Maria, der Trost der armen Seelen

 

Inhalt:

 

1. Die Anrufung Marias für die Verstorbenen

2. Der Armenfond für die armen Seelen

3. Maria, Königin des Fegfeuers

4. Maria, die Trösterin der armen Seelen im Fegfeuer

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Für gläubige Katholiken sind die armen Seelen besondere Freunde des Lichtes. Ihnen zuliebe zünden sie, wenn sie an einer Abendandacht teilnehmen oder gemeinsam im Familienkreis den Rosenkranz für die armen Seelen beten, ihre Kerzen an, mit besonderem Eifer aber am Allerseelentag. An diesem Tag sollen die armen Seelen auf den Gräbern sitzen und sich an den "Seelenlichtlein" freuen. Diejenigen aber, die vergessen sind, warten trauernd auf ihr Licht.

Eine fromme und zugleich zweckmäßige Einrichtung des Mittelalters waren die Lichthäuschen und Laternen der Kirchhöfe, die zur Nachtzeit brannten. Sie sollten den Vorübergehenden und den Wanderern in der Ferne die geweihte Stätte der Toten anzeigen und sie veranlassen, der Verstorbenen im Gebet zu gedenken. Der Christ ist ja, wenn er es mit seinem Glauben ernst nimmt, fest davon überzeugt, dass die armen Seelen dankbar sind. Der "Scala coeli" (Himmelsstiege), die erstmals im 15. Jahrhundert gedruckt wurde, ist eine Erzählung einverleibt, die vermutlich viel älter ist. Danach soll ein Ritter nie vergessen haben, wenn er an einem Kirchhof vorbeikam, vom Pferd zu steigen und für die armen Seelen zu beten. Sie lohnen ihm diesen Dienst. Als er eines Tages, von seinen Feinden hart bedrängt, in eine Kirche flüchtete, erhoben sich die Toten aus den Gräbern und jagten seine Feinde in die Flucht. Was für ein schöner Gedanke: Es gibt eine vergeltende Hilfe der armen Seelen.

Eine Unterbrechung der Pein bringt den Seelen im Fegfeuer, nach uralten frommen Vorstellungen, der Besuch der Muttergottes am Freitag. Auf dem Weg durch das Fegfeuer wird sie von den Seelen geleitet. Ihre Kleider werden dabei von den Tränen so benetzt, dass am Samstag die Sonne wenigstens einige Stunden scheinen muss, damit die heiligste Jungfrau ihr Kleid trocknen kann. Eine Arme-Seelen-Tafel in Oberbayern verlegte den Besuch der Gottesmutter im Fegfeuer auf den Samstag:

"Den Samstag khomm ich gern daher

und hilf den Briedern, Schwestern sehr."

Wenn hier der Gottesmutter die Macht zugesprochen wird, zu gewissen Zeiten arme Seelen befreien zu können, so stattete eine uralte koptische Legende den heiligen Erzengel Michael mit dieser Macht aus, an einem Tag im Jahr die Tür des Fegfeuers zu öffnen und so viele von den armen Leidenden, als er auf seinen Flügeln tragen könne, mit sich zu führen.

 

Aus dem Katechismus der katholischen Kirche von 1993, Nr. 1030-1032:

 

Die abschließende Läuterung - das Purgatorium

Wer in der Gnade und Freundschaft Gottes stirbt, aber noch nicht vollkommen geläutert ist, ist zwar seines ewigen Heiles sicher, macht aber nach dem Tod eine Läuterung durch, um die Heiligkeit zu erlangen, die notwendig ist, in die Freude des Himmels eingehen zu können.

Die Kirche nennt diese abschließende Läuterung der Auserwählten, die von der Bestrafung der Verdammten völlig verschieden ist, Purgatorium (Fegfeuer). Sie hat die Glaubenslehre in Bezug auf das Purgatorium vor allem auf den Konzilien von Florenz und Trient formuliert. Im Anschluss an gewisse Schrifttexte (vgl. z.B. 1 Kor 3,15; 1 Petr 1,7) spricht die Überlieferung der Kirche von einem Läuterungsfeuer:

"Man muss glauben, dass es vor dem Gericht für gewisse leichte Sünden noch ein Reinigungsfeuer gibt, weil die ewige Wahrheit sagt, dass, wenn jemand wider den Heiligen Geist lästert, ihm "weder in dieser noch in der zukünftigen Welt" vergeben wird (Mt 12,32). Aus diesem Ausspruch geht hervor, dass einige Sünden in dieser, andere in jener Welt nachgelassen werden können" (Gregor d. Gr., dial. 4,39).

