Marianisches Sterbe-Glöcklein

 

Inhalt:

 

1. Maria geleitet ihre Diener in den Himmel

2. Erinnerungen ans Sterben

3. Das ernste "M" in unsern beiden Händen

4. Lehrwort des heiligen Bonaventura

5. Die Anordnung des Papstes Pius V.

6. Das Erbitten des Marien-Schutzes für die Todesstunde

7. Anrufung des heiligen Josef

8. "Schönes" Sterben 

9. Trostvolle Erscheinungen Marias

10. Maria, Trost der Sterbenden

11. Das Sterben des hl. Stanislaus

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Segne, o Maria,

unsre letzte Stund,

süße Trostesworte

flüstre dann dein Mund!

 

Deine Hand, die milde,

drück das Aug uns zu,

sei in Tod und Leben

unser Segen du.

 

Der Mensch, der Maria mit dem schönen Namen Mutter ruft, wird nicht untergehen. Und je elender er aus der Fremde zurückkehrt, wo er in der Welt und in der Sünde gewesen ist, desto gütiger wird die Mutter ihre Arme und ihr Herz öffnen, um ihr Kind an sich zu ziehen.

Darum wollen wir niemals von der Mutter lassen. Eng um sie versammelt mit allen treuen Marienkindern, an ihrer lieben Mutterhand, so müssen wir unseren Lebensweg mit ihr gehen und aus treu ergebenem Kindesherzen wollen wir sie bitten: "Mutter, nimm mich mit!"

Und wenn in unseren letzten Jahren Verzagtheit, Lauheit und Trägheit uns niederdrücken und aus dem seelischen Gleichgewicht bringen, dann wollen wir unsere Hände bittend zu Maria erheben und rufen: "Mutter, nimm mich mit!"

Und wenn körperliche und seelische Leiden in uns bohren und wühlen, dass wir aufschreien möchten, wenn Angst und Not und Kummer uns fast zermalmen und Lebensmut rauben wollen, dann blicken wir empor zu Maria, der mächtigen und gütigen Königin, und rufen: "Mutter, nimm mich mit! Nimm mich mit auf den Kalvarienberg, damit ich an deinem Kreuz mich aufrichten, bei deinem Schmerz mich trösten kann."

Und noch einmal mag dieser Ruf als kindliche Bitte aus unserem Herzen und von unseren Lippen kommen, wenn das Ende unseres Lebens sich naht, wenn die müden Augen sich schließen, und das arme leidende Herz zum letzten Mal schlagen will. Dann soll der Abschiedsgruß vom Leben unserer Himmelskönigin gelten, und unsere letzte Bitte sie soll lauten: "Mutter, nimm mich mit dir in den Himmel!"

Matthias Hergert

 

 

1. Maria geleitet ihre Diener in den Himmel

 

Die heilige Kirche nennt Maria einen Meeresstern, denn, sagt der heilige Thomas, gleichwie die Sterne die Seefahrer in den Hafen führen, so geleitet auch Maria die Christen in den Himmel.

 

Der heilige Petrus Damiani erteilt der göttlichen Mutter den Namen einer Himmelsleiter, weil, sagt er, Gott durch Maria auf die Erde niedersteigt, damit durch sie die Menschen sich in den Himmel erheben können. Du bist mit Gnaden erfüllt worden, ruft der heilige Athanasius Maria zu, damit du für uns der Weg des Heils und eine Stufe des Himmels wirst. Der heilige Bernard nennt Maria eine Geleiterin in den Himmel, und der heilige Johannes der Geometer begrüßt sie: Sei gegrüßt, du glänzendes Fahrzeug, auf dem deine Verehrer in den Himmel gelangen. Endlich schließt der heilige Bonaventura mit folgenden Worten: Selig sind diejenigen, die dich kennen, heilige Mutter Gottes, denn wer dich kennt, befindet sich auf dem Weg zum ewigen Leben. Und wer deine Tugenden verkündigt, ist auf dem Weg des Heils.

 

Man liest in den Jahrbüchern der Franziskaner, dass eines Tages der Bruder Leo in einer Entzückung eine rote Leiter erblickte, auf der Jesus Christus stand. Auch sah er eine andere Leiter, auf der er die allerseligste Jungfrau wahrnahm. Hierauf sah er, wie einige auf die rote Leiter steigen wollten, aber sowie sie einige Stufen betreten hatten, fielen sie wieder herab, so dass es ihnen unmöglich war emporzukommen. Da wurde sie ermahnt, dasselbe einmal auf der weißen Leiter zu versuchen, und siehe, es gelang ihnen vollkommen, denn die allerseligste Jungfrau reichte ihnen die Hand und führte sie in den Himmel. Dionysius der Kartäuser wirft die Frage auf: Wer wird wohl selig werden, wer wird wohl dereinst mit Jesus im Himmel herrschen? Und er antwortet: Derjenige, für den diese Königin der Barmherzigkeit betet. Maria selbst lehrt uns dasselbe, indem sie sagt: „Durch mich regieren die Könige.“ (Sprichwörter 8,15) Durch meine Vermittlung erlange ich den Seelen die Gnade, dass sie zuerst hier auf Erden zur Herrschaft über ihre Leidenschaften gelangen und hierauf ewig im Himmel regieren.

 

Die göttliche Mutter hat uns schon durch ihr Gebet und durch ihren mächtigen Beistand den Himmel erlangt. Wir dürfen ihr jetzt nur kein Hindernis mehr in den Weg legen. Der Abt Guerricus lehrt uns, dass derjenige, der Maria dienst, und für den sie betet, so sicher ist in den Himmel zu gelangen, als ob er schon dort wäre. Maria dienen und ihr folgen, sagt der heilige Johannes Damascenus, ist die größte Ehre, zu der wir gelangen können, denn derjenige, der dieser Königin des Himmels dient, herrscht schon im Himmel. Und wer in ihrem Dienst lebt, ist mächtiger, als wenn er herrschte. Hingegen, fügt er hinzu, werden diejenigen, die Maria nicht dienen, auch gewiss verloren gehen, denn derjenige, dem die Hilfe dieser mächtigen Königin mangelt, entbehrt auch der Hilfe des Sohnes und ist vom ganzen himmlischen Hof verlassen.

 

Danken wir Gott, ruft der heilige Bernard aus, dass er Maria zu unserer Fürsprecherin im Himmel machte, denn da sie die Mutter unseres Richters und zugleich eine Mutter der Barmherzigkeit ist, so kann sie sich wirksam für unser ewiges Heil verwenden. Der heilige Mönch Jakob macht die Bemerkung, dass Gott Maria zu einer Brücke des Heils bestimmt habe, auf der wir über die Wellen dieser Welt dahinschreiten, und in den himmlischen Hafen gelangen. Ihr alle, die ihr in den Himmel zu kommen begehrt, ruft der heilige Bonaventura aus, kommt und dient und ehrt Maria und ihr werdet sicher das ewige Leben erlangen.

 

 

(Quelle: Marianischer Festkalender, Regensburg 1866)

 

2. Erinnerungen ans Sterben

 

Zwei Mittel zur Vorbereitung auf den Tod

 

Das Menschenangesicht, wenn es in einen Sonnenuntergang blickt, sieht golden aus, so auch unser Leben, wenn es stets dem kommenden Tod ins Gesicht schaut.

 

Es gibt aber zwei Dinge, die ganz besonders zur Vorbereitung auf den Tod gehören: das erste ist eine beständige Danksagung für den Tod Jesu, das zweite der beständige Aufblick zur allerseligsten Muttergottes.

