Maria, die Zuflucht der Sünder

 

Inhalt:

 

1. Die Bekehrung der heiligen Maria von Ägypten

2. Tröstender Hinweis auf die Mutterschaft Marias

3. Die letzte Zuflucht

4. "Maria liebt dich doch!"

5. Die Stiftung der Erzbruderschaft zum unbefleckten Herzen Marias

6. Hehre Marien-Zeichen

7. Zwei Bekehrungen

8. Legende von der Schwester Beatrix

9. Beatrix Gazea, eine Büßerin

10. Maria, die Zuflucht der Sünder

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Der Franziskaner Thomas Murner bemühte sich im 16. Jahrhundert vergebens, der großen Abfallbewegung in Deutschland Einhalt zu tun. Aber ungehört verhallten seine Mahnungen, Wünsche und Bitten. Man lachte ihn aus. Da bat er in seiner Not gar treuherzig:

 

Ach, frummen Christen gemeine, wöllt ihr der Heiligen nit,

behaltet doch allaine Mariam ist mein Bit.

 

Man darf nicht von der Mutter lassen.

Wir brauchen die Mutter.

Es ist so schwer, ohne Mutter zu leben.

Und vielleicht ist es noch schwerer, ohne Mutter in den Himmel zu kommen.

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1. Die Bekehrung der heiligen Maria von Ägypten

 

St. Bernardus lehrt in einer Predigt, die er auf das Fest der Geburt der allerseligsten Jungfrau Maria gehalten hat: „Maria ist die Leiter für die Sünder, sie ist unsere große Zuversicht und der ganze Grund unserer Hoffnung. Ich sage euch, wenn wir andächtig bei ihr anklopfen, wenn wir demütig sie anrufen, so wird sie mit uns Mitleid haben und unserer Not abhelfen. Es kann ihr weder an Macht fehlen, noch an Willen, denn sie ist ja die Königin des Himmels und die Mutter der Barmherzigkeit!“

Diese Worte haben schon in urältester Zeit ihre Bewährung gefunden an einer schweren Sünderin, die aber eine große Büßerin, ja eine Heilige geworden ist; ihr Name heißt: „Maria von Ägypten“.

Bereits im zwölften Jahr ihres Lebens verließ Maria das elterliche Haus und wanderte nach Alexandrien, in jene üppige Stadt. Hier ergab sich die Unglückliche dem schändlichen Laster der Unzucht, immer tiefer sinkend und zahllose Opfer in ihren Fall hineinreißend. Denn alles, was zur Sünde lockt, war ihr in hohem Maß verliehen; die Schönheit der Gestalt, die Gabe schmeichelnder und geistreicher Unterhaltung, und jener Reichtum, der, durch Verbrechen erworben, wieder andere zum Verbrechen wirbt.

In so schnödester Weise lebte Maria gegen siebzehn Jahre der bösen Lust, ohne Gedanken an Gott und die Ewigkeit, ohne Gedanken an jenes unselige Ende, das Personen von ihrer Entartung hienieden gewöhnlich trifft.

Da begab es sich einmal, dass sie, neue Opfer ihrer Begierlichkeit suchend, am Hafen umherging. Eben wollte ein Schiff die Anker lichten, um nach Jerusalem zu segeln. Das „Fest der Erhöhung des heiligen Kreuzes“ war nahe, und eine Menge Andächtiger hatte sich eingeschifft, um an der Stätte selber, wo das Kreuz Jesu Christi zum Heil der Welt errichtet worden war, es zu verehren. Da kam der so leichtfertigen Maria der Gedanke, auch mitzureisen. In Jerusalem, bei dem großen Zusammenströmen von Menschen, konnte eine Verführerin wohl gewinnreich das Handwerk des Teufels treiben. – Und wirklich, sie begab sich auf das Schiff.

Maria gelangte mit ihren Gefährten glücklich nach Jerusalem. Die erste Zeit trieb sie sich in wildester Lust herum. Da kam der Festtag der Erhöhung des heiligen Kreuzes; scharenweise eilte das fromme Volk der Kirche zu, das ehrwürdigste Marterholz des Lammes Gottes zu verehren. Auch Maria beschloss, freilich nicht aus Andacht, sondern der Neugierde wegen, in die Kirche zu gehen und das heilige Kreuz zu besuchen. Unter die Pilger sich mischend, näherte sie sich der Tür. Weiter aber gelangte sie nicht. Hier hemmte eine geheime Macht ihre Schritte und ließ sie nicht über die Schwelle in das Heiligtum dringen. Alle, die sie begleiten, vermögen hineinzugehen. Sie allein wird, so oft sie es versucht, zurückgehalten, und zwar mit desto größerer Gewalt, je mehr sie sich anstrengt, den Eingang zu erzwingen. Hierüber wird die Sünderin auf das Höchste bestürzt. Warum können all die anderen die Kirche betreten, und sie allein nicht?

Und hier ist der kostbare Zeitpunkt, wo die göttliche Gnade in ihr sündenumnachtetes Herz einen Lichtstrahl sendet und – vielleicht zum letzten Mal – es zu rühren versucht. Eine Stimme, die sie seit Jahren nicht mehr vernommen hatte, ertönt in ihr und spricht zu ihr die Donnerworte: „Die da eintreten dürfen, sind Kinder Jesu, sind würdig, das heilige Kreuz zu schauen, und werden einst den Gekreuzigten in seiner Himmelsherrlichkeit erblicken! Du jedoch bist es nimmermehr wert! In Sünden versunken, hast du aufgehört, eine Tochter des Herrn zu sein, den du schmachvoll durch dein Lasterleben aufs Neue ans Kreuz geschlagen hast! Auch du wirst ihn einstmals schauen, aber nicht als deinen, dich seligmachenden Gott, sondern als deinen furchtbaren Richter, dessen gerechter Zorn dich in die Flamme schleudern wird, worin Sodom und Gomorrha brennen.“

Da ergriff ein namenloses Entsetzen die Sünderin, die Augen gingen ihr auf und sie erkannte die Größe ihres Elendes.

Von der Tür hinweg flüchtete sie sich in ihrem Jammer in einen Winkel des Vorhofes der Kirche, und begann dort bitterlich zu weinen, so dass eine Träne die andere schlug. Ach, wie gar vieles hatte sie verschuldet! Von der Last ihrer Sünden niedergedrückt, sank sie auf die Erde, die Hände zum Himmel ringend, die Brust zerschlagend. Was sollte sie tun, um ihr grenzenloses Leid loszuwerden? Wohin sollte sie sich in ihrer Gewissensnot wenden? Wer konnte sie – die Sünderin von Jugend auf – retten von der Strafe des gerechten Gottes, dem sie eine so lange Reihe von Jahren getrotzt hatte?

Da erblickte sie in der nächsten Nähe das Bild der allerseligsten Jungfrau und Gottesmutter Maria. Es war ihr, als hefte das Bild die Augen voll Mitleid und Teilnahme auf sie. Eine Erinnerung aus der Kindheit erwachte jetzt in ihr. Damals, wo ihr Herz noch schuldlos war, hatte sie mit Andacht Maria um ihre Fürbitte angerufen, hatte sie die „Gebenedeite des Herrn“, die „Mutter der Barmherzigkeit“ und die „Zuflucht der Sünder“ genannt. Dieses allerzärtlichste Mutterherz hatte Erbarmen mit ihrer Not, und konnte sie gewiss nicht in ihrem Seelenjammer verlassen. Bat die Mutter Jesu bei Gott für sie, dann war sie gerettet. Voll Vertrauen und Sehnsucht warf sich die Sünderin deshalb auf die Erde nieder, und flehte sie an: „sie möge doch durch ihre mächtige Fürbitte bei Gott ihr die Gnade einer wahren Bekehrung erwirken, und sie auf dem Weg der Besserung mit liebreicher Hand weiter führen“. Unter einem Strom von Tränen gelobte Maria, ihr Leben zu ändern, und wie ehedessen Maria Magdalena, von nun an den Herrn allein zu lieben und ihm allein nachzufolgen.

Nach diesem Seufzer- und Tränengebet wurde es der Bußfertigen leichter.

Maria, die „Mutter der göttlichen Gnade“, das wusste sie, würde sich nicht von ihr wenden. Sie erhob sich, und versuchte, von einer inneren Stimme getrieben, abermals die Schwelle zum Heiligtum zu überschreiten. Und siehe, ungehemmt ging sie, wie all die anderen, jetzt in die Kirche und verehrte das heilige Kreuz. Vor dem Kreuz hingeworfen, in Reue und Schmerz aufgelöst, legte sie nun ihre Sünden am Stamm des heiligen Kreuzes nieder und flehte das Lamm Gottes, das die Sünden der Welt hinwegnimmt, mit heißer Inbrunst an, auch ihre Schuld auf sich zu nehmen und zu tilgen. Dann suchte sie wieder die heilige Muttergottes im Vorhof auf und bat sie voll kindlichen Vertrauens: sie möge ihr doch anzeigen, was sie fortan tun sollte? Und deutlich hörte sie eine Stimme, die ihr gebot, in die Wüste diesseits des Jordans zu gehen.

Noch an demselben Tag machte sich Maria auf den Weg und erreichte den Jordan, wo sie in einer Kirche, dem heiligen Johannes dem Bußprediger geweiht, die Nacht im Gebet zubrachte. Am folgenden Tag reinigte sie sich von ihren Sünden durch eine aufrichtige Beichte, empfing mit innigster Andacht die heilige Kommunion und setzte dann, neugeboren, mit Gott vereint, ihren Weg weiter über den Jordan und kam in die Wüste. Dort erbaute sie sich eine Hütte und lebte daselbst siebenundvierzig Jahre lang Gott und der Buße.