Diese Lehre stützt sich auch auf die Praxis, für die Verstorbenen zu beten, von der schon die Heilige Schrift spricht: "Darum veranstaltete (Judas der Makkabäer) das Sühnopfer für die Verstorbenen, damit sie von der Sünde befreit werden" (2 Makk 12,45). Schon seit frühester Zeit hat die Kirche das Andenken an die Verstorbenen in Ehren gehalten und für sie Fürbitten und insbesondere das eucharistische Opfer dargebracht, damit sie geläutert werden und zur beseligenden Gottesschau gelangen können. Die Kirche empfiehlt auch Almosen, Ablässe und Bußwerke zugunsten der Verstorbenen.

"Bringen wir ihnen Hilfe und halten wir ein Gedächtnis an sie. Wenn doch die Söhne Hiobs durch das von ihrem Vater dargebrachte Opfer geläutert wurden (Hiob 1,5), wie sollten wir dann daran zweifeln, dass unsere Opfergaben für die Toten ihnen Trost bringen? Zögern wir nicht, den Verstorbenen Hilfe zu bringen und unsere Gebete für sie aufzuopfern" (Johannes Chrysostomus, hom. in 1 Cor. 41,5).

 

 

1. Die Anrufung Marias für die Verstorbenen

 

1. Die heilige Muttergottes, die von der streitenden Kirche die „Mutter der Barmherzigkeit“ genannt wird, erweist sich in dieser liebevollen Eigenschaft auch nicht weniger zärtlich gegenüber der leidenden Kirche im Fegfeuer.

 

Maria selbst sprach eines Tages zu der heiligen Brigitta, wie man in deren Offenbarungen liest: „Ich bin die Königin des Himmels, die Mutter der Barmherzigkeit, die Wonne der Gerechten, die Leier der Sünder; es gibt im Fegfeuer keine Qual, die nicht durch meinen Beistand gelinder und erträglicher gemacht würde.“ Und ein anderes Mal fügte sie ihren Kundgebungen hinzu: „Ich bin die Mutter aller, die im Fegfeuer sind, weil jegliche Qual, die den Sündern als Sühnmittel ihrer Vergehen auferlegt worden ist, durch meine Fürbitten erleichtert wird!“

 

Und gleichfalls nach einer Äußerung, die die genannte ehrwürdige Ordensstifterin von der Mutter des Herrn empfing, sagt der göttliche Heiland selbst zu Maria: „Du bist meine Mutter und der Trost all derer, die im Fegfeuer sind!“

 

„Lasst mich hinein zu meinem Kind, ich muss, ich muss noch einmal meinen Sohn sehen!“ so rief im namenlosen Schmerz die Mutter Roberts von Flandern, den der strenge Stephan von Flandern wegen Hochverrats in einen tiefen Turm versenkte, zu dem kein anderer Eingang als nur von oben führte, um ihn verhungern zu lassen. „Lasst mich hinunter zu ihm! Lasst mich hinab!“ so schrie sie unaufhörlich, bis selbst das starre Gemüt Stephans erweicht war und er den Befehl gab, die Mutter an einem Seil auf kurze Zeit hinabzulassen, um ihren Sohn noch einmal zu sehen und zu trösten.

 

Das war eine irdische Mutter. Aber man darf wohl glauben, dass im Herzen unserer himmlischen Mutter Maria die Liebe zu ihren im Fegfeuer gefangenen Kindern weniger groß sei? Wie könnte sie diese verlassen, da sie keinen Sünder auf der Erde verlässt? Wie könnte sie diese nicht lieben, da ihre Liebe eine ewige ist und nicht mit dem Tod des Menschen ein Ende nimmt? Wie könnte sie diesen nicht helfen wollen, die sich selbst nicht mehr helfen können? Ist sie nicht die Mutter von dem, der gesagt hat: „Ich war gefangen und ihr seid zu mir gekommen!“ Ist sie nicht die Mutter von dem, der die Fesseln seiner Apostel gelöst und die Kerker der Märtyrer oft wunderbar geöffnet hat? Ist sie nicht die Mutter von dem, der hinabgestiegen in die Hölle und am dritten Tag wieder auferstanden ist von den Toten?

 

Nach Jesus, von dem St. Paulus an Timotheus schreibt: „Ein Gott ist und ein Mittler zwischen Gott und den Menschen, Jesus Christus, der sich zum Lösegeld für alle hingegeben hat!“ erkennt aber niemand den hohen Wert einer Seele so sehr, als diejenige, die ihm am nächsten steht, als Maria. Sie war Zeuge von allem, was der Herr am Kreuz auf Golgatha gelitten hat. Sie sieht die Seelen gerötet vom Blut des Lammes Gottes, mit dem sie teuer erkauft sind. Sie genießt des Himmels Seligkeit, zu dem auch die Seelen die Berufung haben. Sie gab als Mutter den Sohn zum Versöhnungsopfer hin, während der Sohn sein Leben für die Seelen gab. Darum erstreckt sich auch die Liebe ihres Herzens auf den Reinigungsort, darum ist sie auch eine liebende Mutter den Seelen im Fegfeuer.

