Maria, das Heil der Kranken

 

Inhalt:

 

1. Gegrüßet seist du, Königin

2. Die Pest-Prozession zu Rom

3. Der türkische Pascha und sein Sklave

4. Der Wille Gottes!

5. Der gesegnete Trunk

6. Der kranke Schläfer beim Taufstein

7. Der Auftrag an einen Wahnsinnigen

8. Die schmerzhafte Muttergottes zu Sümeg

9. Maria zu den drei Eichen bei Horn

10. Die Frucht des Gebets um einen festen Glauben

11. Die Gelobung einer neuntägigen Andacht

12. Unsere Liebe Frau von den Blumen

13. Die Lilien des Dankes

14. Die Salbung zur Genesung

15. Die Marianische Medaille

16. Die schönsten Gebete an den Wallfahrtsorten zu Maria, dem Heil der Kranken

17. Maria, Heil der Kranken

18. Wunderbare Heilung am 12. April 1859

19. Die heilige Jungfrau Maria erscheint einem Blinden, der hierbei sein Augenlicht wieder erhält

20. Der Mann mit dem amputierten Bein

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Es steht kein Wort darüber in der Heiligen Schrift, ob Jesus und Maria je eine Krankheit hatten. Aber so, wie Jesu Herz sich für die Kranken öffnete, so sehr liegen der himmlischen Mutter ihre kranken Kinder am Herzen. Ein Christ weiß daher, dass er sich in Zeiten von Krankheit, Verletzung und Schwäche an die liebevolle Mutter, die "das Heil der Kranken" ist, wenden kann. Wir brauchen nur auf die Marienwallfahrtsorte schauen, zu denen so unendlich viele Kranke oft von weitentfernten Gegenden kommen im Vertrauen darauf, dass sie dort durch die Fürsprache Marias Hilfe in ihrer Not bekommen werden. Wir können darauf vertrauen, dass Maria sich als das Heil der Kranken in leiblicher oder in seelischer Not erweisen wird. Sie heilt die Verletzungen des Leibes und die der Seele. Sie trocknet unsere Tränen, sie erleichtert schwere Herzen, ja sie zeigt uns den Weg in die Seligkeit des Himmels, den Weg zu ihrem Sohn, unserem Herrn Jesus Christus, der in der Einheit mit dem Vater und dem Heiligen Geist lebt und herrscht in alle Ewigkeit. Amen.

Matthias Hergert

 

 

1. Gegrüßet seist du, Königin

 

Die Entstehung eines trauten Gebetes

 

Von Josef Zimmermann

Aus „Kirchenzeitung für das Bistum Köln“

Verlag J.P. Bachem, Köln, 9. November 1947

 

Auf einer Burg nahe der noch jungen Donau, die, größer und größer werdend, als ein gewaltiger Strom sich später ins Meer ergießt, wurde im Jahr 1013 dem Grafen Wolfram von Veringen und seiner Frau Hiltrud ein Sohn, Hermann, geboren. Wie klein und armselig aber war dieses Kind! Sein Rücken war gekrümmt, es konnte nicht einmal lustig mit den Beinen strampeln, wie Kinder es tun. Es lag gelähmt in seiner Wiege und konnte sich nicht rühren. Mancher Arzt kam zu dem kranken Kind, aber keiner konnte ihm helfen.

 

Wie der Junge fünf Jahre alt war, saß er oft im Lehnstuhl am Fenster, schaute hinunter ins Tal und hörte das Lachen und Tollen der Kinder, das heraufscholl. Die Eltern taten ihm alle Liebe an, die Mutter sang mit ihm alle Lieder, die sie nur kannte. Doch Hermann war gefesselt wie ein Vogel im Käfig. Abends, wenn die Sterne aufglänzten, schaute Hermann in die weite Welt Gottes, unfassbar und fern einem jeden Menschen. Von Rittern und Riesen, die Gewaltiges vollbringen, von Zwergen, die zaubern, mochte die Mutter dem Kind nicht erzählen, um ihm, dem Gelähmten, Hilflosen, nicht weh zu tun. Doch von Notker, dem Stammler, der so manches Lied den Menschen geschenkt hat, dass sie es sängen im Gotteshaus, erzählte sie ihm. Von frommen Mönchen erzählte sie Hermann, unter denen vor langer Zeit Notker lebte. Und nun sangen gar viele Menschen des armen Stammlers Lieder. Das tat dem gelähmten Hermann wohl. Oft saß die Mutter bei ihm, las ihm aus Büchern, geschrieben von klugen Mönchen, vor, erzählte von armen, kranken Menschen, die dennoch Gewaltiges geleistet hatten. Immer wieder fragte Hermann, die ganze Welt wollte er kennenlernen, der Grafensohn, der gebannt war in seinen Lehnstuhl, in seine Stube. Da erkannte die Mutter, dass ihr Kind so viele Fragen hatte nach all den Dingen und Rätseln der Welt, dass selbst die Eltern nicht immer eine Antwort wussten. Niemals aber würde Hermann auf stolzem Streitross dahersprengen, ihm, dem Krüppel, würde die Grafenkrone versagt bleiben. Öffnete sich nirgends das Tor der Welt solch sehnsüchtigen Wünschen?

 

Da dachten die Eltern an die Mönche auf der Reichenau, dort, wo die Welt weit und schön daliegt, wo Schüler die Weisheit Gottes und der Welt erlernen. Würde ihr armes, hungerndes Kind reich und weise werden wie Notker, der arme Stammler?

 

An einem Sommertag fuhren die Eltern mit dem siebenjährigen Hermann im schmucken Wagen zum lächelnden Bodensee, der glänzte wie das Auge Gottes. Im Kloster der Reichenau wurde Hermann Schüler, lernte gar vieles, erfuhr von Gottes Herrlichkeit und den dunklen Rätseln der Welt. Da wurde sein Herz weit und froh. Nur manchmal, wenn er, in den Lehnstuhl gebannt, aus seiner Zelle hinausschaute über das Wasser des Bodensees, wo seine Kameraden sich tummelten mit fröhlichem Lachen, wenn er seine Freunde heimkehren sah von Wanderfahrten im fernen Gebirge, dann zuckte es leise und weh um seinen Mund. So weit ist der See, so weit ist die Welt, doch so eng ist die Zelle, so eng der Lehnstuhl, in den er gebannt ist! Der Lehrer erzählte den Jungen oft vom König Alexander, der als Junge ein wildes Pferd gebändigt und als starker Mann von Griechenland aus das weite Asien erobert hatte, von Mönchen, die mit dem Kreuz ins fernste Land gezogen waren, Welteroberer Gottes – und er, Hermann, war wie der Riese Prometheus, der an einen Felsen geschmiedet ist! Manchmal, in einsamen Nächten, weinte Hermann still in sich hinein. Doch dann schaute er zu den Sternen, fern und unerreichbar einem jeden Menschen. Die Sterne und die Geschichte der Welt wurden Hermanns Liebe. Mit heißem Herzen und durstiger Seele nahm er alles in sich auf, was die Mönche ihn lehrten. Doch als ein Schüler nach dem anderen in die Welt zog, im Mönchsgewand, Verkünder der Erlösung durch das Kreuz, da wurde es einsam um Hermann. Weit ist die Welt, weithin lächelt der See, fern glänzen die Berge in schneeigem Licht, und so eng, so eng ist die Zelle! Ach, schaffen, schaffen wollen und nicht schaffen können! O hartes Geschick!

 

Mit zitternden, lahmen Fingern ritzt Hermann Worte in sein Wachstäfelchen, Worte vom Wissen um Gott, um die Welt, um die Sterne, dass mancher alte, weise Mönch erstaunt ob so viel Weisheit, die hinter blasser Stirn aufleuchtet. Da sitzt Hermann in seinem Lehnstuhl, diktiert gelehrten Mönchen, die aufhorchen wie Schüler, eine Weltgeschichte, deutet den Lauf der Gestirne, umfasst, wie ein Kind den Spielball, die Welt. Dann klingen Lieder in ihm auf, Lieder, die aus der Zelle zum Abt dringen. Priester ist er geworden, aber niemals kann er die geweihten Hände segnend emporheben am Altar. Gefesselt in seinen Lehnstuhl, darf er nicht, wie der Heiland am See Genezareth, ziehen zu den Menschen, er kann nur denken an die Welt, beten und leiden wie der ans Kreuz Gefesselte. Und draußen, da wandern seine einstigen Freunde wie Paulus, der Jünger Christi – und er ist sein Leben lang ein Gefesselter, wie Paulus in den letzten Jahren seines Lebens! Wie Maria von Nazareth, so muss er bleiben und kann nicht mit Christus ziehen durch die Welt, dass sie werde zur Welt Gottes! Nur unter dem Kreuz, an dem der Erlöser hängt, kann er ihm nahe sein, selber ein armer, gefesselter Mensch!

 

In seinem Fahrstuhl sitzt Hermann und lehrt die Schüler, die gesunde, starke Glieder haben, die Weisheit Gottes, die Weisheit der Welt. Lieder singt er ihnen von Gottes Lob, vom Kreuz der Erlösung, vom Tal der Tränen, vom Elend, aus dem wir wandern zur ewigen Heimat, wo alles heil und weit und licht und froh ist. So wird er Musiklehrer des Klosters; seine Gesänge erklingen im Chor, vor dem Altar, dem heiligen Berg Gottes, den er niemals ersteigen kann. Hermann ist gebannt ins Tal der Tränen, sein Blick aber richtet sich auf das ewige Jerusalem.

Als die Kunde vom Tod seiner Mutter zur Reichenau dringt, wo der arme Hermann im Lehnstuhl sitzt, da denkt er an eine Mutter, die dem armen, ans Kreuz Gefesselten nahe war wie einst seine Mutter ihrem armen, gelähmten Kind. Und süß und weh kommt es von seinen Lippen:

 

„Gegrüßet seist du, Königin,

Mutter der Barmherzigkeit,

Unser Leben, unsere Süßigkeit,

Unsere Hoffnung sei gegrüßt!

Zu dir rufen wir verbannte Kinder Evas,

Zu dir seufzen wir

Trauernd und weinend

In diesem Tal der Tränen.

O wende du, unsere Fürsprecherin,

Deine barmherzigen Augen zu uns,

Und nach diesem Elend zeige uns

Die gebenedeite Frucht deines Leibes, Jesus!“

 

Und all die Gefesselten dieses Lebens, die sich sehnen nach großer Arbeit, die schaffen möchten und nicht schaffen können, sie beten und singen Hermanns Gebet.

 

Das Jahr 1054 wird für Hermann zum Jahr des Herrn, der ihm sein ewiges Reich öffnet, als zur Herbstzeit über der Reichenau Zugvögel dem ewigen Frühling des Südens entgegenwandern.

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2. Die Pest-Prozession zu Rom

 

Italien war in der zweiten Hälfte des sechsten Jahrhunderts von einer schrecklichen Überschwemmung heimgesucht worden, und der Schaden, den sie überall anrichtete, erwies sich als unberechenbar. Doch kaum zogen die verheerenden Gewässer dahin, als ein neues Unheil alle Gemüter beängstigte. Eine grausam wütende Pest raffte Tausende unerbittlich dahin, und auch der Papst Pelagius wurde ein Opfer dieser Seuche. Sein Nachfolger auf dem bischöflichen Stuhl zu Rom, Papst Gregor der Große, erklärte diese Heimsuchungen Gottes als wohlverdiente Strafen für die Sünden des ganzen Volkes, ermahnte zur Buße und Besserung des Lebens, forderte zum reumütigen und vertrauensvollen Gebet zu Gott auf, der wohl die Sünder durch seine Strafgerichte züchtige, aber an dem Tod des Sünders kein Wohlgefallen habe, sondern vielmehr wolle, dass er sich bekehre und lebe, und ermunterte zugleich auch zum gläubigen, zuversichtlichen Gebet zu Maria, der Himmelskönigin, die ja jeder Zeit als die „Mutter der Christen“ sich bezeigt habe.

 

Um dieser seiner Gesinnung und Überzeugung nun auch äußerlich einen sichtbaren Ausdruck zu verleihen, um seine Worte zur Tat zu gestalten, ordnete er die berühmte „siebenfältige“ Prozession an. Die gesamte Einwohnerschaft der Stadt Rom und der umliegenden Gegend wurde in sieben Scharen abgeteilt. Jede Schar versammelte sich in einer anderen Kirche, um von da aus nach St. Peter zu ziehen, wo sich alle wieder vereinigten. Die Kleriker zogen von der Kirche des heiligen Johannes des Täufers aus, die Männer versammelten sich in der Kirche des heiligen Martyrers Marcellus, die Mönche bei St. Johannes und St. Paulus. Die Prozession der Jungfrauen und Nonnen ging von der Kirche der heiligen Martyrer Cosmas und Damianus aus, die verheirateten Frauen von St. Stephanus, die Witwen von Vitalis, die Armen und die Kinder von St. Cäcilia.