 

Das erste Mittel ist die beständige Danksagung für den Tod Christi. Jeder selige Tod entspringt aus ihm. Wenn er nicht gestorben wäre, wie würden wir es wagen, zu sterben? Er ist der Schöpfer, er erfand die Strafe des Todes. Auch er musste ihn leiden, er war sein eigenes Gesetz der Liebe. Er hat die Tore erweitert und Lampen über ihnen aufgehängt. Groß war der Glaube der alten Patriarchen, Propheten und Könige. Aber wie verschieden ist der Tod für uns! Christus ist gestorben. Eine neue Schöpfung wäre gewiss eine geringere Veränderung. Wie der Tod die besondere Strafe war, die Gott für die Sünde erfand, so war der Tod unseres Herrn, gerade sein Tod und nichts anderes, der besondere Preis, den der Vater für die Erlösung der Welt forderte. Deshalb ist der Tod Jesu das Leben eines jeden von uns. Wir leben, weil er gestorben ist. Was für ein markierter Zug muss also in allen unseren Gebeten die Danksagung für den Tod Christi sein! Über dies haben wir durch seinen Tod seine Mutter als unser Erbteil erlangt. So ist der Tod Jesu mit unserem Tod verflochten. Die Danksagung für seinen Tod ist das beste Gebet für unseren eigenen. Wie der Vater gerade seinen Tod als den Preis unserer Erlösung bestimmte, so muss unsere Andacht gerade seinen Tod zum Gegenstand unserer Liebe und unseres Lobes bestimmen!

 

Das zweite Mittel ist der beständige Aufblick zur allerseligsten Muttergottes, da sie eine ganz besondere und eigentümliche Macht über das Totenbett hat. Die Kirche weist uns wiederholt darauf hin in ihren Hymnen und Antiphonen, sowie im Ave Maria. Die Offenbarungen der Heiligen, die Lehre asketischer Schriftsteller, und das allgemeine Gefühl der Gläubigen vereinigen sich, um die Macht zu verkündigen, die ihr Gott in dieser besonderen Hinsicht verliehen hat. Einige haben von ihrer Macht als von dem Lohn gesprochen, den Jesus ihr gewährte für ihre heldenmütige Gegenwart mit ihrem gebrochenen Herzen auf dem Kalvarienberg. Andere haben gesagt, dass diese Macht ihr gehöre als Königin der Barmherzigkeit, weil die Stunde des Todes so wunderbar eine Stunde der Barmherzigkeit ist. Alle stimmen überein, dass das Totenbett ein Gebiet der Kirche bilde, das, wenn wir so vertraut sprechen dürfen, Maria von Amtswegen gehört. Wir würden daher nicht im Einklang mit der Kirche sein, wenn diese Betrachtung nicht einen praktischen Einfluss auf unsere Andacht zur Muttergottes hätte. Die Erfahrung aller, die an Heiligkeit zunehmen, ist, dass sie auch an zärtlichster Andacht und tiefster Ehrerbietung gegenüber unserer gebenedeiten Mutter zunehmen. Wir lernen sie stets von neuem kennen und fangen an, sie so zu lieben, wie wenn das, was wir früher für sie gefühlt haben, kaum den Namen „Liebe“ verdiente. Wie unsere übrige Andacht zu ihr wächst, so muss auch unsere Abhängigkeit von ihrem Beistand in unserer letzten Stunde in unserem Herzen wachsen. Wir sollen immer mehr sie darum bitten. Wir sollen einen Vertrag mit ihr machen, zu dem wir ihre Einwilligung voraussetzen: dass sie entweder selbst oder durch ihre Engel uns mit ihrer Gegenwart in jenem furchtbaren Augenblick stärken wolle. Wir sollen ihr unsere Besorgnisse anvertrauen, und der Leitung ihrer mütterlichen Sorgfalt jeden von jenen Umständen des Todes überlassen, deren geringste Einzelheit für uns von so ungemeinem Interesse ist.

 

(Aus: Geistliche Reden von P. Frederik William Faber)

 

 

3. Das ernste "M" in unsern beiden Händen

 

1. Als einst ein Priester eine Betrachtung über die Worte der allerseligsten Jungfrau Maria im Magnifikat: „Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht über alle, die ihn fürchten“ anstellen wollte, hob er seine Hände zum Himmel empor und bat den Herrn, er möge ihn diese seine Barmherzigkeit recht erkennen lassen, damit er sie, sowie ihr Wesen und ihre Bedingungen auch seinen Zuhörern zu verkünden im Stande sein möge.

 

In diesem Augenblick des Gebets schaute er auf seine ausgebreiteten Hände, und sah die beiden Buchstaben, die einem jeden Menschen ziemlich deutlich in die innere Handfläche eingeschrieben sind. Und diese Buchstaben heißen in der rechten Hand – M und auch in der linken Hand – M.

 

Und was mögen wohl diese Buchstaben bedeuten?

 

Diese Worte können bedeuten: „Memento mori! Gedenke, dass du sterben musst!“ Das ist allerdings eine gute lehrreiche Auslegung.

 

Aber sinnbilden sie nicht auch etwas, das über den Tod hinausragt und aus der Ewigkeit uns entgegen leuchtet? O ja, auch in dieser Beziehung gibt es eine Auslegung, die recht klar und verständlich ist. Man kann in der einen Hand das Wort „Misericordia – Barmherzigkeit“ lesen, und in der anderen Hand dasselbe Wort „Misericordia – Barmherzigkeit“.

 

Gottes Barmherzigkeit wird demjenigen zuteil, der mit beiden Händen d.i. mit der Hand des Herzens und mit der Hand des Willens danach verlangt und sich ihrer würdig macht. „Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht über alle, die ihn fürchten“ singt und frohlockt deshalb die göttliche Gnadenmutter.

 

Betrachten wir die beiden Buchstaben M und M noch einmal. Sie haben zum Dritten eine hehre Bedeutung. Sie rufen uns zwei trostvolle Worte ins Gedächtnis, nämlich: „Mater Misericordiae – Mutter der Barmherzigkeit“. Und wer ist diese Mutter der Barmherzigkeit? Die Antwort gibt uns das Grußgebet unserer heiligen katholischen Kirche: „Salve Regina, Mater Misericordiae, Vita Dulcedo et Spes nostra salve. Sei gegrüßt, o Maria, Königin. Mutter der Barmherzigkeit, unser Leben, unsere Wonne, unsere Hoffnung, sei gegrüßt.“

 

Ach, Maria ist es ja, die uns das kindliche Vertrauen auf Gottes und ihre Barmherzigkeit einflößt, auf dass wir dem uns vorgesteckten Ziel, einem „Guten Tod“ unverdrossen und ohne je zu ermüden auf dem Kreuzweg Jesu Christi entgegengehen, damit uns, indem wir einen guten Kampf kämpfen, den Glauben und ein gutes Gewissen bewahren (1 Tim 1), ein weit offener Eingang in das ewige Reich unseres Herrn Jesus Christus wird bereitet werden (2 Petr 1).

 

2. Maria, die Mutter der Barmherzigkeit, ist unsere Zuversicht im Leben und im Sterben. Im Hinblick auf ihre Tröstungen in Not und Tod ruft deshalb der heilige Bernhard einem jeden Christen zu: „Folge ihr, so wirst du nicht verzagen; denk an sie, so wirst du nicht in Irrtum gestürzt; nicht fällst du, wenn sie dich hält; nichts hast du zu fürchten, wenn sie dich führt; nicht wirst du ermüden unter ihrer Leitung; Gnade wirst du finden durch ihre Huld.“

 

Es war im Jahr 1492, am 3. August, als Christoph Columbus sein Admiralschiff, genannt „Santa Maria“ bestieg, um, von Portugal aus gegen Westen hinsegelnd, einen neuen Kontinent zu entdecken. Aber die Fahrt dauerte lange. Schon wurden seine Leute verzagt, und fingen an zu murren und zu klagen, wie einst die Israeliten in der Wüste. Endlich, am 11. Oktober, um 10 Uhr nachts, erblickt Columbus ein Licht. Und nun rufen alle voll Jubel und Freude: „Licht! Licht! Land! Land!“ Die Leute fielen sich in die Arme, und sanken ihrem Admiral zu Füßen. Man ging in die Schiffskapelle, Gott zu danken und der Priester stimmte das Te Deum an. Die Schiffe landeten bei der ersten Insel der neuen Welt, die von Columbus den Namen des allerheiligsten Erlösers, das ist „San Salvator“ erhielt.

 

Welch ein schönes Bild für uns!