 

Der heilige Bonaventura wendet deshalb die Worte der Heiligen Schrift: „Die Tiefen des Abgrundes hab ich durchdrungen!“ (Eccl. 24,8) auf Maria an und sagt: „Sie durchdringt die Tiefen des Fegfeuers und erleichtert den Seelen, die dort büßen, ihre Schmerzen!“

 

Der heilige Bernard von Siena verbürgt uns in seiner dritten Predigt über den heiligen Namen Marias, dass diese erhabene Jungfrau eine Herrschaft der Güte und Barmherzigkeit ausübe in jenen jammervollen Gefängnissen, wo die göttliche Gerechtigkeit die Läuterung der „Bräute Jesu Christi“ vollendet. Er wendet deshalb auf Maria die Worte der Heiligen Schrift an: „Ich bin auf den Wogen des Meeres gewandelt!“ (Sirach 24,8); das heißt: „Ich habe meinen Dienern, die für mich ebenso viele Kinder sind, in ihrer Pein und Betrübnis Linderung gebracht!“ Der gottselige Kirchenlehrer macht aber auch noch darauf aufmerksam, „dass die Qualen des Fegfeuers im Allgemeinen mit Wogen verglichen werden, weil sie vergänglich und mit den Wogen des Meeres im Besonderen, weil sie, ähnlich denselben, gar bitter sind.“

 

St. Dionysius, der Kartäuser, bezeugt nach einer auch ihm gewordenen Offenbarung, „dass, wenn nur Marias Name im Fegfeuer ertöne, die armen Seelen jene Freude empfinden, die ein Kranker auf seinem Schmerzenslager beim Anhören tröstender Worte fühlt.“ Und der gelehrte P. Novarin behauptet, „dass Marias Fürbitte für die armen Seelen wie kühlender Maitau auf deren peinigende Flammen herabsinke und sie lindere.“

 

Der fromme Johannes von Gerson bezeugt noch mehr, und zwar nach der Meinung vieler Gottesgelehrten: „Es habe die allerseligste Jungfrau Maria, bevor sie starb, ihren göttlichen Sohn noch um die Gnade gebeten und sie auch erlangt, dass alle Seelen, welche sich damals im Fegfeuer befanden, aus demselben erlöst wurden, und sie in den Himmel begleiteten, wo ja Maria gerade als „Königin der Barmherzigkeit und Mutter der göttlichen Gnade“ gekrönt worden ist, wobei sie gewiss auch für die Gefangenen Begnadigung erwirkte. Und St. Dionysius der Kartäuser versichert uns in seiner zweiten Predigt auf das Fest der Himmelfahrt Marias, „dass sich diese Befreiung der Gefangenen am hochheiligen Ostertag wiederhole, an welchem Maria in den Reinigungsort hinabsteigt, um viele von den Leidenden zu befreien, die, von Gott noch geschieden, dort jammern.“

 

Dahin bezüglich ruft deshalb der heilige Alphons von Liguori aus: „Glücklich, ja drei Mal glücklich sind die Diener dieser Mutter der Barmherzigkeit, weil ihr Schutz sie nicht nur im Leben und im Sterben begleitet, sondern ihnen auch – über das Grab hinaus – in das Fegfeuer nachfolgt! Je unvermögender die Seelen sind, sich selbst zu helfen, desto mehr erhöht Maria für sie ihre Güte und Sorgfalt! Daraus lässt sich denn auch leicht schließen, wie angenehm der Himmelskönigin und zugleich wie heilsam es für die armen Seelen sein müsse, wenn man Maria andächtig für sie anruft! Der fromme P. Boudon empfiehlt deshalb den Gläubigen nicht nur, Maria recht oft und eifrig um ihre Fürbitte für die armen Seelen anzurufen, sondern auch, dass wir alle unsre übrigen guten Werke und Gebete für sie zutrauensvoll in ihre gebenedeiten Hände legen. „Denn“, bemerkt er, „einerseits kann niemand gerechter darüber verfügen, und andererseits ist dies einer der stärksten Beweise von der wahren und heiligen Liebe, die man zu ihr im Herzen trägt.“

 

Die heilige katholische Kirche widerspricht diesen Bezeugungen der Heiligen und sonstigen Geistesmänner nicht, sondern billigt sie sogar, indem sie erlaubt, dass am Todestag der Verstorbenen eine heilige Messe zu Ehren „Unserer Lieben Frau“ gesungen werde, um durch ihre Fürbitte den armen Seelen Trost und Hilfe zu senden.