 

Der Papst selbst begab sich in die prachtvolle Liebfrauenkirche „Ara coeli, Himmels-Altar“, die an der Stelle erbaut ist, wo ehedem zur Zeit der Herrschaft des Heidentums der Jupiter-Tempel und das Capitol gestanden hatten, durch ihre vorteilhafte hohe Lage die ewige Stadt beherrscht und der Welt verkündet, dass der Zepter nunmehr dem Götzen Jupiter entwunden wurde, und der Eine, dreipersönliche Gott hier und auf der weiten Erde im Geist und in der Wahrheit angebetet werde. In der Kirche angekommen, nahm der Oberhirt der Christenheit das Bild der allerseligsten Jungfrau Maria, das der Sage nach von St. Lukas, dem Evangelisten, selbst gemalt sein soll, in seine Hände und die Prozession setzte sich in Bewegung.

Als man an dem Damm des Kaisers Hadrian vorüber kam, hörte man plötzlich in den Lüften himmlische Stimmen, die sangen:

 

„Regina Coeli laetare! Alleluja!

Quia quem meruisti portare, Alleluja!

Resurrexit, sicut dixit! Alleluja!

Freu dich, du Himmelskönigin! Halleluja!

Den du zu tragen würdig warst, Halleluja!

Ist auferstanden, wie er es gesagt hat! Halleluja!“

 

Der Papst und das ganze Volk aber, von heiligem Staunen ergriffen, fügten demütig bei:

 

„Bitt Gott für uns! Halleluja!“

 

Zu gleicher Zeit sah man einen vom Licht funkelnden Engel, der ein Schwert wieder in die Scheide steckte. Die Pest aber hörte noch an demselben Tag auf.- Dies geschah im Jahr 596 am hochheiligen Pfingstmorgen.

 

Vier noch heutzutage bestehende Tatsachen geben fort und fort für diese durch die huldreiche Vermittlung der heiligen Muttergottes erlangte Hilfe und für die wunderbare Begebenheit aller Welt Zeugnis. Und zwar: 1. Der Gesang „Regina coeli laetare!“, der seitdem während der hochheiligen Osterzeit von der katholischen Kirche an Maria gerichtet wird. 2. Eine Inschrift, die geradezu über dem Hochaltar der Kirche „Ara coeli“ sich befindet und den genannten Lobgesang verewigt. 3. Die eherne Statue des Erzengels Michael über dem Damm des Kaisers Hadrian, der seitdem der „Engelsberg“ genannt wird. 4. Die alljährliche Prozession am St. Markustag, die zum ewigen Gedächtnis an diese wunderbare Erscheinung und außerordentliche Bitt-Erhörung in der gesamten Christenheit stattfindet.

 

(Nach der Erzählung des Geschichtsschreibers Walafried Strabo)

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3. Der türkische Pascha und sein Sklave

 

Der türkische Pascha Corkut geriet im Jahr 1551, während er zu Konstantinopel verweilte, in Folge eines schrecklichen Geschwürs in der Brust, in die äußerste Lebensgefahr. In dieser Not forderte ihn sein frommer Sklave, der einst Christ gewesen war, auf, die Jungfrau Maria von Loretto um ihren Beistand anzurufen, über deren wunderbare Hilfe zur Abwendung auch der schwersten Krankheiten er ihn belehrt hatte. Der Pascha gelobte, wenn Maria ihm helfe, so dass die Krankheit weiche, dem Sklaven aus Dankbarkeit gegenüber Maria die Freiheit zu geben. Kaum hatte er dieses Gelübde gemacht, so zerplatzte auch alsbald das Geschwür und der Kranke war gesund. Sofort schenkte er seinem Sklaven die Freiheit und schickte ihn mit einem Brief nebst allerlei Votiv-Gaben nach Loretto zu dem Bild der allerseligsten Jungfrau Maria.

 

Der Brief, der noch bis heute in Loretto aufbewahrt wird, lautete, vom Arabischen ins Deutsche übersetzt, also: „Was Gutes und Glückliches auch immer uns begegnen mag, dies tut der große und barmherzige Herr. Da nun mir selbst so etwas von Gott zuteil geworden ist, deshalb werde ich, Corkut Pascha, (um nicht undankbar zu sein und damit auch den Nachkommen ein Denkmal einer so großen Tatsache bleibe), den Hergang der Ordnung noch erläutern: Es war uns in der Brust ein großes Geschwür entstanden, und schon hatte ich alle Hoffnung auf Rettung aufgegeben; da trat mein Sklave zu mir und sagte ganz vertrauensvoll: Wenn du mir die Freiheit versprichst, dann will ich die Mutter meines Gottes bitten, dass sie dir die vorige Gesundheit verschaffe. Ungesäumt ließ ich einen Notar herbeirufen und versprach urkundlich dem Sklaven die Freiheit, wenn er sein Versprechen halten würde. Hierauf warf sich der Sklave auf die Knie nieder, machte mit der Hand einige Zeichen über sich, und bat mich, dass ich ihm nachsagen solle, was er mir vorsprach: Ich flehe die Hilfe der Jungfrau Maria zu Loretto an! Indem ich ihm folgte, wurde ich mit der Gnade Gottes nach drei Tagen gesund. Nachdem ich nun meinem Sklaven die Freiheit geschenkt hatte, gab ich ihm diese Handschrift nebst den verlobten Geschenken, die als Denkzeichen meiner Ehrerbietung und meines dankbaren Herzens der seligsten Jungfrau Maria, der Mutter des allmächtigen Gottes, geweiht sein sollen, da sie uns gerettet hat!“

 

(Aus: Jahrbücher der Kirche zu Loretto)

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4. Der Wille Gottes!

 

Die selige Margaretha von Savoyen, aus dem Orden des heiligen Dominikus, flehte einst in ihrem peinvollsten Gichtleiden inständig zur allerseligsten Jungfrau Maria: sie möge sie doch durch ihre milde Fürsprache bei Gott von diesen Schmerzen befreien.

Da kam es ihr im Traum vor, als erschiene ihr die Himmelskönigin und fragte sie: „Margaretha! Was willst du, dass geschehen soll: Gottes Wille, oder dein Wille?“ Die Dulderin antwortete: „Der Wille Gottes!“ Hierauf sprach Maria: „Es ist nun Gottes Wille, dass du dein Leben lang mit deiner Gicht behaftet bleibst!“ Margaretha erwiderte: „Gott sei gelobt, wenn nur sein Wille an mir erfüllt wird!“

Und von jener Stunde an gab Margaretha jedem, der sie fragte, wie es ihr gehe, zur Antwort: „Ganz wohl, weil Gottes Wille an mir vollbracht wird!“

 

(Aus: Marien-Predigten von M. Marckard)

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5. Der gesegnete Trunk

 

Es war im Jahr 1038, als Gisela, die Schwester des deutschen Kaisers Heinrich II., des Heiligen, und Witwe des heiligen Stephan, Königs von Ungarn, Panonien verließ, um sich vor den Unruhen im Land zu flüchten, und glücklich in Wien anlangte.

 

Als sie nun hier nach Verlauf einiger Zeit mit einem täglichen Fieber behaftet wurde und alle angewandten Arzneien für die Hebung ihres Leidens sich als unwirksam erwiesen, dachte sie: vielleicht würde eine öftere Bewegung in der frischen Luft ihr zu der vorigen Gesundheit verhelfen. Und frohen Sinnes begann sie alsbald ihre Wanderungen in die nächsten Auen und Waldungen.

 

Als sie nun eines Tages wieder eine ziemliche Strecke Wegs gegangen war, verlangte sie, weil von heißem Durst gequält, sehnsüchtig nach einem frischen Trunk Wassers. Die Dienerschaft fand denn auch nach emsigem Suchen eine Quelle. Und als die vor Durst lechzende Königin den ganz mit wilden Gesträuchen überwachsenen Brunnen zu öffnen und Wasser zu schöpfen befahl, sah man allplötzlich – eine gar anmutige, von Lindenholz geschnitzte Statue der allerseligsten Jungfrau Maria, das liebwerteste Jesuskind im Arm tragend, im rot gemalten Kleid und blauen Mantel, samt einem goldenen Gürtel. Über diesen kostbaren Fund hoch entzückt, trank die leidende Königin, voll des Zutrauens und des Trostes Marias, des „Heiles der Kranken“, von diesem von ihr gleichsam gesegneten Wasser und – genas vollkommen.

 

Gisela ließ, nach dem völlig verschwundenen Fieber, zur immerwährenden Dankbarkeit eben daselbst eine Kapelle errichten und das hehre Marianische Gnadenbild zur öffentlichen Verehrung darin aufstellen.

 

Die Kapelle führt den Namen „Maria-Brunn“.

 

(Aus: Geschichte der österreichischen Klerisei von Marian)

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6. Der kranke Schläfer beim Taufstein

 

Joseph Locatelli, auf der Insel Zypern als Türke geboren und zu Florenz getauft, ist vierzehn Monate lang mit der Wassersucht im höchsten Grad behaftet gewesen, so, dass ihm die Ärzte in den Spitälern, in denen er sich auf seiner Reise aufgehalten hatte, das Leben gänzlich abgesprochen haben. Deswegen wurde er Willens, sich von Wien nach Görz zu seinen Brüdern zu begeben, trat also die Reise, wiewohl elend und mühselig, an, und kam den 19. April 1737, am Karfreitag, gegen Abend nach Neunkirchen im Steinfeld. Hier wollte ihn niemand in die Herberge aufnehmen, aus Furcht, der elend kranke Mensch möchte ihnen liegen bleiben und selbe Nacht zur Leiche werden. Dennoch ist er beherbergt worden, ohne Zweifel aus besonderer Anordnung Gottes, der durch die Fürbitte seiner Mutter, seine Allmacht an diesem armseligen Kranken zeigen wollte.

 

Des anderen Tages, am Karsamstag, hatte er sich entschlossen, entweder aus Schwachheit oder der heiligen Zeiten wegen, über den Ostertag in Neunkirchen zu bleiben; aus dieser Ursache ist er nachmittags zwischen ein und zwei Uhr zur Klosterpforte gekommen, um sich ein Almosen zu erbitten, womit er das Bettgeld für die künftige Nacht zahlen könnte. Die Geistlichen, deren etliche zusammen gekommen waren, betrachteten seinen Zustand, bedauerten sein Elend und gaben ihm etwas zu essen und zu trinken; allein er tat nur einen Schluck, vorgebend: essen könne er nichts. Und obwohl ihn über die Maßen dürste, so könne er dennoch nichts trinken, weil er ein so schreckliches Brennen darauf bekomme, dass er glaube, es sei pur lauteres Feuer auf der Brust und im Magen. Darüber erteilte ihm einer aus den Geistlichen, Pater Aurentius mit Namen, das Almosen, schenkte ihm einen Rosenkranz, und führte ihn in die Kirche zum heiligen Grab, sprechend: „Siehe, hier ist der Brunnen des Heils! Dieser, der da ausgesetzt ist, kann dir allein helfen; bete fleißig!“ und damit hat er den Armseligen verlassen.

 

Er, nachdem er einige Zeit vor dem hochwürdigsten Gut gebetet hatte, ging ganz abgemattet in die nicht weit davon entlegene, aber finstere St. Nikolaus-Kapelle, des Willens, sich in einen Winkel zu setzen, auszuruhen und dann wieder zu beten. Da erblickte er in einer Ecke den aufgerichteten Taufstein, und war der Meinung, sich dahin zu begeben. Im Vorbeigehen aber fiel ihm auf einem kleinen schlichten Altar ein Muttergottesbild und zwar Maria-Hilf in die Augen. Er empfand eine absonderliche Andacht zu dem Bild, kniete davor nieder, und bat mit einem kindlichen Vertrauen die allerseligste Jungfrau: sie möchte ihm in seinem großen Elend helfen, und befahl sich in ihren mütterlichen Schutz.

 

Nach vollendeter Andacht setzte er sich beim Taufstein nieder, legte den Kopf auf die Stufen desselben und schlief ein. Da erschien ihm die heilige Gottesmutter Maria in derselben Gestalt, in der sie auf dem Altar gemalt war, und fragte ihn, was er hier begehre? Darauf antwortete er: „Unsere Liebe Frau, entweder meine Gesundheit oder einen glückseligen Tod!“ Und alsobald nahm die Muttergottes ein weißes Gefäß aus ihrem Ärmel und gab ihm zu trinken. Und nachdem er getrunken hatte, verspürte er sogleich im ganzen Leib eine Bewegung, und es schien ihm, als zöge es durch alle seine Glieder, worüber er aufwachte und merkte, von allen Schmerzen befreit zu sein. Und als er aufgestanden war, empfand er eine große Leichtigkeit, sein Leib war nicht mehr geschwollen, sondern frisch und gesund.

