geführt, ob auch sich selbst erstorben.
1. Der heilige Franz von Assisi war nicht nur abgetötet, sondern erstorben, ja er war gekreuzigt, und trug die Wundmale des Herrn an seinem Leib. Das arme Leben Jesu Christi nachzuahmen war er so arm, dass es ihm sogar am Notwendigsten fehlte. Er verachtete alle weltliche Ehre so sehr, dass er sich selbst der Verachtung preisgab. Sein Verlangen aber, für Jesus zu leiden, war unersättlich. Er war ein lebendiges Bild des Erlösers, und gleichsam selbst ein Erlöser, da er zahllose Sünder bekehrte. Wie ahmst du das Leben Jesu nach? Liebe mindestens die Armen hilfreich, wenn du die Armut nicht lieben kannst. Suche keine andere Ehre, als den Ruhm eines guten Gewissens, und präge durch andächtige Betrachtung des Leidens deines Herrn seine heiligen Wundmale wenigstens deinem Herzen ein.
2. Der lebendige Eifer dieses großen Heiligen trieb ihn an, die drei Hauptfeinde der Kirche, die Götzendiener, die Häretiker und die schlechten Katholiken, zu bekämpfen. Er stiftete einen heiligen Orden, die Lehre der Kirche gegen ihre abtrünnigen und ungläubigen Feinde zu verteidigen, und sein strenges Leben führte viele schlechte Christen zur Bekehrung. Was hast du für Gott getan? Wie verteidigst du deinen Glauben? Wie willst du überzeugen, dass man die Verachtung liebt, wenn du ehrsüchtig bist, - dass man den Reichtum verachtet, wenn du geizig bist, - dass man das Leiden umfangen muss, wenn du weichlich und sinnlich bist?
3. Viele himmlische Kronen erwarb der heilige Franziskus. Seine jungfräuliche Keuschheit erwarb ihm die Krone der Jungfrauen, seine wunderbare Buße die Krone der Büßer, sein heiliges, eifriges Leben die Krone der Bekenner, seine seraphische Liebe die Krone der Märtyrer. Denn ohne von den übernatürlichen Schmerzen zu sprechen, die er durch die Wundmale des gekreuzigten Heilandes in seinen letzten Jahren bis zu seinem Tod erlitt, schiffte er nach Syrien, den Sultan zu bekehren, oder als Märtyrer zu sterben. Welche Krone wirst du durch dein Leben verdienen? Bedenke, dass niemand gekrönt wird, der nicht rechtmäßig gestritten hat. Galater 5,24: "Alle, die zu Christus Jesus gehören, haben das Fleisch und damit ihre Leidenschaften und Begierden gekreuzigt."

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Die heilige Kümmernis
Im Mittelalter war St. Kümmernis (auch St. Wilgefort genannt) eine hochverehrte Heilige in Südtirol, zu der die Gläubigen mit allen geistigen und leiblichen Nöten (Kümmernissen) kamen, besonders Liebende nahmen gerne ihre Hilfe in Anspruch.
Legende: St. Kümmernis war die Tochter eines heidnischen Königs von Sizilien. Sie bekehrte sich zum christlichen Glauben. Der Vater wollte sie mit einem heidnischen König verheiraten, doch die Heilige weigerte sich. Darauf ließ der Vater in den Kerker werfen und mit glühenden Zangen peinigen um sie umzustimmen. Doch St. Kümmernis bat Jesus, er möge sie so verunstalten, dass kein Mann sie zur Ehe begehre. Jesus erhörte sie und gab ihr das Aussehen eines Mannes. Der Vater, der darob erzürnt war, ließ sie mit einem elenden Rock bekleidet ans Kreuz schlagen. St. Kümmernis lobte Gott und predigte drei Tage lang vom Kreuz das Christentum, so dass sich sogar ihr Vater bekehrte. Zur Sühne baute er eine Kirche und ließ darin das Bild seiner Tochter aufstellen.
Gebet
zur heiligen Jungfrau und Martyrin Wilgefort oder Kümmernis
in einem besonderen Anliegen zu sprechen (18. Jahrhundert)
O du glorwürdige Martyrin und auserwählte Gespons Jesu Christi, heilige Kümmernis! mit großem Vertrauen fliehe ich zu dir, und mit herzlicher Andacht rufe ich dich um deine Hilfe und Fürbitte an. Du weißt und siehst in Gott, in was für einem großen Anliegen ich stecke, und wie mein betrübtes Herz mit so viel Qual und Kümmernis erfüllt ist. Dieses mein großes Herzeleid lege ich vor deinem Kreuze nieder, und bitte, du wollest es mit gnädigen Augen ansehen, und die Betrübnis lindern. Du kannst mich gar leicht von dieser meiner Qual erretten, weil dir dein liebster Bräutigam Jesus Christus keine billige Bitte zu versagen versprochen hat; denn, als du am Kreuz hangend ihn batest, dass er alle Notleidende, die deine Marter ehren, und dich um deine Fürbitte anrufen werden, von ihren innerlichen und äußerlichen Anliegen und Betrübnissen erretten wolle, hat er deine Bitte erhört, und dein Begehren durch eine himmlische Stimme bekräftigt. Eja dann, o liebe heilige Kümmernis! ich bitte dich, durch deine heilige Jungfrauschaft, durch dein heiliges tugendhaftes Leben, und durch deine schmerzliche Annagelung an das Kreuz, erhöre meine demütige Bitte, und tröste mich in meiner großen Betrübnis; ich werde nicht nachlassen zu dir zu seufzen, und dich mit meinem ungestümen Bitten und Begehren zu plagen, bis du dich endlich meiner erbarmst, und mich von meiner Herzens-Betrübnis erledigst. Ich verspreche dir entgegen, dass ich gegen dich allzeit ein dankbares Gemüt tragen, dich lieben und ehren werde. Verlasse mich nur nicht, o meine auserwählte Patronin! sondern sende mir einen Trost, den ich von dir hoffend mich deinem Schutz und Gnade ganz und gar ergebe. Amen.
