Mariä Lichtmess

Den du, o Jungfrau, im Tempel aufgeopfert hast.
Den du, o Jungfrau, im Tempel aufgeopfert hast.

2. Februar

 

Als das Kind Jesus vierzig Tage alt war, brachten es Maria und Josef zum Tempel nach Jerusalem, um es dem Herrn darzustellen, wie es im Gesetz befohlen war.

 

Bereits am Tag vorher machte sich die Heilige Familie von Betlehem aus auf den Weg. Der heilige Josef schritt voran, auf dem Rücken trug er einen Rucksack. In der Linken hielt er einen hohen Stock, wie es damals Brauch war, und mit der Rechten führte er am Zügel den Esel, auf dem die Mutter Gottes saß. Im Arm trug Maria das göttliche Kind, das sie sorgsam in ein dickes Wolltuch eingeschlagen hatte, denn es herrschte ein nasskaltes Winterwetter, und ein scharfer Wind blies den Wanderern ins Gesicht. Gegen Abend kam die kleine Reisegesellschaft in der heiligen Stadt Jerusalem an und verbrachte die Nacht bei Bekannten.

 

Weil die Darstellung Jesu im Tempel schon vor dem Morgenopfer stattfinden musste, standen Maria und Josef in aller Frühe auf, als es noch dunkel war, zogen die Sonntagskleider an, die sich im Rucksack befanden, und stiegen, Maria wieder mit dem Jesuskind im Arm, die steile Straße zum Tempel hinan. Voll Erwartung und Freude waren sie.

 

So kamen sie schnell dem Tempel näher, und schon hatten sie den ersten, sogenannten Heidenvorhof durchschritten und näherten sich dem Haupttor, da trat ihnen ein alter Mann in den Weg, eine ehrwürdige Gestalt mit langem Silberbart, und der Kranz seines schneeweißen Kopfhaares stand ihm wie ein Heiligenschein. Simeon war es, ein gerechter und gottesfürchtiger Greis, der vom Heiligen Geist die Verheißung erhalten hatte, dass er den Tod nicht schauen werde, bevor er den Gesalbten des Herrn erblickt habe. Jahrelang stand er deshalb jeden Tag in der Frühe am Tempeltor und wartete mit brennender Sehnsucht auf den, der da kommen sollte.

 

An diesem Morgen sollte sich endlich Simeons Wunsch erfüllen. Als er nämlich die Heilige Familie herankommen sah, wurde ihm innerlich bedeutet, wer die drei Ankömmlinge waren. Hocherfreut trat er vor, verbeugte sich tief und betete im Herzen den Heiland an, und als Maria die Andacht des alten Mannes sah, schlug sie das Tuch zurück und zeigte ihm das göttliche Kind. Jesus aber lächelte Simeon an und streckte verlangend die Ärmchen nach ihm aus, und als Simeon seinerseits es ebenso machte, legte ihm die Mutter Gottes den lieben Heiland zart und behutsam in die Arme. Ehrfurchtsvoll, wie ein Priester das Allerheiligste trägt, empfing der begnadete Greis das Heil der Welt, und weil er wegen seiner altersschwachen Augen kurzsichtig war, hob er das göttliche Kind empor, und da ging von dem Kind ein Licht aus, in dessen Widerschein Simeons Antlitz wie vom Glanz einer brennenden Kerze aufleuchtete, und mit einer Stimme, die vor Freude zitterte, sprach er: "Nun entlässt du, Herr, deinen Diener nach deinem Wort in Frieden, denn es haben geschaut meine Augen dein Heil, das du bereitet hast vor dem Angesicht aller Völker, ein Licht zur Erleuchtung der Heiden und zum Ruhm deines Volkes Israel."