Er kniete alsogleich bei dem genannten Altärlein nieder, dankte mit lauter Stimme der göttlichen Mutter für die ihm erwiesene Gnade und geschenkte Gesundheit, und lief hernach in die Kirche, mit heller Stimme rufend: „Miraculum! O benedicta Virgula Maria!“

 

Schließlich eilte er ins Kloster und zeigte alles, was mit ihm vorgegangen war, der geistlichen Obrigkeit an, die ihn öfter von zwei Vätern examinieren und seine Aussage mit einem körperlichen Eid durch Berührung des Cruzifixes und Evangelienbuches bekräftigen ließ.

 

(Aus: Die Mariensagen in Österreich von J. P. Kaltenbäck)

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7. Der Auftrag an einen Wahnsinnigen

 

In einem der höheren Alpentäler Tirols hat einst ein wackerer Landmann gelebt, dessen Haus an den Abhang einer weißen Felsenwand sich lehnte, und der deshalb Leonard der Weißensteiner genannt wurde.

 

Aus unbekannten Ursachen geriet dieser rechtliche, von seinen Nachbarn geehrte Mann in einen Wahnsinn, der so oft zur Raserei sich steigerte, dass seine eigene Familie gezwungen war, ihn Jahre lang in engem Gehorsam zu halten.

 

In der Einsamkeit des düsteren Gemäuers, das ihn umschloss, kehrte zuweilen, wie er späterhin aus lebhafter Erinnerung mitgeteilt hatte, sein Bewusstsein zurück. In solchen Augenblicken geistigen Dämmerlichtes war es ihm jedes Mal, als würde ihm von der heiligen Jungfrau Maria der Auftrag gegeben: auf der Höhe, die sein Haus beherrschte, eine Kapelle zu erbauen.

 

Eines Tages, in einem heftigen Anfall von Tobsucht, war es ihm gelungen, aus seinem Gewahrsam zu entrinnen. Erst nach langem Suchen fanden ihn seine Angehörigen in einem felsigen Abgrund, in den er hinabgestürzt war, ohne Schaden zu nehmen. Er schien vielmehr völlig von seinem Irrsinn genesen, so dass er die Geschäfte des Hauswesens wieder betrieb, das inzwischen in Unordnung geraten war. Seines Auftrags war er jedoch nicht früher eingedenk, als bis er von einem Rückfall wieder zu sich gekommen war. Nun ging er eifrig ans Werk. Und während er, um den Unterbau vorzubereiten, den Boden aufgrub, fand er in geringer Tiefe ein zierlich gearbeitetes, kleines Marmorbild, das die schmerzhafte Muttergottes darstellte.

 

Wie davon die Kunde sich verbreitete, fanden sich viele hilfreiche Hände ein, so dass der Bau der Kapelle rasch gefördert wurde, in der, seit jener Zeit, nicht wenig Gemütskranke, wie die Sage berichtet, die Genesung erlangt haben.

 

(Aus: Mater dolorosa von Dr. J. E. Veith)

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8. Die schmerzhafte Muttergottes zu Sümeg

 

Im Jahr 1699 ist die Gemahlin des edlen Herrn Ferdinand von Feilheim, Maria Sophia, zu Wien von einer Hüften-Fäulnis in solcher Weise ergriffen worden, dass sie darüber lahm, und, von den Ärzten verlassen, für unheilbar erklärt wurde.

 

Da nahm die fromme Dulderin – nächst Gott – ihre Zuflucht zu der allerseligsten Jungfrau Maria, die ja von der ganzen katholischen Christenheit als das „Heil der Kranken“ verehrt wird.

 

Und siehe! Nun geschah es, dass sie im Traum eine gar schöne Statue der Muttergottes sah, die ihren vom Kreuz herabgenommenen Sohn auf ihrem Schoß beweint. Sie glaubte zugleich eine Stimme zu hören, die ihr befahl, diese Statue aufzusuchen. Maria Sophia durchspähte auch alsbald die ganze Umgegend, fand aber das im Traum geschaute Bildnis nicht. Als sie indes in ihrer Andacht verharrte, erschien ihr dieselbe Statue nochmals, jedoch mit dem Bedeuten, sie solle zu Sümeg in Ungarn das Bild suchen.

 

Maria Sophia ließ sich alsbald nach Sümeg führen und erkannte, beim ersten Anblick der dort aufgestellten Statue der schmerzhaften Muttergottes, die, die ihr schon zwei Mal im Traum erschienen war. Sie erzählte nun vor vielen Anwesenden, was ihr von oben in so wunderbarer Weise angedeutet worden war, und bat die ehrwürdigen Franziskaner, in deren Kirche man die Statue aufbewahrte, sie doch an den Rand des Altars herabstellen zu wollen. Nachdem dies geschehen war, flehte die Kranke mit heißester Inbrunst zu Maria um Genesung, und siehe!, plötzlich hörte aller Schmerz auf, ihre Hüften heilten, und die so hinfällige Person, die man zum Altar führen musste, erhob sich im Beisein aller, fiel auf ihre Knie andächtig nieder, verherrlichte mit ihrem Lobpreisen Gott, und dankte dem Allmächtigen und der gnadenreichen Jungfrau Maria.

 

Das besagte Ereignis trug sich zu am 6. Februar 1699. Dieser Tag wird noch jetzt in Sümeg gefeiert, und die Gnadenstatue erhielt den Namen: „Heil der Kranken“.

 

(Aus: Sagen und Legenden aus Ungarns Vorzeit von Mednyanszky)

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9. Maria zu den drei Eichen bei Horn

 

Ein gottesfürchtiger Bürger zu Horn, Mathias Weinberger mit Namen, hatte in seinem Zimmer ein aus Wachs geformtes Bildnis der allerseligsten Jungfrau Maria aufgestellt. Täglich versammelte er vor ihm seine Hausleute, zündete eine Lampe an, schüttete sein frommes Herz andächtig vor Gott aus und hegte das volle Vertrauen zu der glorreichen Himmelskönigin, dass sie ihm in Not und Gefahr mächtige Hilfe erbitten werde.

 

Im Jahr 1656 wurde er schwer krank, und seine Kräfte nahmen so gänzlich ab, dass man ihn heben und legen musste. Der allweise Gott aber, der diesen Mann länger prüfen wollte, ließ ihn noch einige Jahre kränkelnd herumwandeln. Sein Handwerk musste die ganze Zeit hindurch ruhen, seine Not steigerte sich und das liebe Brot für die Seinigen wurde stets schmäler und schmäler. Aber sein Gebet vor dem Marienbild wurde täglich heißer und feuriger. Nie, wie schmerzlich ihn auch das Kranksein peinigte, unterblieb sein inbrünstiges Rufen zu Gott, nie sein Flehen um die Fürsprache der mitleidsvollen Mutter Jesu. Er hielt sich nicht für würdig, von Gott erhört zu werden, und nahm daher ganz besonders seine Zuflucht zu Maria, die für ihn bei ihrem Sohn, dem gütigsten Helfer der Elenden und Bedrängten, Beistand und Hilfe erbitten sollte.

 

In dieser anhaltenden Andacht, in diesem großen Vertrauen auf das Fürwort der gebenedeiten Jungfrau schlief er eines Tages ein und hatte folgenden Traum: Das Bildnis der göttlichen Mutter mit dem Jesuskind auf dem Schoß stand lebhaft vor seiner Seele. Dieses Bild sollte er auf den Molderberg bringen und daselbst an einem Eichbaum, der von der Wurzel aus in drei Stämme geteilt dort stehen wird, zur öffentlichen Verehrung aufstellen.

 

Aber erst auf das ernstliche Zureden seines Beichtvaters, der ihm wiederholt mahnend zusprach, dass er dem Befehl Gottes, sowie dem Drang seines Gewissens gehorsam sein sollte, entschloss sich Mathias Weinberger, das ihm so teuer gewordene Bildnis, sobald er Kräfte dazu bekommen würde, von seinem Zimmer nach der ihm bezeichneten Stätte zu übertragen. Gott, der diesen frommen Entschluss mit Wohlgefallen sah, erbarmte sich von nun an des stillen Dulders, ließ täglich mehr und mehr das Übel seiner Krankheit abnehmen und schenkte ihm bald so viel Kräfte, dass er seinem Erwerb nachgehen konnte.

 

Stark genug und von bitterer Not getrieben, begab er sich nach der Stadt Eggenburg, um daselbst durch den Verkauf seiner Pelzwaren sich und den Seinigen den nötigen Unterhalt zu verschaffen. Ob der von Kummer und Sorgen durchjagten Gedanken hätte er beinahe seines gefassten Entschlusses vergessen. Gott ließ ihn deshalb auf dem Weg nach dem Molderberg von einer so angreifenden Mattigkeit überfallen, dass er gezwungen war, unter einem schattigen Birnbaum sich niederzulassen, wo er aus Schwäche bald in einen sanften Schlummer verfiel.

 

Da bedünkte es ihm, als stehe er vor einem Thron, der gleich der Sonne strahlte und den Glanz feurig schimmernden Goldes um sich verbreitete. Plötzlich erklangen tausend liebliche Saitenspiele und jubelnde Stimmen, die da so selig entzückend in sein Herz drangen, dass er darüber freudig erwachte. Er blickte in froher Bewunderung um sich her, glaubte wirklich zu sehen und zu hören, und als er alles ringsum still und ruhig fand, schlief er zum zweiten Mal ein. So lieblich aber und erhebend der erste Traum gewesen war, so schrecklich und niederschlagend war der zweite, den er jetzt hatte. Es erdröhnte ein schauerliches, Mark und Bein erschütterndes Hochgewitter, und die feuersprühenden Blitze schienen auf ihn zu stürzen und ihn gänzlich zu vernichten. Da fuhr er vor Schrecken empor, zitterte am ganzen Körper, erwachte und sprang mit Gewalt von der Erde auf. Und als er zu einiger Besinnung gekommen war, war das erste, das ihm in die Augen fiel, ein mit drei Stämmen versehener Eichbaum, der ganz nahe auf der Stätte stand, auf der er eingeschlafen war. Nun fiel ihm zugleich das frühere Traumbild ein, und er fühlte Scham und Reue, dass er seines Entschlusses beinahe vergessen hätte. Er überdachte indes auch seinen letzten Traum und schloss daraus, Gott habe ihm gedroht, dass er ihn scharf züchtigen wolle, wenn er sein Gelübde nicht erfüllen werde. Er überdachte endlich auch den ersten Traum und es war ihm deutlich, dass Gott wie auf einen glänzenden Thron die Mutter seines Sohnes hier auf diesen Baum setzen wolle, um sie vor der Welt zu verherrlichen und den frommen Pilgern durch ihre Fürbitte, nach seiner großen Barmherzigkeit, Gnade und Trost zu verleihen.

 

Er kehrte daher ungesäumt nach Hause zurück, nahm das ehrwürdige Marienbild aus seinem Zimmer, brachte es auf den Eichbaum und flehte da zuerst – um Wiedererlangung seiner Gesundheit. Und er erhielt sie auch, und zwar so vollkommen, dass er bald darauf allen Arbeiten seines Gewerbes mit voller Kraft wieder vorstehen konnte.

 

Bei der damals zu Horn eingerissenen Pest stand Mathias Weinberger in der Liebe Jesu und Marias den Leidenden Tag und Nacht bei, half sorgsam die Toten auf den Gottesacker bringen, sammelte sich durch diese christliche Barmherzigkeit viele Verdienste vor Gott und starb in einem hohen Alter den Tod des Gerechten.

 

Der vielfältige Trost und die mächtige Hilfe, die einzelne fromme Pilgrime bei dem „Gnadenbild zu den drei Eichen“ erhielten, zog bald nachher eine so große Menge wahrer Verehrer herbei, dass sich der Ruf davon weit nach Böhmen und Mähren verbreitete und Wallfahrer tausendweise aus diesen Ländern herbeiströmten.

 

Zu dieser Zeit aber, als das ehrwürdige Bildnis noch immer unter freiem Himmel verehrt wurde, geschah es, vermutlich durch Unvorsichtigkeit der Hirten, dass die dreistämmige Eiche beinahe ganz ausbrannte, und das wächserne Marienbild zerschmolz.

