Mariä Vermählung

23. Januar
Gottes eingeborener Sohn sollte nach Gottes weiser Vorsehung nicht als das Kind einer alleinstehenden Jungfrau-Mutter diese Erde betreten. Das wäre auch, so wie die Dinge damals lagen, nahezu unmöglich gewesen. Nicht nur, dass der Verdacht sündiger Unehelichkeit vom Messias kaum hinwegzuwischen gewesen wäre. Nicht nur, dass dazumal eine alleinstehende Frau sich kaum in einer anständigen Form hätte durchs Leben schlagen können. Vor allem hätte dem Messias seine Ahnenreihe gefehlt, und er wäre nicht als der verheißene Sohn Davids angesehen worden. Denn das ging nach jüdischem Recht nur durch den Vater, gleichgültig, ob es ein natürlicher oder ein gesetzlicher war.
Deshalb musste Jesus wenigstens vor dem Gesetz einen irdischen Vater haben. Darum musste Maria vor dem Gesetz wahrhaft Ehefrau sein, wenn sie es auch nicht dem Fleische nach zu sein brauchte. Das ist die bedeutsame Rolle, die Gott dem heiligen Josef in seinen Heilsplänen zugedacht hatte. Es hatte demnach einen tiefen Sinn, wenn die christlichen Künstler so gerne die Vermählung Mariens mit dem heiligen Josef dargestellt haben und mancherorts dieser Heilstatsache in einem eigenen Fest gedacht wird (wurde).
Es entspricht nicht der Auffassung unserer heiligen Kirche, wenn man ob der Jungfräulichkeit dieser Ehe in ihr nur ein Schutz- und Trutzbündnis sehen wollte. Die Heilige Schrift bezeichnet vielmehr Maria ganz klar als eine Angetraute und spricht von ihrer Heimführung. Es war eine wahre eheliche Verbindung, und die heilige Jungfrau war dem heiligen Josef in ehelicher Liebe und Treue zugetan. Aber etwas Besonderes hatte diese Ehe außer ihrer jungfräulichen Durchführung noch aufzuweisen. Sie war einzig und allein von Gott angeordnet um Christi willen und hatte nur in Christus ihre Sinnerfüllung. „Damit jene heilige Frucht in ihr empfangen und erzogen werde“, so deutet der große Lehrer der Kirche, der heilige Thomas, diese eheliche Verbundenheit.
Durch diese Ehe hat jede Ehe unter Getauften eine übernatürliche Wesensbeziehung auf Christus. Christen, die die Ehe ansäen als ein bloß weltlich Ding, wären nicht vom echten christlichen Ehewillen erfüllt. In dieser Gestalt hätte der Herr sie niemals zur Würde eines Sakramentes erhoben. Darum spricht der heilige Paulus mit Recht von dem großen Geheimnis der Ehe; aber, so fügt er hinzu: in Christus. Jede christliche Ehe ist in erster Linie dafür da, dass Christus in ihr werde und zum Mannesalter heranreife. Und das in doppelter Weise. Einmal, damit durch sie der mystische Herrenleib, unsere Kirche, in den getauften Kindern christlicher Eltern neue Glieder gewinne, die nach dem Bild des Eingeborenen vom Vater gestaltet sind. Sodann, damit durch das zweieinige Leben, durch das gegenseitige Sichhelfen und Belehren in den Seelen der Eheleute selbst das Bild Christi immer reifer und reicher sich forme. Christliche Eheleute müssen daher recht oft auf den heiligen Ehebund zwischen Josef und Maria schauen.
Kirchengebet
Gott, Du wolltest die jungfräuliche Geburt Deines eingeborenen Sohnes durch die Vermählung seiner Mutter Maria mit dem gerechten Josef ehrbar erweisen, lass uns, wir bitten Dich, das Geheimnis einer so außerordentlichen Ehe auf Erden würdig verehren und der himmlischen Hochzeit teilhaftig werden. Amen.
