Maria vom Sieg

 

Inhalt:

 

1. Die Stiftung eines Dankfestes

2. Der Baldachin aus Sieges-Trophäen

3. Das Bild "Maria de Victoria"

4. Glorreiche Siege über die Ungläubigen

5. Bewährte Treue im katholischen Glauben

6. Die Gründung der Stadt Waitzen

7. Ein großer Marienverehrer - Graf Tilly

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1. Die Stiftung eines Dankfestes

 

Der Chagan der Avaren belagerte unter Kaiser Heraclius die Stadt Konstantinopel.

 

Die Einwohner, voll der Bestürzung und Furcht vor der Rache und dem Blutdurst des wilden Feindes, empfahlen sich im frommen Gebet der mächtigen Fürbitte der heiligen Jungfrau Maria bei ihrem allmächtigen Sohn. Achtmal unternahm der Feind einen Hauptsturm auf die Stadt, und ebenso oft wurde er mit großem Verlust zurückgeschlagen und schließlich genötigt, unverrichteter Sache abzuziehen. Lauter Jubel ertönte jetzt in den Straßen der großen Stadt; doch die dankbaren Griechen schrieben den Sieg nicht sich zu, sondern ganz allein dem Schutz ihrer hochgebenedeiten Schutzpatronin Maria. Der Patriarch rief alles Volk nach der Kathedrale, und Alt und Jung, Vornehm und Niedrig strömte dahin, um der Mutter des Erlösers für die wunderbare Erhaltung der Stadt zu danken.

 

Zum ewigen Gedächtnis der durch der heiligen Jungfrau alles vermögenden Fürbitte von Gott erhaltenen Gnade und Erbarmung, wurde ein jährliches Dankfest auf den fünften Samstag in der Fasten angeordnet. Und schon am Abend vor dem Fest begab sich das Volk in die Kirche und durchwachte den größten Teil der Nacht unter Dankgebeten und Hymnen-Gesang zum Preis und zur Ehre der heiligen Muttergottes.

 

(Aus: Geschichte der Religion Jesu von F. L. Grafen von Stolberg)

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2. Der Baldachin aus Sieges-Trophäen

 

Zur einen Seite des Städtchens Huy an der Maas sieht man von einem Hügel herab ein freundliches weißes Kapellchen aus einem Rahmen grüner Bäume schauen. In dem Kapellchen steht auf dem Altar ein wundertätiges Liebfrauenbild.

 

An Festtagen, besonders aber am Beginn des Monat Mai, der in Belgien einzig der heiligen Muttergottes geweiht ist, und in dem sie in allen Kirchen auf einem prächtigen Blumenhügel unter goldenen Baldachinen thront, findet man die ganze Kapelle mit silbernen Gaben geschmückt, die einst fromme Seelen dankbaren Herzens für erlangte Gnaden dort opferten. Das Bild selbst trägt dann zwei große Himmelsschlüssel aus reinstem Gold, und Ketten und Spangen, mit Perlen und Edelsteinen geschmückt, und Blumen und Weihrauch wetteifern, die süßesten Düfte um die liebe Jesusmutter zu verbreiten. Aus der ganzen Gegend eilen die Pilger scharenweise in die Kapelle und eine Prozession folgt der anderen auf dem gelben Pfad, der sich durch die grüne Decke des Berges zur Spitze hinanwindet. Fahnen wehen und heilige Lieder schallen und der Hügel und das ganze Städtchen scheinen im festlichen Gewand zu prunken.

 

Der schönste Schmuck aber, der den Altar ziert, obschon auch zugleich der unscheinbarste, das sind zahlreiche Fahnen, Rossschweife, Pfeilköcher und anderes Kriegsgerät, das das Marienbild thronartig überdeckt. Wie dieses Kriegsgerät dahin gelangte, das kündet uns folgende Sage:

 

Bei Huy im Tal lebte ein Mann, der einst ganz Europa zu den Waffen rief, um das Grab des Erlösers wieder den Händen der Türken zu entreißen. Peter, der Einsiedler, wohnte da in einer Höhle, die man noch zeigt, und die einst ein Denkmal schmückte, das später durch die blutbefleckten Hände räuberischer Franzosen von da entführt wurde.

 

Als Peter wieder nach Belgien zurückkehrte, da war sein erster Gang zu der Höhle, in der er so manche Stunde in frommer Beschauung verbracht hatte und aus der er ausgezogen war zu dem großen Werk. Da erflehte er sich nochmals Mut und Kraft von Gott zur Fortsetzung und glücklichen Beendigung seines Strebens und pilgerte dann zur Kapelle des Hügels, um sich da die Fürsprache der heiligen Gottesmutter zu erbitten.

 

Neugestärkt trat er in das Städtchen und hielt nun eine seiner glühendsten, begeistertsten Predigten. In treffenden Worten schilderte er die Leiden der Christen des heiligen Landes, die rohe Wut der Ungläubigen, klagte über die Schmach, dass das Grab des Gottmenschen, dass alle heiligen Stätten, wo er einst lebte, noch in also unheiligen Händen seien, und dann forderte er die Ritter und Bürger auf, nicht die Letzten zu sein, wo es gelte, Palästina zu reinigen und zu befreien.

 

Wie lautes Schluchzen und manch kräftiger Fluch der Wut den ersten Teil seiner Rede unterbrachen, so erscholl der lauteste Befall, als er geendet hatte. Und alle drängten sich zu Peter, um das Kreuz zu empfangen, Jünglinge, Männer und Greise. An den folgenden Tagen lagen alle Gewerke still und ein jeder bereitete sich zu dem Zug vor. Nur die Hämmer der Waffenschmiede klangen lustiger, als je.

 

Noch waren nicht vierzehn Tage verflossen, als eines Sonntags morgens den Marktplatz von Huy dichte Scharen füllten. Die Kreuzfahrer waren dort in Reih und Glied versammelt und zogen von da, Kreuz und Fahne und Priester im festlichen Ornat an der Spitze, zu der Bergkapelle, um dort vor dem wundertätigen Bild der göttlichen Gnadenmutter, der „Hilfe der Christen“, sich den Segen des Himmels für das große Unternehmen zu erbitten.

 

Nach Beendigung der heiligen Messe sprengten die Priester das geweihte Wasser über alle. Alle empfingen den Leib des Herrn und Peter trat auf die Stufen des Altars und mahnte nochmals zum treuen Ausharren in dem frommen Werk. Dann erscholl der Jubelruf: „Gott will es!“ und mit wehenden Fahnen und klingendem Spiel zog das Heer dahin, gefolgt von den Tränen und Segenswünschen der zurückbleibenden Angehörigen, besonders der Frauen.