 

Als jedoch die ausgebrannte Eiche bald darauf neue Zweige hervortrieb und wie verjüngt wieder zu grünen begann, so schien dies ein Himmelszeichen zu sein, dass der Herr seine Verherrlichung durch Maria an diesem Berg bestätige und den frommen Andachtseifer der Gläubigen daselbst fortgesetzt wissen wolle.

 

Beseelt von diesem Eifer und durch ein Gelübde dazu verpflichtet, ließ daher Sebastian Förber, der damalige Bürgermeister zu Horn, das gegenwärtige Marienbild auf die frisch ergrünende Eiche setzen. Und als die Verehrung der heiligen Gottesmutter durch fromme Wallfahrer an diesem Ort täglich zunahm, wurden mehrere Wohltäter, um das erste so beklagenswerte Ereignis für die Zukunft einigermaßen zu verhüten, bewogen, die Eiche ringsum mit Bankläden einfassen zu lassen, um dadurch anzudeuten, dass man hier ein Marien-Heiligtum verehre zur Verherrlichung Gottes.

 

Und wirklich bewies der Herr seine allmächtige Gegenwart bei der Verehrung der Himmelskönigin an dieser Stätte so segensreich, und sein Erbarmen ergoss sich auf die Fürbitten Marias über so viele kranke und hilfsbedürftige Pilger, dass sie fortwährend als das „Heil der Kranken“ erkannt und fort und fort hochgepriesen wurde. Der Abt Placidus von Altenburg und der Graf Philipp Joseph von Hoyos entschlossen sich deshalb, unter Verwendung der eingegangenen Opfergelder eine Kapelle von Stein bauen zu lassen. Im Jahr 1732 wurde der Bau der ersten kleinen Kapelle vollendet; und nun wuchs die Zahl der Pilger so außerordentlich, dass man im Jahr 1738 nahe an fünfzigtausend zählte, und schon 1744 der Grundstein zu der gegenwärtigen großen und schönen Kirche gelegt werden konnte.

 

Rührend ist es, wenn der wegesmüde Pilger naht und beim Anblick seines Wanderziels, der Gnadenkirche, andachts- und vertrauensvoll ausruft: „Heilige Maria, du Heil der Kranken, bitte für mich!“

 

(Aus: Heilige Sagen in Österreich von J. Gebhart)

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10. Die Frucht des Gebets um einen festen Glauben

 

Zu Lissabon in Portugal war ein adeliges Fräulein in ihrem vierzehnten Jahr schwer erkrankt. Alle ärztliche Hilfe fruchtete nichts, und man sah ihrem Tod so gewiss entgegen, dass man bereits an die Vorbereitungen zu ihrem Begräbnis dachte.

 

Die Amme dieses Mädchens, die die zärtlichste Liebe zu der Kranken schon von Kindheit an getragen hatte, war fast außer sich vor Betrübnis, eilte in die nächste Kirche und flehte da vor einem Muttergottesbild unter heißen Tränen um das Leben ihres Lieblings. Und siehe da! Maria zeigte sich als das „Heil der Kranken“ und die Todesgefahr ging an dem Fräulein, zum Staunen aller, glücklich vorüber. Doch blieb die vom Tod gerettete am halben Leib lahm und fühlte auch fortwährend am linken Arm ein heftiges Zucken. Alle dagegen angewandte Mittel erwiesen sich als vergeblich. Nun aber die Leidende von ihrer treuen Dienerin erfahren hatte, bei wen sie ihr die Befreiung vom Tod erfleht hatte, so ließ sie sich in eine, ihrem Landgut bei Lissabon nahe Klosterkirche tragen, die auch der heiligen Jungfrau Maria geweiht war, in der frommen und frohen Erwartung, die barmherzige Muttergottes werde ihr auch ferner helfen. Während sie daselbst betete, hörte sie hinter sich eine alte Frau mit vielem Seufzen laut zu Maria um das Leben ihres Sohnes flehen. „Ach“, fuhr nun das lahme Fräulein in seinem Gebet fort, „hätte ich doch auch den festen Glauben dieser Frau! Gewiss, o Reinste aller Reinen, würde ich dann deines Beistandes würdig sein! Darum, o gute Mutter, bitte für mich zuerst um die Gabe eines festen Glaubens und aller anderen Eigenschaften, die mein Gebet besitzen soll, damit mir geholfen werden könne!“

 

Kaum hatte die Dulderin so gebetet, da fühlte sie sich schon wie neu geboren. Voll Entzücken erhob sie sich nun und versuchte zu gehen. Wie sehr staunten aber alle, die sie hergetragen hatten! Laut riefen sie: „O Wunder! O Wunder!“

 

Es versammelte sich nach und nach eine große Menge Volkes. Die Geistlichen des Klosters prüften bald das Ereignis und erkannten, dass hier auf die Fürbitten der allerseligsten Jungfrau Maria ein Wunder der Krankenheilung geschehen war. Und ungesäumt wurde feierlich das Te Deum gesungen.

 

(Erzählt vom heiligen Ludwig von Granada)

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11. Die Gelobung einer neuntägigen Andacht

 

Don Lazaro Romirez, Vater der berühmten Schauspielerin Bernarda Romirez, später vermählt mit Sebastian de Prado, war ein Hidalgo aus der Montana, der als Krämer herumwanderte. Seine Frau, die ihn begleitete, zog sich infolge eines Wochenbettes und der rauen Jahreszeit eine vollkommene Lähmung zu. In diesem trostlosen Zustand lag sie in Madrid. Hier befand sich damals an der Ecke, wo die Halle de Leon an die von Santa Maria stößt, ein Bild der heiligen Jungfrau, das vom frommen Volk sehr verehrt wurde. Darauf setzte nun die arme Frau ihr Vertrauen. Mit kindlicher Hingebung verlobte sie sich Mariä, dem „Heil der Kranken“, zu einer neuntägigen Andacht und schleppte sich auf ihren Krücken jede Nacht zu dem Bild. Es war dies im Juli 1624. Am letzten der neun Tage (montags am 15. Juli) fühlte sie sich allplötzlich vollkommen gesund und im freien Gebrauch ihrer Glieder. Sie lief sogleich nach der Plazuela Anton Martin und kaufte dort Nägel, um ihre Krücken, deren sie weiter nicht mehr bedurfte, am Bild der Gebenedeiten des Herrn anzunageln.

 

Dieses Ereignis machte großes Aufsehen. Das Bild wurde sofort (am 24. Juli) in die Pfarrkirche zum heiligen Sebastian versetzt, zum Andenken aber an die Begebenheit an besagter Stätte ein anderes Bild aufgestellt, das sich bis heute noch dort befindet.

 

Dies gab Veranlassung zur Stiftung der berühmten „Bruderschaft von Unserer Lieben Frau de la Novena“, die die Schauspieler zu ihrer Patronin auserwählten.

 

In der königlichen Bibliothek zu Madrid wird noch ein Manuskript aufbewahrt, worin die Vermächtnisse, Jahrestage usw. der verstorbenen Brüder und Schwestern eingetragen sind.

 

(Aus: Cölestina, eine Festgabe für Frauen und Jungfrauen)

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12. Unsere Liebe Frau von den Blumen

 

Frau von N . . ., die aus Frankreich nach Mailand reiste, erlitt in der Nacht, da sie jenseits der Alpen einen Bergabhang hinabfuhr, an ihrem Wagen eine Beschädigung, die sie nötigte, in dieser unwirtlichen Gegend während der Nacht ein Obdach zu suchen.

 

„Mein Diener, der in diesen Tälern heimisch war“, erzählt sie in ihrem Reisebericht, „versicherte mir, dass wir am Ende eines zu unserer Rechten längs eines Kastanienwäldchens sich hinschlängelnden Fußpfades ein Holzmacherdörfchen erreichen würden.

 

Ich ging diesem betretenen Weg nach. Die Nacht war anmutig, wenn auch ohne Mondschein: die Sterne funkeln in Italien gar so schön! Wenn die Luft auch ein wenig frisch wehte, wie denn die Frühlingsnächte selbst in diesen Gegenden gewöhnlich kühl sind, so machte diese nächtliche Wanderung dennoch einen angenehmen Eindruck auf mich. Wir mochten etwa eine Stunde gegangen sein, als wir da, wo das Wäldchen eine Krümmung machte, ein Licht erblickten. Wir waren bei dem Holzmacherdörfchen angekommen, einem armen Örtchen von ungefähr vierzig Hütten, zwischen denen große Haufen von aufgeklaftertem Holz und Reisigbüschen zerstreut umher lagen. Wir pochten mit einem Stein an die Tür der Hütte. Es war zwei Uhr. Ich war darauf gefasst, die gastliche Tür erst nach langer Zeit sich öffnen zu sehen. Aber schon beim zweiten Schlag schob sich der Riegel zurück und wir traten in eine geräumige Stube, die beim Eingang düster, nach vorne hin aber von einer Menge kleiner, buntfarbiger Kerzen erhellt war, die symmetrisch, wie auf einem Altar, aufgestellt gewesen waren. Die junge Frau, die die Tür aufgeschlossen hatte, war wieder vorgegangen und hatte sich bei diesen Lichtern und der altarähnlichen Erhöhung niedergekniet. Wie es schien, setzte sie ihr unterbrochenes Gebet fort.

 

Wir näherten uns ihr, indem wir durch die lange Stube schritten, die mit Wohlgerüchen von Blumen und dem Pflanzengeruch des Pfriemkrauts, der grünen Weinrebe und aller jener aromatischen Pflanzen durchduftet war, die die Bewohner des Tales von Ossola zum Trocknen an den Balken ihrer Hütten aufhängen, bevor sie sie in die Apotheken nach Mailand und Genf bringen.

 

Als die junge Frau einen Teil ihres inbrünstigen Gebetes beendigt hatte, stand sie auf, um uns zu grüßen. Sie sagte mit leiser Stimme: „Sehen Sie da mein Kind, es wird diese Nacht noch sterben! Der Doktor hat gesagt, um es zu retten, müsse man eine Pflanze haben, die vier Stunden von hier, hoch oben auf einem Berg wachse. Mein Mann ist hingegangen, um sie zu holen – der gute Mensch. Aber das Kind wird sie nicht mehr brauchen, wenn Bartolomeo wieder nach Hause kommt. Wie kann man 8 Stunden hin und her in einem Augenblick zurücklegen? Der Tod geht so schnell! . . . Sehen Sie selbst“, setzte die Mutter bei, indem sie ihr Kind auf der Stirn und seine blassen Händchen küsste, „sehen Sie selbst, ob das liebliche Geschöpf nur noch eine Stunde zu leben habe? . . . Acht Stunden!“

 

„Aber warum?“, sagte ich zu der armen Frau, „habt ihr denn so viele Blumen um die Wiege des Kindes herum, auf diesen Altar und in die Hände der heiligen Jungfrau Maria gelegt? Ihr Geruch könnte ihm sehr nachteilig, ja tödlich werden.“

 

„Ach nein!“ antwortete sie. „Meine Tochter heißt Rosina, meine kleine Rose. Unsere Liebe Frau von den Blumen, la nostra signora dei fiori, die in Mailand, wo sie ihre Kirche hat, hoch verehrt wird, ist also ihre Namenspatronin; ich richte deshalb mein inbrünstiges, ergebungsvollstes Gebet an sie für meine Tochter Rosina, für meine Rosina, mein Leben, mein Kind! . . . Rosina! Rosina! . . . Ich weiß nicht“, setzte sie hinzu, „ob Unsere Liebe Frau von den Blumen mich erhören werde: mein Kind ist so schwer krank, und ich bin dessen nicht wert! Aber, ich bekenne es, ich habe mehr Vertrauen auf mein Gebet, um mein Töchterchen zu retten, als auf alle Pflanzen, die mein Bartolomeo wohl vergebens so weit her holt . . . Sie haben sich gewiss verirrt, wie ich sehe. Sie sind übel angekommen; doch sind Erfrischungen für Sie in jenem Schrank, Brot und kalter Braten; auch steht das Bett zu Ihrer Verfügung: ich werde diese Nacht nicht mehr schlummern; ich will fortfahren, zu Unserer Lieben Frau von den Blumen zu beten.“

 

Ich kniete gleichfalls mit ihr nieder, um Maria von den Blumen anzurufen. Aber ich kann es nicht verbergen, nicht mit jenem Vertrauen, wovon Rosinas Mutter mir ein so rührendes Beispiel gegeben hatte. Ich fühlte mich gerührt, aber sie, sie war überzeugt, wo nicht von der Rettung ihres Kindes, doch von der Macht der hohen Fürbitte, um die sie flehte. Bereits beteten wir eine Stunde, als die Tür der Hütte aufgerissen wurde. Ein Mann, in Schweiß gebadet und keuchend, stürzte herein. Es war der Vater des Kindes, Bartolomeo. Er achtete weder auf mich, noch auf seine Frau, die im Gebet versunken kniete. Er warf in der größten Hast in das auf dem Herd kochende Wasser die heilsame, die wunderbare Pflanze, die der Doktor für den Augenblick der Krise empfohlen, und die er, der arme Bartolomeo, so weit, so hoch oben gepflückt und herbeigebracht hatte, ohne auch nur eine Weile auszuruhen. Zehn Minuten später träufelte Bartolomeo des Absud in den Mund des mit dem Tod ringenden Kindes. Nachdem dies geschehen war, setzte sich der Holzhauer, die Hände auf die Knie gestützt, neben die Wiege und richtete seinen starren, trostlosen und lauernden Blick auf das bleiche Gesicht seines Kindes, ohne Zweifel, um die stufenweisen Wirkungen zu beobachten, die der Trank hervorbringen sollte.