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Über die Heiligen der Kirche
Obgleich die verklärten Freunde Gottes, die wir als Heilige ehren, schon lange vorher diese Erde verlassen haben, ehe wir sie erblickten, obgleich sie zu Tausenden schon in den ersten Zeiten des Christentums den siegreichen Tod der Blutzeugen starben, einen Tod besser als alle Leben, weil er Wiedergeburt bedeutet zum wahren Leben, obgleich diese Seligen schon lange den Tag der Verherrlichung sehen, der ewig nicht aufhört und nicht wechselt: so sind wir dennoch mit ihnen in einer zwar unsichtbaren, aber engen und heiligen Verbindung. Sie sind Freunde Gottes, und wer ist ein Christusjünger, ohne ein Freund Gottes zu sein?
Sie sind Glieder des Leibes Christi – wir sind es auch!
Was die Heiligen besitzen, das erwarten wir.
Was sie nicht mehr verlieren können, können wir erlangen.
Sie schauen von Angesicht zu Angesicht, wir schauen wie in einen Spiegel.
Sie sehen und wir glauben.
Sie besitzen und wir hoffen.
Sie lieben und – was für ein schöner Gedanke! – auch wir lieben, lieben denselben Vater.
Sie lieben weil sie heilig sind, wir lieben, um heilig zu werden.
Und diese Liebe, die die Seele des gesamten Christentums ist, sie ist das starke Band, das die Kämpfer auf Erden mit den Siegern im Himmel verbindet. Darum schreibt der heilige Paulus an die Epheser: „Ihr seid Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes“.
Wir wollen an jedem Tag dem Herrn für die seinen Heiligen erwiesenen Gnaden danken. Wir wollen uns bemühen, ihre Tugenden nachzuahmen. Wir sehen von der Kirche uns vor Augen gestellt die zahllose Schar der Heiligen jeden Alters, jeden Geschlechts und jeden Standes. Vereinigen wir uns mit ihnen im Lobpreis Gottes, danken wir mit ihnen dem Herrn, dass er so mächtig seine Barmherzigkeit an ihnen und an uns erwiesen hat.
An allen Festen, die wir zu Ehren der Heiligen begehen, bezieht sich aber die höchste Verehrung immer auf Gott. Die den Heiligen erwiesene Ehre bezweckt nichts anderes, als Gott allein zu preisen, da von ihm die Heiligen all ihre Vorzüge und Tugenden erhalten haben. Und wenn wir zu ihnen beten, wollen wir nichts anderes, als dass sie beim Herrn unsere Fürsprecher sein mögen. Die Heiligen ehren, heißt also nichts anderes, als Gott in ihnen und durch sie ehren, es heißt nichts anderes, als Jesus Christus, den Gottmenschen, den Weltheiland, den König aller Heiligen, die Urquelle ihrer Heiligkeit und Herrlichkeit ehren, denn in seinem Blut haben sie ihre Gewänder gewaschen, ihm haben sie ihre Reinheit und den Glanz ihrer Herrlichkeit zu verdanken. Ihre Tugenden betrachten wir als Nachgebilde dieses göttlichen Urbildes, als Abdrücke seiner Tugenden in ihnen durch die Ausgießung seines Geistes und seiner Gnade.
Jede der an Jesus Christus hervorleuchtenden Tugenden finden wir an irgendeinem Heiligen nachgebildet: Wir bewundern
sein verborgenes Leben in der gänzlichen Weltabgeschiedenheit der Einsiedler,
seine makellose Reinheit an den Jungfrauen,
seine Geduld und Menschenliebe diesen Heiligen,
seinen Eifer an jenen Heiligen,
an allen Heiligen schließlich irgend einen Grad jener Fülle aller Tugend und Heiligkeit, die nur ihm, dem Allerheiligsten, eigen ist.
Doch nicht nur Nachgebilde des Lebens und Geistes Jesu sind die Tugenden der Heiligen, sie sind auch der Preis seines Blutes, sie sind seine Gaben, seine Gnaden. Wenn wir also die Heiligen verehren, ehren wir den Urheber alles Guten selbst, so dass man mit Recht sagen kann, alle Feste der Heiligen sind zur Ehre Gottes und besonders zur Verehrung unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus eingesetzt.
Wenn wir also die Feste der Heiligen feiern, soll unsere Andacht hauptsächlich darin bestehen, dass wir Gott loben und ihm danken für die unendliche Güte, die er so glänzend an seinen Auserwählten bewiesen hat, und dass wir uns zum Lob Gottes mit diesen seligen Himmelsbürgern vereinigen.