Siebzehn Jahre hatte Maria der Sünde gedient, ebenso viele Jahre sollte sie nun nach dem heiligen Willen Gottes zu ihrer Läuterung in den schwersten Versuchungen und Kämpfen zubringen. Maria aber stritt mit den Waffen des Gebetes, der Wachsamkeit und Abtötung, sie vertraute auf die Hilfe der göttlichen Gnade und siegte auch über alle Feinde in Kraft der himmlischen Stärkung, die ihr umso reichlicher zu Teil wurde, je unermüdlicher sie die Fürbitte der liebreichen Mutter Maria anrief. Dankbar hat sie dies selbst vor dem heiligen Abt Zosimus bekannt, indem sie sprach: „Dass ich den Anfechtungen nicht erlag, habe ich der unendlichen Barmherzigkeit Gottes zu verdanken. Ich verdoppelte mein Gebet, meine Bußwerke, mein Vertrauen auf Gott, meine Zuversicht auf den Schutz der allerseligsten Muttergottes, der ich sowohl meine Bekehrung, als auch meine Beständigkeit in der Buße zuschreibe. Ach, meine göttliche Mutter, bei dir habe ich Hilfe gefunden! Du hast mir in vielen Gefahren, du hast mir in meinem Kampf beigestanden, du hast meine Tränen und meine Klagen vor deinen göttlichen Sohn gebracht! Du hast mir in allen meinen Widerwärtigkeiten deine mütterliche Hand geboten!“

Nach siebzehnjährigem Streit floh der überwundene Versucher, und Maria, die Treue und Bewährte, diente nun Gott im Frieden und unaussprechlichem Trost bis zum Ende, das im Jahr 421 erfolgte.

Das Fest dieser heiligen Büßerin wird in vielen Bistümern mit großer Feierlichkeit begangen.

 

(Aus: Lebensbeschreibung heiliger Büßer und Büßerinnen)

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2. Tröstender Hinweis auf die Mutterschaft Marias

 

Zum heiligen Alphons von Liguori kam einst eine große Sünderin und klagte bitterlich bei ihm über den trostlosen Zustand ihrer Seele.

Der treue Marienverehrer – die Tränen und die Seufzer dieser Unglücklichen würdigend – tröstete sie mit folgenden Worten: „Sei guten Mutes, meine Tochter! Ich will dir einen Weg zeigen, auf welchem du recht sicher wieder zu deinem verlassenen Heiland zurückkehren kannst. Sieh, wir haben ja eine Mutter, die allerseligste Jungfrau Maria, die besonders eine Zuflucht der Sünder ist! Wieviel sorgt und tut nicht eine Mutter für ihre Kinder?! Fällt eines, so lässt sie schnell die anderen stehen und eilt dem gefallenen zu, um ihm aufzuhelfen, es zu reinigen vom Schmutz und seine Schmerzen zu lindern.

Wende daher auch du als gefallenes Kind dich mit deinem Flehen an die liebevolle Mutter von uns allen und sei gewiss, sie wird dir aufhelfen von deinem schweren Fall, und mit zärtlicher Muttersorgfalt deine Seele vom Schmutz reinigen und deine Schmerzen zu lindern suchen!“

Und die Sünderin tat, wie ihr war geraten worden, und erfuhr bald, dass die glorreiche Königin der Engel auch eine wahre Zuflucht der Sünder sei.

 

(Aus: Leben des heiligen Alphons von Liguori)

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3. Die letzte Zuflucht

 

Ein Sterbender war bei der Erinnerung an seine im Leben begangenen schweren Verbrechen in Verzweiflung geraten und wollte durchaus nicht Buße tun und beichten.

Der heilige Vincenzius Ferrerius begab sich eilends zu dem so unglücklichen Mann und redete ihn mit folgenden Worten an: „Mein lieber Bruder, ihr wisset, dass der göttliche Heiland auch für euch gestorben ist und ihr verzweifelt an seiner Barmherzigkeit!? Ach, welch eine Missachtung seiner Güte, die er euch erwiesen hat!“

Der verstockte Sünder brach aber in die schauderhaften Worte aus: „Jesus Christus zum Trotz will ich mich in die Hölle stürzen!“

„Und ich will dich retten dem Heiland zuliebe!“ versetzte in christlicher Barmherzigkeit der Heilige.

Darauf wandte er sich, Tränen in den Augen, an die Umstehenden und lud bitterlich sie ein, den Rosenkranz zu beten, um durch die gnadenreiche Vermittlung der heiligen Muttergottes alsbald die Bekehrung dieses ganz verhärteten Sünders zu erlangen.

Es geschah denn auch, und nicht vergebens. Maria zeigte, was sie bei Gott vermag. Der Verhärtete wurde erweicht und für die Gnade des Erlösers gefunden. Er bekehrte sich vollkommen.

Und Sanct Vincenzius Ferrerius weinte wieder, aber nur Tränen der Freude und des Dankes gegen Gott und Maria.

 

(Aus: Leben des heiligen Vincenzius Ferrerius)

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4. "Maria liebt dich doch!"

 

Die heilige Brigitta sagt: „Wie der Magnet das Eisen an sich zieht, so zieht die allerseligste Jungfrau Maria die Herzen zu Gott!“

Das wusste der große Diener Marias, Sankt Franziskus Regis, sehr wohl, als er an das Sterbebett eines ergrauten Sünders gerufen wurde, der nichts von einer Vorbereitung auf den Tod wissen wollte. Alle Ermahnungen waren fruchtlos, alle Drohungen vergebens, alles Zureden umsonst. Immer näher rückte der Tod, keine menschliche Hilfe konnte ihn mehr retten. Er fühlte es, dass sein Lebensende gekommen sei. Desungeachtet wies er jeden geistlichen Trost zurück.

Da kam der Heilige an sein Sterbebett, zog ein Bild der Muttergottes aus seinem Brevier und zeigte es ihm mit den Worten: „Maria liebt dich doch!“

„Wie“, rief der Sünder, wie aus einem Traum erwachend und unverwandt das Bild anschauend, „dann kennt sie mich nicht!“

„Sie liebt dich doch!“ erwiderte ruhig der Priester.

„Dann weiß sie nicht, dass ich meinen Glauben verleugnet und meine Religion verachtet habe!“

„Sie weiß es!“ sagte der Diener Gottes.

„Dass ich ihren Sohn verhöhnte und sein Blut mit Füßen getreten habe!“

„Sie weiß es!“

„Dass unschuldiges Blut diese Hände gerötet haben!“

„Sie weiß es!“

„Sprichst du die Wahrheit, Priester?“

„Ja, eher werden Himmel und Erde vergehen, als eines der Worte Gottes! Und siehe! Dieser Gott hat einst gesagt und sagt es heute noch zu dir: Sohn, sieh hier deine Mutter!“

„Eine Mutter, die mich liebt?“ flüsterte der Sünder, „Meine Mutter, meine!“ . . . und die hellen Tränen traten aus seinen Augen. Es waren Tränen der bittersten Reue. Und er bekannte mit dem aufrichtigsten Seelenschmerz alle Sünden seines Lebens im heiligen Bußgericht, um bald darauf den Gott der ewigen Liebe selbst zu empfangen, der einige Tage später seine Seele wegnahm von der rde, nachdem sie Zeuge gewesen ist von der wunderbaren Anziehungskraft Marias.

 

(Aus: Leben des heiligen Franziskus Regis)

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5. Die Stiftung der Erzbruderschaft

zum unbefleckten Herzen Marias

 

„Wohin gehen wir?“ lautet der Titel einer Schrift des trefflichen Dr. J. Gaume, Generalvikar der Diözese Nevers, der sich wie wenige auf die Diagnose der Krankheit des französischen Volkes versteht und den Schleier hinweggenommen hat von der tiefen Todeswunde, an der das Geschlecht hinsiecht, welche die Schönredner und Männer klingender Phrasen und lustiger Theorien immer wieder bedecken möchten, dessen Schriften, wie die Worte der Cassandra, seinem unglücklichen Volk eine verhängnisvolle Zukunft weissagen und immer auf den Abgrund hindeuten, der zu unsern Füßen gähnt. Aber wer kann helfen?

 

Gott allein! Gott allein und seine Gnade können wieder Licht hineinbringen und diese chaotische Verwirrung der Geister – in unsern Tagen, und den zündenden Lebensfunken legen in diese erstorbenen vermoderten Herzen. Man hat auf das Heer hingewiesen; der Donner der Kanonen soll die „brennenden“ Fragen der Zeit endgültig entscheiden und der Säbel eines Diktators die blutgierige Hyäne der Revolution in gehöriger Botmäßigkeit halten. Aber das löst die Frage nicht, das schiebt nur die letzte große Entscheidung auf einige Tage weiter hinaus, das zähmt und bändigt die Bestie nicht. Sie lauert dann nur im Hinterhalt, und zur Stunde, wo ihr schwach seid, stürzt sie von neuem, wie der Tiger mit einem Sprung, auf ihre Beute. Das Heer ist nur die eiserne Rute, mit der die Hand Gottes das zügellose Geschlecht züchtigt.

 

„Was die Arznei nicht heilt, heilt das Eisen!“ sagt ein alter Spruch. Ja, wenn die Geister durch Bajonette bekehrt werden, und die Gemüter ihre Überzeugung ablegen könnten, wie man ein Gewand auszieht! Darum werden wir viel eher den Satz noch ergänzen und sagen: „Was das Eisen nicht heilt, heilt das Feuer!“ Ob aber ein Läuterungsfeuer dies sein wird, aus dem das Geschlecht neu verjüngt hervorgeht, oder eine verzehrende Flamme – wer könnte dieses bestimmen?