 

Glücklich kamen die von Huy im heiligen Land an. Nur wenige von ihnen waren den Mühen der Reise erlegen. Spürbar waltete auch der Beistand des Himmels mit ihnen, denn wo sie im Kampf erschienen, da flohen die Ungläubigen, wie von unsichtbarer Macht bezwungen, und mehr denn einmal sprach ihr braver Anführer: „So die heilige Jungfrau Maria und Gottes Engel nicht mit uns streiten, dann begreife ich es nicht.“

 

Als der Sieg errungen und Jerusalem frei war, da erwarb auch keiner so hohen Dank und trug keiner mehr Siegeszeichen von Jerusalem mit sich, als die von Huy. Heilige und fröhliche Lieder erschollen abwechselnd auf ihrer Meerfahrt und auf ihrem Zug durch die deutschen Lande, und überall wurde ihnen herzlicher Willkomm und feierlicher Empfang beschert.

 

Herzlicher und feierlicher waren aber das Willkommen und der Empfang nirgend, als in der lieben Vaterstadt. Auf eine Stunde Weges waren die ihrigen ihnen entgegengeeilt und es standen die Priester und Mönche bereit, sie einzuholen. Eichenzweige zierten jeden Helm und Eichenlaub umschloss jeden Speer. So zogen sie in Huy ein, doch nicht, um da alsbald der Freude sich hinzugeben, ihr Zug durchkreuzte nur die Stadt und bald wehten ihre Fahnen der Kapelle entgegen, um da vor allem der heiligen Muttergottes Dank zu sagen für ihren Beistand, und um als Zeichen dieses Dankes und als Anerkennung, dass nur ihrer Fürbitte der Schutz zuzuschreiben sei, alle Trophäen, die sie gewonnen hatten, an ihrem Gnadenbild aufzuhängen. Erst als dies geschehen war und der Priester mit der Monstranz das Zeichen des Kreuzes gebildet, während Schellenklang ertönte und Weihrauchwolken aufwallten und somit alle gesegnet hatte, überließ sich jeder der Freude und die Feste und Spiele dauerten viele Wochen lang.

 

Noch prangen diese Siegeszeichen dort und gerne zeigt sie der freundliche Geistliche, der des Kirchleins wartet und gleich neben ihm wohnt. Auch die goldenen Himmelsschlüssel und manch andere hübsche Gabe bewahrt er und zeigt er gerne. Die Sage aber von den Kreuzfahrern weiß in Huy auch das kleinste Kind.

 

(Aus: Die Sagen Belgiens von Maria von Plönnies)

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3. Das Bild "Maria de Victoria"

 

Als im Jahre Christi 1620 Friedrich V., Pfalzgraf und Churfürst, wider den Kaiser rebelliert, sich zum König von Böhmen aufgeworfen, zu Prag die Huldigung angenommen und schier ganz Böhmen zum kalvinischen Glauben gebracht hatte, so gar, dass diejenigen, die zuvor gut katholisch gewesen waren, verführt wurden, dass sie die Kirchen entweihten, die Altäre umrissen und die Bilder der Heiligen auf vielerlei Weise verunehrten: da ward der römische Kaiser Ferdinand II. genötigt, sich wider diesen seinen Feind zu setzen, und die böhmische Krone, die ihm rechtmäßig gebührte, dem Pfalzgrafen zu entreißen. Deshalb versammelte er ein ziemliches Kriegsheer, verlangte von den katholischen Reichsfürsten Hilfe und setzte den Herzog in Bayern, der damals noch nicht Churfürst war, zum Generalissimus über die kaiserliche und Reichsarmee. Dieser Bayernfürst nahm den gottseligen Pater Dominikus von Jesu Maria, aus dem Orden der Discalceaten, mit sich, der zur selben Zeit mit vielen Wunderzeichen leuchtete und von allen für einen heiligen Mann gehalten wurde.

 

Mit diesem frommen Pater und den beiden Armeen zog der Herzog nach Böhmen, die Stadt Prag zu belagern und den unrechten König daraus zu vertreiben. Als er nun eine Stadt nach der anderen, und endlich unweit von Prag in dem Schloss Starkonitz das Hauptquartier hatte, wurde der fromme Pater Dominikus durch den Geist innerlich angetrieben, in das Schloss zu gehen und es zu besichtigen. Nach Besichtigung unterschiedlicher Zimmer kam er in eines der unteren Gewölbe und fand allda einen Haufen allerlei zerbrochener und zertrümmerter Bilder und unter diesen eine Tafel, anderthalb Schuhe hoch und einen Schuh breit, ohne Rahmen und voll Staub und Kot.

 

Diese gemalte Tafel säuberte der gute Pater mit großem Fleiß und Andacht. Und als er sie rein ausgeputzt hatte, sah er ein schönes, anmutiges und freundliches Bildnis der heiligen Mutter Gottes, die mit gefalteten Händen und geneigtem Haupt vor dem Christuskindlein, das nackt vor ihr auf der Erde lag, demütig kniete und sich freundlich zu ihm neigte. Sankt Joseph stand hinter der Mutter Gottes mit einem Stock in der rechten, und einer Laterne in der linken Hand. Auf der linken Seite der Mutter Gottes, nahe bei dem Christuskindlein, standen zwei Hirten, die das Kindlein zu besuchen gekommen waren, und einer von ihnen zeigte mit einem Finger auf das liebe Kindlein. Als indessen der fromme Pater dieses liebliche, mit schönen Farben gemalte Bild andächtig beschaute, wurde er gewahr, dass der lieben Mutter Gottes und dem heiligen Joseph, wie auch den beiden Hirten, die Augen ausgestochen waren: das Kindlein aber, so seine Äuglein noch hatte, seine blinde Mutter ganz beweglich ansah. Welches erbärmliche Schauspiel dem gottseligen Pater so tief zu Herzen ging, dass er aus großem Mitleid bitterlich zu weinen anfing und die liebe Mutter Gottes ohne Unterlass auf ihre ausgestochenen Augen küsste, sprechend: „Ach du liebe Mutter Gottes, wer hat dir doch deine freundlichen Augen ausgestochen. Welches tyrannische Herz hat dich also mögen erblinden lassen! Nun kann ich ja vor diesem, deinem lieben Bild nicht sprechen: Eja unsere Fürsprecherin, kehre deine barmherzigen Augen zu uns, denn eine neidische Hand hat sie dir aus lauter Bosheit ausgestochen!“

 