Wie viele heilige Frauen und Männer haben der Welt und ihren Vergnügungen entsagt, um sich ganz Gott hinzugeben. Darin schöpfen alle Dienerinnen und Diener Gottes ihre Kraft, mit der sie auf dem Glaubensweg voranschritten, darin finden sie eine übergroße Freude und auch Genuss hier und in der Ewigkeit. Zwar können auch die Heiligen nicht, Gott unausgesetzt mit Mund und Herz hier auf Erden loben, aber sie streben doch nach diesem einzigartigen Ziel mit aller Sehnsucht ihres Herzens.
Neben den lieben Heiligen, preisen wir Gott und danken ihm schließlich für alle Geschöpfe, die er seit der Zeit, als er die Welt aus dem Nichts ins Dasein gerufen hat, und für alles Wundervolle und Schöne, das er in ihnen und für sie wirkte. Daher loben und preisen der Psalmist und die Propheten so oft die Wunderwerke des Herrn und laden alle Geschöpfe ein, seinen heiligen Namen zu verherrlichen. Vor allem aber ist der Herr wunderbar in seinen Heiligen. Mögen Reiche durch Umwälzungen zu Grunde gehen, mögen Städte zerstört und Völker vertilgt werden, der Herr hat nichts anderes im Auge, als das Heil seiner Auserwählten. Durch verborgene aber wunderbare Fügung seiner Weisheit wirkt er denen, die ihn lieben, alles zum Guten (Röm 8,28). Für sie wird er am Weltende die bösen Tage abkürzen (Mk 13,20). Zu unserer Heiligung hat er seinen Sohn auf die Erde gesandt, für uns wurde er geboren, für uns verkündete er seine Lehre, wirkte Wunder, für uns vollbrachte er die hohen Geheimnisse, setzte er die Sakramente ein, opferte am Kreuz sein Leben hin, für uns stiftete er auf Erden seine Kirche, die Gemeinschaft der Heiligen, und gab ihr seinen immerwährenden Beistand. Was für erstaunliche Werke tut der Herr, um einen Sünder zu suchen, um eine Seele zu heiligen! Aus nichts sonst leuchtet mehr die Güte und die Barmherzigkeit und die Macht Gottes hervor, als aus dem unbegreiflichen Erlösungswerk! Die Erschaffung des Weltalls kann mit dem Heil EINER Seele, das durch den Tod Jesu bewirkt worden ist, nicht verglichen werden. Gleichwie er sorgte für das Heil aller Menschen, auf dass alle, die da wollen, gerettet werden, so sorgt er täglich für das Heil eines jeden. Wer vermag es auszusprechen, wie liebevoll der Herr über jeden einzelnen seiner Auserwählten wacht, mit welchen Gaben er sie schmückt?:
Er erhebt sie zu einer erstaunlichen Würde,
er nimmt sie unter die Gesellschaft seiner Engel auf,
er macht sie sogar zu Miterben und Geschwistern seines Sohnes,
er hat sie teuer erkauft aus der Sklaverei des Teufels,
er hat sie dem Los der Verwerfung entzogen,
er hat sie von ihren Sünden gereinigt,
er hat sie mit dem Schmuck seiner Gnade und Schönheit überhäuft,
er hat sie mit Herrlichkeit gekrönt,
er hat Leiden und Tod für sie erduldet!
O unbegreifliche Güte des unendlich Gütigen und Liebevollen! „Kostbar sind vor dir, o Herr, deine Freunde, hoch erhaben ist ihr Haupt!“
Wir haben zwar keine Angst vor dem Wort des Herrn: „Seid heilig, weil ich heilig bin!“, aber:
„Des Menschen Leben auf der Erde ist ein Kampf!“ Das sprach schon der fromme, in den Prüfungen geläuterte Hiob. Dies ist es auch für uns, dies war es für die Heiligen. Täglich haben wir zu kämpfen gegen den Andrang der Versuchungen, täglich überzeugen wir uns mehr von unserer Schwachheit, von unserem Wanken im Guten, und jeden Augenblick werden unserem Heil Hindernisse in den Weg gelegt. Darum sagt auch der heilige Petrus: „Seid nüchtern und wachet; denn euer Feind, der Teufel, geht wie ein brüllender Löwe umher, und sucht, wen er verschlinge.“ (1 Petr 5,8) Schweren und harten Proben sind wir Menschen ausgesetzt. Es kommen über uns die Stunden des Leidens und der Mutlosigkeit, es fallen gewaltige Versuchungen über uns her, Neigungen, die unser Herz nicht will, und denen wir uns doch kaum entwinden können. Es wütet in unserer Seele ein Sturm, dass wir den Mut sinken lassen möchten. Aber verzweifeln wir nicht! Gott ist uns in solchen Augenblicken näher, als wir ahnen, und auf ihn gestützt ist unsere Kraft mächtiger, als wir glauben. Dies sind die Stunden, in denen der Herr uns prüft, in denen die Tugend sich bewährt, dies sind die Kämpfe, durch die wir unsere Heiligung erringen. „Wie im Feuer das Gold geläutert wird und das Silber, so der Mensch im Ofen der Trübsale, und selig der Mensch, der die Prüfung besteht; weil er sich bewährt hat, empfängt er die Krone des Lebens.“ Wer uns die Trübsale schickt, gibt uns auch den Mut sie zu tragen. Der die Versuchungen über uns kommen lässt, verleiht uns auch die Kraft, sie zu besiegen. Und der uns als seine Kämpfer unter die Fahne des Kreuzes stellt, macht uns auch teilhaftig des Sieges und der Verherrlichung des Kreuzes.