 

So oft ich in dem Buch eines erleuchteten Geistesmannes an eine Stelle komme, die ich hier anführen will, muss ich an unsere gegenwärtigen trostlosen Zustände denken. Es sind diese Worte freilich schon dreihundertfünfzig Jahre alt, aber sie sind jetzt so wahr, wie zu jener Zeit. „Sieh“, spricht er als die kirchliche Revolution Deutschland zu einer Wüste gemacht hatte, „in Öde ist verödet das Land, weil keiner ist, der es überdenkt in seinem Herzen. Es hat der Feind Hand angelegt an all seine Kleinodien. Von allerwärts kommt die Verwüstung, sie treten nieder mein Erbe, meine Herden sind geworden zur Beute und zum Raub meine Schafe. Ihr aber, ihr Priester, zieht nicht aus gegen die Feinde und stellt euch ihnen nicht entgegen wie eine eherne Mauer und habt kein Erbarmen mit den Schäden Josephs! Erwartet ihr die Heilung so großer Übel von den Kriegsheeren und Waffen? Vergebens baut ihr auf die Gewaltigen, auf Menschenkinder, die nicht helfen können! Es ist eine ungeheure Täuschung, wenn ihr von einem starken Heer Rettung erwartet. Im Heerlager herrschen Ausschweifung, Wollust, Raub, Fluch – sollen diese die Friedensstifter werden? Gott muss helfen, und ihr Priester müsst stehen im Streit, bis die Tage des Schreckens vorüber sind; ihr müsst stehen zwischen dem Vorhof und Altar, und weinen und zum Herrn rufen: „Habe Mitleid, o Gott, habe Mitleid mit deinem Volk!“ damit er abwende die Zuchtrute seines Zornes und unschuldiges Blut nicht mehr vergossen wird. – Das sind eure Waffen, die euch Heil und Frieden wieder gewinnen und bewahren.“

 

Das hat ein Mann aus dem hiesigen Klerus erkannt, Abbé Dufriche-Desgenettes, Pfarrer an der Kirche von Unserer Lieben Frau vom Siege zu Paris. Er hat uns selbst in der Schrift: „Manuel d`Instructions et de Prières à I`usage des membres de I`Archiconfrérie“ die leitende Idee, Veranlassung und anfängliche Geschichte der von ihm gestifteten Erzbruderschaft des heiligsten und unbefleckten Herzens Mariä zur Bekehrung der Sünder in schlichten einfachen Worten ohne Prunk und Schmuck der Rede geschildert. Der demütige Priester hält nicht sich für den Gründer dieses segensvollen Werkes, das wie ein Schutzengel unsichtbar über Tausenden und Tausenden von Seelen wacht, und bereits über die ganze katholische Welt sich verbreitet hat, durch den apostolischen Stuhl gutgeheißen und mit vielen Ablässen bereichert. Er gibt Gott allein die Ehre, sich selbst will er nur als das schwache geringe Werkzeug betrachtet wissen, dessen die Gnade zur Durchführung ihrer ewigen Pläne sich bediente. Als er im Jahr 1832 mit dem Pfarramt an dieser Kirche betraut wurde, waren im ganzen Kirchspiel nur noch wenige schwache Reste, nur ein Schatten noch von Gottesfurcht und Gottesdienst. Die Anzahl der Osterkommunionen betrug im Jahr 1833 kaum 800! Die Kirche liegt nämlich recht eigentlich im Mittelpunkt des kommerziellen und gewerblichen Paris, das große geräuschvolle Leben der Hauptstadt hat hier seinen Brennpunkt, hier ist zugleich auch der Herd für alle politischen Bewegungen und Konspirationen. In diesem Stadtviertel wird am meisten für das Irdische gearbeitet und gelebt, es ist darum auch am meisten dem Materialismus und der Genusssucht verfallen; Geld und Genuss haben dort ihren Kultus, Theater und Vergnügungsorte finden sich dort am häufigsten. In vielen Menschen war jedes höhere bessere Gefühl erstorben, jeder Gedanke an Gott und das Göttliche erloschen, in den meisten herrschte Gleichgültigkeit gegen alles Religiöse, in nicht wenigen sogar bitterer Hass und wütende Verfolgungssucht gegen die Priester, so dass sich die Geistlichkeit kaum in ihrem priesterlichen Gewand in der Pfarrei durfte blicken lassen. Denn jene, die in diesen Jahren in der Kraft des Mannesalters standen, hatten in ihrer Jugend die blutigen Lehren der Revolution wohl gelernt und waren in der Schule des Atheismus herangewachsen – ein gottverlassenes Geschlecht, das erst sterben muss in der Wüste, bevor eine schönere und bessere Zeit anbricht.

 

Als den Tag der Entstehung seines guten Werkes bezeichnet Abbé Desgenettes den 3. Dezember 1836. An diesem Tag brachte er das heilige Messopfer an dem Altar dar, der später dem unbefleckten Herzen Mariä gewidmet wurde, und wo wir nun Tausende von Herzen aus Gold und Silber erblicken, die, in sinniger Weise geordnet, die Erhörung so vieler gläubigen Gebete beurkunden. Sein Herz war von tiefem Schmerz zerrissen beim Gedanken an den trostlosen Zustand seiner Pfarrei und die geringen Erfolge alles dessen, was er bisher mit Aufbieten all seiner Kraft für das Heil der ihm anvertrauten Seelen getan hatte. Da durchzuckte ihn plötzlich wie ein Blitzstrahl der Gedanke: seine Pfarrei dem heiligsten und unbefleckten Herzen Mariä zu weihen. Früher hatte er, nach seiner eigenen Aussage, von dieser Andacht nichts verstanden, selbst es vermieden, nur daran zu denken. Auch jetzt wies er diesen Gedanken als eine Zerstreuung zurück, immer jedoch kehrte er wieder, bis er endlich sich entschloss, als Beweis seiner Ehrfurcht vor der heiligen Jungfrau, einen Versuch zu wagen, aber immer im Hinblick auf die traurigen Verhältnisse seiner Pfarrei, ohne großes Vertrauen auf Erfolg. Vernehmen wir nun seinen Bericht:

 

„Am dritten Sonntag im Advent, den 11. Dezember 1836 verkündete ich, dass am Abend um 7 Uhr eine Andacht gehalten werden sollte, um die göttliche Barmherzigkeit unter der Fürbitte des Herzens Mariä um die Bekehrung der Sünder anzuflehen. Ich forderte die Anwesenden auf, der Andacht beizuwohnen. Es waren nur wenige Personen zugegen, und da unter ihnen manche verhindert waren zu kommen, so hatte ich keine besonderen Erwartungen von dem Erfolg der Andacht, ja ich hatte nicht einmal Ursache zu hoffen, dass nur die Kunde von dieser abendlichen Zusammenkunft sich verbreiten würde; denn in dieser Pfarrei, wo man nur von Gold und Vergnügen redet, spricht man auch in den Familien nicht über das, was die Kirche betrifft. Unmutig und niedergeschlagen stieg ich von der Kanzel herab, aber die Güte Gottes würdigte sich, meinen gesunkenen Mut wieder zu heben. Zwei Kaufleute, Familienväter aus der Pfarrei, die ich sonst fast nie in der Kirche gesehen hatte, folgten mir in die Sakristei und verlangten zu beichten; dies war die erste Frucht und das Vorspiel zu den zahllosen und wunderbaren Gnadenerweisungen, die die göttliche Barmherzigkeit uns bestimmt hatte.

 

Während des ganzen Tages schwankte ich zwischen Furcht und Unruhe und einem schwachen Hoffnungsschimmer; ich berechnete, dass nach der Anzahl der Anwesenden kaum mehr als sechzig bis siebzig am Abend erscheinen würden, aber siehe da! Um sieben Uhr fand ich in der Kirche eine Anzahl von vier- bis fünfhundert Personen versammelt. Niemals, außer an den hohen Festen vor Weihnachten und Ostern hatte ich hier in der Kirche so viele Menschen gesehen, und namentlich nicht so viele Männer. – Wer hat sie hierher geführt? – Die Mehrzahl wusste nicht einmal, was vorgehen sollte und nur der Umstand, dass sie die Kirche zu so ungewöhnlich später Zeit noch offen sahen, hatte sie veranlasst, einzutreten.

 

Die Versammlung wohnte der Vesper der allerseligsten Jungfrau in Ruhe, aber mit Gleichgültigkeit bei. Man wusste nicht, wozu man da war. Hierauf folgte eine Darstellung des Zwecks und der Bedeutung dieser Zusammenkunft, was mit Aufmerksamkeit angehört wurde; Alsobald gab sich der Eindruck kund, indem diese Menge, die an der Vesper kaum Anteil zu nehmen schien, mit herzlicher Andacht die Gebete vor dem Segen sprach. Die Gefühle wurden noch wärmer unter der Litanei bei dem Ruf: „Zuflucht der Sünder!“ der aus freiem Antrieb dreimal wiederholt wurde. Ich lag auf meine Knie niedergeworfen vor dem Allerheiligsten. Bei diesem Ruf der Liebestreue frohlockte mein Herz und ich erhob meine Augen voll Tränen zum Bildnis Mariens und ich wagte ihr zu sagen: „O meine liebe Mutter, Du vernimmst das Gebet der Liebe und des Vertrauens, Du wirst sie retten, diese armen Sünder, die Dich ihre Zuflucht nennen! O Maria, nimm auf diesen frommen Bund, gib mir dafür ein Zeichen durch Bekehrung des N . . . ; morgen will ich in Deinem Namen mich zu ihm begeben. N. war der letzte Minister Ludwigs XVI., er war ein Schüler der sogenannten Philosophen des vorigen Jahrhunderts und seit seiner Jugend der Religion entfremdet. Ein Greis von achtzig Jahren war er seit Monaten blind und krank, aber seine Geisteskräfte hatten keine merkliche Abnahme erlitten. Er war ein sehr gründlich gebildeter Jurist und der Ratgeber einer Menge von Familien. Zehnmal war ich an seiner Tür erschienen, aber ebenso oft abgewiesen worden. Am 12. Dezember verfügte ich mich abermals zu ihm, abermals will man mich abweisen, aber ich bestand darauf, ihn zu sprechen, und wurde eingeführt. Nach einigen Augenblicken der Begrüßung sagte der Kranke ohne weitere Umschweife zu mir: „Herr Pfarrer geben Sie mir gütigst den heiligen Segen!“ Als dies geschehen war, setzte er bei: „Ach, was hat mich ihr Besuch gelabt, ich kann Sie zwar nicht sehen, aber ich fühle Ihre Gegenwart; seit Sie bei mir sind, empfinde ich einen Frieden, eine innere Ruhe und noch nie gekannte innere Freude!“ Dieser Seele, in der so sichtlich die Gnade wirkte, wurde es nicht schwer, die Worte des Heils zu vernehmen, und der Pfarrer verließ den Kranken erst nach abgelegter Beicht. Gott hatte ihn mit außerordentlichen Gnaden ausgestattet und er machte einen heiligen Gebrauch davon. Sein Leben wurde noch um ein Vierteljahr verlängert, von dem jeder Tag dem Glauben, dem Vertrauen, der Reue, der Liebe und Ergebung in Gottes heiligen Willen gewidmet war.