 

So redete Simon, und nach diesen Worten geschah es, dass er im Geist verzückt wurde. Die Zukunft tat sich vor ihm auf, er sah von dem Kind auf seinen Armen ein Licht ausgehen, das die ganze Welt in eitel Sonne kleidete, aber daneben erblickte er auch tiefschwarze Schatten, die gegen das Licht kämpften, und zu Maria gewendet, sprach er prophetisch die ahnungsschweren Worte:

 

"Siehe, dieser ist bestimmt zum Fall und zur Auferstehung vieler in Israel und zu einem Zeichen, dem man widersprechen wird. Und auch deine Seele wird ein Schwert durchdringen, dass die Gedanken vieler Herzen offenkundig werden."

 

Alles, was Simeon da sagte, ist später in Erfüllung gegangen. Den Heiland hat man ans Kreuz geschlagen, und neben dem Kreuz stand eine Mutter mit sieben Schwertern im Herzen, aber das Licht zur Erleuchtung der Heiden strahlt heute noch in die Welt, und kommen wird der Tag, an dem das Licht die Finsternis endgültig besiegt. Und damit wir an diese Tatsache erinnert und in diesem Glauben gestärkt werden, findet heute bei der heiligen Messe die Weihe der Kerzen statt, deren Licht ein Sinnbild Christi ist.

 

Von der "heiligen Sippe"

 

Vor einigen Jahrzehnten wurde das Fest der "Erscheinung des Herrn" das "Fest der Reinigung Mariä und Aufopferung Jesu Christi im Tempel" genannt. Noch weiter zurück in der Geschichte war das Fest den heiligen Vätern und sämtlichen Christen unter dem Namen der "Entgegenkunft des Herrn" schon längst lieb und heilig. Papst Sergius hat die Feier dieses Festes durch die Prozession, die man an diesem Tag mit geweihten Kerzen vornimmt, vermehrt. Die Kirche rückt uns an diesem Tage die Reinigung Mariä und die Opferung des Kindes Jesus ins Gedächtnis. Der heilige Thomas von Villanova sagt: "Diese doppelte Erinnerung soll unsere Freude und Andacht verdoppeln, indem wir den Sohn und die Mutter durch die Feier zugleich verehren." Nach dem heiligen Sophronius nehmen wir dabei brennende Kerzen in die Hand, teils um den dadurch zu ehren, der als das ewige Licht die schädlichen Finsternisse in und um uns zerstreut und mit dem Strahlen seiner Gottheit alles beleuchtet; teils um den reinen Glanz unserer Seele, mit der wir Christus entgegengehen sollen, zu zeigen.

 

Bitten wir daher Gott am Fest Mariä Lichtmess um die Gnade, allen seinen Geboten und den Geboten seiner Kirche nachzukommen. Wir wollen uns selbst und die, die zu uns gehören, Gott aufopfern und uns, besonders für die bevorstehende Fastenzeit, vornehmen, jede Sünde gegen die Mäßigkeit und Reinheit zu meiden, denn dadurch würden wir das Herz Jesu und das Herz Mariä wie mit einem Schwert durchbohren. Auch verwenden wir etwas von unserem Geld und viel von unserer Zeit zur Ehre Gottes und Mariä oder für einen armen Menschen. Tun wir manches in den kommenden Wochen bis zum Osterfest, wozu wir nicht ausdrücklich verpflichtet sind, weil auch die seligste Jungfrau mehr tat, als sie tun musste. Unterlassen wir keine guten Werke aus Menschenfurcht! Lassen wir, nach den Worten von Jesus selbst, unser Licht leuchten vor den Menschen, damit sie die guten Werke sehen, und den himmlischen Vater preisen. Beim Anblick eines Lichtes bitten wir Gott, er möge unser Herz mit seiner Liebe entzünden, und einst sowohl uns selbst als allen verstorbenen Gläubigen das ewige Licht leuchten lassen. Begleiten wir an Mariä Lichtmess die Prozession, so denken wir dabei, wie Jesus, das Licht der Welt, von seinen heiligen Eltern in den Tempel getragen worden ist. Wir bitten dann demütig, dass wir durch das Befolgen seiner lichtvollen Lehre, auf die Fürsprache Marias und Josefs, Simeons und Hannas, nach dieser Zeit zur Gesellschaft der Heiligen aufgenommen werden. Empfehlen wir uns Maria, dass sie uns beistehe in jenem wichtigen Augenblick, in dem ein guter Mensch uns vor unserem Sterben das geweihte Licht in die Hände gibt und die Sterbegebete für uns spricht. Unsere Augen mögen dann erleuchtet werden, damit wir nicht in die ewige Finsternis kommen, sondern des ewigen Lichtes, der ewig seligen Anschauung Gottes, teilhaftig werden.