Während der gute Pater das verunehrte Bild auf diese Weise mit seinen Tränen benetzte, wurde ihm vom Engel des Herrn geoffenbart: dass diese ungeheuerliche Verstümmelung der heiligen Mutter Gottes und Sankt Josephs durch kalvinische und gotteslästerische Hand mit einem Dolch wütend und tobend geschehen sei. Kein Dolch hätte dem mitleidigen Pater Dominikus tiefer können ins Herz gehen, als ihm diese himmlische Offenbarung ins Herz ging. Denn hierdurch wurde er zu solchem Mitleid bewegt, dass er mit vielen Seufzern und Tränen zu Gott schrie und seiner höchsten Majestät die ungeheuerliche Verstümmelung, so seinen allerehrwürdigsten Eltern, ja ihm selbst in diesem Bildnis geschehen war, inniglich beklagte. Er bat Gott auch inständig, er möge sich würdigen, seine und seiner Mutter Feinde zu Schanden zu machen und zu deren größeren Schmach seiner gebenedeiten Mutter Ehre in diesem Bild zu erhöhen und auszubreiten. Er tat auch ein ernstes Gelübde: „dass er, so viel an ihm wäre, diesem lieben Bild, wie auch der Mutter Gottes, die darin so gröblich verunehrt worden war, alle mögliche Ehre antun und sich bemühen wolle, dass es von anderen verehrt werden möge.“

 

Gleich nach getanem Gelübde offenbarte ihm der allmächtige Gott, dass die katholische Armee die ketzerische schlagen, und die Schmach, so die Kalvinisten diesem Bild angetan hatten, wieder rächen würde. Ja, er wurde versichert: „dass dieses Bild vor der ganzen Welt zu großem Ansehen kommen, mit vielen Zeichen und Mirakeln leuchten, und der höchste Gott, samt seiner werten Mutter auf vortreffliche Weise würde verehrt werden.“ Deswegen gab er seinem Begleiter dasselbe Bild zu tragen und sprach: „Pater, traget dieses Bild mit Ehrerbietung, denn ich weiß, dass es von der ganzen Welt wird verehrt werden, und der allmächtige Gott viele und große Wunderzeichen dadurch wirken werde.“

 

Hierauf ging er mit seinen Genossen zum Herzog von Bayern, wie dann auch zu allen Generalen und Offizieren, zeigte ihnen das liebe Bildnis, erklärte ihnen mit weinenden Augen, was für eine große Verstümmelung die Kalvinisten ihm angetan hätten, und bat sie durch die Liebe Jesu, Mariä und Josephs: sie möchten diese, der Mutter Gottes zugefügte Schmach rächen, und wider die gotteslästerischen Kalvinisten mit großem Mut streiten, indem er sie der Hoffnung versicherte: das liebe Christuskindlein und seine gebenedeiteste Mutter und der heilige Joseph würden ihnen beistehen, und hingegen den Kalvinisten ihre Augen verblenden. Danach wickelte er das heilige Bild in einen seidenen Überzug und trug es allezeit mit größter Ehrfurcht bei sich.

 

Als nun die Schlacht beginnen und jeder Offizier aus dem Kriegsrat zu seiner Stelle gehen sollte, gab Pater Dominikus allen und jedem das liebe Marienbild zum Küssen und vertröstete sie durch den Beistand Jesu und Mariä des Sieges. Eine halbe Stunde lang fochten beide Armeen stark miteinander, und konnte noch niemand wissen, wohin der Sieg sich lenken würde. Aber bald danach setzten die Kalvinisten so heftig auf den rechten Flügel der Kaiserlichen, dass sie diese ganz zertrennten und schon „Victoria!“ riefen. Da ritt der bayerische Fürst zu Pater Dominikus, der auf einem Berglein, wie ein anderer Mose, mit ausgespannten Armen betete, und schrie ihm mit weinenden Augen zu: „O, mein lieber Pater, wie geht es so schlecht her! Unsere Kämpfer verlieren, und fangen an zu fliehen; die Feinde aber gewinnen und rufen schon Victoria!“ Der Pater erwiderte: „Es ist nicht möglich, dass wir verlieren; denn der Gott der Heerscharen ist mit uns!“ Begehrte darauf ein Pferd, nahm in seine rechte Hand ein Cruzifix, hing sein liebes Marienbild an den Hals, ritt also bewaffnet mit dem Herzog in das Lager, flog durch alle Regimenter wie ein Blitz und ermahnte alle Soldaten zum eifrigen Kämpfen.

 

Indessen Dominikus also focht, sahen sowohl die Feinde als auch unsere Kämpfer, etliche himmlische, gewaffnete Männer vor ihm stehen, die mit aller Macht in die Feinde setzten und mit zweischneidigen Schwertern unter sie hieben. Man sah und hörte auch deutlich, dass sowohl aus dem Cruzifix, wie auch aus dem Marienbild, helle Blitze und Strahlen ausgingen und feurige Kugeln, gleichwie aus zwei Rohren, hervorgeschossen und unter dem Feind gewaltigen Schaden taten. Wegen diesem großen Wunderzeichen erschraken sich die Feinde dermaßen, dass sie zitternd und bebend davon flohen und alles, was sie hatten, im Stich ließen. Also erwarben unsere Kämpfer einen solchen herrlichen Sieg, daran der katholischen Kirche und dem römischen Reich unsäglich viel gelegen war.

 

Durch dieses große Wunder entstand nicht allein beim Pater Dominikus, sondern auch bei den Offizieren und Soldaten eine solche Ehrerbietung und Andacht zu diesem Marienbild, dass sie es mit großer Liebe und Andacht küssten und ihm den Namen „Sancta Maria de Victoria“ gaben.

 

Der Bayernfürst erkannte ebenfalls die Große Gnade, so ihm durch dieses heilige Bild widerfahren war; darum ließ er es hernach herrlich einfassen und zieren; der römische Kaiser ließ ihm eine überaus köstliche Krone machen und sie gar kunstreich über das heilige Bild anheften. Es wurde auch sowohl zu München als zu Wien von allen und jedem mit großer Ehrerbietung empfangen und mit sonderlicher Andacht verehrt. Ihre kaiserliche Majestät und der Fürst in Bayern schöpften solche Andacht und solches Vertrauen zu dem wundertätigen Bild, dass sie hernach in allen ihren gefährlichen Kriegen zu diesem heiligen Bild sich verlobten und die Hilfe der Mutter Gottes inständig anriefen.

 

(Aus: Die Mariensagen in Österreich von J. P. Kaltenbäck)

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4. Glorreiche Siege über die Ungläubigen

 

Der heilige Ferdinand III., König von Kastilien und Leon, ein gottesfürchtiger Mann und treu ergeben der glorreichen Himmelskönigin Maria, auf die er in allen Lagen seines Lebens ein unwandelhaftes Vertrauen setzte, vermied sorgfältig alle Anlässe zu Kriegen mit den Königen von Portugal, Aragonien, wie auch mit Eleonora, Königin von England, der er den Besitz von Gascogne hätte streitig machen können. Sobald seine Rechte zweifelhaft schienen, wollte er sie nicht zur Geltung bringen; er gab sogar mehrere Plätze zurück, aus Furcht, die Ursache zu einem Zwist zu werden. Sein ganzes Verlangen war dagegen, das Schwert nur gegen die Ungläubigen zu ziehen.