 

Auch unsere Fahrt eilt gegen Westen, gegen Untergang hin. Denn: „es ist dem Menschen bestimmt, einmal zu sterben!“ (Hebr 9,11) Werden wir aber dann die Neue Welt, das himmlische Vaterland auffinden, nach dem unser Herz so sehnsuchtsvoll Verlangen trägt?

 

Besteigen wir doch voll Zuversicht jenes Schiff, genannt „Santa Maria“! Flüchten wir uns mit kindlichem Vertrauen zu unserer Mutter, Maria, der „Mater Misericordiae, der Mutter der Barmherzigkeit“ und gewiss unsere Ankunft in jener Welt wird geschehen bei „San Salvator“, bei dem liebenden Herzen unseres göttlichen Erlösers. Mit Freude werden wir hintreten und hingeführt werden zur Gemeinschaft derjenigen, die Gott von Ewigkeit vorausgesehen, berufen, gerechtfertigt hat, und mit denen er auch uns im Himmel auf ewig verherrlichen wird.

 

Beten wir deshalb recht oft und innig, zur Vorbereitung auf einen guten Tod, das Gebetlein zur „Mater Misericordiae“, das uns unsere heilige Kirche bereits auf dem Schoß unserer Mutter gelehrt hat: „Heilige Maria, bitte für uns Sünder, jetzt und in der Stunde unseres Todes. Amen.“

 

(Aus: Das betrachtende heilige Magnificat von B. Höllrigl)

 

 

4. Lehrwort des heiligen Bonaventura

 

Der heilige Bonaventura, der so berühmte Kirchenlehrer, empfiehlt eindringlich allen Sterbenden die Anrufung der allerseligsten Jungfrau Maria, und bezeugt: „Glorwürdig und wunderbar ist dein Name Maria! Denn diejenigen, die ihn anrufen, fürchten sich nicht in der Stunde des Todes! Vor der Anrufung deines Namens zittert der böse Geist; großen Frieden haben aber alle, die deinen Namen anrufen.“

 

 

5. Die Anordnung des Papstes Pius V.

 

Um die Gläubigen stets daran zu erinnern, wie förderlich zu einem glückseligen Tod die Anrufung Marias sei, befahl Pius V., im Ave-Maria-Gebetlein dem Bitten: „Bitte für uns Sünder“, noch die Worte beizufügen: „jetzt und in der Stunde unseres Todes“.

 

 

6. Das Erbitten des Marien-Schutzes für die Todesstunde

 

Einer der berühmtesten Dichter und Gelehrten Italiens, Francesco Petrarca, die Zierde des 14. Jahrhunderts, erbat sich, wie das vor ihm so viele Heilige auch getan haben, in den inständigst bittenden Ausdrücken den „Schutz der allerseligsten Jungfrau Maria für seine letzte Stunde“.

 

„O allerschönste Jungfrau Maria“, rief er aus, „gewähre mir deinen Beistand für meinen Todeskampf! Fester Schild, unter dem man dem bösen Feind entflieht, unter dem man siegt, milde und süße Jungfrau: ich komme mit einem vor dir sich neigenden Herzen, um dich zu bitten, du mögest mir zum Geleit dienen und mich armen Verirrten zum glücklichen Ziel führen! Heilige und barmherzige Jungfrau, zögere nicht, mir beizustehen, denn ich lebe vielleicht schon im letzten Jahr meines Lebens! Meine Tage, schneller als der Pfeil, sind mitten unter Sünden und Leiden dahin geflossen!

 

Ich habe nichts anderes zu erwarten als den Tod!

 

Du, auf die ich meine Hoffnung gesetzt habe; du, die du mir in meinen drängenden Nöten beistehen kannst und willst, verlass mich nicht in meiner letzten Stunde!

 

Prüfe nicht, wer ich bin; sieh nur den an, der sich gewürdigt hat, mich zu erschaffen; prüfe nicht, was ich wert bin, sondern betrachte in mir nur das hehre Bild Gottes, damit es dich antreibe, mir Armseligen beizustehen!

 

O Jungfrau, erfülle mit heiligen und frommen Tränen mein schmachtendes Herz, damit wenigstens meine letzten Tränen Gott geweiht seien; mögen sie rein sein von jedem Erdenschlamm und frei von jedem törichten Gedanken!

 

Der Tag naht heran, er wird nicht zögern; die Zeit eilt und flieht dahin!

 

O mitleidige Jungfrau, bald ergreift der Schrei meines Gewissens, bald der Schrecken des Todes mein Herz!

 

Empfiehl mich deinem Sohn, dem wahren Gott und Menschen; möge er in seinen Frieden meine letzten Seufzer aufnehmen!“

 

Petrarca hatte sich in der letzten Zeit seines Lebens nach Arqua, einem Dorf in der Nähe von Padua, zurückgezogen. Er starb in der Nacht des 18. Juli 1374 und zwar buchstäblich bei den Studien. Man fand ihn des Morgens in seiner Bibliothek, indem er, die Hand auf ein Buch stützend, in dem er soeben gelesen hatte, sanft in die Ewigkeit hinüberschlief.

 

 

7. Anrufung des heiligen Josef

 

Die edle Fürstin Amalia von Galizien erinnerte sich täglich der Worte der heiligen Theresia von Jesus: „dass sie nie unerhört geblieben sei, wenn sie den heiligen Josef, den Nährvater Christi, um seine Fürbitte angerufen hätte“, und wählte ihn, wie es so viele fromme Christen zu tun pflegen, als ihren Fürbitter zur Erlangung einer glückseligen Sterbestunde.

 

Sie hatte sich während ihrer letzten Krankheit alle Abende folgendes Gebet vorsagen lassen: „O heiliger Josef, der du in den liebenden Umarmungen Jesu und Marias aus diesem Leben schiedest, eile mir mit Jesus und Maria dann besonders zu Hilfe, wenn der Tod meinem Leben wird ein Ende machen! Erwirb mir die Gnade, um die ich jetzt allein bitte: dass ich in den heiligen Armen Jesu und Marias sterbe!“

 

 

8. "Schönes" Sterben 

 

1. Der ehrwürdige Diener Gottes. Alexis von Vigevano, aus dem Kapuziner-Orden, bat kurz vor seinem seligen Tod einen von seinen Mitbrüdern, mehrere Wachslichter anzuzünden.

Auf die Frage, warum er das verlange, gab er zur Antwort: „Da Unsere Liebe Frau mit ihrem Bräutigam, dem heiligen Josef, mich in kurzer Zeit besuchen wird, so geziemt es sich, mit größter Hochachtung beide zu empfangen!“

Bald darauf konnte man wahrnehmen, dass der hehre Besuch stattfand. Freudigst rief der Sterbende aus: „Da ist Maria, die Königin des Himmels! Da ist der heilige Josef! Kniet nieder, meine Väter, um sie würdig zu empfangen!“

Er selbst aber genoss die ersten Früchte der Gegenwart Marias und Josefs, denn er gab in demselben Augenblick seinen Geist auf.

Es war am 19. März, dem Fest des heiligen Josef.

 

2. Der heilige Bischof Richard fühlte, dass die Stunde seines Sterbens nahe sei. Er ließ sich deshalb das Bild der gebenedeiten Mutter Christi bringen, küsste es mit Andacht und rief dann die Worte der Kirche aus: „Maria, Mutter der Gnade! Mutter der Barmherzigkeit! Beschirme mich vor dem Feind und nimm mich auf in der Stunde meines Todes!“

Hierauf empfahl er seinen Geistlichen dieselben Worte auszusprechen, und übergab seine Seele in die Hände des Herrn.