 

Matthias Hergert

 

 

Auf dem Fest Mariä Lichtmess ruht der letzte Glanz von Weihnachten. Darum ist es wohl so beliebt. Es heißt aber zugleich Abschied nehmen von der Heiligen Nacht. Zum letzten Mal im Kirchenjahr begegnet uns die Mutter mit dem Kinde lieb. Noch muss sie es auf dem Arm tragen; ganz Mutterliebe und Mutterglück.

Es ist nämlich ein Tag stolzen Mutterglückes für die selige Jungfrau und junge Mutter. Sie darf ihren Erstgeborenen, der bei den meisten Völkern mehr gilt als die Nachgeborenen, weil in ihm sich Gottes Segen in der Ehe geoffenbart hat und weil er zum Stammhalter bestimmt erscheint, in die Öffentlichkeit ihres Volkes tragen und die Frucht ihres gesegneten Schoßes allen Mitmenschen zeigen. Ja, Maria als fromme Israelitin darf ihn sogar dorthin tragen, wo das Herz ihres auserwählten Volkes schlägt, in das Bundesheiligtum. Sie darf ihn hintragen vor das Antlitz ihres Gottes, von dem sie ihr Kind in so wunderbarer Weise erhalten hat, dem noch mehr als bisher die ganze Liebe ihres reinen Herzens gilt. Ihr Kind ist freilich mehr als die Erstgeburt anderer Mütter. Ihn, den Sohn Gottes, brauchte sie eigentlich nicht erst zum Tempel zu bringen, um darzutun, dass er nach dem Gesetz Eigentum Gottes sei. Denn sein Leib ist ein viel hehrerer und kostbarerer, ein mehr von Gottes Gegenwart erfüllter und ihm mehr zu eigener Tempel als das Heiligtum in Jerusalem. Dennoch beugt sich Maria dem Gesetz, weil sie in ihm den Willen Gottes sieht; demütig reiht sie sich in die Schar gewöhnlicher Mütter ein.

Das ließ Gott nicht unbelohnt. Unerwartet durfte sie Segensübermittlerin sein. Fromme Seelen, angetrieben vom Heiligen Geist, warten schon auf sie und das Kind, warten auf den schönsten Tag ihres Lebens, an dem sie schauen durften: „Das Licht zur Erleuchtung der Heiden und den Ruhm des Volkes Israel.“ Nun, da sie vom Arm Mariens Christus empfangen hatten, hatte ihr Leben seiner Erfüllung gefunden.

Nicht das erste Mal war die junge Mutter Segensvermittlerin gewesen. Noch ehe sie das Kind geboren hatte, diente sie ihm als Gnadenvermittlerin für das Haus ihrer Base Elisabeth. In der lichtumflossenen Nacht reichte sie ihn den Hirten. Die Weisen aus dem Morgenland fanden in dem Kind auf ihrem Schoß den Lohn einer mühseligen Reise.

Doch meinen wir nicht, nur dem noch kleinen Erlöser habe die Mutter als Vermittlerin dienen dürfen. Das erste Wunder Jesu bei der Hochzeit zu Kana spricht die gleiche Sprache. Und die Kirche lehrt uns, die im Himmel weilende Gottesmutter als unsere allmächtige Fürbitterin zu verehren. Willst du demnach zu Christus: lass ihn dir von der Mutter reichen! Wenn Maria dir Christus vermittelt, dann wird deine Begegnung mit ihm für dich eine segensreiche.