 

Der heilige König stiftete auch verschiedene Bistümer; und nebst mehreren Kathedralkirchen, die er bauen, oder prachtvoll herstellen ließ, spendete er noch Geld zum Bau vieler Kirchen, Klöster und Spitäler. Dieser häufigen Ausgaben ungeachtet, belastete er doch seine Untertanen nicht mit besonderen Abgaben. In den Kriegen, die er mit den Mauren führte, schlug ihm einer jener Politiker, die das Elend des Volkes für nichts ansehen, ein Mittel vor, außergewöhnliche Unterstützungsgelder zu heben. „Gott behüte“, entgegnete der Fürst mit Unwillen, „dass ich jemals deinen Vorschlag annehme! Die göttliche Vorsehung wird mir auf allen Wegen beizustehen wissen! Ich fürchte mehr die Verwünschung eines armen Volkes, als eine ganze Armee von Mauren!“

 

Nach der Eroberung des ganzen Königreichs Baeza, das er Aben Mahomet, einem Fürsten aus dem Stamm der Miramolinen Afrikas, entrissen hatte, errichtete Ferdinand einen Bischofssitz in der Hauptstadt. Dass er bei diesem Krieg aus reinster Absicht gehandelt hatte, lässt sich nicht bezweifeln. „Herr“, sagte er, „der du die Herzen durchforschst, du weißt, dass ich deine und nicht meine Ehre suche! Ich will nicht mir vergängliche Ehre erwerben, sondern die Kenntnis deines Namens ausbreiten!“

 

Ferdinand suchte seinen Soldaten die Gesinnungen einer zärtlichen Frömmigkeit einzuflößen und gab selbst ihnen das Beispiel aller Tugenden. Die kirchliche Fasten hielt er genau und trug ein Buß-Kleid, in der Gestalt eines Kreuzes. Oft brachte er die Nacht im Gebet zu und empfahl sich dem Schutz Marias; und nur Gott und den Fürbitten der Gebenedeiten des Herrn verdankte er sein ganzes Waffenglück. Seinem Heer ließ er allezeit ein Bild der allerseligsten Jungfrau voraustragen, um durch dessen Anblick das festeste Vertrauen auf die heilige Gottesgebärerin in den Herzen seiner Soldaten zu erwecken. Neben diesem Bildnis, das er der Verehrung der Gläubigen öffentlich aussetzen ließ, trug er noch ein kleines Marienbild auf seiner Brust, und hing es, wenn es in die Schlacht ging, an den Sattelbogen.

 

Die den Ungläubigen abgenommenen Länder verwandte er zur Erbauung der prachtvollen Kathedralkirche zu Toledo, zu der er 1227 den ersten Stein legte.*) Mehrere Städte, die er von den Mauren eroberte, schenkte er den Rittern von Calatrava, anderen Ritterorden und dem Erzbistum von Toledo, allein unter der Bedingung, dass sie diese gegen die Muhamedaner verteidigen mussten.

 

Während später Jakob von Aragonien den Mauren das Königreich Majorca entriss, vollendete Ferdinand die Eroberung der Reiche Baeza und Cordova. Diese letztere Stadt war seit fünfhundert Jahren in den Händen der Ungläubigen, und lange Zeit der Hauptsitz ihrer Herrschaft in Spanien. Ferdinand hielt seinen Einzug in dieselbe Stadt im Jahr 1236, am Tag der Apostel Petrus und Paulus. Die große Moschee wurde durch Johannes, Bischof von Osma, gereinigt, und in eine Kirche – unter Anrufung der allerseligsten Jungfrau Maria – umgewandelt. Der heilige König errichtete auch wieder den ehemaligen Bischofssitz. Die Glocken von Compostella, die Abderrhaman auf den Schultern der Christen hatte dahin tragen lassen, wurden auf Befehl Ferdinands auf den Schultern der Mauren wieder zurückgebracht.

 

Nach einer Belagerung von 16 Monaten ergab sich im Jahr 1249 am 23. November die Stadt Sevilla selbst. Die Mauren erhielten einen Monat Frist, um über ihre Güter zu verfügen. Dreimal hunderttausend zogen sich nach Xeres zurück, und hunderttausend schifften nach Afrika. Als Arataf, Statthalter der Ungläubigen, zu Sevilla auf eine Anhöhe gekommen war, von wo aus man auf der einen Seite das Meer und auf der anderen Seite die Stadt sieht, wandte er seine Augen zur Stadt hin und sagte weinend: „Nur ein Heiliger konnte mit so wenig Mannschaft eine so feste und glorreiche Stadt erobern! Es kann nur durch Zutun des Himmels geschehen sein, dass sie den Mauren entrissen worden ist!“

 

Der heilige König verordnete feierliche Dankgebete zum Lob Gottes und Marias, und flehte aufs Neue um den Schutz der allerseligsten Jungfrau vor ihrem berühmten Bild, das man bis zur Stunde noch zu Sevilla sieht. Er ließ die Kathedralkirche zu Sevilla mit einer solchen Pracht wieder aufbauen, dass sie, mit Ausnahme jener zu Toledo, keinem Gotteshaus in der Christenheit nachsteht. Sehr reich ist darin die der heiligen Gottesgebärerin, die mit ihrem mächtigen Beistand den Christen zu so vielen Siegen über die Ungläubigen verhalf, geweihte Kapelle. Sie befindet sich an der Südseite der Kathedrale und wird "Maria la antigua“ genannt. Hier wird ein uraltes, wundertätiges Madonnenbild verehrt, auf Goldgrund gemalt. Der Altar besitzt ein silbernes Antipendium und ein Cancell aus gediegenem Silber, und in der Kapelle brennen heute noch vor dem Bild Marias, der Siegreichen, 48 silberne Lampen, deren Anzahl früher 72 gewesen war.