Und mussten denn die Heiligen keine solchen Kämpfe bestehen?
Waren sie frei von all den niederschlagenden Beschwerlichkeiten des menschlichen Lebens?
Blieben sie verschont von all der Lust zur Sünde?
Wenn das so wäre, dann könnten sie nicht heilig sein! Denn heilig wird nur, der selbst durch Gott seine Heiligung wirkt. Würdig der Verherrlichung kann nur der sein, der mit dem Sohn Gottes duldete und erniedrigt wurde. Den Lohn der Tugend kann nur der erlangen, der sie bewährte durch den Bruch des Gesetzes der Sünde und des Fleisches. Und dieses Vollbringen geben uns der Geist Gottes und das Wort Gottes.
Aber ist der Mensch nicht doch zu schwach für diesen Kampf und zu gebrechlich? Jesus selbst sagte ja: „Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach.“ Freilich ist der Mensch schwach, und sogar schwächer als er oft meint und weiß, „aber denen," so heißt es, „die Gott lieben, gereichen alle Dinge zum Guten“. Jesus Christus sei uns alles in allem, und wir werden in allem nichts suchen und nichts finden als ihn. Anhaltendes Streben führt nach und nach zur Vollkommenheit. Nach und nach ziehen wir den alten Menschen aus und ziehen an unseren Herrn Jesus Christus. So taten es die Heiligen. Auch sie waren Menschen, wie wir, in der Sünde geboren, wie wir, mit all den Schwachheiten und Gebrechen angetan, die auch wir fühlen. „Auch ich bin nicht hart wie Stein“, sagte Hiob, „auch mein Fleisch ist nicht von Erz“. Aber diese Heiligen wendeten sich mit ganzem Herzen zu Gott. Wo ihre Natur je schwach war, da half die Hand Gottes. Wo ihre Kraft versagte, da war die Gnade. Und so taten sie Dinge, die wir nicht begreifen, weil wir den Geist nicht kennen, der in ihnen wirkte. Und so übten die Heiligen Tugenden, die wir nur bewundern, weil wir diesen Geist nicht besitzen. Sie verachteten die scheinbare Glückseligkeit der Welt und der Sünde, weil sie die wahre Glückseligkeit suchten. Sie waren glücklich, weil sie dem weltlichen Glück aus dem Wege gingen. Sie schienen sich selbst gar nicht zu mögen, weil sie sich liebten, sie schienen der Welt tot, weil sie lebten, denn sie liebten und lebten in Gott und in der Tugend.
Einwände:
Wir haben so viele Dinge zu tun und Beschäftigungen, die es nicht zulassen, oft an Gott zu denken.
Wir können doch nicht alle in Einöden oder Wüsten gehen, unser Leben mit Tränen und Buße zubringen, wie die Einsiedler.
Wir können uns nicht alle in Klöster einschließen, um nur der Betrachtung und dem Gebet zu leben, wie die vielen Ordensleute früherer Zeiten.
Wir können auch nicht auf Säulen stehen und dort oben unter freiem Himmel unsere Jahre dahinbüßen, wie ein Stylit.
Nein! Nicht in den Einöden und Wüsten allein wohnt die Heiligkeit, nicht in die Klöster ist sie verschlossen, nicht auf Säulen büßt sie – in den Herzen wohnt sie, in der Liebe Gottes, im christlichen Leben und Sterben.
Unser Herz ist die heiligste Einsamkeit, wenn nur Gott in ihm wohnt.
Unser Herz ist die heiligste Entsagung, wenn es entsagt der mutwilligen Sünde.
Unser Herz ist die heiligste Buße, wenn es traurig über das Böse und demütig vor Gott ist.
Nicht all die Taten der Heiligen sollen wir nachahmen, sondern ihren Sinn.
Nicht all ihre Handlungen sollen wir uns zum Beispiel nehmen, sondern mit ihrem Geist uns durchdringen.
Dies können wir in jedem Augenblick und an jedem Ort und bei jedem Tun, denn überall und immer haben wir uns selbst, überall und immer haben wir Gott.
Aus den zwölf Stämmen Israels (Offb 7,4 ff) und aus allen Völkern, ohne Unterschied zwischen ihnen, hat der Herr seine Heiligen erwählt. Es sind unter ihnen Menschen aus jedem Alter, weil jegliches Alter zum Himmel gelangen kann, aus jeglichem Stand, weil kein Stand, kein Beruf, keine Abstammung der Heiligkeit im Weg steht. Die einen saßen auf Thronen, die anderen lebten in dunkler Verborgenheit. Einige waren Soldaten, andere lebten im Gewirr des Handels, waren Arbeiter oder Bauern. Wieder andere waren Regierende oder hatten hohe Ämter, andere waren im Dienst der Kirche. Und wieder andere lebten als Einsiedler oder im Kloster, als Jungfrauen und Verheiratete, als Witwen und Sklaven. Mit einem Wort, es gibt keinen Stand, der nicht seine Heiligen hat. Aber wie haben sie sich geheiligt? Jeder von ihnen erfüllte seine Pflichten im Beruf und in der Familie, jeder von ihnen benützte zu seinem Heil die gewöhnlichen Gegebenheiten seines Lebens, glückliche oder unglückliche Verhältnisse, Gesundheit wie Krankheit, Ehre wie Verachtung, Reichtum und Armut. Der Herr wirkt auf unendlich vielfältige Weise. Danken wir ihm dafür von ganzem Herzen.