 

3. St. Franziskus Xaverius wiederholte öfter auf dem Totenbett die Seufzer: „Jesus, du Sohn Davids, erbarme dich meiner!“ Dann wandte er sich zu Maria, der Mutter des Herrn und sprach: „Vergiss meiner nicht! Jetzt erst beweise es, dass du meine Mutter bist!“

 

4. Kaiser Ludwig der Fromme, folgte ganz in der Hingebung zu Maria, der glorreichen Himmelskönigin, seinem erlauchten Vater Karl dem Großen. Er trug ihr Bild überall bei sich auf Reisen und Jagden. Wenn er sich zuweilen entfernt hatte von seinem Hof und allein im Wald sich befand, sprang er vom Pferd, zog seine mit goldenen Nägeln beschlagenen Handschuhe eiligst aus, und das verehrte Muttergottesbild aus der Brusttasche ziehend, legte er es an den Fuß einer Eiche hin und hielt vor ihm seine Andacht.

Er übergab dieses Bild später der prächtigen Abtei Hildesheim, die er zu Ehren der heiligen Jungfrau erbauen ließ.

Während seiner letzten Krankheit begehrte er an einem Samstag, der der gebenedeiten Jungfrau besonders gewidmet ist, obgleich er schon ungemein schwach war, dass die Tagzeiten zu ihrem Preis in seiner Gegenwart abgesungen würden. Am folgenden Sonntag (es war am 20. Juni 840) empfing er zum letzten Mal die heilige Kommunion, und begehrte den Segen von seinem Beichtvater. Dann machte er das Zeichen des heiligen Kreuzes auf die Stirn und die Brust, sah mit lächelndem Antlitz himmelan, und gab seine Seele in die Hände seines Schöpfers zurück.

 

5. In dem Kloster San Onofrio zu Rom lag, am 24. April des Jahres 1595, einer der größten Dichter Italiens, Torquato Tasso, auf dem Sterbebett. Er bat den jungen Paul Rubens, der teilnehmend ihn besucht, von seinem Hals das silberne Madonna-Bildchen abzunehmen, das er einst dem Vater dieses berühmten Malers zum Geschenk gegeben hatte. „Du sollst das Madonna-Bildchen wieder erhalten“, sagte er leise und andachtsvoll zu ihm, „wenn meine Lippen ihren letzten Hauch auf dasselbe haben verwehen lassen!“ Rubens gehorchte sogleich und der Dichter des hochherrlichen Werkes „das befreite Jerusalem“ stammelte einige Gebets-Seufzer, indem er das Muttergottes-Bildchen in seinen schon von dem Schauer des Todeskampfes zitternden Händen hielt.

Als dem Leichnam des Gefeierten einige Tage nachher die Ehre des Triumphes zuerkannt worden war, konnte Paul Rubens allein unter den unzähligen Leidtragenden dem Wagen nicht folgen, den die Gebeine seines edlen Freundes belasteten. Er flüchtete sich in den abgelegensten Winkel der St. Peters-Kirche, und da, niedergeworfen vor dem Altar der allerseligsten Jungfrau Maria, betete er mit Inbrunst für die Seelenruhe des Abgeschiedenen: indem er die silberne Madonna, die er aus den erstarrten Händen Torquato Tassos wieder zurückgenommen hatte, in seinen Händen hielt, mit seinen Küssen bedeckte und mit seinen Tränen benetzte.

 

6. Der durch seine Großartige Gelehrsamkeit berühmte Justus Lipsius äußerte auf seinem Sterbebett: „O wie wohl bekommt es mir, ein Sodal der allerseligsten Jungfrau Maria gewesen zu sein!“

 

7. Der griechische Kaiser Andronikus II. trug gewöhnlich ein Marienbildchen am Hals. Es war von Gold und so klein, dass er es in den Mund nahm, als er vom Tod überrascht wurde, weil er keine andere Wegzehrung erhalten konnte.

 

8. Der gottselige junge Mann Alexander Bertius aus Florenz lag im Sterben, und je näher ihn das Leiden dem letzten Stündlein brachte, desto größer schien die Wonne seines Herzens zu werden.

Als die glühende Abendröte noch einmal sein liebes Marienbild beleuchtete und gleichsam verklärte, flammte in ihm die Sehnsucht auf, recht bald das hehre Antlitz der heiligen Muttergottes im besseren Jenseits schauen zu dürfen. Er erhob mit aller Anstrengung seinen geschwächten Leib, setzte sich auf und nachdem er lange geschwiegen hatte, rief er: „Zum Himmel, zu Maria! Zum Himmel, zu Maria!“

 

9. Die heilige Radegunde, die von ihrem Gemahl König Lothar verstoßene Fürstin, bat auf ihrem Totenbett mit Tränen: „man möge sie in der von ihr erbauten Marien-Kirche beisetzen“. Und als man sich anschickte, ihrem Wunsch zu entsprechen, da wurde sie so froh und freudig und schlummerte so ruhig hinüber in die Ewigkeit, wie ein Kind sanft einschläft auf dem Schoß seiner Mutter.

 

 

9. Trostvolle Erscheinungen Marias

 

1. Dem heiligen Arnulph, Bischof von Soissons, der eine der reinsten Zierden der Kirche von Frankreich und einer der innigsten Verehrer der heiligen Muttergottes gewesen ist, erschien Maria kurz vor seinem Tod, um ihm einen klaren Beweis ihrer Huld und Fürsorge zu geben. Maria zeigte ihm nämlich an, dass sein letztes Stündlein nahe und dass Gott ihn zu sich zu rufen beschlossen habe, um ihm den ewigen Lohn, der dem treuen Knecht verheißen ist, zu verleihen.

 

Hierauf sprach St. Arnulph: „O du Mutter meines Gottes, Königin des Himmels und der Erde, süße Hoffnung meiner Seele – du weißt es, wie ich dich stets geliebt und dir gedient habe, nicht wie du es verdienst, aber denn doch nach meinen schwachen Kräften! Zur Vergeltung dessen, was ich zu deinem Wohlgefallen während meiner Pilgerschaft tun durfte, flehe ich dich um eine Gnade an, nämlich: an dem Tag zu sterben, an dem du selbst gestorben bist, dieses Tränental an dem Tag zu verlassen, wo du selbst es verlassen hast, an dem Tag in den Himmel aufzusteigen (weil du mir einen Sitz dort verheißen hast), an dem du selbst von ihm, als von deinem unvergänglichen Reich Besitz genommen hast! Und so bitte ich dich, du wollest mir mit deinen Händen an dem Tag die Krone der Gerechtigkeit verleihen, an dem du selbst als Herrscherin über alle Kreaturen bist gekrönt worden!“

 

„Mein Sohn“, erwiderte die Jungfrau, „deine Bitte soll dir gewährt werden, bereite dich denn auf den Tag meiner Himmelfahrt zum Sterben vor!“

 

Von diesem Augenblick an dachte der fromme Bischof an nichts weiter, als seine ohnedies heilige Seele immer mehr zu reinigen. Und als er am Vorabend des Himmelfahrttages Marias seine Kräfte schwinden fühlte, versammelte er um sein Lager die Priester seines Hauses und sprach mit gebrochener Stimme zu ihnen: „Bereitet alles zu meinem Tod, denn ich habe durch eine Offenbarung vernommen, dass ich nur noch eine kurze Zeit unter euch leben werde. Außer dem heiligen Petrus, dem heiligen Michael und mehreren anderen Engeln, die sich herabließen, mich zu besuchen, habe ich auch die ausgezeichnete Gnade, das unaussprechliche Glück des Besuches der Herrscherin über sie alle genossen! Maria ist, begleitet von einer glänzenden Jungfrauen-Schar, zu mir gekommen, mich in meinen Leiden zu trösten, und meinen gerechten Schrecken über die Last meiner Sünden, die mir mein Seelenheil rauben konnten, zu beschwichtigen. Sie begnadigte mich: mir die Verbürgung der ewigen Seligkeit und der Aufnahme ins Reich der Auserwählten zu geben. Sie hat noch mehr getan: sie versprach mir auf meine Bitte, dass ich diese Welt an demselben Tag verlassen dürfe, da Himmel und Erde den Triumph ihrer eigenen Aufnahme in den Himmel feiern. Dieser Tag ist nahe. Ich steh also ganz nah der Schwelle der Ewigkeit und werde morgen zur Seligkeit des Herrn eingehen!“

 

Nachdem St. Arnulph dies gesagt hatte, begann er ein stilles, durch kein lautes Wort mehr unterbrochenes Gebet zu beten, und starb am folgenden Tag, genau in jenem Augenblick, in dem die streitende und triumphierende Kirche die Krönung Marias bei ihrem Eingang in die ewige Glorie mit Freudengrüßen zu feiern beginnt.