Zur Geschichte des Festes: Den historischen Untergrund für dieses Fest bildet der Bericht im Evangelium. Dieser besagt, dass schon vor der Verkündigung durch den Erzengel Gabriel zwischen Maria und Josef eine Verbindung bestand, die später ausdrücklich gutgeheißen wurde, als der Engel den heiligen Josef über seine Stellung zu Maria und dem Kind, das sie empfangen hatte, unterrichtete.
Das eigentliche Fest „Mariä Vermählung“ geht zurück auf die persönliche innige Verehrung des heiligen Josef durch einen Kanonikus von Chartres in Frankreich. Dieser ließ durch den Kanzler Gerson zu dem Festgeheimnis „Vermählung Mariä mit dem heiligen Josef“ eigene Tagzeiten verfassen, die bald die kirchliche Gutheißung erhielten.
Von einem Apostolischen Legaten erwirkte dieser Kanonikus die Erlaubnis, das Fest Mariä Vermählung zunächst in Chartres feiern zu dürfen (Anfang des 15. Jahrhunderts). 1537 wurde diese Festfeier durch Paul III. dem Franziskanerorden gestattet. Seit dem 17. Jahrhundert fand das Fest eine immer weitere Verbreitung, bis dann Benedikt XIII. im Jahre 1725 die Feier in der ganzen Kirche gestattete. Seit der Kalenderreform im Jahr 1913/14 ist dieses Fest nicht mehr ein Allgemeinfest der ganzen Christenheit, sondern nur noch ein Eigenfest verschiedener Kirchen.
(Prof. Dr. Carl Feckes, "So feiert dich die Kirche", Maria im Kranz ihrer Feste, 1957, Steyler Verlagsbuchhandlung)
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Aus dem "Marianischen Festkalender", Regensburg, Verlag Georg Joseph Mauz, 1866:
Auch Maria sollte dem Gebot des Herrn nachkommen, das da lautet: "Lass die Töchter freien, doch so, dass sie unter dem Geschlecht des Stammes ihres Vaters freien, damit nicht die Erbteile der Kinder Israel fallen von einem Stamm zum andern. Alle Männer sollen Frauen nehmen ihres Stammes und ihrer Verwandtschaft und alle Töchter ebenso Männer aus ihrer Zunft, damit das Erbe bei den Familien bleibe." (Numeri 36,6) Maria war die Erbtochter Davids und sollte ihrem nächsten Verwandten, dem Joseph die Hand reichen. Man unterscheidet gewöhnlich: die Werbung, das Eheversprechen und die eigentliche Eingehung der Ehe. Hierüber diene Folgendes zur Belehrung und Erbauung.
Die heilige Jungfrau lebte mit mehreren anderen Jungfrauen am Tempel unter der Aufsicht von frommen Matronen. Als nun die heilige Jungfrau ihr vierzehntes Jahr erreicht hatte und nebst sieben anderen Mägdlein zur Ehe entlassen werden sollte, sah ich (erzählt die gottselige Nonne Katharina Emmerich), dass die Mutter Anna zu ihr an den Tempel auf Besuch gekommen war. Als man der Jungfrau verkündigte, dass sie den Tempel verlassen und sich verehelichten sollte, sah ich die heilige Jungfrau sehr in ihrem Herzen bewegt den Priestern erklären, sie verlange nie den Tempel zu verlassen, sie habe sich Gott allein verlobt und verlange sich nicht zu verehelichen. Es wurde ihr aber dann gesagt, dass sie sich vermählen müsse. Zu ihrem Trost vernahm sie bald eine himmlische Stimme, die ihr Trost und Stärke verlieh, in ihre Verehelichung einzuwilligen.
Als der Hohepriester auf dem Stuhl vor dem Allerheiligsten saß, und in einer Pergamentrolle las, wurde ihm die Hand auf die Stelle des Propheten Jesaja gelegt, darin es hieß: es wird ein Zweig aus der Wurzel Jesse aufgehen und eine Blüte wird aus seiner Wurzel aufsteigen.