 

2. Auch das Gebet des heiligen Rosenkranzes übt eine ganz besondere Kraft zum Trost der armen Seelen. Diese Kraft erkennt man schon aus den eigenen Worten der glorreichen Himmelskönigin, die sie einst, nach dem Zeugnis des seligen Alanus, in einer Vision zu St. Dominikus sprach: „dass nämlich eine der Hauptwirkungen des heiligen Rosenkranzes die Erlösung der armen Seelen im Fegfeuer sei“.

 

Hierüber erzählt P. Campadelli als Bestätigung dieser Verheißung, das Beispiel: „Durch die Predigten des heiligen Dominikus wurde in Rom eine Frau von üblem Ruf, des Namens Catharina, bekehrt. Sie oblag alsbald mit besonderem Eifer der Gebetsübung des heiligen Rosenkranzes, die sie aber zumeist für die armen Seelen im Reinigungsort aufopferte. Um nun zu offenbaren, welchen Trostsegen und welche Erquickung diese Andacht jenen Seelen gewähre, gab der Herr in seiner Huld und Güte dem heiligen Dominikus folgende Vision. Er sah nämlich, dass, während eines Tages Catharina zum Heil der armen Seelen den schmerzhaften Rosenkranz betrachtend betete, aus den Gliedern unseres göttlichen Heilandes, der ihr als ein wunderliebliches Knäblein erschien, fünfundfünfzig Quellen emporsprangen, so viele gerade, als nach der Zahl Vaterunser und Ave-Maria in ihm enthalten sind. Diesen Quellen entsprudelte das hellste Wasser, und alle ergossen sich in das Fegfeuer zu einer solchen Labung der armen Seelen, dass sie fast gar keine Pein mehr fühlten, lauter Jubellieder sangen, und voll Dank ihre mitleidige Wohltäterin Catharina lobpriesen.

 

Der selige Alanus schreibt: „Viele Brüder und Schwestern im Herrn haben eidlich mir bezeugt, dass ihnen während des Rosenkranzgebetes viele Seelen erschienen seien und dankend versichert hätten: es gäbe, nach dem hochheiligen Messopfer, kein kräftigeres Hilfsmittel für die Seelen im Fegfeuer, als das heilige Rosenkranzgebet, und dass täglich viele dadurch aus dessen Peinen erlöst werden, die sonst noch viele Jahre darin hätten bleiben müssen.“ Daraus folgert der heilige Alphons von Liguori seine wohlgemeinte Ermahnung an die Gläubigen: „Wollen wir demnach den Seelen im Fegfeuer kräftig helfen, so müssen wir sie immer in unseren Gebeten der allerseligsten Jungfrau Maria anempfehlen und für sie besonders den heiligen Rosenkranz aufopfern, wodurch sie gar sehr getröstet werden!“

 

3. In manchen Kirchen der Champagne in Frankreich wird gewöhnlich, wenn der Gottesdienst vorüber ist, noch ein rührendes Maria-Hilf-Lied für die armen Seelen gesungen, als dessen Dichter man den Engländer Langoeznovensis bezeichnet, und wovon der fromme Verfasser des Büchleins: „Cultus der heiligen Jungfrau“ bezeugt: „Ich konnte nie ohne Tränen diesen Armenseelen-Gesang hören!“

 

Er lautet:

 

Den Schmachtenden im Feuerschein,

Die heiße Glut macht sündenrein,

Die winden sich in schwerer Pein,

Lass Trost und Hilf dein Mitleid sein,

O Maria!

 

Du offner Born, du Gnadenflut,

Du machest allen Schaden gut,

Drum mache unsern Bitten Mut,

Und lindre ihrer Strafen Wut,

O Maria!

 

Die Toten seufzen auf zu dir,

So stille ihre Heilsbegier!

Sie wollen schaun, dich, Himmelszier,

Zur ewgen Freude du sie führ,

O Maria!

 

O schließe auf das Himmelstor,

Aus Kerkers Qual leit sie hervor,

Die Armen, die im Jammerchor

Zu dir um Hilfe flehn empor,

O Maria!

 

Du Richtschnur der Gerechtigkeit,

Die wahres Heil der Hoffnung beut,

Gedenk vor Jesus allezeit

Der Toten, die dir sind geweiht,

O Maria!

 

Gebenedeit in Liebestat,

Belebe sie mit Trost und Rat,

Erlass, was sie belastet hat,

Zur Ruhe sei ihr sichrer Pfad,

O Maria!

 

Vor Gottes heilgem Richterthron

Dann bitte flehentlich den Sohn,

Dass sie sein strenger Spruch verschon,

Dass mit den Heilgen sei ihr Lohn,

O Maria!