 

2. Im Jahr 1609 starb Claudius Ponceot, Rektor des Jesuiten-Collegiums in Puy. In der schweren Krankheit, die ihn befallen hatte, empfahl er sich, als ihn die Ärzte aufgegeben hatten, gänzlich in den Willen Gottes und Marias. Bald nach dieser Hingebung erschienen ihm zwei Engel in menschlicher Gestalt, aber in himmlischer Anmut leuchtend. Ihre Gewänder waren von blendender Weiße und sie hielten zwei Fläschchen in der Hand, die mit einer trüben Flüssigkeit gefüllt waren, die sie durch Übergießen miteinander vermengten. Als dies geschehen war, ermahnten sie den Kranken, sowohl durch dieses symbolische Zeichen, wie auch in deutlich vernehmbaren Worten, seine Leiden mit größerer Geduld und Ergebenheit zu ertragen. Alsdann kam ein dritter Engel, der sich als einen Boten der glorreichen Himmelskönigin ankündigte und ihm versicherte, dass seine Leiden bald zu Ende sein würden. Er redete noch mit ihm, als auch die heilige Muttergottes selbst in sichtbarer Gestalt erschien. Sie trug das göttliche Jesuskind auf dem Arm, und war vom heiligen Claudius, dem Namenspatron des Kranken, vom heiligen Ignatius von Loyola, dem Stifter der Gesellschaft Jesu, und von anderen Seligen, die diesem Orden ehedessen angehörten, begleitet. Alle umstanden sein Lager und versprachen ihm: „dass er seine Meister in der Stadt des Friedens bald wieder sehen würde!“ Dieses Wissen erfüllte den Kranken mit neuem Mut, und durch diese Gnaden-Vermehrung mächtig unterstützt und gelabt, erhöhte er nun seine Aufmerksamkeit und seine frommen Anstrengungen, um sich würdig zum Tod vorzubereiten, den ihm auch Gott nach drei Tagen als einen Freund zusandte, den er unter einem himmlischen Lächeln und mit den Worten empfing: „Kommt, ihr Heiligen! Kommt, ihr Engel! Kommt alle, ihre Auserwählten des Herrn! Und Du, o Mutter Gottes, bitte für mich!“

 

3. Der heilige Johannes von Gott, Stifter des Ordens der barmherzigen Brüder, war einer der großmütigsten Wohltäter der Menschheit. Dieser Held der christlichen Opferwilligkeit nimmt eine ausgezeichnete Stelle unter den Seelen ein, die die allerseligste Jungfrau Maria mit den Gnaden ihrer Vorliebe begabte, und diese Gnaden verdiente er durch seine wahrhaft erhabene Liebe zu den Armen, Gebrechlichen und Kranken, mit einem Wort: zu allen Unglücklichen, die die Welt von sich stößt. In einer innigen Andacht zu Maria gleichsam geboren, ehrte er sie von frühester Jugend an, indem er täglich den Rosenkranz ihr zu Ehren betete, die Schmerzen, die ihr das Leiden ihres göttlichen Sohnes verursachten, öfters betrachtete, und in seinem eigenen Herzen diese Leiden und Qualen mit ihr mitfühlte. So oft er nur konnte, sprach er liebend und andachtsvoll von ihr. Die Königin des Himmels kam aber auch, von dem heiligen Erzengel Raphael und dem heiligen Evangelisten Johannes begleitet, um ihn in seinen letzten Augenblicken beizustehen. Sie besänftigte die Schrecken, die dieser getreue Knecht Gottes bei der Annäherung des Todes und vor dem Gericht in der Ewigkeit empfand. Sie ging in ihrer Güte sogar so weit, ihm mit einem Schweißtuch den auf seinem Angesicht hervordringenden Todesschweiß abzutrocknen. Wahrlich, ein würdiger und kostbarer Lohn für ähnliche Dienste, die er im Namen Jesu und Marias den Kranken und Sterbenden geleistet hatte!

 

4. Peter von Urbino, aus dem Franziskaner-Orden, lag um das Jahr 1572 im Sterben. Am Vorabend seines Todes hatte er die schrecklichsten Kämpfe gegen den Satan und seine Genossen zu bestehen, sie erschienen ihm in Drachengestalt. Von ihnen bedrängt, wendete er sich mit dem Ruf an seine Brüder: „Zu Hilfe, meine Brüder, zu Hilfe! Die Ungeheuer des Abgrundes wollen mich zerreißen!“ Die anwesenden Mönche knieten hierauf nieder, sangen die Litanei der allerseligsten Jungfrau Maria und flehten sie um ihren mütterlichen Beistand für den Sterbenden an. Sie selbst kam ihm zu Hilfe. Und kaum war sie erschienen, so zerstob die höllische Meute, und das Angesicht des Sterbenden strahlte von einer solchen Heiterkeit, dass seine Brüder darin den Glanz der Schönheit der Engel zu erblicken glaubten. Während sie diese überraschende Veränderung in den Zügen des Antlitzes ihres Bruders bewunderten, das bereits von einem Schimmer der Herrlichkeit der Seligen verklärt zu sein schien, sagte er plötzlich mit dem Ausdruck einer himmlischen Sanftmut und Milde zu ihnen: „Ach, meine Brüder, wie schön ist die Muttergottes! Welch eine anmutige Frau besucht mich da! Der Glanz der Sonne umgibt sie. Steht doch auf, ihr Brüder, und macht dem Chor der Jungfrauen Platz, der sie begleitet!“ Bei diesen Worten drückte sich auf seinem Angesicht ein solches Zufriedensein, in seiner Rede ein so lebhaftes Gefühl der Seligkeit aus, dass keiner von den Umstehenden länger zweifelte: Petrus habe in der Tat die heilige Jungfrau Maria und mit ihr mehrere Auserwählte aus dem ewigen Sion geschaut.

 

5. Am 1. Januar 1262, um Mitternacht, befiel den gottseligen Bonfilius Monaldi, den ersten der sieben Stifter des „Ordens der Diener und Dienerinnen Mariens, der schmerzvollen Gnadenmutter“, bei seiner großen Körperschwäche auch ein heftiges Fieber. Dennoch wollte er nicht unterlassen, den Metten anzuwohnen. Nach dem Schluss derselben versammelten sich die Brüder zu geistlichen Gesprächen über das Geheimnis der Beschneidung des Herrn. Auch Bonfilius war zugegen. Und da seine Seele in der Betrachtung der unendlichen Liebe Gottes versenkt blieb, wurde er gewürdigt, von der Mutter Jesu mit folgenden Worten den Ruf zum Himmel zu vernehmen: „Bonfilius (guter Sohn), weil du immer hörtest auf das Wort meines geliebten Sohnes, und es auch befolgtest, komme nun, das Gut in Besitz zu nehmen, das du immer liebtest!“ Nach diesen Worten hauchte er sanft und mild seine Seele aus.

 

Sogleich umgaben die Brüder diesen Seraph in Menschengestalt, und sahen sein Antlitz glänzen, und himmlische Wohlgerüche strömten von seinem Leib aus. Aber es waren die Zeichen, mit denen Gott seinen Diener verherrlichen wollte, noch nicht zu Ende. Die genannte Stimme ließ sich abermals vernehmen: „Kommt, ihr Heiligen des Herrn! Kommt, ihr Engel des Himmels! und führt in das Reich der Seligkeit diese Seele ein, die mir auf Erden so treu diente, und ihr, meine geliebten Diener, begrabt den Leichnam!“ Voll Verwunderung und von heiligen Schauern erfüllt, legten die Brüder den ehrwürdigen Leib unter Lobgesängen und Tränen der Freude in einen steinernen Sarg, den sie versiegelt unter den Hochaltar der Kirche versenkten.