 

Bis zum Tagesanbruch machte das Kind auch nicht die leiseste Bewegung, und lag da, als wenn es von Wachs gewesen wäre. Aber mit den ersten Strahlen der Sonne wurde es unruhig, richtete sich auf und stammelte den Namen seiner Mutter. „Gerettet! Du hast sie gerettet, heilige Jungfrau Maria von den Blumen!“ rief die Mutter, indem sie ihre Arme ausstreckte und den tränenfeuchten Blick auf das Bild der Gebenedeiten des Herrn richtete: „Du hast sie gerettet!“

 

„Das hat sie gerettet“, sagte der Vater, indem er das Kind in seine Arme nahm und ihm noch mehr von dem Tränkchen zu trinken gab.

 

„Bitte Gott um Vergebung für Deine Lästerung“, entgegnete die Frau des Holzhauers, lächelnd und weinend und ihre kleine Rosine umarmend . . . . „Allmächtiger Gott! Gütige heilige Mutter Gottes!“

 

„O ihr trefflichen Kräuter, ich glaube an eure Kraft! – Du großer Arzt!“ wiederholte Bartolomeo.

„Sei gepriesen, Du Liebe Frau von den Blumen!“ rief die Mutter.

 

Während dieses Streites zwischen Mann und Frau kam der Arzt und erkundigte sich sogleich nach dem Kind.

 

„Ja, es ist gerettet“, versicherte er, „die Gefahr ist vorüber. Ihr habt doch dem Kind von dem Tränkchen zu trinken gegeben, das ich verordnet habe?“

 

„Ja, Herr Doktor!“ versetzte der Holzhauer.

 

„Lasst doch sehen“, sagte der Arzt weiter, „ob Ihr es nicht zu stark gemacht habt. Ich hatte vergessen, die Dosis anzugeben.“

 

„Großer Gott!“ rief er aus, als er die Blättchen sah, die auf dem Grund eines Restchens lauen Wassers schwammen, „großer Gott! Welcher Irrtum! Ihr habt eurem Kind einen Tee von Waldkrautblumen zu trinken gegeben! Das ist gerade so viel, als ob Ihr ihm gar nichts gegeben hättet!“

 

Der Holzhauer verstummte vor Überraschung. Der Doktor war um der Ehre seiner Wissenschaft willen beschämt. Nur die Mutter rief mit neuer Inbrunst aus: „Heilige Madonna von den Blumen! So bist es denn Du allein, die meine Rosine, mein Kind gerettet hat!“

Jawohl! Maria ist und bleibt das Heil der Kranken, besser als alle noch so heilsamen Kräuter!

 

(Aus: Die Barmherzigkeit Marias von P. A. M. Huguet)

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13. Die Lilien des Dankes

 

Zu Zell im Zillertal befindet sich auf dem Kirchhof eine Kapelle mit einem wunderbaren Muttergottesbild. Schon viele Kranke haben hier Trost für ihre trauernde Seele und Linderung im höchsten Schmerz erfahren.

 

Eines Tages brachte eine fromme Magd, die auf eine wunderbare Weise durch die Hilfe der heiligen Muttergottes von einer schmerzlichen Augenkrankheit der Blindheit nahe gewesen, gerettet worden war, drei Lilien als Dankesgabe, indem die arme Wallfahrerin nicht mehr zu geben hatte. Dies geschah aber aus liebevollem Herzen.

 

Von der Sommerhitze welkten bald die Blumen in Marias Hand. Doch, da es Winter wurde, und Schnee die Erde und die Gräber des Kirchhofes bedeckte, da sprossten die Lilien und blühten von neuem.

 

Die arme Magd sah mit großer Freude dieses Wunder, verlobte sich der heiligen Muttergottes und ging in ein Kloster.

 

(Aus: Tirol von Beda Weber)

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14. Die Salbung zur Genesung

 

Bruder Friedrich von Hamburg, dieser kostbare Schatz der so schönen und großen Handelsstadt an der Elbe, wurde von edlem Stamm geboren, trat, noch sehr jung, in das dortige, damals schon weithin bekannte und berühmte Prediger-Kloster.

 

All sein Leben war beflissen, Gott dem Allmächtigen und seiner preiswürdigsten Mutter Maria mit Eifer und Andacht zu dienen, weshalb er auch bei der milden Himmelskönigin in hohen Gnaden stand.

 

Das zeigte sich besonders einmal, als er in den heißen Tagen des August-Monats tödlich erkrankte, so dass ihm von herbeigerufenen Ärzten das Leben abgesprochen wurde. Da erschien ihm am Tag ihrer glorreichsten Himmelfahrt die allerseligste Jungfrau Maria in der Gesellschaft der heiligen Maria Magdalena und der heiligen Märtyrin Katharina. Diese trug einen Weihkessel mit gesegnetem Wasser, jene ein kristallenes Gefäß mit Salböl. Als die hehre Königin mit dieser ihrer himmlischen Begleitung in die Zelle des frommen Mannes trat, sprach sie grüßend die Worte: „Friedrich, sei getrost, denn von deiner Krankheit wirst du bald geheilt sein!“ Da nahm sie aus den Händen der heiligen Magdalena die kristallene Ölbüchse und begann den Kranken mit Öl zu salben, und zwar unter ähnlichen Zeremonien und Worten, wie sie der Priester der Kirche bei der Spendung des Sakramentes der letzten Ölung anwendet. „Ich salbe deine Lippen“, sprach sie, „damit sie würdig das Lob meines Sohnes verkündigen; ich salbe deine Brust und dein Herz, auf dass Jesus Christus darin ruhe; ich salbe deine Hände, damit sie stets unbefleckt den hochheiligen Fronleichnam im Sakrament des Herrn anrühren; ich salbe deine Füße, damit sie auf dem Weg der Gebote Gottes und der Verkündigung seines Wortes nie ermüden!“ . . . und so salbte sie, die göttliche Mutter, in dieser Erscheinung alle Glieder des Bruders Friedrich, der wie halbtot und besinnungslos dalag, den Blick voll Freude und Bewunderung fest auf die „himmlische Ärztin“ geheftet, die, nach der Salbung mit dem heiligen Öl, nun auch den Wedel mit Weihwasser aus den Händen der heiligen Katharina nahm und in Kreuzesform damit den Kranken besprengte. Dann sprachen alle drei den Segen über ihn und verschwanden.

 

Bruder Friedrich kam gleich darauf zu sich, fühlte sich vollständig genesen und wieder bei Kräften, und erzählte mit selig verklärten Mienen seine Vision einigen Brüdern. Damit aber die Klostergenossen keinen Zweifel in seine Erzählung zu setzen brauchten, sprang er in demselben Augenblick von seinem Krankenlager empor, legte den Habit an und lief eilends der Kirche zu, um „seiner liebreichsten Ärztin“ von Grund des Herzens zu danken. Indem er so der Sakristei zulief, begegnen ihm zwei Krankenwärter, die, wohl wissend, in welchem kläglichsten Zustand er sich noch vor kurzem befunden hatte, nicht anders glaubten, als der Kranke sei im heftigsten Fieber und habe den Verstand verloren. Sie packten ihn daher herzhaft an, um ihn sogleich ins Krankenhaus zurückzuführen. Er aber lächelte und sprach: „Nein, meine Brüder, nicht ins Krankenhaus, sondern in die Kirche will ich, um meiner himmlischen Helferin für die Gnade meiner Genesung zu danken, und an diesem ihrem hohen Festtag das hl. Messopfer darzubringen!“ Da ließen sie ihn, und er erzählte nun den ganzen Hergang der Sache. Dann feierte er in der Gegenwart aller, unter Vergießung vieler Freudentränen, die heilige Messe.

 

Danach lebte Bruder Friedrich noch drei Jahre in großer Reinheit und Vollkommenheit. Er scheint seine Vaterstadt Hamburg nie verlassen zu haben, bis er im Jahr 1250 eines seligen Todes verstorben ist.

 

(Aus: Ephemerides von Steill)

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15. Die Marianische Medaille

 

Im Jahr 1857 kam ein protestantischer Künstler aus Norddeutschland nach Venedig, um für sein Brustleiden im südlichen wärmeren Klima Linderung zu suchen. Doch war seine Krankheit leider schon so weit fortgeschritten, dass er auch hier keine Heilung erwarten konnte. Ja, er hatte sich dort nur kurze Zeit aufgehalten, als sich sein Zustand schon so sehr verschlimmerte, dass er nur selten das Zimmer verlassen konnte, und daher auch die Lehrstunden, von deren Ertrag er lebte, aufgeben musste.

 

Da fügte es der liebe Gott, dass eine edle Fürstin von seiner traurigen Lage hörte und sich seiner erbarmte. Sie versah ihn nicht nur mit allem, dessen er bedurfte, sondern wurde auch seine größte geistliche Wohltäterin. Sie besuchte ihn oft mit ihrem fürstlichen Gemahl, tröstete ihn mit liebreichen Worten und empfahl ihm ganz besonders die Verehrung der allerseligsten Jungfrau Maria, als „Mutter der Leidenden, Trösterin der Betrübten und Heil der Kranken“.

 

In dieser Absicht schenkte sie ihm eine Medaille, worauf die unbefleckte Jungfrau Maria abgebildet war, und ermahnte ihn, dieses Bild recht oft zu betrachten, und dann zu der „Mutter der göttlichen Gnade“ zu flehen, auf dass sie bei ihrem göttlichen Sohn fürbitte: damit der Heilige Geist seinen Verstand erleuchte, sein Herz erweiche und der Segen Marias durch Jesus Christus ihm zum wahren Heil angedeihen möge.

 

Bald darauf erhielt die Fürstin einen Brief, in dem der Kranke ihr für alles erwiesene Gute dankte und Folgendes erzählte:

 

„Heute hatte ich einen wunderbaren Traum. Es dünkte mir, als bete ich in einer einsamen Waldkapelle und rufe die gebenedeite Gottesmutter an. Da erblickte ich plötzlich über dem Hochaltar im vergrößertem Maßstab die Medaille mit der Überschrift: „Im Land des Südens wird deine Seele Ruhe finden!“ Diese Worte werden nun an mir, wie ich denke, in Erfüllung gehen. Dies habe ich nächst Gott und der unbefleckten Jungfrau Maria nur Ihnen zu verdanken. Denn Sie sind es, die mich mit diesem Bildnis Marias beschenkte und mir auftrug, die heilige Gottesgebärerin zu verehren. Ein herrliches Samenkorn haben Sie gesät, und tief in meinem Herzen hat es sich eingewurzelt, um einst als lebenskräftiger Baum aufzusprossen. Jenes geweihte Marien-Zeichen werde ich als Kleinod lebenslang auf meiner Brust tragen, in gläubigem Vertrauen: dass, wenn hienieden eine fromme Fürstin segnend für ihn betet, auch die Fürstin des Himmels dort am Thron des Ewigen für mich bitten werde.“

 

Und sieh! Dieses kindliche Vertrauen, das der Kranke auf die allerseligste Jungfrau Maria setzte, blieb nicht unerfüllt. Denn mit Gottes Hilfe, erwirkt durch die Fürsprache der unbefleckten Jungfrau Maria, gelang es den vereinigten Bemühungen der gottesfürchtigen Fürstin und des eifrigen Seelsorgers, den sie herbeigerufen hatte, den Irrgläubigen in den Schoß der katholischen Kirche zurückzuführen. Er legte sein Glaubensbekenntnis ab, empfing die heiligen Sakramente, und entschlief dann sanft im Herrn, indem er sich glücklich pries, im katholischen Glauben zu sterben, und über seine edle Wohltäterin Glück und Segen von Gott durch die glorreiche Himmelskönigin herabflehte.