 

Endlich fiel der fromme Fürst, der Held Marias und ihr Sieger, indem er sich zu einem neuen Feldzug gegen die Mauren rüstete, in eine Krankheit, an der er auch starb. Als er fühlte, dass sein Lebensende herannahe, legte er eine Beicht von seinem ganzen Leben ab, und begehrte die heilige Wegzehrung, die ihm auch vom Bischof von Segovia, unter Begleitung der Geistlichkeit und des ganzen Hofes, gebracht wurde. Als er das allerheiligste Sakrament erblickte, verließ er das Bett und kniete sich vor ihm nieder. Er hatte einen Strick um den Hals, und hielt ein Kruzifix in seinen Händen, das er küsste und mit Tränen benetzte. In dieser Stellung klagte er sich laut über seine Sünden an, die jedoch wohl nichts anderes, als jene kleinen Fehler gewesen waren, von denen selbst die Gerechten nicht frei sind. Danach erweckte er eine Übung des Glaubens und empfing mit den Gefühlen der zärtlichsten Andacht die heilige Wegzehrung. Ehe er starb, ließ er noch seine Kinder vor sich rufen, um ihnen seinen Segen zu geben und sie zum kindlichsten Vertrauen auf die Fürbitten Marias zu ermutigen. Während er in den letzten Zügen lag, ließ er die Litaneien und das Te Deum, als Danksagung für die durch Maria errungenen zahlreichen Siege über die Ungläubigen von der Geistlichkeit beten. Kaum waren diese Andachtsübungen vollendet, als er im Frieden Jesu und Marias, denen er ja stets seine Seele empfohlen hatte, am 30. Mai 1253 sanft entschlief. Er befand sich im dreiundfünfzigsten Jahr seines Lebens und dem fünfunddreißigsten seiner Regierung.

 

Man beerdigte den berühmten Kämpfer für die katholische Kirche in der Kathedrale zu Sevilla, und zwar vor dem Bildnis der allerseligsten Jungfrau Maria, dem er treu im Leben gewesen war und dem er auch im Tod treu sein wollte. Noch wird dort sein Leichnam in einem prachtvollen silbernen Sarg aufbewahrt.

 

Gott hat Ferdinand III. durch mehrere Wunder verherrlicht. Papst Clemens X. nahm ihn im Jahr 1671 unter die Zahl der Heiligen auf.

 

*) Dr. Franz Lorinser schreibt in seinen "Reiseskizzen aus Spanien" folgendes:

 

"Die Kathedrale von Toledo besitzt nicht nur dem Recht nach den Primat von Spanien. Sie behauptet ihn auch in materieller Hinsicht durch ihre Größe und Schönheit. Es ist die prächtigste gotische Kirche, die ich je gesehen habe; und obwohl ihr Äußeres dem des Kölner Domes nachsteht und ihr Gewölbe minder hoch ist, dürfte sie ihm doch an Umfang gleichkommen, wo nicht ihn übertreffen, und gegen den Reichtum ihres Schmuckes muss er weit zurückstehen. Die fünf mächtigen Schiffe, von denen das mittlere eine Höhe von 170 Fuß hat, und deren Gewölbe von herrlichen Säulenbündeln getragen wird, machen einen herrlichen Eindruck.

 

Neben der prachtvollen Sakristei liegt die große und berühmte Muttergottes-Kapelle de la Virgen del Sagrario. Hier befindet sich die uralte, hölzerne, mit Silber bedeckte Statue der Muttergottes mit dem Jesuskind, das "christliche Palladium Toledos", deren Ursprung bis auf den Bischof Eugenius zurückgeführt wird, die bei der Einnahme der Stadt durch die Mauren an dem Ort, wo diese Kapelle jetzt steht, von Godmann, dem damaligen Alcalden der Stadt, in einem Brunnen verborgen, und bei der Wiedereroberung durch König Alphons in wunderbarer Weise wieder aufgefunden wurde, und die dem Dichter Calderon den Stoff zu einem seiner schönsten Dramen: "La Virgen del Sagrario", gegeben hatte. Die gegenwärtige Kapelle ist unter Philipp II. erbaut worden und zeichnet sich aus durch Reichtum und Pracht. Die Jungfrau Maria sitzt auf einem prächtigen, mit Silber und Edelsteinen geschmückten Thron, und war gerade mit ihrem Festschmuck (einer Krone von Diamanten und einem reichgestickten Mantel), den die Revolution nicht anzutasten gewagt hat, bedeckt (es war in der Oktave von Mariä Himmelfahrt); und so oft ich die Kathedrale betreten habe, war die Kapelle voll von andächtigen Betern, und wurde am Altar der Gebenedeiten des Herrn ein Hochamt nach dem anderen gesungen."

 

(Aus: Leben der Heiligen von Alban Butler)

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5. Bewährte Treue im katholischen Glauben

 

Die Szekler von Csik-Somlyo in Siebenbürgen sind unter allen Verhältnissen und Stürmen dem alten katholischen Glauben treu geblieben.

 

Der König Johann Sigismund Zapolya der Jüngere, als er von diesem wahren Glauben durch den ketzerischen Unterricht des Georg Blandrata sich ablöste, ist dahin verleitet worden, dass vor ihm niemand Ehre fand, der sich nicht als ein Verleugner der allerheiligsten Dreifaltigkeit auswies. Er gab sogar gegen Ende des Monats November 1566 eine Verordnung: „dass alle Bewohner Siebenbürgens von Georg Blandrata abhängen und den von ihm erwählten Lehren anhängen müssten, jene aber, die diese verletzen würden, gleich Ungläubigen bestraft werden sollten.“

 

Nach dieser Verordnung wollten sich die Szekler von Csik-Somlyo nicht richten. Der König versuchte zuerst mit Versprechungen, dann mit Drohungen den Gehorsam zu erzwingen; aber alles war vergebens. Darüber erbost, schickte er im folgenden Jahr eine zahlreiche Abteilung seiner Bewaffneten mit dem Befehl aus: „die widersetzlichen Szekler von ihrem alten Glauben mit Gewalt abzuwenden.“

 

Damals aber lebte ein eifriger und gottesfürchtiger Seelsorger zu Absalu, namens Stephan. Dieser munterte das ohnehin beherzte Volk noch mehr zum treuen Beharren auf, und die guten Stände zeigten sich eines Sinnes mit ihm entschlossen: Hab und Gut, ja das Leben selbst für die Verteidigung des altehrwürdigen und doch ewig neuen katholischen Glaubens aufzuopfern, und lieber den Tod zu leiden als von dem Bekenntnis der wahren Kirche Jesu Christi abzulassen. Sie besprachen sich darüber und beschlossen: dass in dieser allergrößten Gefahr das ganze Volk aufstehen, Jung und Alt ihre Häuser und Besitzungen verlassen und im Kloster der Franziskaner sich – vor der Statue der heiligen Muttergottes versammeln möge; hier wollen sie mit vereinten Herzen zu Gott beten, dass er sie, ob der Verdienste der Mutter Jesu, in dieser allerschwersten Not nicht verlasse.

 

Dies geschah denn auch.