Um aber den Eifer und das Streben nach dieser Seligkeit nicht aufzugeben, dürfen wir nie das Beispiel der Heiligen aus dem Auge verlieren. Die Betrachtung ihrer Heiligkeit und Unsterblichkeit wird uns schützen vor den Angriffen des Teufels und seinen Verführungen. Sie wird in uns einen heiligen Widerwillen gegen die trügerischen Vergnügungen dieses Lebens erwecken und uns mit Mut erfüllen. Die Heiligen haben uns durch ihr Beispiel den Weg vorgezeichnet, den wir gehen müssen. Sie waren, was wir sind, Pilger auf Erden. „Elias“, sagt der Apostel Jakobus, „war ein Mensch wie wir“ (Jak 5,17), ausgesetzt denselben Schwierigkeiten. Dennoch haben sie sich alle geheiligt. Umsonst suchen wir also nach Ausreden, nach Hindernissen in unserem Leben, die wir erst überklettern müssten. Die Heiligen befanden sich in denselben Umständen, und vielleicht in noch gefährlicheren. Wie viele hatten zu kämpfen gegen die Verlockungen der Unzucht, gegen die Versuchungen der Macht und Ehre und Größe und Kariere in der Welt, gegen die Verführungen der Schmeichelei, gegen die Ungerechtigkeit der Feinde, gegen die Schrecknisse der Gefängnisse und Folter, gegen die Wut der Verfolger, gegen die Grausamkeit der Schergen? Und sie siegten nicht nur über all diese Schwierigkeiten, sondern benützten sie sogar als wirksame Mittel zum Heil, indem sie dadurch wachsamer über sich selbst, eifriger im Gebet, enthaltsamer, bußfertiger und tätiger in der Ausübung der guten Werke wurden.
Wie wollen wir also unsere Schwachheit oder unsere Verhinderungen entschuldigen? Die Heiligen waren aus derselben Erde gebildet, wie wir. Aber sie kannten ihre Schwächen besser als wir. Sie vermieden alles, was das Feuer ihrer Leidenschaften entflammen konnte. Sie mieden die Gelegenheiten zu Sünde. Sie begründeten sich immer mehr in der Demut. Dadurch siegten sie über sich selbst, über ihre inneren Feinde und über ihre Feinde von außen. Es liegt nur an uns, auf dieselbe Weise dieselbe Vollkommenheit zu erreichen. Das Blut Jesu Christi ist für uns, wie für sie vergossen worden. Die Gnade des Erlösers mangelt uns nicht, wie sie ihnen nicht mangelte, aber wir wollen sie oft nicht benützen. Wenn Schwierigkeiten und Hindernisse uns entgegenstehen, wenn Versuchungen uns schrecken, wenn die Feinde unseres Heils uns anzufallen drohen, verlieren wir den Mut nicht, sondern verdoppeln wir vielmehr unser Vertrauen, mit Josua zum Herrn rufend: „Der Herr ist mit uns, was sollten wir fürchten?“
Wenn uns die Welt verfolgt, so erinnern wir uns, dass die Heiligen sie bekämpft haben und siegreich aus allen Kämpfen hervorgegangen sind.
Wenn unsere Leidenschaften sich heftig in uns empören, so hat uns Jesus Waffen gegeben sie zu unterwerfen, und sie unter der Gewalt des Heiligen Geistes zu unterwerfen.
Was haben viele Heilige nicht alles erlitten! Aber sie widerstanden, wie der heilige Johannes der Täufer, ihren Anfällen durch Wachen, Enthaltsamkeit und stille Zurückgezogenheit. Der Herr ließ sie den Sieg über diese Feinde ihres Heils davon tragen.
Folgen wir also den Heiligen mutig nach. Lernen wir von ihnen mit Geduld unser Kreuz tragen, der Welt und uns selbst entsagen, ein Leben der Arbeit, des Gebets und der Buße führen. Wir stürzen uns ins Verderben, wenn wir einen anderen Weg gehen, wenn wir den Weg durch die weite und bequeme Pforte wählen.
