7. Mai - Magnificat

 

Wenn wir im heiligen Rosenkranz beten: den du, o Jungfrau, zu Elisabeth getragen hast, da denken wir in Freude an die Wanderung der Gottesmutter über das Gebirge Juda, da sehen wir sie, wie sie endlich an den Ort kommt, welcher heute "St. Johann im Gebirge" genannt wird. In diesem Augenblick wird Elisabeth vom Heiligen Geist erleuchtet, dass sie das hohe Wunder erkennt, das sich mit Maria zugetragen hat. Deshalb eilt sie ihr entgegen, so schnell sie nur ihre alten Füße tragen, tief beugt sich die alte Frau vor der blutjungen Jungfrau und schon entströmt ihrem Mund der begeisterte Gruß: "Du bist gebenedeit unter den Frauen und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes. Wie kommt es, d.h. woher kommt mir die Ehre, das die Mutter meines Herrn zu mir kommt?" Maria erkennt aus diesen begeisterten Worten der Base, dass Gottes Vorsehung ganz neue Wunder gewirkt und das, was auf ihrer Wanderschaft durch ihre Seele gezogen, bricht nun hervor wie eine silberhelle Quelle aus den Felsen des Gebirges, der Lobgesang, der Maria einreiht unter die gottbegnadeten Dichterinnen und Seherinnen: "Magnificat!"

 

Hoch preiset meine Seele den Herrn

Und mein Geist frohlockt

In Gott, meinem Heiland,

Denn er hat gnädig herabgeblickt auf seine arme Magd.

Sieh, von nun an werden mich selig preisen alle Geschlechter.

Ja Großes hat an mir getan,

Der da mächtig und dessen Name heilig ist

Und der barmherzig ist von Geschlecht zu Geschlecht

Denen, die ihn fürchten.

Er übt Macht mit seinem Arm,

Zerstreut, die hoffärtig sind in ihres Herzens Sinn.

Die Mächtigen stürzt er vom Thron

Und hebt in die Höhe die Kleinen,

Die Hungrigen sättigt er mit Gütern,

Die Reichen lässt er leer ausgehen.

Aber Israel sein Kind hat er an der Hand genommen

Und gedacht seiner Barmherzigkeit,

So wie er es unseren Vätern verheißen,

Abraham und seinen Kindern auf ewig.

 

Dieser herrliche Lobgesang Mariens, dieser begeisterte Ausdruck ihres Dankes, ihrer Liebe und ihrer Demut ist von der Kirche in die Liturgie aufgenommen worden und täglich zu den Vespern wird er von tausenden und abertausenden Dienern des Heiligtums gebetet.

 

Mariens Heimsuchung hat Jubel und Freude in das Haus des Priesters Zacharias gebracht. An derselben Stätte nun, in St. Johann im Gebirge, starb am 6. Mai 1884 ein heiligmäßiger Priester, namens Maria Alphons Ratisbonne. Dieser Ratisbonne hat buchstäblich den Besuch der Gottesmutter empfangen und seine Seele wurde durch diesen Besuch mit solchem Jubel erfüllt, dass eine große Wandlung mit ihm geschah. Er war von Geburt ein Jude aus Straßburg, ungemein reich, angesehen und mit einem liebreizenden 16jährigen Mädchen verlobt. Er war bereits so "aufgeklärt", dass er an die jüdische Religion nicht mehr glaubte und die christliche Religion hasste. Auf seinen Reisen kam er auch nach Rom, wo er einen frommen Herrn namens Bussieres kennenlernte. Diesem tat es so leid, dass Ratisbonne in der Finsternis des Unglaubens lebte, er betete viel für ihn und nötigte ihm schließlich die sogenannte "wundertätige" Medaille von der Unbefleckten Empfängnis und das Versprechen auf, täglich das Gebet des heiligen Bernhard: "Gedenke, o mildreichste Jungfrau", zu beten. Ratisbonne spottete im Herzen darüber, aber aus Höflichkeit gegenüber dem Freund ließ er sich die Medaille umhängen und manchmal zogen sogar die Worte dieses Gebetes durch seine Seele. Eines Tages begegnete Bussieres Ratisbonne in einer Straße. An demselben Tag war ein ehemaliger französischer Minister gestorben, der Bussieres ebenfalls versprochen hatte, für Ratisbonne recht zu beten. Bussieres ging nun, das Begräbnis anzuordnen, Ratisbonne wartete auf ihn und begab sich aus Langeweile unterdessen in die Kirche St. Andreas, um die dortigen Kunstwerke anzuschauen. Als Bussieres zurückkam, fand er Ratisbonne am Eingang einer Seitenkapelle knien, Tränen entströmten seinen Augen und er küsste vielmals die Medaille. Staunend erfuhr nun Bussieres das Wunder: Ratisbonne war in der Kirche umhergegangen, plötzlich überfiel ihn eine sonderbare Unruhe, die große Kirche entschwand ihm, nur aus der Kapelle strahlte ein großer Lichtglanz und inmitten des Lichtglanzes stand die seligste Jungfrau, groß, leuchtend, voll Majestät und Schönheit. Er fiel auf die Knie und erkannte plötzlich, dass nur in der katholischen Religion die Wahrheit sei. Er ließ sich taufen, wurde später Priester, widmete sich besonders der Bekehrung der Juden, begab sich dann ins Heilige Land, baute einige Klöster und starb dann an demselben Ort, wo Maria die Elisabeth besucht hatte. Und als er starb, leuchtete sein Angesicht. Gewiss hat ihn bei seinem Sterben die Mutter Gottes besucht. Ja, wen Maria besucht, der kann nicht traurig sein, in dessen Herz muss ein Singen und Jubilieren anheben, wie es die Vöglein taten, die Maria bei ihrer Wanderschaft sah.