 

Indessen erscholl der Ruf, die königlichen Truppen seien von der Seite des Udvarhelyer her im Anrücken begriffen. Nun sonderten sich diejenigen ab, die waffenfähig waren, und stellten sich auf dem dortigen ausgebreiteten Feld in Ordnung auf; den Frauen jedoch, den Greisen und Kindern befahlen sie: solange sich nicht von der Marien-Statue in der Franziskanerkirche zu entfernen, solange sie abwesend wären. Inzwischen sollten sie dort Maria um ihre hilfreiche Fürbitte bei Gott anrufen, und zwar ohne Unterlass, damit ihnen der Herr des Himmels und der Erde seinen väterlichen Beistand nicht versage. Hierauf begannen die Frauen und Mädchen, die Greise und Kinder aus allen Kräften aufs Neue zu beten. Die bewaffnete Schar der Männer aber rückte gleichfalls betend der Streitmacht des Königs entgegen. Zwischen Csik und Udvarhely liegt ein großer Wald, dort kam es zum Treffen. Gott und Maria verließen die gerechte Sache nicht. Die Csiker behaupteten unter dem Kampfesruf: „Maria siegt!“ die Oberhand. Der rechte Flügel des königlichen Heeres wurde geschlagen, die übrigen retteten sich durch die schleunigste Flucht.

 

Hierauf kehrten die Csiker zurück, und als sie sich dem Kloster näherten, eilte ihnen die daheimgebliebene Menge entgegen, und eine unbeschreibliche Freude bemächtigte sich aller. Sie strömten zur Kirche und dankten vor dem Bildnis der allerseligsten Jungfrau Gott dem Herrn, dass er sie durch den Segen der Fürsprache Marias von den Verfolgern ihres Glaubens befreit habe.

 

Dies geschah im Jahr 1567 am Sonnabend vor Pfingsten. Daher kommen noch alljährlich zu Pfingsten Tausende von Wallfahrern nach Csik-Somlyo, selbst fernher aus Ungarn und der Moldau.

 

(Aus: Österreichische Zeitschrift für Geschichts- und Staatenkunde)

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6. Die Gründung der Stadt Waitzen

 

Geisa und Ladislaus, die Söhne des unglücklichen Bela, Königs von Ungarn, der sich im dritten Jahr seiner Regierung bei einem Gericht in der königlichen Villa Dömös zu Tode gestürzt hatte, ritten (so erzählt die Legende) einst vor der Schlacht von Mogyorod zusammen und besprachen sich über die Schlacht. Plötzlich rief Ladislaus: „Sahst du nichts?“ Geisa antwortete: „Ich habe nichts gesehen!“ Ladislaus aber sagte: „Während wir unter uns redeten, stieg ein Engel vom Himmel; er hielt eine goldene Krone in den Händen und drückte sie dir auf das Haupt; daher bin ich gewiss, dass wir siegen! Soliman wird aus dem Reich fliehen, und Reich und Krone wird der Herr dir übergeben!“ Geisa erwiderte: „Wenn Gott durch die milde Fürsprache Marias mit uns ist und uns vor den Feinden schützt und dein Gesicht in Erfüllung geht, dann erbaue ich auf diesem Platz eine Kirche zu Ehren der heiligen Muttergottes!“

 

Als der Sieg nun wirklich errungen war, zog Geisa mit Ladislaus und mehreren Kriegern hin zu jener Stätte, wo Ladislaus die Erscheinung gehabt hatte und plante über den Bau der Kirche. Da erschien plötzlich ein Hirsch mit brennenden Geweihen und lief waldeinwärts, dort aber, wo jetzt die Stadt Waitzen sich erhebt, hemmte er seinen Lauf. Einige Krieger schossen Pfeile auf ihn ab, der Hirsch sprang jedoch in die Donau und verschwand. Geisa baute nun sofort, da, wo der Hirsch verschwunden war, die Kirche zum Preise der allerseligsten Jungfrau Maria vom Sieg, stiftete einen Bischofssitz und gründete eine Stadt. „Waitzen“ aber nannte er sie, weil in der ganzen Gegend niemand lebte, als ein einziger Eremit, der den Namen „Waitzen“ trug.

 

(Auch an der Stelle, wo Ladislaus die Engel-Erscheinung geschaut hatte, baute Geisa eine Kapelle und widmete sie dem Apostelfürsten Petrus.)

 

Noch in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts sah man Ruinen der von Geisa erbauten Kathedrale; die jetzige prachtvolle Domkirche ist ausgeführt von dem Bischof Migazzi, der nachher Kardinal und Erzbischof von Wien gewesen ist.

 

(Aus: Geschichte der Ungarn von Feßler)

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7. Ein großer Marienverehrer

 

Graf Tilly, der Feldherr des Dreißigjährigen Krieges

 

Von P. M. Dietz SJ

 

Tilly, der berühmte Feldherr des Dreißigjährigen Krieges, wurde vor ungefähr 470 Jahren, 1559, zu Tilly in der Nähe von Brüssel geboren. Sein Vater war Hofbeamter der Grafschaft Namur und Besitzer der Güter Balstre und Montigny an der Sambre. Seine Mutter war eine Ostpreußin, Dorothea von Schierstädt, deren Familie das Gut Heselecht bei Neidenburg besaß. Aller Wahrscheinlichkeit nach war sie eine Protestantin, die am Hof der Statthalterin der Niederlande, Maria, katholisch wurde. Infolge Beteiligung seines Vaters an der Abwehrbewegung des niederländischen Adels gegen die Vergewaltigung seiner Rechte durch die spanische Krone wurde der Vater verbannt und all seiner Güter beraubt. Er flüchtete nach Lüttich, wo Johann und sein älterer Bruder Jakob die Jesuitenschule besuchten. Später kamen sie nach Köln. Hier besuchten sie das Jesuitengymnasium.

 

Die Jesuiten waren 1544 nach Köln gekommen, das damals 60.000 Einwohner hatte. Es wurde das nordische Rom genannt und führte den Ehrentitel "Allzeit treue Tochter Roms". Trotz aller Gefahren blieb die Stadt katholisch. Sie war eine Marienstadt. Der Rat der Stadt hatte die löbliche Gewohnheit, sich jede Woche dreimal in seiner Kapelle vor dem Bild "U. L. Frauen von Jerusalem" zu versammeln, um Gottes Hilfe durch die Fürbitte seiner heiligen Mutter zu erflehen. Köln hieß "das heilige Köln, der Seligsten Jungfrau treue Tochter".