 

(Aus dem Salzburger Kirchenblatt)

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 16. Die schönsten Gebete an den Wallfahrtsorten zu Maria, dem Heil der Kranken.

 

 

Von der Wallfahrt weiten Wegen

Bring ich Mariens Gruß und Segen

 

* * * * * * *

 

In diesem Ort steht hoch und mild

Der lieben Gottesmutter Bild

Und Andacht herrschet ringsumher,

Als ob hier immer Festtag wär.

 

Zu diesem Bildnis flieh ich hin,

Wenn trostlos ich und traurig bin;

Die man im Bilde hier verehrt, -

Gibt gerne, was man hier begehrt.

 

Sie ist die Mutter unseres Herrn,

Den Irrenden ein milder Stern,

Der armen Sünder Zuversicht,

Betrübten neues Hoffnungslicht.

 

Dem Kranken gibt Sie Kraft und Heil

Und Hilf wird uns durch Sie zuteil

Noch niemanden wies Sie zurück,

Denn allen gilt ihr Gnadenblick.

 

Drum klage ihr ein jedes Leid,

Zu schneller Hilf ist sie bereit

Und ohne Trost geht niemand fort

Von diesem schönen Gnadenort.

 

* * * * * * *

 

O Maria hilf doch mir,

Sieh es fleht Dein Kind zu Dir.

Du bist`s ja die helfen kann,

Ach Mutter nimm Dich meiner an.

Du bist mächtig uns aus Nöten

Und Gefahren zu erretten,

Denn wo Menschenhilf gebricht,

Mangelt dich die Deine nicht.

Nein Du kannst das heiße Fleh`n

Deiner Kinder nicht verschmäh`n,

Zeige dass Du Mutter bist,

Wo die Not am größten ist.

Hilf Maria es ist Zeit,

Mutter der Barmherzigkeit. Ave.

 

* * * * * * *

 

Keiner fleht zu mir vergebens

In den Nöten seines Lebens;

Kommet nur, ich bin allezeit,

Euch zu helfen gern bereit!

Was euch drücket, will ich heben,

Was euch mangelt, will ich geben,

Was euch kränket, soll verschwinden,

Was verwundet ist, verbinden

Will ich es mit Mutterhand,

Die des Leidens viel empfand,

Allen, die sich recht bestreben

Fromm und tugendhaft zu leben

Und sich meinem Dienste weih`n,

Will ich gern und freudig sein

Trost und Hilf in aller Not,

Schutz im Leben und im Tod!

 

* * * * * * *

 

O Maria ! Anker der Hoffnung, Morgenstern, Trösterin der Betrübten, unsere einzige und alleinige Mutter! Schenke heute unseren Wünschen ein geneigtes Ohr, erhöre das Flehen meines armen Herzens; ich weiß nicht, an wen ich mich wenden, wem ich mein Anliegen anvertrauen soll; und doch bin ich unglücklich und leide. Zu Dir also, o meine Beschützerin, o Maria, o meine Mutter, nehme ich in vollem Vertrauen meine Zuflucht; stehe mir bei in meiner Betrübnis, weiche nicht von mir in meiner gänzlichen Verlassenheit; ich bin zahllosen Gefahren ausgesetzt. Du bist die Mutter der Unglücklichen; schütze meine Schwachheit, o göttliche Jungfrau Maria, wirf einen gnadenvollen Blick auf mich, erhöre die Bitte einer unglücklichen Seele, welche unaufhörlich zu Dir rufen möchte: O Maria, ohne Sünde empfangen, bitte für uns, die wir unsere Zuflucht zu Dir nehmen.

 

* * * * * * *

 

Verlass uns, o Mutter nicht,

Wenn unser Aug im Tode bricht!

Hilf, dass wir christlich sterben,

Die Seligkeit des Himmels erben.

Führ uns an deiner Mutterhand

Aus Todesnacht ins Sternenland.

Durch Jesu, Deines Sohnes, Leiden

Erbitte uns die ew`gen Freuden.

Kommt unsre Seele zum Gericht,

Verlasse sie, o Mutter, nicht;

Hilf ihr, Verzeihung, Gnade finden

Für alle tiefbereuten Sünden,

Dass sie nach diesem Erdenstreit

Erlangt des Himmels Seligkeit.

 

* * * * * *

 

Mutter mein im Himmel oben,

Wo Du wohnst auf hohem Thron;

Dort, wohin Dich Gott erhoben,

Deiner Tugend Dir zum Lohn;

Sieh Dein Kind hier unten stehen;

Hör es klagen, schwer im Schmerz,

Mutter, ach erhör mein Flehen,

Komm und tröst mein trostlos Herz!

O entreiße mich den Nöten,

Der so viele mich umstehn,

Hör mein Rufen, hör mein Beten,

Lass mich nicht zu Grunde gehn.

Und Du sprichst in Muttermilde:

Erdenkind sei nur getröst;

Wie du blickst zu meinem Bilde,

Wirst du deiner Not erlöst;

Fest nur deinem Gott vertraue,

Er ist Vater, ewig gut;

Hoff auf ihn und trau und baue,

Seiner Gotteshuld mit Mut.

 

* * * * * * *

 

Höre, Mutter, meine Klagen,

Die ich flehend zu Dir sende,

Ach, mit Bangen und mit Zagen,

Tränenfeucht mein Aug ich wende.

 

Zu Dir, Mutter, Quell der Liebe,

Süßer Trost der Schwerbetrübten,

Nun Dein Amt, als Mutter übe,

Bitt den Sohn den „Vielgeliebten“.

 

Dass er sende Ruh und Frieden,

Licht und Trost dem Herzen spende,

Das von Zweifeln schwach und müde,

Endlich gläubig sich doch wende.

 

An das treuste aller Herzen,

Auch für mich am Kreuz durchstochen,

Dankbar denke an die Schmerzen,

Die sein liebend Herz gebrochen.

 

O so bitte für mich Armen,

Neige huldvoll Dich herab,

Fleh um Gnade um Erbarmen,

Bitt um Treue bis ans Grab.

 

* * * * * * *

 

Ich gehe, wenn ich traurig bin,

Zur lieben Mutter Gottes hin,

Und alles Leid und allen Schmerz

Vertrau ich ihrem Mutterherz.

Der Sohn in seiner Leidensnacht

Hat sie als Mutter uns vermacht.

Uns helfen ist ihr Mutterpflicht,

Maria sie vergisst das nicht.

Manch Herz ist an Erbarmen reich

Doch ihrem Herz ist keines gleich!

Des Kindes Leid, des Kindes Schmerz

Fühlt nur so recht ihr Mutterherz,

Drum geh, hast du betrübten Sinn,

Nur gleich zur Mutter Gottes hin

Und alles Leid und allen Schmerz

Erzähle ihrem Mutterherz

Und sie, die Mutter – Königin,

Verschafft dir wieder frohen Sinn,

Drum felsenfest dich ihr vertrau,

Sie ist ja unsre liebe Frau.

 

* * * * * * *

 

Hilf, o Maria Mutter wert,

Du weißt gar wohl, was uns beschwert.

Dir ist bekannt das menschlich Herz

Das betrübt so mancher Schmerz,

Dem niemand glaubt, kein Auge fasst,

Nimm hin, o Mutter, solche Last.

Wir Menschen sind all Stund und Tag

In Not, Gefahr, in Pein und Plag.

Mit Feuer, Hunger, Krieg und Tod

Zu strafen uns der Himmel droht,

Und dies allein wegen unserer Sünd

Drum komm, Maria, hilf uns gschwind.

Hör an, die wir so inniglich,

Von ganzen Herzen bitten Dich,

Lass Dich erweichen, o Mutter groß,

Samt Deinen Sohn in Deinem Schoß.

Dass wir durch dessen Mildigkeit,

Sämtlich erlangen Trost und Freud,

In alle Ewigkeit. Amen.

 

* * * * * * *

 

Geh zu Maria, fromme Seele,

Zu jeder Stund, an jeden Tag,

Und sag und klag Ihr, was dir fehle,

Was immer dich bedrücken mag.

Geh zu Maria, fromme Seele,

Ist dir dein Herz von Kummer schwer,

Und, mit Kindeseinfalt, zähle

Ihr alle deine Nöte her.

Vor allem geh zu dieser Stätte,

Wo Gnadenglanz ihr Bild verklärt,

Gibt’s einen, der gebetet hätte,

Dem Sie die Bitte nicht gewährt?

 

* * * * * * *

 

„Maria hilf!“ ruft aller Enden

Die Not hinauf zur ew`gen Höh,

„Maria Hilf!“ wer kann sonst wenden

Des Lebens Leid und bitt’res Weh?

„Maria hilf!“ – ach, Menschen mögen

Und können nicht uns Hilf verleihn;

Wie dunkel wär’s auf unsern Wegen,

Göss Deine Lieb nicht Trost uns ein!

 

Maria hilf!“ – so ruft der Sünder,

Dess Schuld so schwer, so rot wie Blut;

Dein mildes Herz, es ist nicht minder

Selbst dem zu tief Gefall’nen gut!

Die Du am Kreuz dem rechten Schächer

Beim Sohn erfleht das Paradies,

Mach, dass auch mich Er nicht als Rächer

Und Richter in die Hölle stieß!“

 

„Maria hilf!“ – so klingt das Flehen

Der Unschuld von Gefahr bedroht,

Lass nicht im Kampf mich untergehen,

O schütz mich vor der Seele Tod!

Nein!, sterben lieber als verlieren,

Den ewig schönen Jungfraunkranz,

Er mög mich noch da droben zieren

Mit wundervollem Sternenglanz!

 

„Maria hilf!“ – vom Bett der Schmerzen

Tönt so des Kranken bange Bitt,

Dir klag ich’s mit gepresstem Herzen,

Was dieser Leib so lang schon litt!

Hilf zur Genesung mir aufs Neue,

Und leben will ich Gott zur Ehr

Mit solchem Dank und solcher Treue,

Wie wenn ich neu geboren wär!

 

„Maria hilf!“ – dringt’s aus der Hütte

Der Armut in Verzweiflung fast,

Das Elend weilt in unsrer Mitte,

Die Not ist unser steter Gast!

Kein Brot, kein Kleid – im Herd, dem kalten,

Kein Feuer mehr trotz Eis und Schnee,

Wie können wir noch Hilf erhalten,

Als nur durch Dich in so viel Weh!

 

„Maria hilf!“ – so fleht – verlassen

Von aller Welt – ein Herz in Leid;

Dürft Deine Hand nicht fest ich fassen,

Dem Untergang wär ich geweiht!

 

„Maria hilf!“ ruft in den Stürmen

Der Seemann, dem der Abgrund droht.

Du, Stern des Meers, allein kannst schirmen

Mich und mein Schiff vor sicherm Tod!

 

„Maria hilf!“ – so ringt das Flehen

Des Bergmanns sich aus dunklem Schacht,

Lebendig, ach! muss ich mich sehen

In grauenvollster Grabesnacht!

 

„Maria hilf!“ so haucht noch leise

Des Sterbenden erbleichter Mund,

O hilf zur letzten langen Reise,

Hilf in des Lebens schwerster Stund!

 

„Maria hilf!“ – steht am Altare

Der Priester – und in stiller Zell

Der Mönch; an ihres Gatten Bahre

Die Frau im heißen Tränenquell;

An Kindleinsgrab zwei Elternherzen,

Die jetzt an aller Freude arm,

Das Waisenkind in bangen Schmerzen,

Dem niemand naht voll Liebe warm!

 

„Maria hilf!“ so ruft vom Throne

Der Kaiser, - der Soldat im Streit,

Der Papst mit dreifach heil’ger Krone,

Der Missionär im Urwald weit,

Der Künstler eh zum Werk dem hehren,

Er sich in frommer Andacht schickt,

Der Arzt, in seinem Amt, dem schweren,

Dass ihm die Kur am Kranken glückt!

 

„Maria hilf!“ – das ist auf Erden

Der erste wie der letzte Schrei,

Drin alle Menschen gleich sich werden,

Wie ungleich sonst ihr Los auch sei,

Der nimmer ruht in ihrem Herzen,

Den immer ruft der bange Mund,

Drin tausendfach verschiedne Schmerzen

Sich unsrer Mutter machen kund.

 

„Maria hilf!“ – Im Himmel droben

Wird dieser Ruf verklungen sein

In Jubellied und Dankesloben!

Das freudig wir Maria weihn,

Durch deren Hilf wir überwunden

Das Fleisch, den Satan und die Welt.

In deren Lieb wir nun gefunden,

Den ew’gen Lohn im Gotteszelt!