 

Kirchengebet

 

Allmächtiger ewiger Gott, wir flehen in Demut zu Deiner Majestät: wie Dein eingeborener Sohn am heutigen Tag in unserer menschlichen Natur im Tempel dargestellt wurde, so lass auch uns mit geläutertem Herzen Dir dargestellt werden. Amen.

 

Zur Geschichte des Festes: Entsprechend den Zeitangaben in der Heiligen Schrift wird dieses Fest 40 Tage nach Weihnachten gefeiert; im Orient einst 40 Tage nach dem Epiphanietag, den man als den Geburtstag des Herrn auffasste. Seinen Namen hat es von dem Wort des greisen Simeon: „Ein Licht zur Erleuchtung der Völker“. Es ist darum an erster Stelle ein Christusfest und wird als solches auch heute noch in der Kirche des Ostens gefeiert. In Jerusalem ist dieses Fest bereits im 4. Jahrhundert bekannt. Im Jahr 542 wird es für Konstantinopel, bzw. für das ganze byzantinische Reich, angeordnet. Die Veranlassung dazu gab das Erlöschen einer Pestepidemie.

Vom Orient ging dieses Fest im 6. Jahrhundert auf die römische Kirche über. Von Rom aus verbreitete es sich im 7. Jahrhundert nach Spanien und von dort nach Frankreich und Deutschland. In der Festfeier der abendländischen Kirche steht aber mehr Maria im Vordergrund, die Mutter, die das Licht, Jesus, uns geschenkt hat.

Die mit dem Fest verbundene Lichterprozession war schon im Orient ein heiliges Brauchtum, eine Auswirkung des Simeonwortes. In Rom aber verdrängte oder ersetzte sie altgewohnte Fackelzüge, mit denen viel Ausgelassenheit verbunden war.

Die Kirche weiht am Lichtmesstag – schon seit dem 10. Jahrhundert – die Kerzen, sowohl für den liturgischen wie auch für den privaten Gebrauch. Diese sollen in den Wohnungen brennen bei häuslichen religiöser Feiern, bei besonderen Familienfesten, bei Gewitter und Gefahr, bei der Krankenkommunion und am Sterbebett.

 

(„So feiert dich die Kirche“, Prof. Dr. Carl Feckes, Maria im Kranz ihrer Feste, Steyler Verlagsbuchhandlung, 1957)

 

Maria, die Jungfrau,

Die durch der Gnade Tau

Rein war und an Tugenden Reich,

Sie wollte sich doch halten gleich,

Wie jede andere Frau auch pflag:

Darum ging sie am vierzigsten Tag

Und opferte den Erstgebornen

Im Tempel, den zum Heil Erkornen.

 

Simeon hieß ein alter Mann,

Gott gänzlich untertan,

Getreu, rein und gut,

In vieler Tugenden Hut,

Wie die Vollkommenen sind;

Man sagt, er war vom Weinen blind.

Der bat, dass Gott den Heiland sende

Und seine Sehnsucht ende.

Und Gott erhörte das Gebet,

Das er mit reinem Willen tät:

Er ließ den greisen Frommen

Erschau`n des Heilands Kommen

Und gab dem treuen Simeon

Für so viel Treue seinen Lohn.

 

Wie er da durfte schauen

Die Frucht der reinsten Frauen,

Das Kind er an sich drückte;

Gott der Herr ihn verzückte

In hohe Prophezieen,

Da er an Marien

Und dem Kinde künftig sah

Das ganze Leid, das noch geschah.

 

O Simeon, du guter,

Im Schauen hochgemuter, 

Wie würdest du erst klagen,

Sähst du in deinen Tagen

Der Heiligen Wunden alle voraus!

Ach, mancher bluttriefende Strauß

Und manches Schwert der Schmerzen

Droht allen frommen Herzen.

 

(Aus: "Goldene Legende der Heiligen"

von Joachim und Anna bis auf Constantin den Großen

neu erzählt, geordnet und gedichtet von

Richard von Kralik, 1902)