 

6. Franziskus Patrizzi, aus dem Serviten-Orden, unterließ es nicht, obgleich er taub war, mit Eifer das Lob Gottes und den Lobpreis Mariens dem Volk zu verkündigen.

 

Als er in eben dieser Absicht eines Tages die Stadt Siena verließ, befiel ihn allplötzlich eine ungemeine Schwäche des Körpers, die ihn zu Boden warf. Sein Gefährte eilte ins nächste Haus, um einen Trunk Wein für den Kranken zu erbitten; allein der reiche Gutsbesitzer verweigerte ihm diese Labung. Es blieb jedoch die Strafe für seine Lieblosigkeit nicht lange aus. Denn nach der Entfernung des seligen Franziskus entstand ein gewaltiges Ungewitter, das seine Felder und Früchte alle zerstörte.

 

Indessen erschien aber dem schmachtenden Franziskus eine Frau in erhabener Würde und reichte ihm einen Strauß duftender Rosen, worauf er sich erhob, und, von seinen Gefährten begleitet, auf Ermahnung dieser Frau ins Kloster zurückkehrte, wo er zuerst in der Kirche vor dem Bild der allerseligsten Jungfrau Maria mit aller Inbrunst betete, und die erhaltenen Rosen dort aufhing; dann aber von den Brüdern ins Krankenzimmer getragen wurde, wo er, mit dem Bußgürtel und vollständigen Ordenskleid angetan, bis zu seinem seligen Tod verblieb. Während seiner Krankheit weilte sein Geist beständig in heiliger Betrachtung bei den göttlichen Wahrheiten. Man fragte ihn, wie er sich befinde, allein er gab keine Antwort. Doch zeugte sein freudestrahlendes Angesicht von der inneren Wonne, die er genoss und dann laut offenbarte durch Ausdrücke der glühendsten Liebe zu Jesus und Maria, und durch den Gesang der sieben Bußpsalmen, den er zur Verwunderung aller auf einmal anstimmte.

 

Nach Vollendung dieses heiligen Gesanges ermahnte er seine Mitbrüder zur standhaften Ausdauer im Dienste Jesu und Marias, denn Jesus dienen sei ja so viel, als mit Ihm im Himmel herrschen.

 

Indessen rückte der Vorabend des Festes der glorreichen Himmelfahrt des Herrn heran. Da fragte ihn ein Mitbruder, wie er sich fühle? Er aber antwortete: „Weißt du, mein Sohn, dass morgen die Feier der Himmelfahrt des Herrn ist?“ Der Bruder antwortete: „Ich weiß es!“ Und der Sterbende fuhr fort: „Glaubst du, dass mich mein göttlicher Heiland noch länger in einem so elenden Gefäß werde verbleiben lassen?“ Der andere schwieg. Darauf sprach der fromme Dulder: „Ich hoffe, von der göttlichen Barmherzigkeit gar bald aus dieser Gefangenschaft befreit zu werden!“

 

Er verlangte dann mit den heiligen Sakramenten der Sterbenden versehen zu werden, und empfing sie mit der innigsten Andacht und Rührung. Bald darauf genoss er des überschwänglichen Trostes, nochmals von der gnadenreichen Jungfrau Maria, mit dem Jesuskind auf dem Arm, heimgesucht zu werden, die ihn mit den liebevollen Worten anredete: „Franziskus! Was soll ich dir für eine Belohnung geben für deinen treuen Dienst und für deine große Liebe, die du allzeit zu mir getragen hast?“ Darauf antwortete das göttliche Christkind, statt des Sterbenden: „Es geziemt sich, dass derjenige, der uns so treulich geliebt hat, auch mit uns in den ewigen Freuden glückselig lebe!“ Und Mutter und Sohn sprachen alsdann zusammen: „Komm, komm, du getreuer Diener!“ – Und er hauchte seine Seele aus am Fest der Himmelfahrt Christi im Jahr 1326 im dreiundsechzigsten seines Alters. – Die selige Angela de Tolomei, seine Ordensschwester, sah in einem Gesicht, wie seine Seele in glänzendem Schimmer von den heiligen Engeln in den Himmel eingeführt wurde.

 

Als der selige Tod des frommen Marien-Dieners bekannt wurde, eilte das Volk scharenweise hinzu, um ihn zu sehen und zu verehren, und viele Kranke erhielten durch die Berührung seines Leibes ihre Gesundheit. Deshalb musste der heilige Leib mehrere Tage hindurch ausgesetzt bleiben, indessen die Geistlichkeit und das Volk durch Lob- und Psalmen-Gesänge den Herrn in seinem treuen Diener priesen und verherrlichten.

 

Doch es sollte auch der Traum seiner Mutter, als sie ihn noch unter ihrem Herzen trug, im vollsten Sinne des Wortes verwirklicht werden. Nach den ältesten und bewährtesten Zeugnissen – stieg gleich nach dem Tod des Franziskus Patrizzi aus dessen Mund eine schöne blühende Lilie hervor, auf deren einzelnen Blättern mit goldenen Buchstaben die Worte: „Ave Maria“ geschrieben standen. (Auf Bitten des Königs von Frankreich beim Serviten-Orden und der Stadt Siena, wurde diese Lilie ihm übersandt, die in so großer Verehrung bei den Franzosen verblieb, dass, wenn einige nach Siena kamen, ihre erste Frage immer lautete: „Wo ist der Leib des seligen Franziskus, aus dem Orden der Diener Marias?“)

 

Endlich wurde sein Leib, in Gegenwart des Bischofs, des Stadtrates und des gesamten Volkes von Siena, in einen hölzernen Sarg gelegt, und in der Kapelle Unserer Lieben Frau beigesetzt.

 

Es hatten aber die Bewohner der ganzen Stadt solche Verehrung zu diesem seligen Diener Gottes und Marias gefasst, dass sie jährlich eine Prozession zu seinem Grab hielten und öfters bei schweren Zeiten den heiligen Leib erhoben, und durch die Stadt feierlich herumtrugen. – Da sich die Anzahl der auf die angerufene Fürbitte des seligen Franziskus Patrizzi gewirkten Wunder täglich vermehrte, beschloss der Bischof und der Magistrat von Siena, eine herrliche Begräbnisstätte ihm zu errichten, was zu verschiedenen Malen geschah, nämlich im Jahr 1516, 1609, 1686 und 1714. Immer fand man seinen Leib unverwest.

 

Ob dieser immerwährenden Verehrung, und der bei seiner Anrufung gewirkten Wunder, erklärten die Päpste Benedikt XIV. und Clemens XIII. ihn als einen seligen Bewohner des Himmels und approbierten seine Verehrung. Sein Fest wird am 8. Juni begangen.

 

7. Zu Rom, auf dem Monte cavallo, dem päpstlichen Palast gegenüber, steht das kleine Kirchlein zum heiligen Andreas, das man seines Schönheit und Zierlichkeit wegen „la gemma romana – den römischen Edelstein“ zu nennen pflegt. Es ist die Kirche des Noviziat-Hauses der Gesellschaft Jesu. Im zweiten Stock dieses Hauses ist das Zimmerchen (jetzt in eine Kapelle umgestaltet), worin der heilige Stanislaus Kostka starb. An den beiden Enden dieses Zimmers ist ein Altar, der eine dem Herzen Jesu, der andere dem Herzen Mariä geweiht. Zwischen diesen Altären an der Seitenwand ist ein Ruhebett, worauf die Statue des sterbenden Jünglings Stanislaus in Lebensgröße liegt, das Kreuz in der Hand, um das der Rosenkranz geschlungen ist. Alles ist vom kostbarsten Marmor, Kopf, Hände und Füße von weißem, das Ordenskleid von schwarzem, alles Übrige von farbigem. Die Statue ist von einem der größten Künstler ausgeführt und so gelungen, dass es scheint, als ob wirklich Stanislaus tot – als Leiche – hier läge. Hinter ihr an der Wand ist ein prächtiges kolossales Gemälde, wo himmlische Jungfrauen, und besonders die heilige Barbara, Agnes und Cäcilia dem sterbenden Stanislaus entgegenkommen und Blumen auf den Weg streuen, auf dem er in den Himmel einziehen soll. Hoch oben erwartet ihn, von Engeln umgeben, die allerseligste Jungfrau Maria, die Himmelskönigin, mit ausgestreckten Armen, mit sehnsuchtsvollem Blick, um ihren teuren Sohn an ihr mütterliches Herz zu drücken, und ihn einzuführen in die Freuden des Paradieses.