 

* * * * * * *

 

Der Pilger Abschiedsgruß beim Scheiden von der Gnadenstätte

 

So heißt’s denn wieder scheiden

Von diesem Ort so hehr,

Und scheiden, das bringt Leiden,

Wir fühlen’s nur zu sehr!

Wie Kindern ist’s uns heute,

Die von der Mutter gehen,

Fort in die Welt, die weite,

Vielleicht auf Nimmersehn!

 

Da gibt’s viel heiße Zähren,

Viel bittern bangen Schmerz,

Viel liebe letzte Lehren

Aus Mutter-Mund und Herz;

Da gibt’s ein warm Versprechen

Mit Kindes-Hand und Mund,

Zu keiner Zeit zu brechen

Mit Gott den heil’gen Bund!

 

So knien zum letzten Male

Vor unsrer Mutter wir,

Seh’n – bei der Lampen Strahle

Ins liebe Antlitz ihr,

Kaum können satt wir schauen

Uns an der Mutter heut,

Und heiße Tränen tauen

In tiefstem Trennungsleid!

 

Ist’s wohl in diesem Leben

Der letzte Scheidegruß,

Den wir gebracht soeben

Zu des Altares Fuß?

O süße Mutter, sage,

Wird nochmals uns das Glück

Dass unser Fuß uns trage

An diesen Ort zurück?

 

Du schweigst, und unsre Herzen,

Sie schlagen tief bewegt,

Ein Tränenflor voll Schmerzen

Auf unser Aug sich legt!

O Mutter, liebe Milde,

Leb wohl und gib uns heut

Von deinem Gnadenbilde

Den Segen als Geleit!

 

Wir haben unser Leben

Gelegt in deinen Schoß,

Du, Mutter, kannst uns geben

Ein gut und glücklich Los,

Kannst enden unsre Leiden,

Und lindern unsre Last,

Kannst wenden wohl zu Freuden

Das Weh, dass uns erfasst!

 

So wollen ohne Bangen

Wir wieder heimwärts gehn!

Wir werden Heil erlangen,

Wir werden Hilfe sehn,

Und ob’s auch anders ginge

Als unser Herz es meint,

Du ordnest alle Dinge,

Wie Dir’s am besten scheint!

 

Eins aber tu uns allen,

Steh uns im Tode bei,

Dass er ein selig Wallen

Zum Tempel Gottes sei,

Zum wahren Gnadenorte,

Wo mit dem Sohn du weilst,

Und uns mit mildem Worte

Den Muttergruß erteilst!

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17. Maria, Heil der Kranken

 

Die göttliche Gnade ist an keinen Tag, an keine Stunde, an keinen Ort gebunden und überall und allezeit ist Gott bereit, das demütige Gebet des Sünders zu erhören. Auch Maria spendet ihre Hilfe, wo und wann sie ein empfängliches Herz, das ihrer Fürbitte würdig ist, finden mag. Wer aber je einmal die Kraft ihrer Fürsprache bei Gott empfunden hat, wird diesen Tag nie im Leben vergessen und alljährlich festlich begehen. Eine Person, die ein krankes, schadhaftes Auge hatte, aus dem der Eiter floss, fand vollkommene Heilung des Auges durch die Anrufung Unserer Lieben Frau von Akren. Das Merkwürdigste dabei ist aber, dass alljährlich an dem Tag, an dem die geheilte Person nach Akren zu kommen pflegte, um Maria für die Wohltat sich dankbar zu bezeigen, aus dem geheilten Auge angesichts aller ohne Schmerz und Schaden Blut floss wie zum immerwährenden Zeugnis des Wunders. Da die Sache durch Untersuchung des Erzbischofs von Cambrai und durch öffentliche Abbildungen bekräftigt wurde, so kam es, dass der 17. Februar als der Tag, an dem jenes merkwürdige Bluten achtzehn Jahre hindurch regelmäßig stattfand, zur Verehrung Mariens und zur Erbauung des Volkes als einer der gefeiertsten bis auf gegenwärtige Zeit begangen wird.

 

Zu anderer Zeit wohl und an anderem Ort aber von ähnlichem Leiden erlöste Maria durch ihre kräftige Fürbitte noch gar manchen Bedrängten, was die folgenden Tatsachen beweisen:

 

Johann Jakob Olier, Pfarrherr von Saint-Sulpice und Gründer des gleichnamigen Seminars in Paris, erhielt von der allerseligsten Jungfrau wiederholte Beweise, dass ihr die Liebe und Verehrung, die er von Jugend auf gegen sie im Herzen trug und im Leben so vielfach betätigte, wohlgefällig war, und dass sie ihn unter ihre besondere Obhut genommen. Einer der glänzendsten war die Gunst, die sie ihm in seinem achtzehnten Lebensjahr erwies.

 

Olier war in Gefahr, gänzlich das Augenlicht zu verlieren, und alle Mittel der Ärzte hatten ihm keine Linderung verschafft. Da nahm er seine Zuflucht zu seiner gewöhnlichen Helferin und machte das Gelübde einer Wallfahrt nach Loretto. Obwohl die Entfernung von Paris nach Italien sehr groß ist, so wollte er doch den ganzen Weg zu Fuß machen. Er war nur mehr eine Tagreise vom Ziel seiner Pilgerfahrt entfernt, als er von einem heftigen Fieber befallen wurde. Nur mit größter Mühe konnte er nach einer ein- oder zweitägigen Ruhe den noch übrigen Weg zurücklegen. In Loretto angekommen begab er sich, während man ihm einen Arzt suchte, in das Haus seiner vielgeliebten Mutter. Er war nicht sobald in das Haus eingetreten, als er sich von so großen Tröstungen überschüttet fühlte, dass seinen Augen Ströme von Freudentränen entflossen, und die Gnade machte einen solchen Eindruck auf sein Herz, dass er sich in einen ganz anderen Menschen umgewandelt fühlte. Niemals hatte er in so fühlbarer Weise das Glück empfunden, Maria zu lieben. In demselben Augenblick fühlte er sich auch vollkommen geheilt, sowohl von dem Fieber als von dem Übel, das sein Gesicht angegriffen hatte. Dieser Vorfall machte seine Anhänglichkeit an Maria noch lebendiger und sein ganzes Leben lang zeichnete er sich durch einen besonderen Eifer in ihrem Dienst und für ihre Ehre in hoher Weise aus.

 

In der Residenz der Gesellschaft Jesu zu Alagalang auf den Philippinen litt ein Junge die heftigsten Schmerzen in den Augen. Er suchte Rat und Hilfe bei einem der Priester, der ihn zum Vertrauen auf die seligste Jungfrau ermunterte und ihn andächtig den Englischen Gruß beten hieß. Der Junge tat es, und augenblicklich waren Schmerz und Krankheit verschwunden. 

 

Zu Lyon stieß sich ein Mitglied der marianischen Sodalität unversehener Weise eine große Nadel in das linke Auge. Die Ärzte erklärten das beschädigte Auge für verloren. Der Sodale aber nahm Zuflucht zu seiner Schutzfrau Maria, und nach etlichen Tagen war sein Auge hergestellt. Nur ein kleines Mal blieb von dem Stich als stets Gedenkzeichen der durch höhere Hand erlangten Hilfe.

 

Beim Meierhof Camarillis (Spanien) fand ein Landmädchen, das an der Stelle des erblindeten Vaters die Felder besorgte, während des Pflügens einen Stein im Acker, den sie, um den Pflug nicht zu beschädigen, beiseite schaffte. Staunend gewahrte sie unter dem Stein ein Muttergottesbild, von Glanz umflossen. Sie trug es zu ihrem Vater, der in der Nähe war, und berichtete ihm von dem Fund. Der blinde Mann fasste sogleich Vertrauen, warf sich auf die Knie nieder, und flehte zur Mutter des Herrn um sein Augenlicht, das er auch sogleich erhielt. Bald wurde für das Bild eine Kapelle erbaut. 

 

(Aus: Marianischer Festkalender, Regensburg 1866)

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18. Wunderbare Heilung am 12. April 1859

 

Ein Mädchen von neunzehn Jahren, das einer ausgezeichneten christlichen Familie angehörte, litt seit ihren neunten Lebensjahr schrecklich an den Füßen und ihr Leiden wurde mit den Jahren nur schwerer. Umsonst war der Rat und die Hilfe der Ärzte. Sie gewann nach und nach die Überzeugung, dass ihr nur der Himmel selber helfen könne. Sie entschloss sich also, nach Paris zu Unserer Lieben Frau vom Sieg bringen zu lassen. Am 10. April kam sie in der Hauptstadt Frankreichs an. Lassen wir sie selber erzählen:

 

"Ich konnte nur in Begleitung meiner Freundin gehen, die mich führte und unterstützte. Ich gelangte sehr schwer bis in die Kirche, setzte mich auf einen Stuhl und brach da in Seufzer aus, eine halbe Stunde lang. Endlich sagte ich zu meiner Freundin: Ich bitte, führe mich vor den bevorzugten Altar, ich will die heilige Jungfrau sehen, ich habe ihr so viel zu sagen!" Ich weigerte mich, meine Krücken mitzunehmen und mich an die Stühle haltend, gelangte ich zu dem ersehnten Platz, auf einige Schritte vom Geländer. Mich niedersetzend betrachtete ich die Statue und sprach zu ihr: "Meine gute Mutter, sieh auf mich, nur du kannst mich jetzt heilen; ich werde nicht mehr von hinnen gehen, bis ich geheilt bin; muss ich morgen wiederkommen, so werde ich kommen." Ich betete meinen Rosenkranz, wohl oft unterbrochen durch die flehenden Bitten: "Meine gute Mutter, ich beschwöre dich, heile mich! Da dein göttlicher Sohn dir alles bewilligt, um was du ihn bittest, so bitte und du wirst es erhalten!" Bei diesen letzten Worten schien es mir, als wenn die Statue lächelte und mir sagte: "Warte noch ein wenig, mein Kind, und deine Bitte wird erhört werden." Ich warte, ich spreche noch ein Gedenke, und einige Minuten darauf erprobte ich etwas, das ich nicht aussprechen kann. Ich fühlte keine Schmerzen mehr, konnte die Beine bewegen und erhob mich, um auszurufen: "Ich bin geheilt!" Aber die Sammlung aller, die mich umgaben, hieß mich Stillschweigen beobachten.

 

Ich ging, mich am Geländer auf die Knie niederzuwerfen, und war da eine Stunde lang so bewegt, dass ich mich nicht erinnere, ob ich der heiligen Jungfrau gedankt habe. Um drei Uhr am 12. April 1859 verließ ich Unsere Liebe Frau vom Sieg, meine Krücken dort lassend, und eilte bis ins Hotel Flandern. Die Frau des Hauses war unbeweglich vor Erstaunen, sie konnte ihren Augen nicht trauen. Von da stieg ich, meine Freundin wiederzufinden, die mich in der Kirche verlassen hatte, ohne mich am Treppengeländer zu halten, drei Stockwerke hoch. Neues Erstaunen: "Wie, du bist es? Das ist nicht möglich!" "Und doch, ich bin es, die heilige Jungfrau hat mir neue Beine gegeben! Wie bin ich glücklich! . . . Komm schnell mit mir, ihr zu danken, ich weiß ihr nichts mehr zu sagen." Wir kehrten zurück und ließen eine Dankmesse halten. Gott sei gepriesen! Ich betrachte meine Heilung, und mit mir eine große Anzahl anderer Personen, als ein Wunder."

 

(Aus: Marianischer Festkalender, Regensburg 1866)

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19. Die heilige Jungfrau Maria erscheint einem Blinden,

der hierbei sein Augenlicht wieder erhält

 

In der Dauphinée (Frankreich) lebte ein Edelmann aus der Familie Ravardi, der aber blind war und die heilige Jungfrau Maria mit besonderer Ergebenheit verehrte.

 

Einmal erschien sie ihm im Traum und sprach zu ihm folgende Worte:

 

"Lass dich in die Kirche des heiligen Andreas zu Turin bringen, denn nicht weit von ihr und unter den Trümmern der Stadt, die einst von den Barbaren zerstört worden ist, liegt eine Kapelle verschüttet, in der sich ein Bildnis von mir findet. Dieses Bild will ich der Verehrung ausgesetzt wissen. Sobald du nun an diese Stelle gekommen sein wirst, wirst du sogleich dein Augenlicht erhalten, und wenn dies geschehen ist, dann trachte, dass mein Bildnis an einem heiligen Ort aufgestellt werde."