 

Hervorragende Männer wirkten in Köln durch ihre Persönlichkeit auf jung und alt. Der selige Peter Faber, der große Schutzengelverehrer; Petrus Canisius, der zweite Apostel Deutschlands; der berühmte Kongregationspräses Coster verliehen der Stadt ein besonderes Gepräge. Köln hatte im Dreißigjährigen Krieg neun Kongregationen - fünf lateinische und vier deutsche. Die fünf lateinischen umfassten den Klerus, die Studenten um die Schüler des Gymnasiums. Die deutschen waren für die Bürger, ledigen Handwerker, Handelslehrlinge und Soldaten.

 

Hier begann auch das Herz des jungen Tilly für Maria, die himmlische Königin und Herrin, zu schlagen. Er wurde ein eifriger Sodale und ist es zeitlebens geblieben. In der Marianischen Kongregation hat er den Grund gelegt zu einem gefestigten und in strenger Religion verankerten Charakter. Hier lernte er die Hochachtung vor edler Frauenwürde, die er in den wilden Kriegszeiten nie verletzt hat. Und hier lernte er die Selbstbeherrschung, die ihn als Mann auszeichnete und die ihn nie verließ, auch nicht in den Stunden der Prüfung und Versuchung.

 

Bald begann für Tilly das Leben der soldatischen Ruhelosigkeit mit seinen Erfolgen und Misserfolgen, mit seinen Sorgen und nie endenden Kämpfen, bis er Ruhe fand zu Füßen seiner himmlischen Mutter im deutschen Loreto, Altötting. Mit siebzehn Jahren treffen wir ihn als Freiwilligen. Sieben Jahre musste er sich, da ihm hohe Gönner fehlten, durch eigenen Fleiß und ausdauernde Pflichttreue zum untersten Offiziersrang emporarbeiten.

 

Als Offizier trat er dann 1583 in den Dienst des Erzbischofs von Köln, Ernst von Bayern, der an Stelle des zum Kalvinismus abgefallenen Kölner Erzbischofs Gebhard von Truchseß gewählt worden war. Nach Beendigung des Kölner Krieges kam Tilly in spanische Dienste. 1585 stand er unter dem Oberbefehl des großen Feldherrn Alexander Farnese von Parma vor Antwerpen. Dieser machte einen großen Eindruck auf den jungen Offizier. Durch seine strenge, aber gerechte Behandlung der Soldaten, sein persönliches Beispiel, seine hohe Anforderung an die Truppen und die Sorge für die pünktliche Soldauszahlung wurde er zum Lehrer Tillys. 

 

Im Hugenottenkrieg gegen Heinrich von Navarra kämpft Tilly als Kürassierrittmeister in den Schlachten von Argues und Ivry-la-Bataille so tapfer, dass der protestantische Gegner ihn mit glänzenden Angeboten auf seine Seite ziehen will. Das lehnte Tilly ab. Der Ruf des deutschen Kaisers lockt den mutigen Offizier zum Kampf gegen die Türken nach Ungarn. Er trennt sich dadurch von seinem Bruder Jakob, mit dem er bisher alle Gefahren geteilt hatte und an dem er sein ganzes Leben in treuer Bruderliebe hing. Familiensinn zeichnete Tilly aus. Seine Angehörigen hat er geliebt und immer unterstützt, wenn sie in Not gerieten.

 

1594 trat Tilly seinen neuen Dienst an. Zuerst war er Adjutant des Oberkommandierenden auf dem Kriegsschauplatz in Ungarn. Als Oberstleutnant beteiligte er sich mit großer Auszeichnung an den Schlachten von Mezö-Keresztes und Stuhlweißenburg. Kaiser Rudolf II. ernennt ihn zum Obristen, und an der Spitze seines Regimentes erzielt er bei Ofen große Erfolge. 1602 wird er Feldzeugmeister und drei Jahre später Feldmarschall. Der schwache Kaiser aber konnte sich nicht gegen die niedrigen Schmeicheleien und Bestechungen seiner Umgebung durchsetzen, die dem ehrlichen und gewissenhaften Charakter eines Tilly zuwider waren. Tilly fühlte sich als Vorkämpfer der Christenheit im Osten. Sein hohes Pflichtgefühl verbot es ihm, nach niedrigen Beweggründen zu handeln. Darum gab er seinen Dienst auf und trat in das bayerische Heer ein, dessen oberster Kriegsherr der tatkräftige Sodale Herzog Maximilian I. war (1573-1651), ein treuer und eifriger Vorkämpfer des angestammten Glaubens. 1609 wurde Johann von Tilly mit einem Jahresgehalt von viertausend Gulden als bayerischer Generalleutnant in das Heer eingestellt. Sein Titel bedeutete damals mehr als Feldmarschall. Herzog Maximilian brauchte diesen Vertrag niemals zu bereuen. Dreiundzwanzig Jahre diente ihm Tilly in hingebender Treue. Sein Wort über Tilly hat volle Berechtigung: "Tilly hat seinesgleichen nicht gehabt."

 

Am 27. Mai 1617 wurde die Katholische Liga gegründet, und Tilly trat an die Spitze ihres Heeres. Der dreiundzwanzigjährige Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz hatte sich gegen alles Recht von den aufständischen Böhmen zum König ausrufen lassen. In der Geschichte hat er den Namen "Winterkönig" erhalten, weil er nur einen Winter hindurch regierte. Am 8. November 1620, einem Sonntag, wurde das Heer des Winterkönigs durch Tillys Energie und Geistesgegenwart besiegt. Das Feldgeschrei an diesem Tag lautete "Sancta Maria". Als ein Teil der Soldaten infolge eines überraschenden Angriffs zu fliehen begann, stürzte sich Tilly mit gezücktem Degen mitten unter die Fliehenden und brachte wieder Ordnung in ihre Reihen. Als nach der Einnahme Prags die Soldaten zu plündern drohten, wurde es durch Tilly und Maximilian verhindert. Tilly sorgte auch dafür, dass die Soldaten vor der Schlacht die heiligen Sakramente empfingen.

 

1622 wurde Tilly vom Kaiser in den Grafenstand erhoben. Am 16. September desselben Jahres eroberte er Heidelberg, die Hauptstadt des Winterkönigs. Einer der Feldgeistlichen in Tillys Heer, P. Jakob Keller SJ, schrieb am 27. September nach Rom: "Am 20. August begann Tilly Heidelberg zu belagern, und am 16. September eroberte er es. Weder Sieger noch Belagerte hatten geglaubt, dass die Stadt schon an diesem Tag fallen würde. . . Die Unsrigen ließen am folgenden Tag, am Samstag, in der Hauptkirche das Zeichen zum Englischen Gruß geben und feierten dort die heilige Messe, in der P. Agricola vor dem General und den Soldaten predigte. Den Schluss bildete das Tedeum."