 

An jenem Tag, dem Tag voll Graun,

Den Sünder mit Entsetzen schaun,

Du holde Mutter, der wir traun,

Lass uns auf Gottes Gnade baun,

O Maria!

 

Es wird auf jenes Tages Höhn,

Der Fromme kaum sich selig sehn,

Kein Schuldiger wird da bestehn,

Und jedem wird sein Recht geschehn,

O Maria!

 

Vor jenem Tag bebt uns die Brust,

Denn wir sind Böses uns bewusst,

Doch – Rat und Trost ist deine Lust,

Drum du die Toten schützen musst,

O Maria!

 

Dann fürchten wir den Richter nicht,

Wenn er in heilgem Zorneslicht

Für jedermann gerecht Gericht

Ohn Ansehn der Personen spricht,

O Maria!

 

O Jungfrau, höchsten Ruhmes wert,

Die Gott als Kind und Mutter ehrt,

Von deiner Huld die alle nährt,

Sei jetzt und einst uns Hilf gewährt,

O Maria!

 

4. Die ehrwürdige Schwester Paula von der heiligen Theresia, Dominikanerin im St. Katharinen-Kloster zu Neapel, eine andächtige Dienerin Marias und große Freundin der armen Seelen im Fegfeuer, pflegte besonders an den Samstagen die glorreichste Himmelskönigin zu verehren und bei ihr eifriger um Hilfe für die im Reinigungsort zurückgehaltenen Seelen zu bitten.

 

Eines Samstags wurde sie während des Gebets verzückt und ihr ein Schauen in das Fegfeuer gestattet. Sie sah diesen Ort wie in ein Paradies der Freude, die Finsternis in Glanz, das Wehklagen in Jubel plötzlich verwandelt. Die Ursache davon war, weil sich die allerseligste Jungfrau Maria würdigte, mit sehr vielen Engeln in das Fegfeuer hinabzusteigen und einige Seelen zu erlösen, die ihr im Leben besonders ergeben waren.

 

Paula, die diese Seelen aus den Flammen der Läuterung zu den Freuden des Himmels ziehen sah, wurde mit unaussprechlichem Trost erfüllt, und ihr Herz ergoss sie in Danksagungen zur „Mutter der göttlichen Barmherzigkeit“.

 

(Aus: Trost der armen Seelen von Joseph Ackermann / Cultus der heiligen Jungfrau Maria / Wunderrwerk Gottes in den Seelen des Fegfeuers von P. Rosinguoli)

 

 

2. Der Armenfond für die armen Seelen

 

Es ist in den katholischen Ländern der Armenfond, das sogenannte „Armen-Institut“, stets von der Kirche verwaltet worden. Mag man dieses Gesetz auch wie immer in kirchenfeindlicher Weise ändern, einen wichtigeren Armenfond wird man der Kirche stets zur Verwaltung überlassen: Das ist der Armenfond für die armen Seelen im Fegfeuer! Nicht Geld, nicht irdisches Gut befindet sich in ihm, dieser Armenfond besteht vielmehr aus geistlichen Gütern und Verdiensten. Er enthält alle unsere Gebete, unsere Opfer, unsere Ablässe, die wir in der Liebe Jesu Christi den armen Seelen zuwenden, alle Tugenden, alle guten Werke und Verdienste der Gläubigen. Er enthält vor allem die unendlichen Verdienste Jesu Christi, seines kostbaren Blutes, seines Kreuztodes, seiner heiligen fünf Wunden, sowie die Verdienste aller Heiligen. Alle diese geistlichen Güter bilden ein kostbares Kapital, einen kostbaren geistigen Armenfond. Diesen übergeben wir voll Vertrauen und Zuversicht in die Hände der allerseligsten Jungfrau Maria, der glorreichen Himmelskönigin. Was wir hienieden nur fürbittweise (per modum suffragii) für die armen Seelen zu leisten im Stande sind, das legen wir in die Gnadenhände Marias, und wenden es – durch sie – den armen Seelen zu. Maria ist ja die Mutter aller Gläubigen, sie ist sonach auch die Mutter und Fürsprecherin aller armen Seelen. Maria kommt, liebevoll sie zu trösten und zu stärken. Maria bittet am Thron der göttlichen Gnade für die leidenden Seelen. Maria kündigt mit liebendem Mutterherzen ihnen das Ende ihrer Leidenszeit an und führt sie im Namen ihres geliebten Sohnes in die Wohnungen des ewigen Friedens ein. Der hl. Bernardin von Siena sagt: „Durch ihr Gebet und durch die Mitteilung ihrer Verdienste befreit Maria die armen Seelen aus dem Fegefeuer, besonders aber diejenigen, die sie am meisten verehrt haben.“

 

Was für ein Heil und ein Trost ist es für den katholischen Christen, um einen solchen Armenfond für die armen Seelen in der Kirche Jesu Christi zu wissen! Ebenso schön ist es gleichfalls zu wissen, dass von den heilbringenden Händen Marias das Kapital dieses Armenfonds so segensreich verwaltet wird!