 

Als der Blinde diesen Worten gefolgt und sich an den von Maria angegebenen Ort hatte bringen lassen, erlangte er augenblicklich sein Augenlicht. Von diesem Wunder in Erstaunen gesetzt, begab sich der Bischof von Turin, Amizzo, ein der Mutter des Herrn sehr ergebener Mann, mit vielen Städtern an jenen Ort, ließ die Erde aufgraben und den Schutt hinwegräumen. Und da entdeckte man wirklich die unterirdische Kapelle, in der sich das heilige Bildnis ganz und unversehrt vorfand, obwohl vieles darauf hindeutete, dass es durch vierhundert und mehr Jahre hier verschüttet lag und sowohl der Feuchtigkeit, als dem Wurmfraß ausgesetzt war. Amizzo, der auf die Verehrung der heiligen Jungfrau bedacht war, ließ nun diese Kapelle in die Kirche des heiligen Andreas übertragen, und stellte in ihr das heilige Bildnis auf. 

 

Dieses erzählte Wunder begab sich am 20. Juni 1104.

 

(Quelle: Marianischer Festkalender, Regensburg 1866)

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Unsere Liebe Frau auf dem Pfeiler

Saragossa / Spanien

 

20. Der Mann mit dem amputierten Bein

- Ein wenig bekanntes Wunder -

 

Im Jahr 1636 beschloss der 17jährige Miguel Juan Pellicer, Sohn einfacher Bauersleute in Calanda in der Erzdiözese Saragossa, das Elternhaus zu verlassen und zu seinem Onkel mütterlicherseits, Jaime Blasco, in der fruchtbaren Gegend von Castellon de la Plana im Königreich Valencia zu gehen, um bei ihm zu arbeiten. Dort stürzte er im Sommer 1637 beim Einbringen der Getreideernte von dem vor den Wagen gespannten Maultier, auf dem er ritt. Ein Rad des Wagens rollte über sein rechtes Bein und verursachte einen schweren Bruch, der bald zu eitern begann.

 

Man verbrachte Miguel zunächst in das Krankenhaus von Castellon de la Plana und dann nach Valencia. In dem erhalten gebliebenen Verzeichnis der Zugänge im Krankenhaus von Valencia ist die Einlieferung des Verunglückten unter dem Datum des 3. August 1637 verzeichnet.

 

Doch alle Behandlung blieb erfolglos. Auf seinen Wunsch überführte man den Kranken schließlich in das Königliche Krankenhaus von Saragossa, der Stadt der "Virgen del Pilar", der Muttergottes von der Säule, zu der er schon immer eine besondere Liebe gehabt hatte. In seinem Heimatort Calanda wurde diese Muttergottes, die in ganz Spanien als mächtige himmlische Patronin gilt, seit urdenklichen Zeiten verehrt. Und während der junge Mann sich in dem berühmten Krankenhaus befand, weilten seine Gedanken und Gefühle oft in der Gnadenkapelle.

 

Miguels Zustand war ernst. Nach kurzer Beobachtungszeit verlegte man ihn in den nach dem hl. Michael benannten Saal der chirurgischen Abteilung. Dort wurde er von Juan de Estanga, Professor für Chirurgie an der Universität und Leiter der chirurgischen Abteilung des Krankenhauses, behandelt. Ende Oktober 1637 nahm ihm dieser mit Unterstützung eines weiteren Chirurgen, Diego Millaruelo, das rechte Bein ab. Die Amputation erfolgte etwas unterhalb der Kniescheibe. Vorher hatte man dem Patienten einen Beruhigungstrank gegeben. Miguel aber, der schon immer seine Hoffnung auf die Hilfe des Himmels gesetzt hatte, hatte sich in seiner Not der Muttergottes anempfohlen. Das abgenommene Bein wurde von dem Assistenten Juan Lorenzo  Garcia weggebracht und in Gegenwart mehrerer Zeugen auf dem Friedhof des Krankenhauses beerdigt.

 

Für Miguel kam nun eine harte Geduldsprobe. Es galt zu warten, bis die Wunde sich schloss. Als er nach Monaten das Krankenhaus verlassen durfte, obgleich der Stumpf noch weiter behandelt werden musste, führte ihn sein erster Gang zur Kapelle U. L. Frau von der Säule, der er dafür danken wollte, dass sie ihm nach so vielen Leiden das Leben erhalten hatte. Ganz auf sich selbst angewiesen, beschloss er, nicht nach Calanda zurückzukehren, um seinen Eltern nicht als Krüppel zur Last zu fallen. Er blieb in Saragossa und nahm bescheiden seinen Platz unter den Unglücklichen ein, die an der Tür der Kapelle U. L. Frau von der Säle bettelten. Die Einwohner der Stadt sahen den nunmehrigen Krüppel mit seinem Holzbein und seiner Krücke dort täglich mühsam umherhumpeln. Hatte er genügend Almosen erbettelt, so pflegte er sich ein Lager bei dem Gastwirt Juan de Mazas zu leisten, der ihm für 4 Dineros Unterkunft und Verpflegung in seiner Wirtschaft "Las Tablas" gewährte. War der Tag aber erfolglos gewesen, so suchte er sich einen Unterschlupf im Hof des Krankenhauses und erwartete dort auf einer Bank den Anbruch des Morgens.

 

Die Schmerzen im Stumpf seines Beines aber wollten nicht nachlassen, obwohl er jedes Mal beim Besuch der Kapelle der Virgen del Pilar seine Wunde mit dem Öl der Lampen, die dort in großer Zahl vor dem Bild der hl. Jungfrau brannten, bestrich. Der Chirurg Juan de Estanga riet ihm davon ab. Er war der Ansicht, diese Anwendung des Öles würde die Vernarbung verzögern, womit er natürlich das Vertrauen des jungen Burschen in die Macht der hl. Jungfrau nicht erschüttern wollte. Der Bursche aber ließ sich nicht davon abbringen und hielt an seinem unbeirrbaren Vertrauen auf Maria fest.

 

Als Miguel eines Tages wieder einmal einer Gruppe von Pilgern seine Hand um eine Milde Gabe entgegenstreckte, erkannten ihn zwei Geistliche der Pfarrei Calanda, die ihm zuredeten, zu seiner Familie zurückzukehren. Eine weitere Begegnung mit seinen alten Nachbarn Francisco Felez und Lamberto Pascal bewog ihn schließlich, Saragossa zu verlassen. Von mildtätigen Menschen unterstützt, kam er bis Samper, von wo ihn seine Eltern mit einem Wagen heimholten. Das war im März 1640.

 

Obwohl Miguel von seinen Eltern und den Nachbarn gut aufgenommen worden war (natürlich hatten sich auch zahlreiche Neugierige eingefunden gehabt, die dem Mann mit dem Holzbein und seiner Krücke sehen wollten), konnte er den Gedanken nicht loswerden, für die Seinen nur ein unnützer Esser zu sein. Daher begann er von neuem bettelnd durch das Land zu ziehen, nun allerdings auf einem Esel reitend, und war glücklich, wenn er aus den umliegenden Dörfern einen Bettelsack voll Brot mit heimbrachte.

 

Am 29. März 1640 blieb Miguel zu Hause und schaffte mit Hilfe seiner jüngeren Schwester den Mist weg, der sich im Stall angesammelt hatte. Am Abend fühlte er sich sehr müde. Er saß noch eine Weile mit seinen Angehörigen und Nachbarn zusammen. Auch ein paar Soldaten, die gerade in Calanda im Quartier lagen, waren dabei. Einer war im Hause Pellicer einquartiert. Da Miguel stärkere Schmerzen verspürte als gewöhnlich und von der Arbeit ermüdet war, verließ er die Gesellschaft gegen 10 Uhr, nahm sein Holzbein ab und ließ sich, von seiner Mutter gestützt, auf dem provisorischen Lager nieder, das man ihm im Zimmer der Eltern gerichtet hatte. Ein Mantel seines Vaters diente ihm als Decke. Nachdem er wie gewöhnlich zu U. L. Frau von Saragossa gebetet hatte, fiel er in den Schlaf.

 

Um 11 Uhr löste sich auch die Gesellschaft vor dem Haus auf. Die Nachbarn und die Soldaten gingen fort, um sich zur Ruhe zu begeben. Miguels Mutter trat als erste in das Zimmer. Plötzlich aber schrie sie erschreckt auf. Beim Blick in die Ecke, in der ihr Sohn ruhte, hatte sie auf einmal zwei Füße unter dem Mantel hervorschauen sehen. 

 

Nach einem von dem deutschen Arzt Petrus Neurath, der damals in Saragossa weilte, 1641 verfassten Bericht war der Frau unwillkürlich der Gedanke gekommen, ein Soldat würde an Stelle des Sohnes vor ihr liegen. Sie rief daher ihren Mann, der schon durch den Überraschungsschrei seiner Frau alarmiert worde war und sofort herbeigeeilt kam. Man kann sich die nun folgende Szene vorstellen: die Frau, die ihrem Mann zurief, dass sie plötzlich zwei Beine sähe; der Mann, der den Mantel aufhob, seinen Sohn erkannte und feststellte, dass tatsächlich, so unglaublich es schien, das fehlende rechte Bein wieder ganz vorhanden war!

 

Trotz des Lärms und der Ausrufe erwachte der Schläfer erst, als man ihn heftig schüttelte. Sobald er die Augen aufschlug, machte der Vater ihn darauf aufmerksam, dass er plötzlich wieder beide Beine besitze. Der Bursche wusste nicht, was er antworten sollte, als seine Eltern ihn naiv fragten, was denn geschehen wäre. Wie sollte er das wissen? Alles, was er sagen konnte, war, dass er sich beim Einschlafen wie stets der Virgen del Pilar anvertraut hätte. Dann sei er eingeschlafen. Allerdings hätte er geträumt, sich in der Gnadenkapelle von Saragossa zu befinden und seinen schmerzenden Stumpf mit dem Öl der Lampen einzureiben. Nach Neuraths Bericht sagte der Vater daraufhin zu ihm: "Danke Gott, mein Sohn! Auf die Fürsprache seiner heiligen Mutter hat er dir dein Bein wiedergeschenkt."

 

Die Familie brachte es natürlich nicht fertig, das erstaunliche Vorkommnis für sich zu behalten. Als erste erfuhren es die Nachbarn, die es dem Pfarrer Herrero meldeten. Bis zum Morgengrauen wusste das ganze Dorf bereits Bescheid. Vom Hause Pellicer bewegte sich eine Prozession zur Kirche, wo Miguel beichtete, einer Dankmesse beiwohnte und zur hl. Kommunion ging.

 

Zunächst konnte Miguel das neue Bein und den rechten Fuß noch nicht fest auf den Boden setzen. Die Zehen schienen wie tot. Es dauerte einige Zeit, bis das Fleisch seine normale Färbung erhielt und die bläuliche Marmorierung verschwand, die dem Bein zunächst noch ein brandiges Aussehen gab. Allmählich aber fand das Glied die notwendige Kraft und Geschmeidigkeit. Es glich in jeder Weise dem amputierten Bein. Selbst die Narben mehrerer tiefer Abschürfungen, die Miguel sich in der Kindheit zugezogen hatte, waren zu erkennen.

 

Das erstaunliche Wunder ging unter dem Namen "Das Wunder von Calanda" in die spanische Kirchengeschichte ein, und in Saragossa heißt eine Straße in der Nähe der Kathedrale del Pilar noch heute "Calle del Milagro de Calanda" (Straße des Wunders von Calanda). Im Jahr 1940 erschien zur 300-Jahrfeier eine Gedenkmarke, die darstellte, wie Engel dem Miguel Juan Pellicer im Beisein der Jungfrau auf der Säule das Bein wieder anfügen.

 

Bereits im Juni 1640 wurde in Gegenwart von Erzbischof Mgr. Apaolaza in Saragossa eine kanonische Untersuchung über dieses Wunder eingeleitet. Miguel Juan Pellicer und seine Angehörigen hatten sich sofort zu einer Dankwallfahrt nach Saragossa aufgemacht. Natürlich gab es eine Sensation, als man den Burschen, den man zuvor als beinamputierten Bettler gekannt hatte, plötzlich auf zwei Beinen umhergehen sah.

 

Der von Erzbischof Apaolaza eingesetzter Ausschuss tagte bis April 1641 vierzehnmal und vernahm außer dem wunderbar Geheilten 24 Zeugen, an ihrer Spitze die Chirurgen und das Personal des Krankenhauses, die sich natürlich an Miguel Pellicer noch genau erinnerten. Auf Grund ihrer Aussagen entschied der Erzbischof am 27. April 1641, dass das Vorkommnis echt und als Wunder zu erklären sei.

 

Die Zeugenaussagen und die Entscheidung des Erzbischofs befinden sich noch im Archiv des Erzbistum Saragossa.

Aus: "Ecclesia", Paris, 1959

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