Man sandte nun Boten im Land umher und berief alle unverheirateten Männer aus dem Stamm Davids zum Tempel. Als sich viele von ihnen in feierlichen Kleidern im Tempel versammelt hatten, wurde ihnen die heilige Jungfrau vorgestellt und ich sah einen sehr frommen jungen Mann aus der Gegend von Betlehem unter ihnen. Auch er hatte immer mit großer Innigkeit um die Erfüllung der Verheißung gebetet, und ich erkannte in seinem Herzen ein heißes Verlangen, der Gemahl Mariä zu werden. Diese aber zog sich wieder in ihre Zelle zurück, vergoss heilige Tränen und vermochte nicht zu denken, dass sie nicht eine Jungfrau bleiben sollte.
Der Hohepriester überreichte nun allen den anwesenden Männern nach der inneren Unterweisung, die er erhalten, einzelne Zweige, und befahl ihnen, jeder sollte seinen Zweig mit seinem Namen bezeichnen und während des Gebetes und Opfers in Händen halten. Als sie dies getan hatten, wurden die Zweige von ihnen gesammelt und auf einen Altar vor das Allerheiligste gelegt und ihnen verkündet, dass der aus ihnen, dessen Zweig erblühen würde, vom Herrn bestimmt sei, mit der Jungfrau Maria von Nazareth vermählt zu werden.
Während die Zweige vor dem Allerheiligsten lagen, wurde das Opfer und das Gebet fortgesetzt und ein Jüngling, Agabus mit Namen, schrie unter einer Halle des Tempels mit ausgebreiteten Armen heftig zu Gott und brach in helle Tränen aus, als ihnen allen die Zweige wieder zurückgegeben wurden mit der Ankündigung, dass keiner derselben erblüht und also keiner von ihnen der von Gott bestimmte Bräutigam dieser Jungfrau sei. Die Männer wurden nun nach ihrer Heimat entlassen, jener Jüngling aber begab sich auf den Berg Karmel zu den dort seit den Zeiten des Elias einsiedlerisch lebenden Prophetensöhnen, wo er von nun an im steten Gebet um die Erfüllung der Verheißung lebte.
Auf den Befehl des Hohenpriesters kam nun Joseph in seinen besten Kleidern nach Jerusalem zum Tempel. Auch er musste hier unter Gebet und Opfer einen Zweig in seiner Hand halten, und als er ihn vor das Allerheiligste auf den Altar hinlegen wollte, blühte oben eine weiße Blüte gleich einer Lilie aus ihm hervor und es kam eine Lichterscheinung wie vom Heiligen Geist über ihn. Nun wurde Joseph als der von Gott bestimmte Bräutigam der heiligen Jungfrau erkannt und ihr in Gegenwart ihrer Mutter von den Priestern vorgestellt. Maria, ergeben in den Willen Gottes, nahm ihn als ihren Bräutigam demütig an, denn sie wusste, dass bei Gott, der ihr Gelübde, ihm mit Leib und Seele allein zu gehören, angenommen hatte, alles möglich sei.
Die Hochzeit Mariä und Josephs, die sieben bis acht Tage dauerte, wurde zu Jerusalem am Berg Sion in einem Haus gehalten, das oft zu solchen Festen vermietet wurde. Es waren außer den Lehrerinnen und Mitschülerinnen Mariä von der Tempelschule viele Verwandte Annas und Joachims zugegen, unter andern eine Familie aus Gophea mit zwei Töchtern. Die Hochzeit war sehr feierlich und reichlich. Es wurden viele Lämmer geschlachtet und geopfert. Besonders aber war die hochzeitliche Kleidung der heiligen Jungfrau so ausgezeichnet schön und festlich, dass die anwesenden Frauen auch noch in ihrem Alter gern davon sprachen.