 

Ein so überzeugender Beweis der Hilfe Mariens benahm mir alle Furcht und Besorgnis. Ich wurde von dem innigsten Vertrauen erfüllt, dass unser Vorhaben Gott wohlgefällig sei und dass seine unendliche Güte es segnen wolle. Ich sehnte mich nach dem 22. Januar, als an diesem Tag der Herr Erzbischof die Publikation der Statuten und den Anfang der Aufnahme in die Bruderschaft gestattet hatte. Jene frommen Personen, denen ich von meinen Hoffnungen sprach, wollten diese nicht teilen. Einige andächtige Menschen würden sich anschließen, meinten sie, vielleicht höchstens hundert Mitglieder würden sich einschreiben lassen, und ich selbst, wiewohl ich große Hoffnungen hatte, glaubte doch nicht, dass diese Zahl bedeutend überschritten würde. Aber siehe! Zehn Tage nach der Auslegung der Listen waren bereits 240 Mitglieder, großenteils aus meiner Pfarrei, eingeschrieben.“

 

Dieser Tag war der Wendepunkt nicht nur im kirchlichen Zustand der Pfarrei, wo in kurzer Zeit die Anzahl der Kommunikanten um 10.000 sich vermehrte, sondern für die ganze Stadt und ganz Frankreich, da die Bruderschaft sich alsbald über das ganze Land verbreitete, es wie mit einem unsichtbaren Netz von Gnaden und Erbarmungen überspannend.

 

Der würdige Klerus von Deutschland ist dem Beispiel seiner Brüder jenseits des Rheins gefolgt, und wenige Andachten sind in unseren Gemeinden so populär als die Bruderschaftsandacht zum unbefleckten Herzen Mariä. Und wenn einst am Tag der Ewigkeit die Bücher sich öffnen, die irdischen Täuschungen fallen und alles in seiner wahren Gestalt erscheint, wenn die Weltgeschichte zum ersten Mal klar und offen vor unseren Blicken liegt, im Weltgericht, dann wird es sich herausstellen, wer großes gewirkt, Frankreich und Europa gerettet hat. Dann werden wir erfahren, dass es so oft nicht die Weisheit der Weisen war, noch die Macht der Gewaltigen, sondern jene Seelen, die still und unbeachtet zum Herrn gebetet haben, der die Schicksale der Völker in seinen Händen trägt und von Ewigkeit den Nationen ihre Wege vorgezeichnet hat, die sie gehen in der Geschichte. Und wenn Er um der fünf Gerechten willen, die in Sodom sich finden würden, die Stadt hat verschonen wollen, dann müssen die Gebete, die Tag und Nacht aus tausend und tausend Herzen zu ihm emporsteigen, schwer in die Waagschale seiner ewigen Gerechtigkeit fallen. Sie kehren zurück zur Erde wie unsichtbare Engel Gottes, um so manchem verschlossenen Herzen Glauben, Gnade und Versöhnung zu bringen; sie halten auf seinen Arm, dass er nicht mit der Gewalt seines Zornes dieses verderbte Geschlecht zerschmettert.

 

(Aus: Die kirchlichen und socialen Zustände von Paris von Dr. Franz Hettinger)

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6. Hehre Marien-Zeichen

 

In seiner Schilderung: „Katholisches Leben in einer französischen Provinzialstadt“ schreibt Max von Gagern:

Von dem innigen und Segensreichen Verhältnis zwischen einem ganzen Kirchenspiel und seinem treuen Seelsorger und dem kindlichen Vertrauen der Gläubigen auf die Fürbitte Marias, der „Zuflucht der Sünder“, kann man sich in der alten Bischofsstadt Metz ein schönes Bild verschaffen, wenn man an einem Sonntagabend die Liebfrauenkirche besucht, wo die Andacht der Erzbruderschaft des unbefleckten Herzens Mariä gehalten wird.

Der Herr Pfarrer von Notre Dame begibt sich schon mehrere Stunden vorher in die große Sakristei und empfängt da die Anmeldungen und Bitten um das Gebet für die Kranken und für die Bekehrung von bestimmten, doch nicht mit Namen zu bezeichnenden Sündern und Ungläubigen. Es ist rührend, diese Bitten so kindlich und mit lebendiger Hoffnung vortragen zu hören: „Herr Pfarrer, mein kleiner Bruder fängt an ein schlechtes Leben zu führen. Die Mutter lässt sie sehr schön bitten, heute Abend für ihn zu beten, es wird ihm gewiss noch helfen!“

Ebenso kommen Danksagungen für erbetene und wirklich eingetretene Gnaden, und die lange Liste wird dann abends in der geräumigen und Kopf an Kopf angefüllten Kirche zwischen der Predigt und dem Segen von der Kanzel herab bei lautloser Stille verlesen und den Gläubigen ans Herz gelegt.

 

(Erzählt von Max von Gagern)

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7. Zwei Bekehrungen

 

Die Bekehrung eines Marine-Offiziers

 

Herr von Camper, 71 Jahre alt, hatte eine schöne Karriere gemacht. Frühzeitig in die Marine Frankreichs eingetreten, hatte er 3 Mal die Welt umschifft und war auf seiner letzten Expedition der zweite unter Herrn von Bougainville. Später wurde er zum Kommando des Schul-Schiffes auf der Rhede von Brest, sodann zur Regierung von Französisch Guyana und endlich zu der von occidentalisch Indien berufen. Er hatte von seinen Reisen Orden, Sammlungen, Memoiren mitgebracht, nicht aber – Religion. Indessen war es höchste Zeit, sich für den Gang in die Ewigkeit vorzubereiten: schon von zwei Schlaganfällen getroffen, war er von einer dritten und letzten Krise bedroht. Der berühmte Prediger und weise Seelenführer P. Xaver von Ravignan, aus der Gesellschaft Jesu, wurde, unter dem Vorwand alter Freundschaft, in St. Germain-en-Laye bei ihm eingeführt, aber schlecht empfangen und nach einigen Worten über vierzehn Tage wieder bestellt. Er kommt nach den verabredeten vierzehn Tagen wieder, aber fünf Mal nacheinander gibt der Kranke vor, zu schlafen, sobald man den Priester anmeldet.

 

Eines Tages begegnet der Pater, der anfing zu fürchten, ohne aufzuhören zu hoffen, beim Herausgehen der Verwandten des alten Seemannes, mit der er sich in ein Gespräch einließ und sagte: „Man muss ein Ende machen, denn mit all unserem Zögern könnten wir uns wohl das Heil dieser unsterblichen Seele entschlüpfen lassen!“

 

„Was sollen wir aber tun, mein hochwürdiger Pater?“

 

„Folgendes! Hören Sie mich wohl: was mich betrifft, so werde ich morgen die heilige Messe zu Notre-Dame des Victoires (Unsere Frau vom Sieg) lesen. Das ist aber noch nicht alles, man muss mir zu Hilfe kommen. Zunächst müssen Sie die Gräfin Saisseval um den Beistand ihres Gebetes bitten, mit der sich all die lieben Waisenkinder vereinigen werden: dieses Gebet der Unschuld ist ja so mächtig bei Gott! Sodann müssen auch Sie ihren Anteil haben. Verschaffen Sie sich eine Medaille der heiligen Jungfrau Maria, und bewirken Sie, dass der Kranke sie annimmt, und dass er sie sogar trägt, denn es ist gewiss: diese Angelegenheit wird keinen guten Fortgang nehmen, bis erst die heilige Muttergottes sich darum kümmert.“

 

"Ach, mein Pater“, erwiderte die Dame, „niemals werde ich das zu tun wagen, denn Sie können sicher darauf rechnen: meine arme Medaille wird mit Protest zurückgestoßen!“

 

„Wie“, rief Ravignan erstaunt, „Ihr Mut leidet Schiffbruch noch im Hafen? Nun gut, so machen Sie denn, was Sie wollen! Was mich betrifft, so werde ich tun, wie ich gesagt habe, und morgen früh um sechs Uhr bin ich am Altar des heiligen Herzens Marias in der gesegneten Kirche von Notre-Dame-des-Victoires.“

 

Am anderen Tag – zur bestimmten Stunde – waren alle am Werk, jeder in seiner Art: P. von Ravignan brachte das heilige Messopfer in der von Maria schon so reich begnadeten Kirche dar. Die Gräfin Saisseval betete, von hundert Waisen umgeben. Und die Verwandte des Herrn von Camper , die so furchtsame Unterhändlerin, näherte sich dem Kranken und bot ihm die mit dem so passenden Namen „wunderbar“ benannte Marien-Medaille dar. Alsogleich greift dieser danach, küsst sie mit Inbrunst und hängt sie sich selbst um den Hals mit den Worten: „Sie soll mich nie mehr verlassen!“

 

Die Partie war gewonnen.

 

Dies geschah an einem Samstag, der bekanntlich dem Andenken und dem Dienst der göttlichen Gnadenmutter gewidmet ist.

 

P. von Ravignan kam am Sonntag wieder, blieb lange allein mit dem Kranken, der nun keine Lust mehr hatte zu schlafen, und, nachdem der Pater weggegangen war, rief Herr von Camper seine fromme Verwandte und sagte zu ihr: „Dieser gute Herr von Ravignan hat mich mein ganzes Leben erzählen lassen. Ich glaube wirklich, dass er mich ein wenig Beicht gehört at!“ Und in der Tat, der weise Gottesmann hatte ihn vollständig Beicht gehört, aber der alte Seemann kannte die Sache gar wenig aus Erfahrung und stellte sich dieselbe sowohl viel länger als auch mühsamer vor. Einige Augenblicke vorher hatte er noch förmlich erklärt: „er würde lieber noch einmal die Welt umschiffen, als seine Beicht ablegen.“ Die Wirklichkeit war nichts im Vergleich zur Einbildung, und der Sünder war Büßer geworden, ohne es selbst zu merken. In der Tat hatte sich kaum der Mund zum Geständnis geöffnet, als auch das Herz sich der Reue erschloss, und alsbald fand sich auch der Glaube darin ein wie zu Hause.