 

Was hier in diesem Bild zur Darstellung gekommen ist, das hat sich wirklich zugetragen, als St. Stanislaus von dieser Welt gehen sollte.

 

Wenige Tage zuvor sah man diesen unschuldigen Jüngling noch ganz gesund am Tisch sitzen und einen Brief schreiben.

 

Und an wen schreibt er?

 

Ach, ein gläubiges, kindliches Herz kann sich daran nicht ärgern – er schreibt an die heilige Mutter Gottes.

 

Und was schreibt er ihr?

 

„Ach, meine liebste Mutter“ – so schrieb er – „du weißt, ich bin von Jugend auf dein Eigentum gewesen; ich habe dich so innig lieb und es ist mir hart, so lange von dir getrennt zu sein; sieh, das Fest deiner Himmelfahrt ist nahe; ich möchte es so gerne schon im Himmel feiern: o lass mich sterben aus Liebe zu dir, nimm mich schon für dieses Fest in den Himmel auf!“

 

Er siegelte den Brief, er legt ihn auf den Altar, wie einst Ezechias in anderer Absicht den Brief des Syrerkönigs auf den Altar des Heiligtums gelegt hatte.

 

Maria erhört die Bitte.

 

Weniger von dem leichten Fieber, als von der Liebe verzehrt, liegt Stanislaus am Fest „Mariä Himmelfahrt“, mit fröhlichem Angesicht, das Kreuz, den Rosenkranz und ein kleines Bildchen der Muttergottes in der Hand, auf dem Sterbebett.

 

„Was tust du denn jetzt mit dem Rosenkranz?“ sagte ein Pater zu ihm, „du kannst ihn ja nicht beten!“

 

Stanislaus lächelte und sprach mit schwacher Stimme: „Er ist ja etwas von meiner lieben Muttergottes, deswegen verehre ich ihn; ja, weil er von ihr ist, so gewährt es mir einen Trost, wenn ich ihn auch nur anschaue!“

 

„Ach!“ sagte dann der Pater, „wie wirst du dich erst erfreuen, wenn du in kurzer Zeit Maria in ihrer Glorie sehen, und, wenn sie dich zu sich gerufen hat, ihre Hände küssen und an ihr Herz sinken wirst!“

 

Bei diesen Worten kam Stanislaus ganz außer sich, sein Gesicht war ganz erregt, mit Freude und Jubel erhob er die Augen und Hände himmelan, nahm das Bildchen der Muttergottes, küsste es und drückte es mit Liebe und Frömmigkeit an sein Herz.

 

Als man ihm die letzte Wegzehrung brachte, verlangte er, dass man ihn auf die Erde niederlege; und er empfing mit der größten Demut, Freude und unaussprechlicher Lieblichkeit seines jungfräulichen Angesichtes den Leib des Herrn. „Die Zeit ist kurz“, rief er dann, „die Zeit ist kurz!“ und nachdem er Gott nochmal innigst für seine Erschaffung, für seine Erlösung, für seine Berufung in die Gesellschaft Jesu gedankt und dabei das Kruzifix, das er in den Händen hielt, auf das Zärtlichste anblickte, fügte er die Worte des Psalms bei: „Mein Herz ist bereit, o Gott, mein Herz ist bereit!“ Ps 56,8 – Als das Ende nahe war, sprach er ganz leise die Namen Jesus und Maria aus, die, wie man glaubt, in Begleitung der heiligen Jungfrauen, die er besonders verehrte, ihm entgegen gekommen ist, und hauchte seinen Geist so ruhig und sanft in die Hände seines Schöpfers aus, dass man nicht wusste, ob er schon tot oder noch lebend sei. Die Farbe seines Angesichtes war noch frisch, seine lieblichen Augen, gegen Himmel gewendet, glänzten und waren nicht gebrochen.

 

Da hielt man ihm das Bild der Muttergottes vor die Augen. Er küsste es nicht mehr, er gab kein Zeichen mehr seiner Zärtlichkeit zu Maria. – Nun ist es gewiss, Stanislaus muss tot sein, denn leben könnte er nicht ohne seine Liebe auszudrücken zu Maria, seiner teuren Mutter.

 

8. Die heilige Opportuna war von vornehmer und reicher Herkunft und der heilige Alphons von Liguori bezeichnet sie sogar als eine aus königlichem Stamm Entsprossene. Wie dem auch gewesen sein mag, ihr Herz war nicht von der Liebe zum Irdischen ergriffen. Gott allein blieb stets das Ziel ihrer Zuneigung und nächst Gott herrschte die allerseligste Jungfrau Maria unumschränkt in dieser Seele.

 

Als Opportuna Oberin des Klosters Montreuil (bei Alménosches, im Sprengel von Séez) geworden war, in das sie einst gleich einem schüchternen Lamm, das zum guten Hirten flüchtet, sich zurückgezogen hatte, war sie ihren Schwestern ein Vorbild aller jener Tugenden, die der einzige Schmuck der Bräute des unbefleckten Lammes sind. Die heilige Muttergottes, diese Mutter der Reinheit, war jedoch das Muster, dem nachzuahmen sie sich ganz besonders bemühte. Ihren Klosterfrauen empfahl sie gleichfalls diese getreueste Nachfolge Mariä an. Das Bildnis der Königin der Jungfrauen fand sich deshalb auf jedem Schritt dieser stillen, andächtigen Gemeinde. Der heilige Name Mariä war ohne Ende im Mund ihrer frommen Töchter. Die Lobpreisungen Marias wiederhallten Tag und Nacht in dieser Zufluchtsstätte des Friedens. Und die Tugenden Marias waren der reine Spiegel, in dem sich diese Mägde Gottes unaufhörlich beschauten, um sich ihres himmlischen Bräutigams würdiger zu machen. Opportuna, nach ihrer Stellung die erste in dieser Schwesternschaft, überbot auch alle im Diensteifer und in der Heiligkeit.

 

Es ist demnach auch nicht verwunderlich, dass ihr im Jahr 970 erfolgter Tod durch eine große Gnade der heiligen Muttergottes bezeichnet wird.

 

In jenem Augenblick nämlich, da Opportuna im Begriff stand, diese elende Erde zu verlassen, sandte ihr Maria aus den Wohnungen der Seligen zuerst die heilige Cäcilia und die heilige Lucia, zu denen Opportuna ihr ganzes Leben hindurch eine besondere Andacht nährte, und um deren Fürsprache bei Gott sie auch oft und mit großer Inbrunst gefleht hatte. Allein, gleich wie eine gute Königin sich nicht damit begnügt, eine erkrankte teure Prinzessin auf ihrem Schmerzenslager nur durch einige Frauen ihres Gefolges besuchen zu lassen, sondern in eigener Person der Kranken einen Beweis ihrer Zuneigung geben und ihr selbst Trost und Beruhigung bringen wird, so kam auch die erhabene Muttergottes, die Königin aller Engel und aller Heiligen, nicht zufrieden, zwei der reinsten Jungfrauen ihres himmlischen Hofstaates zu Opportuna gesandt zu haben, selbst in die Zelle der heiligen Äbtissin von Montreuil. – Bei ihrem Anblick rief die Sterbende selig entzückt zu den versammelten Schwestern, die andächtig um das Schmerzenslager ihrer Mutter knieten: „Verneigt euch, meine Töchter! Hier ist Maria, unsere himmlische Gebieterin. Sie kommt in Huld, um mich abzuholen. Ihr empfehle ich euch alle an! Lebt wohl! In dieser Welt, ja, wo alles vergänglich ist, sehen wir uns nicht wieder! Ich gehe euch in jene Welt voran, wo alles dauernd und ewig ist!“ Bei diesen Worten streckte sie der gebenedeiten Jungfrau Maria, die von ihr allein gesehen wurde, die Arme entgegen, und unter dieser frommen Anstrengung gab sie sanft den Geist auf.