 

(Aus: Das betrachtete heilige Magnificat von Benedikt Höllrigl)

 

 

3. Maria, Königin des Fegfeuers

 

Es war im unerforschlichen Gottesrat von Ewigkeit beschlossen, dass im göttlichen, seelenrettenden Heilsplan, Maria, die Mutter Gottes, als die von Gott bestimmte Mutter der Menschen, so lange zum Heil der Seelen tätig mitwirke, bis sie im Himmel sind. Eine große Zahl Seelen kommen aber nach dem Hinscheiden von dieser Welt ins Fegfeuer. Sie sind also in einem gewissen Sinn, im Gegensatz zu den Heiligen und Verdammten, im Zustand der Wanderung zum Himmel, sie sind noch nicht „daheim“. Deswegen ist aber auch Maria, die Mutter dieser Seelen, ihnen gegenüber auch noch im Fegfeuer tätig, indem sie bei Gott Fürbitte für sie einlegt, ihren Verstand durch tröstliche Wahrheiten und Erleuchtungen erhellt, ihren Willen zur vollkommenen Ergebung in den Willen Gottes hinleitet und ihnen die sühnenden Werke der Gerechten auf Erden zuwendet, bis sie, gereinigt von aller Makel und Strafe, in den Ort eingehen können „wohin nichts Unreines kommt“.

 

Wie Maria Königin der triumphierenden Kirche im Salve Regina, im Regina coeli, im Ave Regina angelorum genannt wird, so kommt ihr auch eine ähnliche Ehren- und Machtstellung gegenüber der leidenden Kirche im Fegfeuer zu. Professor Gföllner von Linz hat beim Marianischen Kongress im Jahr 1911 in Einsiedeln darauf hingewiesen, dass der Titel: Maria, Königin des Fegfeuers, dogmatisch richtig und zutreffend ist, was hier mit kurzen Worten verständlich gemacht werden soll, damit wir mit umso größerem Eifer um die Erlösung der Seelen aus dem Fegfeuer zu Maria rufen und die gewonnenen Ablässe in ihre Hände legen mögen.

 

Was ist das Fegfeuer? Es ist ein Feuer, ein Strafmittel, dessen sich die göttliche Gerechtigkeit bedient, um alle die Mängel hinwegzufegen, die den Seelen der Verstorbenen noch anhaften und den Eintritt in den Ort verhindern, wohin nichts Unreines kommt. Es sind in erster Linie die zeitlichen Sündenstrafen, die in diesem Feuerkerker des Jenseits abgetragen werden müssen, aus dem man nicht herauskommt, bis man den letzten Heller bezahlt hat. (Matthäus 5,26)

 

Maria steht nun als helfende Mutter zu diesen leidenden Seelen in einem ganz besonders nahen Verhältnis. Sie ist die Helferin dieser leidenden Christen, die Trösterin dieser betrübten verbannten Kinder. Wegen ihrer königlichen allmächtigen Fürbitte und ihrer Herrschaft über die Armen Seelen kann sie als Königin des Fegfeuers bezeichnet werden. Die heilige Brigitta, deren Schriften vom Konzil zu Basel und durch die Päpste Gregor XI. und Urban VI. bestätigt wurden, erhielt von der Mutter Gottes folgende Mitteilung: „Ich bin die Mutter Gottes, weil er (Gott) es so gewollt hat . . . ich bin auch die Mutter aller, die im Fegfeuer sind, weil alle Strafen, die die Seelen im Reinigungsort für ihre Sünden zu büßen haben, stündlich auf meine Bitten hin einigermaßen gelindert werden.“ Als Mutter der Armen Seelen hat Maria eben auch die königliche Macht, ihnen zu helfen.

 

In der vierten Totenmesse heißt es: „Wir flehen zu deiner Güte, o Gott, dass du durch die Fürbitte der allzeit reinen Jungfrau Maria die Seelen zur ewigen Glückseligkeit gelangen lassen mögest.“ Hier spricht die Kirche also von der wirklichen und wirksamen Fürbitte Mariä zur Erlösung der Armen Seelen aus dem Fegfeuer.

 

Ferner ist es allgemeine Lehre der Kirche, dass wegen der Lehre von der Gemeinschaft der Heiligen die Heiligen im Himmel für die Armen Seelen beten. Katakomben-Inschriften deuten darauf hin, dass in den ersten Zeiten des Christentums schon Verstorbene den Gebeten bestimmter Märtyrer empfohlen wurden.