Es gibt nur einen Gott, einen Erlöser, ein Evangelium, ein Paradies. Es gibt nur ein Gesetz, und das ist unwandelbar. Es ist ein sehr gefährlicher Irrtum zu glauben, die in der Welt lebenden Christen seien nicht gehalten, nach Vollkommenheit zu streben, oder könnten auf einem anderen Weg als die Heiligen zur himmlischen Seligkeit gelangen. Man redet sich gern nach dem Beispiel der Menschenmassen ein, es gebe einen Mittelweg zum Himmel, sozusagen einen Weg der „normalen Christen“, und auf diesem Mittelweg glaubt man mit der einen Hand auf dem Altar Gottes den Weihrauch zu opfern und mit der anderen nach der Weltlust greifen zu können. Dieser irrigen Meinung zufolge, obgleich die Welt dem Evangelium nicht folgt, bemüht man sich die Grundsätze der Welt mit den Aussprüchen des Erlösers zu vereinbaren. Als wenn im Tempel Gottes dem Laster ein Altar gebaut werden könnte. Man vergisst scheinbar, dass die von Jesus uns gegebene Lehre alle ohne Unterschied angeht, die sich als Christen bekennen. Alle müssen nach dem Geist Jesu streben und sein Leben in sich nachbilden. Davon hängt unser Heil ab, davon hängt die Teilnahme an seiner Herrlichkeit ab. In dieser Beziehung gibt es keinen Unterschied ob unter den Geistlichen, den Ordensleuten und den Weltleuten. Das Gesetz ist allgemein. Der Unterschied liegt nur in den Mitteln. Alle müssen sich heiligen und für die Welt verloren sein. Wenn man allerdings das Leben der meisten Christen untersucht, findet man da den Kampf gegen die Leidenschaften? Herrscht der Geist Jesu Christi in ihren Herzen, beseelt er ihre Handlungen? Bemerkt man in ihrem Leben nicht mehr den Geist der Welt, die Ehrabschneidung, den Neid, den Zorn, die Rachsucht, die Eitelkeit, die Weltliebe, den Stolz, die Ehrsucht? Vergeblich möchten sie vorbringen, dies seien Fehler, die jedem passieren, Fehler, von denen man überrascht wird. Es sind Leidenschaften von denen ihr Herz beherrscht ist. Vergebens werden sie sich eines geordneten Lebens, des öfteren Kirchenbesuchs oder der Spendentätigkeit rühmen, all dies ist unvollkommen: so lange ihnen die Grundlage des Glaubens mangelt, so lange ihre Leidenschaften nicht überwunden sind, haben sie jenen wahren Geist des Christentums nicht, der das Kennzeichen aller Heiligen ist.
Wenn wir das Leben der Heiligen Gottes betrachten, welchen Eifer, welche Gottseligkeit erblicken wir da! Mit welcher ehrfürchtigen Aufmerksamkeit hörten und erforschten sie das göttliche Wort? Mit welcher glühenden Andacht betrachteten sie das Gesetz des Herrn! Wie suchten sie ihr Leben nach jedem Wort des Evangeliums einzurichten! Mehr wussten sie, als alle Wissenschaften lehren können, wenn sie den Weg zur Seligkeit wussten, den keine Wissenschaft zeigen kann, als allein die Wissenschaft des Heils. Weiser waren sie als alle Weisen der Welt, wenn sie die Weisheit der Demut besaßen, gegen die jede andere Weisheit nichts als Torheit ist. Glücklicher waren sie, als alle Glücklichen, wenn sie das Glück der göttlichen Liebe genossen, gegen das jede Erdenfreude eine Marter ist. Und mit dieser Wissenschaft ausgerüstet, und mit dieser Weisheit erleuchtet, und von dieser Liebe beseelt, verachteten sie den Spott und die Ehren der Welt, und priesen sich selig, um des Kreuzes willen verachtet, um ihres Heilandes willen verfolgt und getötet zu werden. Aber wo ist unter uns diese Beachtung des Gesetzes des Herrn? Wo das Streben nach der Vollkommenheit des Evangeliums? Wo der unermüdliche Eifer, sich nach dem Beispiel des Gottessohnes zu bilden? Viele sind sicher erkaltet, viele schlafen, viele schämen sich auch des Evangeliums, schämen sich ihres Heilands!
Unrecht wäre es sich über die Strenge und Schwere des Gebots der Nachfolge Jesu Christi beklagen zu wollen. Hängt es denn von uns ab, den Weg zu erweitern, den uns der Herr als schmal angegeben hat? Man stößt ohne Zweifel auf Schwierigkeiten. Aber wer von Mut erfüllt ist, wird sie besiegen. Und sollte der Himmel, der die Heiligen so viel kostete, uns umsonst gegeben werden? Erwirbt man sich denn so ganz ohne Mühe auch nur einige zeitliche Vorteile? Nein, denn die wahre Freiheit und die Seelenzufriedenheit werden erst die Früchte der ernsthaften Nachfolge Jesu sein. Diese und andere Schätze sind dann die Stützen der Gläubigen auch in den härtesten Prüfungen.
Vergleichen wir einmal die mächtigen Herrscher auf Erden, die Regierenden mit einem demütigen Diener, einer demütigen Dienerin Gottes.
Die Macht, der Reichtum, die Eitelkeit und die Leidenschaften machen das eingebildete Glück der Regierenden aus. Die Menschen drängen sich, ihnen zu schmeicheln und zu gehorchen und kommen ihren leisesten Wünschen zuvor. Die Regierenden genießen das ihnen guttuende „Bad in der Menge“. Wellness der Politiker! Die Menschen sinken vor manchen Staatslenkern in Ehrfurcht auf ihre Knie. Auf ihren Befehl rücken Kriegsheere aus, werden Länder verwüstet, oder müssen Menschen ihr Leben lassen. Ein Blick, von ihnen ausgegangen, kann schon harte Strafe sein, ein kleiner Wink, eine Belohnung. Und kaum einer wagt es, Rechenschaft von ihnen zu fordern, sondern naht sich glücklich und fühlt sich hochgeehrt, wenn Regierende sich würdigen ein sogenanntes „Selfie“ mit einem armen Schlucker vom Volk zu gestatten oder ein Autogramm zu geben. Wenn ein Regierender sich würdigt, die Huldigungen des Volkes anzunehmen, die sich dafür abmühen gleich Sklaven, dann ist in seinen Augen zu lesen, welche Art Opfer er von ihnen erwartet. Dies ist, was die Welt bewundert.