 

Von dieser Stunde an schien der Kranke wie verklärt. Der alte Mann zeigte die Gelehrigkeit eines Kindes, nannte den Priester „seinen besten Freund“ und Gott den „besten der Väter“, und Maria die „gütigste der Mütter“. Und mit großer Anstrengung begann er die schönen Gebete wieder zu lernen, die er einst auf dem Schoß seiner Mutter gelernt und im Weltleben längst vergessen hatte. Endlich griff er zu der Waffe des sterbenden Christen. Man brachte über dem Kopfende seines Bettes ein Kruzifix an, dessen bereits sein Vater sich bedient hatte, um gut zu sterben. Er nahm es an sich, und nichts konnte es seinen Händen entreißen. Bald hob er es über seinen Kopf empor wie eine Fahne, bald setzte er es vor sich auf das Bett, stützte seine Hand darauf, wie auf einen Anker und hatte in dieser Haltung noch den Ausdruck der Sicherheit eines Seemannes.

 

Nachdem ihm ein Priester der St. Magdalenen-Kirche die letzten Sakramente gespendet hatte, dankte der Sterbende, da er des Wortes beraubt war, noch durch Zeichen dem P. von Ravignan, der seinerseits herzlichst Maria, der „Zuflucht der Sünder“, dankte.

 

Nach hartnäckigem Widerstand erwies sich der Sieg als ein vollständiger, und der Pater erklärte: dass er in seiner Amtstätigkeit selten zuerst mehr Unruhe und zuletzt mehr Trost gefunden hätte.

 

Die Bekehrung einer Schauspielerin

 

In der priesterlichen Tätigkeit des P. von Ravignan ist auch die Bekehrung einer jungen Schauspielerin merkwürdig, deren Leben ein Wunder der Gnade war. Im Gehorsam wurde ihr aufgegeben, ihre Geschichte zu schreiben, von der hier ein kurzer Auszug folgt. Beim Lesen desselben wird man begreifen, dass ein so aufrichtiges und edles Herz gänzlich dazu gemacht war, Jesus und Maria zu lieben.

 

Die Erzählung der Bekehrten lautet:

 

„Meine Mutter war sehr unglücklich verheiratet und wurde, da sie vierzig Jahre zählte, von ihrem Mann verlassen, nachdem er ihr ganzes Vermögen durchgebracht hatte. So befand sie sich in Paris ganz allein, ohne Geld, ohne Freunde, ohne Anstellung. Dazu kam, dass sie gerade unglücklicherweise – um dieselbe Zeit mich gebar, und ich so ihr Elend noch vermehren musste.

 

Meine arme Mutter hatte zwar nicht jene starke Frömmigkeit, die alle Unglücksfälle, die Gott uns schickt, ertragen lehrt, aber doch ein lebendiges Vertrauen auf die heilige Jungfrau Maria. Schon seit meiner frühesten Kindheit ließ sie mich das kleine Gebet sprechen, das ich noch in keinem Buch gefunden habe: „Mein Gott, ich übergebe dir meinen Leib, meinen Geist, mein Herz, mein Leben, ich übergebe mich dir gänzlich! Gib mir die Gnade, eher zu sterben, als dich schwer zu beleidigen! Amen.“

 

Ungefähr fünf Jahre alt, ging ich gar oft mit einer alten Frau zu der Feier der heiligen Messe, und einmal besonders auch zu einem heiligen Grab, um Jesus daselbst anzubeten. Ich kam nach Hause zurück, krank darüber, dass ich unseren Herrn für uns gestorben gesehen habe, und weinte. Meine Mutter zürnte der alten Frau, dass sie mein Gefühl so sehr aufgeregt habe, und wollte sogar, dass ich durchaus nicht mehr in die Kirche zurückkehren sollte. Ich war sehr stolz darauf, „Maria“ zu heißen. Man gab mir jedoch zu Hause den Namen Josephine; wenn man mich aber frug, wie ich hieße, antwortete ich ungesäumt: „Maria! Ich habe den Namen der heiligen Jungfrau!“

 

Meine Mutter tat mich im Alter von sechs Jahren aufs Theater, um tanzen zu lernen. Man bat sie dann, mich spielen zu lassen, und sie ließ sich bereden. Ich spielte also und erzielte einen großen Erfolg.

 

Indessen hörte ich die kleinen Mädchen von der ersten Kommunion reden, meine Mutter aber sprach nichts davon. Ich wollte sie durchaus auch empfangen, allein kein Priester wollte mich zulassen, weil ich dem Theater angehörte, so dass ich zu meiner Mutter sagte: „Ach, in der römischen Kirche will man mich nicht! Nun gut, ich werde mich darüber trösten und in die französische Kirche (eine damals zu Paris bestehende Sekte) gehen!“ Ich suchte den Gründer der Kirche auf, Herrn Châtel, erzählte ihm meine Lage, und er empfing mich sehr freundlich. Darüber war ich entzückt. „Ich werde also nun meine erste Kommunion verrichten!“ bemerkte ich. Offen gestanden wusste ich aber gar nicht, was das wäre; aber das ließ mich gleichgültig, ich fühlte mich nun einmal glücklich in diesem Gedanken.

 

Châtel taufte ein Kind in meiner Gegenwart, indem er sprach: „Ich taufe dich im Namen Gottes und des Gesetzgebers Christus.“ Als wir in die Sakristei zurückgekehrt waren, fragte ich ihn: „Was ist das, ein Gesetzgeber?“ Er erklärte es mir. „Aber glauben Sie denn nicht, dass Christus Gott ist?“

 

Er erwiderte: „Ich hatte das Unglück, in eine Erziehungs-Anstalt zu kommen, mein Fräulein, und dort habe ich gelernt, dass Eins und Eins Zwei macht, und noch Eins Drei!“

 

„Aber Maria, nicht wahr, Sie glauben, dass sie Jungfrau ist?“

 

„Nein!“

 

Damit hatte ich genug, ich ging weg und sagte mit schwerem Herzen zu meiner Mutter: „Wohlan, Gott will mich nicht! Aber ich will auch nicht aus der Hand eines Menschen kommunizieren, der aus Jesus einen Gesetzgeber und aus Maria eine gewöhnliche Frau macht!“

 

Ich betete immer. Ich arbeitete unaufhörlich. Außerhalb des Theaters verfertigte ich kleine Arbeiten mit der Nadel und verkaufte sie. Ich war von Lastern umgeben, selbst bei den Frauen, die ich am meisten liebte; ich bedauerte sie. Meine Mutter hatte mir Grundsätze eingeprägt, die das gräulichste Elend nicht zu zerstören vermochte. Ich war schlecht gekleidet und aß Kartoffeln, aber ich war glücklich bei meiner Mutter. Ich sprach zu mir selbst: „Gott sieht mich, und er, er findet mich schön in meinem hässlichen Hut, er spottet nicht über die arme Maria.“ Denn man verspottete mich, man sagte mir: „Wenn Sie wollten, könnten Sie Cachemir tragen!“

 

„Ja wohl“, entgegnete ich; „allein ich würde meine Mutter bald dadurch ins Grab bringen!“

 

Ich war eine der ersten auf den Brettern des Theaters und in Folge dessen sehr bewundert. Wenn ich Ihnen dies mitteile, so geschieht es deshalb, damit Sie recht den hohen Schutz erkennen, den Maria, meine himmlische Patronin, mir inmitten dieses Abgrundes zuteilwerden ließ.“

 

Meine Mutter wurde krank, und ich war genötigt, die Nächte bei ihr zu wachen, da ich über keinen Dienstboten verfügte. Ich spielte, hatte während des Tages Probe und musste zum Lernen meiner Rollen die Nacht verwenden, und zwar am Bett meiner Mutter. Und hier zeigte mir Gott seine Huld und Nachsicht. Ich empfing sehr wenig Gehalt, obgleich ich als die Erste galt. Und trotz alledem, und obgleich meine arme Mutter vier und einen halben Monat zu Bette lag und während dieser Zeit viel Geld verbrauchte, was ich nicht besaß, habe ich keine Schulden gemacht und mich mit Ehren herausgezogen. Allein gewiss musste ich krank werden vor Müdigkeit und Kummer? Durchaus nicht, denn ich flehte zu Gott, und Gott hilft denen, die von ganzem Herzen beten!

 

Als ich die letzte Nacht bei meiner Mutter zubrachte, begriff ich nicht, dass dies der Todeskampf sei. Genug, ihr letztes Wort war: „Maria, ich liebe dich!“ und sie hauchte den letzten Seufzer aus.

 

O welche Nacht! Keinen einzigen Augenblick meines ganzen Lebens hatte ich meine Mutter verlassen, und nun stand ich da mit zwanzig Jahren, allein, ohne Eltern, ohne Freunde, ohne Vermögen, ohne Gott, denn ich besaß ihn noch nicht! Ich schwur meiner Mutter auf diesen entseelten Leib, der mich geboren hat, auf diese Hand, die mich gesegnet hat, dass ich immer ihrer würdig bleiben wolle. Man suchte mich von meiner Mutter zu entfernen, „nein“, sagte ich, „erst am Grab werde ich sie verlassen!“ Ich hatte den Mut, sie zu beerdigen. Endlich wurde sie mir genommen, doch nicht für immer. Eines Tages werde ich sie ja wiedersehen! Tagtäglich ging ich auf den Kirchhof Montmartre, und wenn ich dann zurückkam, warf ich mich mitten in meinem Zimmer auf die Knie. Ich hatte das Portrait meiner Mutter dann gerade vor mir. Ich besaß auch ein Kruzifix, das auf ihrer Leiche gelegen hatte. Ich küsste diesen Christus, ich küsste das Portrait, und mein Leben verfloss zwischen diesen beiden Bildern.

 

Sie begreifen vielleicht nicht eine so große Liebe für ein Geschöpf, Sie, mein Pater, der Sie gänzlich in Gott sind, allein ich hatte mich gewöhnt, meine Mutter wie ein übernatürliches Wesen zu betrachten.