 

Am 26. August besiegte Tilly Christian von Braunschweig bei Stadtlohn vollständig. An 10.000 Mann des Feindes blieben auf dem Schlachtfeld. Durch Trompetensignal ließ Tilly dem Morden und der Verfolgung Einhalt gebieten.

 

Jetzt trat Christian IV. von Dänemark, von Frankreich aufgehetzt, in den Krieg ein, obwohl er durch den Besitz Schleswig-Holsteins deutscher Reichsfürst war. England, Holland und Frankreich zahlten ihm Unterstützungen. 1626 siegte Tilly über die Dänen bei Lutter am Barenberge. Die Früchte seines Sieges aber fielen dem neuernannten kaiserlichen Feldherrn Wallenstein zu, der die Dänen über Jütland hinaus ins Meer trieb und dann, um sich das vom Kaiser erhaltene Herzogtum Mecklenburg zu sichern, mit dem Dänenkönig Frieden schloss. 

 

In der Schlacht bei Lutter begannen die alten Regimenter Tillys durch den hartnäckigen Widerstand der Dänen zu weichen. Da warf sich Tilly den Fliehenden in den Weg und rief ihnen zu: "Wie, euren alten General wollt ihr Verlassen? Links um! Kehrt!" Und die Veteranen machten, beschämt durch diese Frage ihres "Vaters Jan", wie sie ihn nannten, kehrt und kämpften bis zum Sieg.

 

Auf dem Fürstentag zu Regensburg entließ der Kaiser Wallenstein wegen vieler Klagen. Tilly wurde als Einundsiebzigjähriger zum kaiserlichen Feldherrn ernannt. Jetzt befehligte er die gesamten Truppen des Deutschen Reiches. Das brachte dem greisen Soldaten ungeheure Verantwortung und Arbeit, war doch der Schwedenkönig Gustav Adolf 1630 mit der Eroberung Stettins in den Krieg eingetreten. Ihm schien der Augenblick günstig, die Vormachtstellung im Norden zu gewinnen. Politische Gründe waren in erster Linie für sein Eingreifen maßgebend.

 

Tilly aber wich nicht von seinem Grundsatz ab: "Treu dem Herrgott und dem Kaiser", und warf sich der Flut der Feinde entgegen. Am 17. September 1632 war die blutige Schlacht von Breitenfeld, in der Gustav Adolf siegte. Vorher hatte Tilly, in der Absicht, den Schweden zur Schlacht zu stellen, Magdeburg belagert. Aber Gustav Adolf gab die Stadt preis und rückte nicht heran. Eine ungenaue Geschichtsschreibung gibt Tilly die Schuld an dem Brand Magdeburgs. Das ist jedoch nicht der Fall. P. Wiltheim als kaiserlicher Feldgeistlicher schreibt darüber in seinem Tagebuch: "Nach der Feldmesse nahe vor Sudenberg eröffnete Tilly dem Grafen Mansfeld, dass er sich anders besonnen habe und den Sturm noch verschieben wolle. Nach dieser Eröffnung kann Tilly das Signal zum Sturm nicht gegeben haben. Pappenheim aber, der im Norden von Magdeburg stand und für die Bedingungen zum Sturm sehr günstig lagen, wartete das Signal nicht ab. Beim Frühstück gewahrte ich mit meinen Mitbrüdern über Magdeburg einen schweren Rauch aufsteigen, der immer stärker wurde. Es war kein Entrinnen mehr. Vom Abendhimmel hob sich dann erst recht die flammende Glut ab. Ich eilte in die brennende Stadt und hörte, wie Tilly den Brand beklagte. Er ließ sich von mir in den Dom führen, wohin sich Frauen und Kinder geflüchtet hatten. Tilly stellte eine Wache vor den Dom, um keinen Soldaten hereinzulassen." P. Wiltheim beklagt dann die Zügellosigkeit der Offiziere und Soldaten, die raubten, mordeten und schändeten. Er sagt, dass aus den Siegern Besiegte wurden und Gottes Strafe aus den späteren Niederlagen zu erkennen sei. Als die Flammen die schönen Kirchen Magdeburgs ergriffen und sie zusammenstürzten, weinten viele - auch Tilly.

 

Das Unglück warf den greisen Feldherrn nicht nieder, wie vorher das Glück ihn nie stolz und maßlos gemacht hatte. Seine Energie wurde durch den Entschluss des Kaisers gehemmt, Wallenstein wieder zu berufen. Für Tilly galt es jetzt, das Bayernland vor den Feinden zu schützen. Bei diesem Ringen traf ihn am Lech die Todeskugel. Schwer verletzt wurde er nach Ingolstadt gebracht. Dort starb er am 30. April 1632. Mit ihm schwand die edelste Heldengestalt des Dreißigjährigen Krieges.

 

Der Feldgeistliche P. Guenin SJ schreibt über Tilly beim Kampf um Bamberg, das er am 9. März 1632 einnahm: "Tilly hatte großen Mut und war sehr fromm. In der Nacht vor dem Kampf weilte er lange im Gebet und empfing die heiligen Sakramente. Bei dem entscheidenden Kampf an der Brücke war er allen voraus. Er stand mitten im Kugelregen und weigerte sich, seinen Platz zu verlassen. Ein tapferer Feldherr, pflegte Tilly zu sagen, müsse den Feind nicht nur angreifen, sondern dürfe sich auch durch keinen Widerstand abschrecken lassen." P. Guenin war auch dabei, als Tilly starb. Er schreibt: "Es standen viele Männer da von hohen Würden; viele mit Schwert und Helm. Männer, von denen man glauben konnte, sie wären aus Marmor, weinten aufrichtige Tränen."

 

Auf Wunsch Tillys musste ihm der Beichtvater im letzten Augenblick zurufen: "Die auf Gott hoffen, werden nicht zuschanden werden." Diese Worte waren sein Leitspruch im Leben gewesen. Tilly starb, wie er gelebt hatte: einfach, pflichtgetreu, tapfer. Herzog Maximilian I. schrieb an seinen Bruder, Herzog Albrecht: "Unser frommer, braver, alter Tilly ist nun auch an einem besseren Ort. Wir dürfen hoffen, dass er im Himmel ist, dahin unser Herr uns allen helfen möge." So schrieb ein Sodale über seinen treuen Mitsodalen.

 

Am Gnadenort Altötting, zu Füßen U. L. Frau, seiner himmlischen Mutter und Herrin, die er im Leben so geliebt und verehrt hatte, ruht er in Frieden. Diese Ruhestätte durfte er als treuer Sodale einnehmen, der im Leben das hohe Ideal der Marianischen Kongregation verkörpert hatte, "nie etwas zu tun, was die Augen Mariens und ihres Sohnes beleidigen könnte".

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