Doch nur die Dienerinnen und Diener Gottes genießen Unabhängigkeit und Freiheit. Sie sind nur mit ihrer Pflichterfüllung beschäftigt. Gefasst in widrigen Schicksalen, erheben sie sich über alle menschlichen Rücksichten, weil sie losgetrennt sind von der Welt, ohne jedoch der Liebe entfremdet zu sein, die sie hinzieht, am Glück und Unglück ihres Nächsten teilzunehmen. Angriffe und Beleidigungen bringen sie nicht aus der Fassung, sie benützen sie vielmehr als Mittel, auf dem Pfad der Nachfolge Jesu immer weiter voranzuschreiten.
Die Unruhen und Mühsale eines Regierenden steigen mit seiner Macht. Und diese Macht gibt gewöhnlich den Leidenschaften eine größere und drückendere Herrschaft. Und hängt denn übrigens seine Größe und Macht nicht selbst von den anderen Menschen ab, deren Gunst so wandelbar ist? Will er als Tyrann herrschen, so muss er versichert sein, beinahe ebenso viele geheime Feinde, als Untertanen zu haben; will er sich durch seine Milde und Freundlichkeit beliebt machen, wird er nicht ein blindes und undankbares Volk finden, dass vielleicht seine Wohltaten missbraucht. Schließen wir hieraus auf die Hinfälligkeit der weltlichen Regierenden. Haben vielleicht ihre Reichtümer besseren Bestand? Oder sind sie nicht vielmehr die Ärmsten unter den Menschen, da ihre Bedürfnisse größer und ihre Begierden unersättlicher sind? Der Reichste ist der, der am wenigsten Bedürfnisse hat, der nicht weiter begehrt, und mit der Lage, in der er sich befindet, zufrieden ist. Die Vergnügen eines Regierenden in Politik oder Wirtschaft sind eben nicht die größten, weil er sich diese leichter als andere Menschen verschaffen kann. Und in der Tat die Freuden der Welt bestehen hauptsächlich im Streben danach. Oder doch, je mühevoller das Streben war, desto höher wird ihr Wert angeschlagen. Ist ein Regierender nicht tugendhaft, so ist sein Herz der elendste Spielball der Leidenschaften, die ihn beherrschen. Tausend kummervolle Sorgen vergiften ihm jede Freude und jeden Genuss. Aman, der unter seines Königs Namen dem Perserreich gebot, verlebte seine Tage in bitterer Traurigkeit, weil der Jude Mardochäus am Thron des königlichen Palastes stets seine Knie nicht vor ihm beugte. So macht das geringste Hindernis, ihre Leidenschaften zu befriedigen, die Bösen unzufrieden und unglücklich. Ihre Vergnügen sind nur Eitelkeit. Die falsche Freude, die ihnen eine vorübergehende Befriedigung ihrer Leidenschaften gewährt, entschwindet bald, um quälenden Unruhen Raum zu geben. Und diese Unruhen sind, eben weil sie vor den anderen Menschen verheimlicht werden müssen, nur desto drückender. Wie viele, die den Gipfel menschlicher Ehren erstiegen haben, sind sich selbst eine unerträgliche Last?
Schließen wir hieraus mit dem heiligen Chrysostomus, dass man nicht in den menschlichen Leidenschaften das Glück suchen darf. Eine Wahrheit, die auch durch die Aussprüche der ewigen Weisheit bestätigt wird, die uns zugleich lehrt, dass nur der wahrhaft glücklich ist, der sich auf dem Weg der Nachfolge Christi befindet. Nur dieser Weg führt uns zum Glück, und gewährt uns schon auf der Erde die höchste Seelenzufriedenheit, zu der wir hier bereits fähig sind.
Wir rühmen uns, sagt der heilige Paulus, wir rühmen uns in der Hoffnung auf die Herrlichkeit der Kinder Gottes. Würde sich uns, wie einem Johannes, der Himmel sich öffnen, würden wir schauen können diese Herrlichkeit der Heiligen, die da um den Thron des Lammes stehen und heilig, heilig singen, die da rufen mit den Engeln in himmlischer Freude: Preis dem Lamm, das für uns getötet wurde, Preis und Ehre und Verherrlichung und Macht in alle Ewigkeit! Doch kein unverklärtes Auge kann die Herrlichkeit der Verklärten schauen. Kein Ohr hat es gehört, kein Auge gesehen, in keines Menschen Herz ist es gekommen, was der Herr denen aufbewahrt, die ihn lieben. Dort in dem Reich der Seligen drohen keine Gefahren mehr, lockt keine Verführung mehr zur Sünde; dort sind alle Anstrengungen, alle ängstigenden Sorgen verschwunden.