 

Nun übertrifft Maria, als Königin der Heiligen, diese alle durch die Macht ihrer Fürbitte für die Armen Seelen. Dr. Scheeben sagt: „Die Fürbitte Mariä ist nicht bloß ihrer Natur nach höher und kräftiger als die der anderen Heiligen, sondern sie ist, was bei keinem anderen Heiligen eintrifft, ein ordentliches und notwendiges Mittel des Heils für alle Menschen, so dass die Anrufung Mariä sogar in jedem Gebet implicite (eingeschlossen) enthalten sei.“ Diese Mittlerschaft Mariä bezieht sich zuerst auf die Glieder der streitenden Kirche, dann aber auch auf die Glieder der leidenden Kirche, so dass auch diese durch die Fürbitte Mariä zu den Freuden des ewigen Lebens gelangen. Maria ist die Pforte des Himmels auch für die Seelen im Fegfeuer.

 

Freilich können die Seelen nach eingetretenem Tod nicht mehr verdienen und an heiligmachender Gnade nicht mehr zunehmen, aber weil sie das Endziel der heiligmachenden Gnade, die Anschauung Gottes, noch nicht erreicht haben wegen der anklebenden Sündenmakeln, so sind sie doch noch einer innerlich übernatürlichen Gnadeneinwirkung, der Erleuchtung und des Trostes fähig, ebenso einer äußeren Gnade, des Nachlasses der noch zu büßenden Strafe durch Gottes gnädige Nachsicht.

 

Hier setzt nun vor allem das Fürbittgebet Mariä ein. In welchem Maß, ist der Barmherzigkeit Gottes vorbehalten. Doch ist als sicher anzunehmen, dass jene Seelen, die sich in ihrem irdischen Leben ganz besonders durch Liebe und Andacht zu Maria ausgezeichnet haben, nunmehr auch im Reinigungsort ihre mütterliche Liebe und königliche Fürbitte in hohem Grad erfahren werden. Auch werden gewisse Seelen an gewissen Marienfesten, die sie im Leben gut gefeiert haben, eine besondere Hilfe von Seite Mariä erfahren, was speziell auch vom Samstag gilt.

 

Ob der lindernde und tröstende Gnadeneinfluss von der Himmelskönigin persönlich ausgeht oder durch die Engel (Schutzengel) erfolgt, bleibt eine offene Frage. Gewöhnlich werden aber auf den von der Kirche gebilligten Bildern Engel ins Fegfeuer hinabsteigend dargestellt, die, als Diener der Königin des Fegfeuers, die Armen Seelen in den Himmel einführen.

 

Der Titel, Maria, Königin des Fegfeuers, hat also vom dogmatischen Standpunkt einen wahren und ungekünstelten Hintergrund.

 

Bis zum Jahr 1912 hatten bereits über 600 Bischöfe eine Nachricht an den Heiligen Vater unterzeichnet, in der die Bitte ausgesprochen wird, es möge diese oder eine andere Anrufung an Maria in die Lauretanische Litanei aufgenommen werden, die sich auf ihre Sorge für die leidenden Seelen im Fegfeuer bezieht.

 

Vereinigen wir uns also mit Maria, besonders im Apostolat der Erlösung der Armen Seelen aus dem Fegfeuer. Maria ist die Mutter der Barmherzigkeit, die barmherzige Mutter für diese leidenden Seelen. Seien auch wir voll Barmherzigkeit für sie und opfern wir alle unsere Gebete, Leiden, Arbeiten, Messen, Kommunionen, Ablässe für die Armen Seelen auf. Seien wir barmherzige Brüder und Schwestern für unsere im Fegfeuer leidenden Angehörigen und für alle, die in jenem Leidensspital und feurigen Kerker eingeschlossen sind.

 

Lindern wir durch unsere Gebete und Bußübungen täglich, ja stündlich, ihre Qualen, versetzen wir uns oft in Mitte dieser leidenden Seelen und laden wir sie ein, mit uns zur Heiligen Messe, zur heiligen Kommunion zu gehen, lassen wir ihnen auch durch die zahlreichen „Ave“ des Rosenkranzgebetes den himmlischen Tau der Erquickung zuteilwerden. Vor allem wohnen wir so oft als möglich der Heiligen Messe zum Trost der Armen Seelen bei, und nehmen wir die Seelen der auf dem Gottesacker ruhenden Verwandten, Wohltäter und Bekannten mit zum heiligen Sühnopfer, das nach dem Konzil von Trient, „den Verstorbenen so heilsam ist“.