 

Meine Gefährtinnen brachten mir 155 Francs; man kannte mein Elend, ich machte keinen Hehl daraus und vermochte darüber nicht zu erröten.

 

Wiederholt war ich zur Ehe begehrt worden; ich fragte dabei nicht mein Herz um Rat, sondern Gott und Maria, Christus und das Portrait. An dem Tag, an welchem ich mich verheiratete, war ich sicher, Gott und Maria und meiner Mutter wohlzugefallen.

 

Endlich hörte ich Sie, mein Pater; Sie brachten Licht in die verworrenen Ideen meines Kopfes. Aber noch immer war ich sehr unwissend in Dingen der Religion. Doch hänge ich mit Liebe an Jesus und Maria. – Warum? Wie? – Davon weiß ich nichts, ich liebe sie, damit genug!

 

Nun erst begriff ich meine Lage. „Heilige Jungfrau Maria“, sagte ich damals, „das Theater ohne dich, oder dich ohne das Theater! – O, meine Wahl ist getroffen! – Aber um zu dir zu kommen, o Maria, was muss ich da tun?“ – Am Weißen Sonntag, mein Pater, sah ich Sie mehr in der Nähe; ich hatte mich an den Fuß der Kanzel gestellt. – „Ich will an Herrn von Ravignan schreiben“, sprach ich; „es ist unmöglich, dass er nicht jene Gnade vom Erzbischof erlangte; ich muss kommunizieren!“ – Ich schrieb Ihnen demnach, mein Pater. Das übrige wissen Sie; doch was Sie nicht wissen, das ist, dass mein Geist nicht mehr derselbe ist, ebensowenig mein Herz: die frommen Frauen, welche mich Sie kennen lehrten, haben mein ganzes Wesen umgeändert.

 

O Dank, mein Gott! Dank, mein hochwürdiger Pater! Ihr Eifer hat alles bewirkt. Ich habe kommuniziert, das will sagen: ich bin die Glücklichste der Frauen, und ich war dabei umgeben von den Damen von Gontaut Levavasseur und von Auberville. Ach, auch einst schon glaubte ich Gott zu lieben; aber nein, Er war es, der mich liebte! Ich liebte auch Maria, allein nicht mit jener heiligen Liebe, welche sie für uns hat. Ich weiß nicht, was Gott mir vorbehalten hat; will er mich aber glücklich machen, so kann er mir jedes Wehe schicken, welches er will; ich werde mich bestreben, alles mit meinem gänzlich ihm angehörenden Herzen zu ertragen. Wenn Gott mir diesen Glauben bewahrt, den er mir verliehen hat, so vermag ich alles für ihn. Erst jetzt begreife ich die Martyrer.

 

Ich bitte Sie um Verzeihung, mein Pater, für die Länge meines Berichtes; ich bin jedoch in der Kunst des Schreibens nicht sehr geübt. Nur um Ihnen zu gehorchen, gab ich diese Einzelheiten. Wenn ich von meiner Mutter rede, kann ich ja kein Ende finden.

 

Meine erste Handlung beim Verlassen des Theaters war der Empfang der heiligen Kommunion. Gebe Gott, dass ich beim Verlassen dieses Lebens wieder an seinem heiligen Tisch knie! Für Gott, für Jesus, für Maria, für jene Frauen, für Sie, mein Pater, sei mein ganzes Leben! – Maria.“

 

So hat Gott der Erlöser überall seine Auserwählten, und der gute Wille zieht, durch das Vertrauen auf die Fürsprache und Hilfe Marias, den Segen der Gnade herab.

 

Die junge Schauspielerin war selbst auf dem Theater ein Engel gewesen, durch die Reinheit ihrer Unschuld und durch ihre kindliche Liebe; sie blieb getreu, - wie hätten Gott und Maria es da nicht bleiben sollen?

 

P. von Ravignan, dieser echte Sohn Marias, fand stets Mittel und Wege, einer Seele beizustehen; und um dies zu können, würde er mit einem Eifer, dem nur seine Klugheit gleich kam, die ganze Welt in Bewegung gesetzt haben, ohne etwas dabei preiszugeben oder zu schonen

 

Zunächst vertraute er die junge Frau einigen frommen und ergebenen Personen an, die er immer bereit wusste, seinem apostolischen Ruf zu folgen. Sodann kam er beim Erzbischof um die Erlaubnis ein, sie zur heiligen Kommunion führen zu dürfen, wenigstens in einer Privatkapelle, da damals in Frankreich die Meinung noch ziemlich verbreitet war, dass die dramatischen Künstler exkommuniziert seien. Diese Meinung teilte er nicht, er erhielt auch die so sehr gewünschte Erlaubnis. Trotzdem befahl er der Schauspielerin gar bald, mit dem Theater zu brechen und fortan vom Kapital der göttlichen Vorsehung zu leben. Er selbst versah sie, wie ein Vater, eine Zeit lang mit allem nötigen und zwar mit ebenso viel Zartheit als Edelmut.

 

Nach zehn Jahren der Prüfung, als Maria bereits Familienmutter geworden war, schrieb sie an P. von Ravignan, um ihm für seine Hilfe zu danken, deren sie nun, wie sie bemerkte, nicht mehr bedürfe, und fügte die Worte bei:

 

„O, mein Pater, was für Freuden seit sechs Jahren! Was für Elend! Was für Krankheiten! Aber Gott und Maria weilten in dem Grund meines Herzens. Was für ungekannte Freuden! Und Sie sind es, denen ich dieselben verdanke.

 

Ach, wie beklage ich diejenigen, welche niemals an Gott denken! In der Liebe, die er uns einflößt, finden wir alles, was wir hienieden nötig haben. Dieses Leben der Seele besitzt Reize, von denen man in der Welt nichts ahnt!

 

Beten Sie, mein hochwürdiger Pater, damit meine Seele stets diesem Gott der Barmherzigkeit anhange, der sich – durch die Fürbitten der allerseligsten Jungfrau Maria – gewürdigt hat, mich in meiner Niedrigkeit aufzusuchen. Ach, wie hat mein vergangenes Leben mich aufgeklärt über die Liebe Gottes zu seinen Geschöpfen! Auch will ich nun kein anderes Wort für mein Herz als dieses: „Liebe für Jesus und Maria in Freude, in Traurigkeit, in Reichtum! – Liebe, ja nur Liebe für Jesus und Maria!“

 

Wenn ich Ihnen all diese Geheimnisse meiner Seele mitteile, so geschieht es darum, damit Sie sehen, was alles Ihre Liebe für mich gewirkt hat.

 

Ich bin glücklich, mein Pater, glücklich im Geist, glücklich über jenes Glück, welches die Welt uns weder geben noch nehmen kann; ich bin glücklich, weil ich glaube, dass ich Jesus und Maria gänzlich angehöre!“

 

Diese wahrhaft seraphische Seele verzehrte sich rasch in einem schmerzhaften Martyrium, zu dem die Betrachtung des gekreuzigten Jesus und seiner schmerzhaften Mutter und die nahen Hoffnungen des Himmels ihr innigste Liebe einflößten.

 

In ihrem Testament befindet sich eine Klausel, worin sie ihre Kinder zu Erben ihrer Dankbarkeit einsetzt. Sie sagt: „Ich verlange, dass ihr eine große Verehrung für den P. von Ravignan hegt. Wenn ich im Schoß der Kirche sterbe, so ist er es, seine Liebe, welcher ich dies verdanke. Vergesst ihn nicht in euren Gebeten!“

 

(Aus: Leben des P. Xaver von Ravignan von P. A. von Ponlevoy)

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8. Legende von der Schwester Beatrix

 

In einem Kloster, das Cäsarius von Heisterbach nicht nennen zu dürfen glaubte, lebte, wie er erzählt, eine Schwester namens Beatrix. Sie war als kleines Kind dahin gekommen. Mit einer Seele voll Unschuld und Offenheit waren ihre Jugendjahre hier so glücklich und angenehm verflossen, dass sie sich kein besseres Los zu wünschen gewusst hätte. Der Tag, an dem sie ihre Gelübde ablegte, war für sie ein Tag des Glücks. Kein Schmuck wäre ihr so lieb gewesen, wie ihr Ordensgewand. In ihrer inbrünstigen Verehrung für die seligste Jungfrau hatte sie sich auf besondere Weise ihrem Dienst geweiht. Vermöge ihrer Tugenden war sie die Zierde und der Segen ihres Klosters.

 

Im Alter von achtzehn Jahren vereinigte Schwester Beatrix mit der Aufrichtigkeit des Herzens ein ungetrübtes Gewissen, einen heiteren Sinn. Und neben diesen wahren Vorzügen eine oft verhängnisvolle Gabe, nämlich eine blendende und tadellose Schönheit. Sie führte die Lebensweise gottesfürchtiger Seelen, nur bedacht, in den Fußtapfen des Vorbilds der Jungfrauen zu gehen und um kein Haar breit von den gesegneten Pfaden des Heils abzuweichen. Sie fand eine größere Freude und Innigkeit im Gebet. Froh eilte sie zum Gottesdienst, aufmerksam hörte sie die frommen Lesungen. Ihre größte Freude war es, in ihrer Kapelle den anmutigen Altar der Himmelskönigin zu schmücken, die neuen Stoffe, womit ihr ehrwürdiges Bildnis geziert wurde, lieblich einzufassen, täglich die schönsten Blumen herbeizubringen, ihr Kränze und Sträuße zu winden, zur Winterszeit die Kränze und Rosen durch künstliche zu ersetzen, wofür die jugendliche Schwester eine wundervolle Geschicklichkeit besaß. Das ganze Kloster bewunderte Beatrix, und im Hinblick auf ihre heitere Zufriedenheit sagten die Schwestern, dass die Gottesmutter gewiss Wohlgefallen an dieser Jungfrau habe. Man ernannte sie zur Messnerin und beglückte ihren unschuldigen Ehrgeiz auf das höchste, indem man ihrer Obhut die Schlüssel der Kisten und Schränke anvertraute, worin die Ornamente, die Kleinodien und Zierraten aufbewahrt wurden, die zur Verherrlichung Mariens dienten.