 

Glückseliger Tod! – Möchte, o gnadenreiche Jungfrau Maria, der meine ein ähnlicher sein!

 

9. Die heilige Elisabeth, Königin von Portugal, nahm nach ihrem Tod ihres Gemahls Dionys das Ordensgewand des dritten Ordens des heiligen Franziskus von Assisi, und ihre Verehrung der heiligen Jungfrau Maria war eine so große, dass sie die vierzig Tage, die dem Fest „Mariä Himmelfahrt“ vorhergehen, alle Samstage im Jahr, und an allen Vorabenden der Marianischen Feste bei Wasser und Brot fastete. Täglich nach der heiligen Messe betete sie den Rosenkranz und das kleine Offizium. – So wurde ihr denn auch in ihrer letzten Stunde das Glück zuteil, von der heiligen Muttergottes besucht zu werden. Ihre Schwiegermutter war nämlich bei Elisabets Verscheiden gegenwärtig und hörte sie ausrufen: „O liebe Mutter, o liebe Mutter, mach doch der Himmelskönigin Platz, die sich gewürdigt hat, mich durch ihre süße Gegenwart zu stärken! Siehst du sie nicht in ihrem blendend weißen Gewand?“ Alsdann flehte Elisabeth, noch wenige Augenblicke vor dem Sterben, ihre erhabene Trösterin also an: „O Maria, Mutter der Gnade und Barmherzigkeit, beschütze mich vor den Anfällen des bösen Feindes und nimm mich in der Stunde meines Todes in deine Arme auf!“

 

10. Die heilige Margareta von Ungarn war eine Tochter des Königs Bela von Ungarn, die Schwester der heiligen Kunigunde, Königin von Polen, die Nichte der heiligen Elisabeth, Landgräfin von Thüringen und die Großnichte der heiligen Hedwig, Herzogin von Polen. Sie stammte in gerader Linie von dem heiligen Stephan, Emmerich und Ladislaus ab, die alle drei nacheinander die Krone von Ungarn getragen hatten, und mit dem Gelübde dieses edlen Stammes ging auch der Keim jener Tugenden auf sie über, der ihn damals in den Augen des Himmels und der Erde zum herrlichsten Geschlecht der Welt gemacht haben. – Besonders war die Verehrung der erhabenen Mutter Jesu Christi in diesem erlauchten Haus erblich, und die junge Prinzessin Margareta wurde dem Grundsatz ihrer Vorfahren nicht untreu. Sie war noch nicht vier Jahre alt, da ihre Eltern sie den Dominikanerinnen zu Weisbrunn bei Gran übergaben, um von ihnen erzogen und zur Übung aller Tugenden in der Nachfolge Jesu und Mariä herangebildet zu werden. Ihr Verstand und ihr Eifer für die göttlichen Dinge fand eine so schnelle Entwicklung, dass sie in einem Zeitraum von sechs Monaten mit den Nonnen das Offizium der heiligen Jungfrau Maria beten konnte. Wo immer sie ein Bild der heiligen Muttergottes sah, fiel sie vor ihm auf die Knie und begrüßte die Himmelskönigin andächtig mit dem Gruß des Engels. An den Vorabenden der Marienfeste ernährte sie sich nur von Brot und Wasser, und sie stellte das Kloster auf der Donauinsel, das ihr Vater gegründet hatte, unter den Schutz und den Namen der gebenedeiten Jungfrau. Immer, wenn sie den Namen der Königin aller Heiligen aussprechen hörte, fügte sie hinzu: „Muttergottes und meine Hoffnung!“ An jedem Festtag Marias betete sie tausendmal den Englischen Gruß und begleitete ihn stets mit einer Kniebeuge. – Als nun diese bewunderungswürdige Prinzessin in den letzten Zügen lag, kam die heilige Jungfrau Maria, von einer großen Schar von Engeln und Heiligen begleitet, zu ihr und setzte ihr, unter huldvollster Begrüßung, eine Krone auf das Haupt. Sie sah zugleich eine Leiter, die bis in den Himmel reichte, und auf der, wie es schien, die heilige Jungfrau zurückkehrte, während Margareta in unsäglicher Wonne ihr Schritt für Schritt, gestärkt durch die Krone, die sie trug, nachfolgte.

 

 

10. Maria, Trost der Sterbenden

 

1. Die allerseligste Jungfrau Maria erschien im Jahr 1566 dem Kapuziner Jakobus von Nursia, als er im Sterben lag. Bei ihrem Anblick rief dieser Schützling der heiligen Gottesmutter voll Freude aus: „O du tausendfach seligste Jungfrau, du glorreichste Jungfrau, du reinste aller Jungfrauen! Wie gnädig bist du, dass du also kommst, mich zu besuchen! Wie ehrt mich deine Einkehr bei mir!“ Dann wendete er sich zu den Brüdern, die sein Sterbelager umstanden und rief voller Glück aus: „Da ist sie! Da ist sie, die triumphierende Königin des Himmels! Da ist sie, um mich abzuholen und in den Vorhof der heiligen Stadt Gottes einzuführen!“ Und er verschied alsbald im Frieden Jesu und Mariä.

 

2. Die heilige Synkletika (Nonne von Alexandria, + 5.1.350) wurde von einer schmerzvollen Krankheit befallen. An ihrem Leib entstanden ansteckende Geschwüre, die ihr unaussprechliche Qualen verursachten. Durch vier Jahre hatte sie diese schrecklichen Schmerzen ertragen, da ahnte sie das Ende ihres Lebens. Die seligste Jungfrau Maria erschien ihr und kündigte ihr an, dass sie nach drei Tagen sterben werde. So geschah es auch. Nach drei Tagen erschien ihr abermals die Gottesmutter und nahm ihre Seele in die ewigen Freuden des Himmels auf.

 

 

11. Das Sterben des hl. Stanislaus

 

(Von I. H. Delabar, „Ave Maria“, 1913, Heft 8, S. 174)

 

Vom heiligen Stanislaus Kostka wird uns erzählt, dass er zur Bewahrung seiner Unschuld und der Erlangung der ewigen Seligkeit besonders der Verehrung Mariä sich beflissen und ihrem Dienst gewidmet habe. Um sich als treuer und eifriger Diener der seligsten Jungfrau zu beweisen, rief er sie nicht bloß stets um ihre Fürsprache bei Gott an, sondern trug auch an seiner Seite nach der Vorschrift seines Ordens ununterbrochen des Rosenkranz. Der heilige Stanislaus wurde bekanntlich von Gott bald aus dieser Welt abgerufen, um den Lohn seiner Frömmigkeit im Himmel zu erlangen, und Gott bereitete ihn zur Reise aus dieser Welt durch eine längere Krankheit vor. Während der zeigte er sich ebenfalls als einen wahren Jünger Mariä, denn den Rosenkranz hatte er stets um seinen Arm gewunden. Als ihm ein geistlicher Bruder deshalb die Frage stellte, wozu er denn den Rosenkranz brauche, da er ja wegen der Heftigkeit seiner Schmerzen nicht imstande sei, ihn zu beten, antwortete der Heilige: „Es ist wahr, ich bin nicht imstande, den Rosenkranz, den ich in der Hand halte, zu beten, indessen erinnere er mich doch an meine gute Mutter Maria und das ist gewiss viel.“ Stanislaus starb bald darauf, nachdem ihm zuvor noch die allerseligste Jungfrau in einer Entzückung erschienen war, in der Freude des Herrn.

 

So sollten alle Kranken sich auch befleißen, den Rosenkranz als wahres Kleinod stets bei sich auf ihrem Schmerzenslager zu haben, denn wenn sie ihn auch nicht zu beten imstande sind, so werden sie durch ihn oftmals an Maria erinnert, die wir ja täglich anrufen sollen, dass sie für uns bitten möge in der Stunde des Todes.