Joseph hatte einen langen, weiten, müllerblauen Rock an, von der Brust bis zum Saum wieder mit Schnüren und Knöpfen geschlossen.
Der Trauring Mariens ist weder von Silber noch Gold noch anderem Metall. Er ist von düsterer Farbe und schillert. Er ist kein schmaler dünner Reif, sondern ziemlich dick und wohl einen Finger breit. Ich sah ihn glatt und doch als sei er wie gepflastert mit kleinen regelmäßigen Dreiecken bezeichnet, worin Buchstaben standen.
An der einen Seite, die man nach innen der Hand schob, hat er eine platte Fläche. Es ist der Ring mit etwas bezeichnet. Ich sah ihn hinter vielen Schlössern verwahrt in einer Kirche, fromme Leute, die sich verheiraten wollen, lassen ihre Trauringe daran anrühren.
Der Trauring Mariens befindet sich in Perugia und wird dort am 3. August jeden Jahres dem Volk gezeigt.
Aus dem, was die selige Klosterfrau Maria von Agreda über die Vermählung mit Joseph berichtet, sei Folgendes angeführt.
Joseph war damals dreiunddreißig Jahre alt, war von einnehmender Persönlichkeit und gefallenden Gesichtszügen. Sein ganzes Wesen war sittlicher Ernst. Vom zwölften Jahr an hatte er das Gelübde der Keuschheit abgelegt . . . Nach der Vermählung sagten sich beide eine keusche Zuneigung zu und gelobten einander, wie Geschwister zusammen zu leben . . . Nun folgte die Verteilung der Verlassenschaft von Mariens Eltern. Ein Teil bekam der Tempel, der andere wurde den Armen zugewiesen, der dritte blieb in Josephs Verwaltung . . . Joseph war von Anfang an mit solcher Ehrerbietung gegenüber Maria erfüllt, dass keinerlei irdische Neigung in seinem Herzen zu ihr aufkam. Es strahlte ihm immerfort aus dem Antlitz seiner Gemahlin ein Glanz göttlichen Lichtes entgegen, das ihre Züge zu unaussprechlicher Majestät verklärte. Sie glich Mose, da er vom Berg herabkam, weil Mariens Verkehr mit Gott anhaltender und vertraulicher gewesen war.


Indes erwuchs in aller Zucht
Maria, die erwählte Frucht,
Der Ceder gleich, die Gift und Weh
Nicht dulden will in ihrer Näh.
Es war nach altem Brauch nun Zeit,
Dass die gottgeweihte Maid
Den Tempel verließe
Und eine Ehe schließe.
Sie aber sprach: "Mein ganzes Leben
Hab ich allein dem Herrn gegeben;
Ihm bleibe ich auch ferner treu."
Die Sache dünkte alle neu.
Da sich die Maid berief auf Gott,
So war ein Wunder Gottes not.
Er selbst soll unter Davids Söhnen
Den Würdigen und Rechten krönen.
Wes Stab ergrünend Blüten trug,
Der sollte Gatte sein nach Fug.
Und sieh, dies hohe Wunder geschah,
Als Josef kam dem Tempel nah,
Des Jakob Sohn, aus dem Geschlecht
Des Königs David, fromm und gerecht.
Und eine Taube setzte sich
Auf seinen Stab so wonniglich.
So wurde Gottes Wille kund,
Dass Josef zu so heiligem Bund
Die Jungfrau sollte mit sich führen,
Wie Gottes Braut es muss gebühren.
So sei gegrüßet, Josef, liebster Vater,
Mariens Bräutigam und ihr Berater,
Aus König Davids edlem Stamm geboren!
Die Engelsreinheit hast du nie verloren.
Gepriesen sei dein heiliger Name:
Heil dir, dem keuschen Bräutigame!
(Aus: "Goldene Legende der Heiligen"
von Joachim und Anna bis auf Constantin den Großen
neu erzählt, geordnet und gedichtet von
Richard von Kralik, 1902)