 

Friedlich floss auf diese Weise das Leben der Schwester Beatrix vor dem Herrn dahin, als sie unglücklicherweise auf eine gefahrvolle Gelegenheit stieß. Und da sie nicht genug Misstrauen auf ihre Kräfte setzte, ließ sie ihr armes Herz allmählich von der Mutlosigkeit, und am Ende vom Widerwillen gegen ihren heiligen Beruf beherrschen.

 

Beatrix, die so inbrünstig gebetet hatte, betete nur mehr gezwungen. Ihre fortwährende Heiterkeit hatte einer gewissen Unsicherheit, Niedergeschlagenheit und Unruhe Platz gemacht, die mit jedem Tag größere Herrschaft über sie gewann. Sie träumte sich eine eitle Freiheit, und fühlte sich in Wahrheit von jenen Fesseln gedrückt, die sich ihre Einbildungskraft erst geschaffen hatte. Sie seufzte und duldete. Den Einflüsterungen des Feindes ihrer Seele folgend, beschloss das schwache Kind in das Weltleben zurückzukehren.

 

Ehe sie aber das Kloster verließ, wollte Beatrix, während sich alle würdigen Schwestern noch in ihren Zellen befanden, noch einmal vor dem Bildnis der seligsten Jungfrau beten, die sie in dem Taumel ihres verblendeten Geistes immer noch zärtlich liebte. Sie trat in die Kapelle, näherte sich dem Altar, warf sich vor dem ehrwürdigen Bildnis auf die Knie, und weinte, und wagte kaum aufzublicken.

 

„O heiligste Jungfrau,“ rief sie endlich – und ihr Herz war in seinem tiefsten Grund erschüttert, - „o gütigste Jungfrau, meine geliebte Mutter, meine Stütze bis auf diesen Tag, ich stehe im Begriff mich von dir zu trennen. Gleichwohl war ich dir treu, und ich glaubte es immer zu bleiben. Gleichwohl liebe ich dich, o erbarmungsvolle Mutter. Allein du siehst, ich fühle mich fortgerissen, und schon bin ich nicht mehr würdig, dir zu dienen. Habe Erbarmen mit mir!“

 

Nachdem sie dieses bedeutungslose Gebet beendet hatte, stand sie rasch auf, wie wenn sie gefürchtet hätte zurückgehalten zu werden, und legte zitternd und mit niedergeschlagenen Augen die Schlüssel vor dem Bildnis nieder.

 

„Nimm, o heiligste Jungfrau, diese Schlüssel, die man mir anvertraut hatte,“ fuhr sie leise fort: „dir allein kann ich sie übergeben.“

 

In diesem Augenblick fiel aus der Hand der Gottesmutter ein Blümlein nieder. Hastig hob sie es auf mit dem Entschluss, sich niemals davon zu trennen. Und obwohl sie fühlte, dass sie dem Verderben entgegenging, eilte sie davon . . .

 

Mitten im Getümmel der Welt, wie man sie nennt, hatte Beatrix keine andere Gesellschaft als Reue, Gewissensbisse und Verlassenheit. Die Wege, die sich vor ihr öffneten, waren nur mit Gefahren bestreut. Sie hatte sie betreten und ging so weiter.

 

Fünfzehn Jahre eines beklagenswerten Lebens trübten und befleckten diese unglückliche Seele auf eine bejammernswerte Weise.

 

Als diese fünfzehn Jahre ihrer Erfüllung nahe waren, fiel Beatrix einer bedenklichen Krankheit anheim. Da sie sich dem Tod nahe sah und in Maria ihre einzige Zuflucht erblickte, flehte sie inbrünstig zu ihr, verwünschte ihren Fall und die langjährigen Verirrungen ihres Lebens, und bat sie, ihr eine einzige, aber doch wohl eine große Gnade zu erwirken, die Gnade, noch einmal vor ihrem Bildnis knien, noch einmal die Steine des Klosterkirchleins, wo sie einmal so glücklich war, küssen, als Bettlerin dort einkehren und ihre sträflichen Verirrungen durch eine öffentliche Beicht sühnen zu dürfen.

 

Mit diesem Tag kehrten ihre Kräfte wieder. Beharrlich in ihrer Reue gab sie alles, was sie besaß, den Armen, hüllte sich in das ärmlichste Gewand und lenkte ihre Schritte ihrem Kloster zu. Sie hatte über hundert Stunden Weges zu Fuß zurückzulegen. Ohne Klage wanderte sie diese große Strecke, und erreichte endlich die Landschaft, wo ihr so viele Tage des Friedens und der Unschuld gelächelt hatten.

 

Als sie sich dem Kloster näherte, vernahm sie den Klang eines Glöckleins. Sie erkannte diese traute Stimme, es war das Glöcklein, das die Schwestern zur Kirche rief. Tief pochte ihr Herz, und zwei Tränenbäche quollen aus ihren Augen.

 

Sie dankte von ganzer Seele dieser unwandelbar gütigen Mutter, die ungeachtet ihrer tiefen Verworfenheit ihr Gebet dennoch erhört hatte. Und mit wankendem Schritt ging sie auf das Kloster zu, wo niemand, wie sie wohl wusste, sie erkennen konnte, so sehr hatte sie sich verändert.

 

Endlich näherte sie sich der Klosterpforte wieder, wo sie einst so glücklich gewesen war. Sie hatte eben die Stunde schlagen gehört, zu der sich die Schwestern in das Refektorium zum Mittagsmahl begaben. Es war ihr, als hätte sie ihre liebliche Zufluchtsstätte nie verlassen, als seien ihre fünfzehn Jahre nur ein wüster Traum. Sie musste sich in die Wirklichkeit versetzen. Sie befand sich unter einem Schwarm von Bettlern, die in der bescheidenen Halle warteten bis die guten Schwestern kämen, um mit ihnen ihr bescheidenes Mahl zu teilen. In der Gesellschaft dieser Armen fühlte sie sich glücklich, dass sie, die Sünderin, neben den Freunden Gottes stand. Und als die Nonnen allen diesen flehenden Händen ihr Teil brachten, erhielt sie das ihrige von einer frommen Schwester, in der sie eine Gefährtin der vergangenen Tage erkannte.

 

Nicht wissend ob sie wache oder träume, trat die arme Sünderin in die Kirche, warf sich auf den Stufen auf die Knie, und näherte sich so der Kapelle der seligsten Jungfrau, wo sie ein überraschendes Wunder sehen sollte. Mit einem unbeschreiblichen Gefühl sah sie ihre eigene Gestalt vor dem Altar stehen. Sie kam auf sie zu: es war ihre eigene Gestalt, ihre eigenen Züge, nicht die gerunzelten, welken, trübseligen, entwürdigten Züge, wie sie jetzt an ihr hervortraten, sondern beinahe noch die nämlichen, wie sie ihr vor fünfzehn Jahren eigen waren: strahlend, englisch rein und ohne ein Anzeichen ihres traurigen Falles . . .

 

Die Erscheinung trat mit einem Blick voll Güte an sie heran, reichte ihr die Schlüssel, dieselben, die sie vor fünfzehn Jahren in einer verhängnisvollen Nacht vor dem Bildnis Mariens zurückgegeben hatte, und sprach zu ihr:

 

„Nimm, liebe Tochter, die Schlüssel, die du mir zurückgegeben hast. Damit niemand deinen Fehler kennen lerne, habe ich während der fünfzehn Jahre, die du fern von mir zugebracht hast, getreulich deine Stelle vertreten. Allein du bringst mir dein ganzes Herz zurück und ich weiß, dass du mich nicht mehr verlassen wirst. So geh denn ein in deine Zelle, und nimm das heilige Gewand meiner Töchter wieder an.“

 

Nach diesen Worten erhob sich die Erscheinung allmählich auf dem Altar, hüllte sich in eine Lichtwolke und verschwand in dem kleinen Tabernakel, wo das Bildnis der seligsten Jungfrau ruhte.

 

Sie war es.

 

In Freudentränen gebadet ging sie in ihre Zelle, während sie alle Kraft und Gesundheit ihrer Jugend wieder in sich fühlte. Ihre friedliche Zelle fand sie genau so, wie sie sie am Tag ihrer Abreise verlassen hatte. Ihr Ordensgewand, das sie an jenem ewig fluchwürdigen Tag abgelegt hatte, fand sie noch an seinem Platz. Sie erkannte es als notwendig, sich damit zu bekleiden, und ehe sie etwas verlauten ließ, mit ihrem Beichtvater zu sprechen. Sie begab sich wieder in die Kirche, und als sie den würdigen Greis eintreten sah, der einstens ihr Gewissensrat gewesen war, bat sie ihn, ihre Beichte zu hören.

 

Durch eine strenge und standhafte Buße, die um so verdienstlicher war, als sie von niemand betrachtet wurde, erlangte Beatrix vor Gott ihre Unschuld wieder. Sie lebte noch lange Jahre, und erst nach ihrem gottseligen Tod wurde der große Akt der Güte der Mutter des Erbarmens, diese unerhörte Tatsache, wie sie hier dargestellt wurde in all ihren Umständen, durch ein urkundliches Schriftstück geoffenbart, das die demutsvolle Büßerin ihrem frommen Beichtvater hinterlassen hatte. 