Aus: Der Armen-Seelen-Freund

Heft 1, Oktober 1911, 16. Jahrgang

 

 

4. Maria, die Trösterin der armen Seelen im Fegfeuer

 

Maria beschränkt sich nicht darauf, ihre Kinder während ihres Lebens zu unterstützen und ihnen in der Stunde des Todes Beistand zu leisten, sondern sie tröstet sie auch inmitten der Flammen des Fegfeuers. Der heilige Bernardin von Siena versichert uns in seiner dritten Predigt über den heiligen Namen Mariens, dass diese erhabene Jungfrau eine Herrschaft der Güte und der Barmherzigkeit ausübt in jenen jammervollen Gefängnissen, wo die göttliche Gerechtigkeit die Läuterung der Bräute Jesu Christi vollendet. Dieser heilige Kirchenlehrer wendet auf Maria die Worte der Schrift an: „Ich bin auf den Wogen des Meeres gegangen;“ das heißt, ich habe meinen Dienern, die für mich eben so viele Kinder sind, in ihrer Pein und Betrübnis Linderung gebracht. Der heilige Bernardin macht darauf aufmerksam, dass die Qualen des Fegfeuers mit den Wogen verglichen werden, weil sie vergänglich sind, und mit den Wogen des Meeres im Besonderen, weil sie deren ganze Bitterkeit haben.

 

Maria sagt selbst zu der heiligen Brigitta: „Ich bin die Königin des Himmels, die Mutter der Barmherzigkeit, die Wonne der Gerechten, die Leiter der Sünder. Es gibt im Fegfeuer keine Qual, die nicht durch meinen Beistand gelinder und erträglicher gemacht würde.“ Und bei einer anderen Gelegenheit fügte sie hinzu: „Ich bin die Mutter Gottes, die Mutter aller, die im Fegfeuer sind, weil alle Qualen, die den Sündern als Sühnmittel für ihre Vergehen auferlegt wurden, durch meine Fürbitte erleichtert werden.“ Und unser Heiland sagt selbst zu Maria, wie die heilige Brigitta wiederum erzählt: „Du bist meine Mutter, und der Trost aller, die im Fegfeuer sind.“

 

Eine fromme Überlieferung besagt, laut Aussage des gelehrten Gerson, dass Maria am Tag ihrer Himmelfahrt eine große Anzahl von Seelen aus dem Fegfeuer mit sich in den Himmel führte. Dionysius, der Kartäuser, versichert uns, dass eine ähnliche Gnadenbezeigung sich am Ostertag wiederholt, an dem Maria in jenen Ort der Abbüßung hinabsteigt, um viele von den Unglücklichen zu befreien, die von Gott abgeschieden dort jammern.

 

Bei einer Erscheinung der seligsten Jungfrau, die sie Papst Johannes XXII. gewährte, sagte sie zu ihm laut seiner Aussage in der Bulle, die der gelehrte Benedikt XIV. als authentisch erklärt hat: „Wenn sich unter den Ordensleuten oder Mitbrüdern vom Karmel, die aus dieser Welt scheiden werden, solche befinden, deren Sünden das Fegfeuer verdient haben würden, so werde ich als ihre zärtliche Mutter in ihre Mitte hinabsteigen, und zwar am Samstag nach ihrem Tod, und die ich dort finde, erlösen und sie auf den heiligen Berg, in die glückselige Wohnung des ewigen Lebens führen.“ Paul V. sagt ausdrücklich, dass „das christliche Volk frommer Weise glauben kann, was über den Beistand gesagt wird, den die Seelen der Mitbrüder vom Berg Karmel empfangen, nämlich, dass die heilige Jungfrau ihnen nach dem Tod, besonders am Samstag, mit ihrer Fürbitte, ihren Verdiensten und ihrem besonderen Schutz zu Hilfe kommen werde.“

 

Der gottselige Peter Damian erzählt im letzten Brief des dritten Buches, dass im Jahr 1702 eine Frau, die einige Zeit vordem gestorben war, am Vorabend des Festes Mariä Himmelfahrt einer ihrer Freundinnen erschienen sei. Und nachdem sie sie gefragt hatte, in welcher Lage sie sich befinde, habe sie geantwortet: dass sie bis zu diesem Tag unsägliche Qualen erduldet hat, in der vorangegangenen Nacht aber sei sie, nachdem die heiligste Jungfrau für sie und mehrere andere Fürbitte geleistet hat, mit einer weit größeren Anzahl von Seelen, als die Bevölkerung der ganzen Stadt Rom betrage, aus dem Fegfeuer befreit worden. Und da sie Mühe hatte, die Offenbarung der anderen zu glauben, fügte sie als unzweifelhaften Beweis für die Wahrheit ihrer Worte hinzu, dass sie am Ende eines Jahres sterben werde, an demselben Tag, an dem sie mit ihr sprach, was sich auch genau so begab, wie sie vorausgesagt hatte.