 

Aber, liebe Marienverehrer, ich kenne noch jemanden, dessen Besuch einen gleichen Jubel in der Seele auslösen sollte, und dieser eine ist Jesus Christus, bei dessen Ankunft im Haus des Zacharias der ungeborene Johannes aufhüpfte. Liebe Marienverehrer, der Heiland hat ausdrücklich gesagt, dass sein Fleisch eine Speise und sein Blut ein Trank ist, aus seinen Worten geht klar der Wunsch hervor, dass die Gläubigen auch diese köstliche Himmelsspeise genießen in der heiligen Kommunion. In wieviel Herzen ist der Heiland schon eingekehrt, wo hat er, der Himmelskönig, nicht schon seinen Besuch gemacht. Nun denn, wenn du es weißt: jetzt hat mein Herr und mein Gott mir einen Besuch gemacht, kannst du dann gleichgültig und kalt vom Tisch des Herrn zurücktreten? Muss nicht auch in deinem Herzen ein liebliches Singen und Klingen anheben, muss nicht auch durch deine Seele ein gewaltiges Magnifikat brausen als Sang des Glaubens, des Dankes, der Demut, der Liebe? Ja, gewöhne dich daran, als Danksagung nach der heiligen Kommunion das Magnifikat der seligsten Jungfrau zu beten.

 

In diesem herrlichen Lied drückst du vor allem deinen Glauben an Christi Gegenwart aus, denn du sprichst: Mein Geist frohlockt in Gott meinem Heiland! Du willst da gleichsam sagen: In mir ist jetzt Gott, mein Heiland, der in der Gestalt der heiligen Hostie in mich eingegangen ist. Deshalb sagte auch der heilige Benedikt Labre zu seinem Beichtvater, der ihn fragte, was er zuerst nach der heiligen Kommunion tue: "Zuerst erwecke ich mit möglichster Aufmerksamkeit den Glauben an die wirkliche und persönliche Gegenwart Jesu in meinem Herzen."

 

Und wenn du nun von diesem Gedanken ganz erfüllt bist: Mein Gott, mein Heiland ist in mir!, muss sich dann deine Seele nicht aufschwingen in Jubel und Freude über diesen höchsten, über diesen unbegreiflichen Besuch? Daher rufst du mit der seligsten Jungfrau aus: "Hoch preiset meine Seele den Herrn! Ja, Lob und Preis sei dir, o Gott!" Maria hat in Erkenntnis der großen Auszeichnung, die ihr zuteil geworden, wie eine Prophetin in die Zukunft geschaut und ausgerufen: "Siehe, von nun an werden mich selig preisen alle Geschlechter!" Auch du erkennst, dass du durch die hohe Auszeichnung selig und glücklich zu preisen bist von allen Geschlechtern. Du aber fordere alle Geschlechter auf, statt deiner den Herrn für diese Wohltat zu preisen. Siehe, von nun an sollen alle Geschlechter und alle Geschöpfe den Herrn loben und preisen:

 

"Preiset, ihr Himmel, den Herrn, preiset, ihr Wasser, die unter dem Himmel sind, den Herrn, preiset, Nebel und Regen und Schnee und Hagel und Tag und Nacht, den Herrn, du Weltmeer mit deinen Tiefen und mit deinen Ungeheuern, preise den Herrn, du Erde mit deinen Hügeln und Tälern, mit deinen Quellen und Flüssen, du Erde mit deinen Blumen und Kräutern, mit deinen gefiederten Sängern und mit den Tieren deiner Wälder, preise den Herrn! Und ihr Menschenkinder all, ihr Priester des Herrn, ihr Engel und Heilige des Himmels, preiset an meiner Statt den Herrn."

 

Doch mitten in deinem Jubel, deinen Lobpreisungen hältst du auf einmal inne. Wer bin ich und wer ist er, der zu mir gekommen ist? Ich möchte mit Elisabeth ausrufen: Wie kommt es, woher kommt mir die Ehre, dass mein Herr zu mir kommt? Ist er nicht der große, der allmächtige Gott? "Er übt Macht mit seinem Arm, zerstreut, die da hoffärtig sind in ihres Herzens Sinn. Die Mächtigen stürzt er vom Thron!" Bis in den Himmel wollte sich ein Luzifer erheben und gesunken ist er in die Tiefen der Hölle. "Er zerstreut, die da hoffärtig sind in ihres Herzens Sinne." Ein König Belschazer hat ihm Hohn getrunken aus geraubten Tempelkelchen - und vom Thron ist er gesunken und in den Staub der Erde fiel er in derselben Nacht, ermordet von den Seinen. "Die Mächtigen stürzt er vom Thron!" Und dieser große, gewaltige Gott ist bei mir eingekehrt. Und wer bin ich? Maria nannte sich eine arme, niedrige Magd. "Er hat gnädig herabgeblickt auf seine arme Magd!" Ich aber bin noch viel ärmer dran. Ich bin arm an Tugenden, arm an Verdiensten und wenn ich in meine Seele schaue, da finde ich so vieles, an dem der Herr kein Wohlgefallen finden kann. Wer bist du und wer bin ich? Ich bin es ja nicht wert, dass du kommst. Und doch, du wusstest, wie notwendig ich deiner bedarf, wie meine Seele hungert nach dir und deiner Barmherzigkeit und deiner Liebe und Gnade. Und darum hast du, der "barmherzig ist von Geschlecht zu Geschlecht", trotz deiner göttlichen Würde, trotz deiner Größe gnädig herabgeblickt auf deine arme Magd, deinen armen Knecht, hast mich Hungrigen mit deinen geistigen Gütern gesättigt, und hast zu deiner Höhe mich Niedrigen emporgehoben, lind hast du mich, dein Kind, in deine Hand genommen und mich an dein göttliches Herz gezogen.

 

Nun bin ich dein,

Nun bist du mein!

 

Jesus, von jetzt an lebe ich nur dir, mein Jesus, dir sterbe ich, wann und wo und wie du willst, dein will ich sein im Leben und im Tod.

 

Marienverehrer, können wir nach der heiligen Kommunion dem in uns wohnenden Heiland besser danken, ihn besser lobpreisen als mit den Worten seiner lieben Mutter? Mit welcher Freunde wird er diesen Worten lauschen, die zum ersten Mal seine Mutter gesprochen hat. Und wenn wir ihm dann nach den Beteuerungen unseres Glaubens, unserer Demut, unseres Dankes und Jubels mit unseren Bitten nahen - o wir haben ihn um so viel zu bitten, um zeitliche und ewige Güter - dann ist er um so eher geneigt, sein Ohr auch diesen Bitten zu neigen. Und wir gehen von dem Gnadentisch weg und aus dem Gnadenhaus fort mit dem frohen Bewusstsein,

 

Dass Großes an uns getan,

Der da mächtig und dessen Name heilig ist. 

 

So soll unsere Danksagung sein nach dem heiligen Mahl.

 

Amen.