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9. Beatrix Gazea, eine Büßerin

 

Von einer anderen Beatrix bringt der Marianische Wunderschatz folgende Erzählung:

 

Beatrix Gazea, aus einem hochadeligen Geschlecht entsprossen und mit einem Mann von gleich vornehmer Geburt in Rom verehelicht, glaubte, wie so viele ihres Standes und ihres Geschlechtes. Gott und der Welt zugleich dienen und die Übungen der Gottseligkeit gar wohl mit der Hoffart des Lebens und den feinen sinnlichen Genüssen der Welt vereinigen zu können. Ihr großer Reichtum und das Ansehen ihrer Familie bot ihr alle Mittel, den Forderungen ihres verweltlichten Herzens nachzukommen. Sie lag ganz gefangen in den Netzen der Eitelkeit und suchte besonders durch ausgewählte Kleidung und kostbaren Schmuck ihre körperliche Schönheit zu erhöhen und in der vornehmen Gesellschaft zu glänzen. Doch der barmherzige Gott wollte das Fünkchen der Gottseligkeit, das noch in ihrem Herzen glimmte, aber mit jedem Augenblick durch den Qualm der eitlen Gedanken und Wünsche gänzlich ertötet zu werden in Gefahr war, zur hellen Flamme anfachen, und durch selbes die leere Spreu der weltlichen Gelüste verbrennen. Er bediente sich dazu der Andacht zu seiner heiligen Mutter, die die eitle Frau noch in sich bewahrt hatte. Er erweckte demnach in ihr den Gedanken, das heilige Haus in Loretto zu besuchen und dort die allerseligste Jungfrau zu verehren. Aber auch diese ihre Wallfahrt trug ganz das Gepräge des Weltsinnes und der Eitelkeit. Sie erschien an dem Gnadenort im größten Schmuck und begleitet von einer zahlreichen Dienerschaft. Auf ihren Wunsch wurden ihr das heilige Haus und all die Schätze, die die Frömmigkeit in so großer Anzahl als Opfer des Dankes und der Verehrung hinterlegt hatte, gezeigt und beschrieben.

 

Schon beim Eintritt in die heilige Stätte wurde ihr Herz sonderbar ergriffen. Als sie vor dem heiligen Herd stand, an dessen Feuer die Edelste ihres Geschlechtes einst die einfache Nahrung der Heiligen Familie bereitete, wurde sie von ihren Gefühlen so überwältigt, dass sie sich auf den Boden niederwarf und ihn ehrerbietig küsste. Sie verglich die ärmliche Lebensweise, die die heiligsten und edelsten Menschen in dieser Wohnung geführt haben, mit der ihrigen und fand sie mit derjenigen und mit den Grundsätzen des heiligen Evangeliums im offenbaren Widerspruch. Sie erhob ihre Augen zu der Statue der heiligsten Jungfrau, die über dem Kamin in einer Nische aufgestellt ist, und senkte sie tief beschämt auf die kostbaren Kleider und den unnötigen Schmuck, in dem sie den heiligen Ort betreten hatte. Dem Sakristan, für den die Eindrücke, die die heilige Stätte auf die Besuchenden zu machen pflegte, nichts Ungewöhnliches waren, waren sie doch an einer so vornehmen, von aller weltlichen Pracht umgebenen Frau etwas befremdend aber zugleich erbauend, und er unterließ nicht, bei Besichtigung der kostbaren Weihgeschenke ihr sowohl deren Wert als auch die Geber mit ziemlicher Umständlichkeit zu beschreiben. Es befand sich damals unter anderen Kostbarkeiten des lorettanischen Schatzes auch ein sehr wertvolles Diadem (Stirnband) von Perlen, mit Gold und Edelsteinen geziert, dessen inneren Wert noch die kunstvolle Arbeit erhöhte. Als Geberin dieses Weihgeschenkes nannte der Sakristan eine Dame aus Rom. „Wie,“ rief Beatrix, „jene Dame, die ich wohl gekannt, ist die Geberin dieses Geschenkes? Jetzt ist mir deutlich, was sich in Rom niemand erklären konnte, und was alle in Verwunderung versetzte, die diese Dame, wie ich, früher und gegen das Ende ihres Lebens gekannt haben. Sie lebte längere Zeit in aller Üppigkeit und ganz versenkt in die Freuden dieser Welt, und so verwöhnt und verzärtelt, dass ihr das Geringste unliebe Begegnis unerträglich vorkam. Und doch trug sie die Schmerzliche und grässliche Krankheit, an der sie starb, mit einer Geduld, die man auch an der vollendetsten lebenslänglichen Tugend noch bewundert hätte, ja sie schien an den Geschwüren, die ihr namenlosen Schmerz und anderen unwiderstehlichen Ekel erregten, ein noch größeres Wohlgefallen zu finden, als sie früher in den Eitelkeiten und Freuden des Weltlebens gefunden hatte. Sie empfing auch die heiligen Sterbesakramente mit solcher Inbrunst und Andacht und war so gefasst auf ihren Tod, dass auch der Frömmste sie um ihre Gemütsstimmung beneiden konnte. O jetzt verstehe ich, woher diese Änderung, woher diese Ausdauer und all die Gnaden gekommen waren, die sich im Tod und in der letzten Lebenszeit dieser Frau so sichtbar offenbarten. Gewiss, die Milde Mariens, die sich an Freigebigkeit von ihren Verehrern nicht übertreffen lässt, hat ihr diese Gnaden erworben und dieses Geschenk so reichlich vergolten.“

 

Tief gerührt gedachte Gazea ihres eigenen Todes – aber wie würde er beschaffen sein, wenn sie ihre bisherige Lebensweise fortsetzte? Sie fasste den festen Entschluss, sie zu ändern, und sann darauf, wie sie sich gleich jener verstorbenen Dame die mächtige Königin des Himmels geneigt machen, durch ihre Fürbitte Kraft zur Erfüllung ihres Vorhabens und die Gnade eines ähnlichen Todes erlangen könnte. Da fällt der Blick ihres tränennassen Auges auf die kostbaren Armbänder, die sie trug, und die ihr wegen ihres Wertes und der zierlichen Arbeit aus ihrem Schmuck bisher das Liebste gewesen war. Und alsbald ist der Entschluss gefasst, sie der heiligen Jungfrau zum Geschenk zu machen. Sie löst sie ab, bittet Maria, sie zugleich mit ihrem Herzen anzunehmen, und überreicht sie dem Sakristan. Er wollte sie mit einer Gabel versehenen Stange, die zu solchen Zwecken immer vor dem heiligen Bild – Maria mit dem göttlichen Kind auf dem Arm – bereitstand, an eine Stelle bringen, die sie als Weihegeschenk erkennen ließ, und wählte dazu einstweilen die Finger der rechten Hand, die das Jesuskindlein ausgestreckt hält, als wolle es damit den Segen erteilen. Turselinus erzählt, dass beide Armbänder ohne menschliches Zutun sich an die Stellen an den Ärmlein des göttlichen Kindes rückten, wo man sie zu tragen pflegt, und sich so passend anfügten, als das nur immer bei der absichtlichsten Sorgfalt hätte geschehen können. Beatrix nahm dies als Zeichen, dass Maria und ihrem göttlichen Sohn die Gabe und die Gesinnungen, die sie veranlasst hatten, nicht missfallen würden, und kehrte getröstet nach Rom zurück, um durch ihre geänderte Lebensweise das schlimme Beispiel gutzumachen, das sie ehedem gegeben, und die frommen Herzen nun ebenso erfreuen und zu erbauen, als sie früher selbe betrübt und geärgert hatte.

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10. Maria, die Zuflucht der Sünder

 

Ein Wunder der Bekehrung

 

Ein französischer General, geboren im Jahr 1774, hatte in jenen Zeiten, in denen der Unglaube in Frankreich triumphierte, gleich vielen anderen den Glauben eingebüßt. Er war ein Mensch geworden, der nicht einmal mehr an einen Gott glaubte, und dem es großes Vergnügen machte, über das Christentum zu lästern und zu spotten. In diesem Unglauben lebte er bis zum Jahr 1838, also bis in sein Greisenalter. Da sank er aufs Krankenbett, und ein Brustleiden, das ihn ergriffen hatte, machte so rasche Fortschritte, dass an ein Aufkommen nicht mehr zu denken war. Der Erzbischof von Tour besuchte ihn mehrmals, aber er ließ ihn nicht vor sich kommen. Verwandte, fromme Freunde und die barmherzigen Schwestern, die ihn pflegten, versuchten umsonst, ihn zur Rückkehr zu Gott zu bewegen. Alle Ermahnungen erwiderte er mit den heftigsten Zornesausbrüchen, ja sogar mit Gotteslästerungen und Worten der Verzweiflung. Im Februar 1839 wurde er dem Gebet der Erzbruderschaft vom heiligsten und unbefleckten Herzen Mariens empfohlen. Allein wie es schien, ohne Erfolg. Da sein Ende immer näher rückte, begab sich die Vorsteherin einer Kongregation zum Herrn Pfarrer Unserer Lieben Frau vom Sieg und ersuchte ihn dringend, mit Eifer für ihn zu beten. Der Pfarrer empfahl nun am Samstag, den 25. Mai in der Heiligen Messe, die er am Altar des Herzens Mariens las, den General der göttlichen Mutter. Auch die anwesenden Gläubigen beteten, vom Pfarrer dazu aufgefordert, für ihn, und etwa vierzig von ihnen opferten die heilige Kommunion für seine Bekehrung auf. Danach verrichtete der Pfarrer das rührende Gebet: Memorare. (Gedenke, o milde Jungfrau Maria usw.) Und seht, gerade in diesem Augenblick fiel der Kranke in einen sanften, ruhigen Schlaf, dessen er schon seit vielen Tagen beraubt war. Nach seinem Erwachen war er ganz umgewandelt. Er sprach mit sanfter Stimme, betete für seine Kinder und empfahl sie dem Schutz Gottes. Hierauf rief er seinen Pfarrer, beichtete ihm in tiefster Reue, bat öffentlich um Verzeihung wegen des gegebenen Ärgernisses und empfing die heilige Wegzehrung mit bewunderungswürdigem Glauben. Von jetzt an war er der frömmste Christ. Er litt das Ungemach der Krankheit mit größter Geduld, und betete ununterbrochen. Sonntag den 26. Mai verlangte und empfing er das heilige Sakrament der letzten Ölung und fiel bald nachher in einen Zustand der Schwäche, in dem er für nichts mehr ein Zeichen gab, als für die Worte des Glaubens, der Hoffnung, der Liebe und Reue, die der Pfarrer und die beiden Schwestern an ihn richteten. Seine Blicke waren fortwährend gen Himmel gerichtet. In der Nacht vom 27. auf den 28. Mai entschlief er im Herrn.

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Nun bitten wir die Mutter

und auch der Mutter Kind,

die Reine und den Guten,

dass sie uns Hüter sind.

 

Denn ohne sie kann niemand

weder hier noch dort gedeihn,

und widerspricht dem jemand,

der muss ein Tor wohl sein.

Walther v. d. Vogelweide