Selig sind dort die Armen im Geist, denn sie besitzen die Schätze des Himmels; selig dort die Sanftmütigen, wenn sie schauen denjenigen, der einst sagte: lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und demütigen Herzens; selig, die da weinten und trauerten auf der Erde, denn sie genießen den ewigen unwandelbaren Trost; selig dort, die da Durst hatten nach Tugend und Gerechtigkeit, denn sie empfangen ihren Lohn, den Lohn der Tugend aus den Händen des Richters; selig, die da Barmherzigkeit übten, denn sie preisen ewig die Barmherzigkeiten Gottes in der Gemeinschaft der Heiligen; selig, die im Leben ein reines Herz hatten, denn sie leben und lieben in dem, den kein Unreiner schauen wird; selig die Friedfertigen, denn sie sind die Kinder Gottes, denen das ewige Wort selbst Frieden auf die Erde brachte; selig dort, die da Verfolgung leiden mussten ihres Glaubens wegen, denn der Herr trocknet alle Tränen von ihrem Angesicht; selig dort alle, die da kämpften und duldeten, glaubten und hofften, die da starben um Christi willen, denn Friede und Verherrlichung ist ihr Anteil, und übergroß ihr Lohn im Himmel. Vorüber sind die Stürme der Versuchungen, und sie genießen den Lohn des Sieges. Vorüber ist der Schmerz der Prüfungen, und sie genießen die Freude der Bewährung. Vorüber sind alle die Stürme des Leidens, und sie genießen einen ewigen seligen Tag. An den sie glaubten, sie schauen ihn; auf den sie hofften, sie besitzen ihn; den sie liebten mit der Liebe der Aufopferung, sie lieben ihn mit der Liebe der Vergeltung und kosten in diesem Schauen, Besitzen und Lieben die namenlose Freude der ewigen Liebe. Möge jener herrliche ewige Tag der Vergeltung uns allen aufgehen, den keine Nacht verdunkelt, den die Herrlichkeit Gottes erleuchtet! Möge er uns aufgehen dieser wunderbare freudige Tag, der sich nicht wandelt und nicht wechselt und nicht untergeht! Er leuchte uns ewig in seiner unwandelbaren Schönheit. Ja, er leuchte uns einst, dieser große Tag, den die Heiligen schauen, er leuchte uns allen, dass wir dort in der Gemeinschaft der Heiligen bei Gott das ewige Fest feiern, die wir uns als ihre Verehrer bekennen.
Der heilige Bernhard sagt:
„Unser und nicht der Heiligen Vorteil ist es, dass wir ihr Andenken ehren . . . Ich denke nie an sie, ohne in mir ein glühendes Verlangen nach ihrer Gesellschaft, ihrer Glückseligkeit und ihrer Fürbitte zu empfinden. An die Heiligen denken, ist sie gewissermaßen sehen. Hierdurch finden wir uns unserem besseren Teil nach in das Land der Lebenden versetzt, wofern die Liebe dahin unsere Gedanken begleitet. Dort sind die Heiligen wirklich gegenwärtig, und wir sind durch unsere Wünsche bei ihnen. Ach, wann werden wir mit unseren Vätern vereinigt sein! Wann werden wir die Mitbürger der seligen Geister, der Patriarchen, der Propheten, der Apostel, der Märtyrer, der Jungfrauen sein? Wann werden wir den Chören der Heiligen beigesellt werden, das Andenken an einen jeden aus ihnen, ist, sozusagen, ein neuer Sporn, oder vielmehr eine Fackel, die das in unseren Seelen brennende Feuer vermehrt, so dass wir mit glühendem Verlangen nach dem Glück sie zu sehen, sie liebend zu umfassen, uns sehnen, und schon in ihrer Mitte zu sein glauben. Aus dem Ort unserer Verbannung vereinigen wir uns durch Seelenwünsche mit der ganzen Versammlung der Heiligen, bald diesen, bald jenen betrachtend. Wie groß wäre unsere Feigheit, wenn sich unsere Seelen nicht zu dieser heiligen Schar hinaufschwängen, wenn unsere Herzen nicht in beständigem Sehnen schmachteten? Die Kirche der Erstgeborenen ruft aus, und wir antworten nicht? Die Heiligen wünschen uns bei sich zu haben, und wir verachten sie . . . ? Kommen wir in glühendem Eifer den uns Erwartenden zuvor, beeilen wir uns in die uns erharrende Gesellschaft aufgenommen zu werden.“
Nach diesem spricht der Heilige von dem Verlangen nach der Seligkeit der Heiligen und von ihrer mächtigen Fürbitte:
„Erbarmt euch meiner, erbarmt euch meiner, ihr meine Freunde. Ihr kennt unsere Gedanken, unsere Gebrechlichkeit, unsere Unwissenheit und die Schlingen unserer Feinde. Ihr wisst, wie schwach wir und wie grimmig unsere Feinde sind. Ihr habt dieselben Versuchungen bestanden, ihr habt über dieselben Angriffe gesiegt, ihr seid denselben Schlingen entronnen. Was ihr selbst gelitten habt, hat euch mitleidig gemacht . . . Eure Herrlichkeit kann ohne uns nicht vollendet sein.“
Von der vielvermögenden Fürsprache der Heiligen, die wir besonders durch die Feier ihrer Feste uns verdienen sollen, sagt der heilige Bernhard Folgendes:
„Der mächtig auf der Erde war, ist es noch mehr im Himmel, vor dem Angesicht des Herrn. Wenn er während seines sterblichen Lebens die Sünder bemitleidete und für sie betete, warum sollte er jetzt nicht für uns beten, und zwar umso glühender, als er unsere Bedürfnisse und Armseligkeiten vollkommener kennt? Der Himmel hat dessen Gesinnungen nicht verändert, sondern dessen Liebe nur vermehrt. Obgleich des Leidens nicht mehr fähig, ist er doch noch allzeit des Mitleids empfänglich. Vor dem Thron der Barmherzigkeit stehend, muss er auch Barmherzigkeit fühlen.“