Maiandachten X.

 

31. Maibetrachtungen

 

von Leopold Klima

 

über die Verwandten und Bekannten der Gottesmutter

 

1928

 

 

Inhalt:

 

1. Mai = Einführung

 

2. Mai = Mutter und Kind

 

3. Mai = Großmütterlein lieb

 

4. Mai = Der schlichte Heilige

 

5. Mai = Der Mann mit der Lilie

 

6. Mai = Eine noble Bekanntschaft

 

7. Mai = Die gute Base im Gebirge

 

8. Mai = Des Höchsten Priester

 

9. Mai = Der Löwe in der Wüste

 

10. Mai = Die Männer mit dem Hirtenstab

 

11. Mai = Die Männer mit dem Stern

 

12. Mai = Der Greis mit dem Schwert

 

13. Mai = Die kleinen Bewohner einer kleinen Stadt

 

14. Mai = Brüder und Schwestern Jesu

 

15. Mai = Hochzeitsbekanntschaft

 

16. Mai = Der erste Papst

 

17. Mai = Der Adoptivsohn

 

18. Mai = Der Mann mit dem Strick

 

19. Mai = Der berühmte Neffe

 

20. Mai = Der Mann des Gebetes

 

21. Mai = Die ersten Missionare

 

22. Mai = Die Schwester

 

23. Mai = Die Apostelmutter

 

24. Mai = Die ängstliche Hausfrau

 

25. Mai = Die große Sünderin

 

26. Mai = Der Freund des Sohnes

 

27. Mai = Kreuzwegbekanntschaft

 

28. Mai = Der Freund in der Schmach

 

29. Mai = Der Ehegemahl der Schwester

 

30. Mai = Der zum Freund gewordene Feind

 

31. Mai = Der Maler des Marienbildes

 

 

1.

 

Einführung

 

Sie suchten ihn unter den Verwandten und Bekannten.

(Lukas 2,44)

 

Liebe Marienverehrer! Es ist ein ganz eigenartiger Zauber, der im Monat Mai die Herzen der gläubigen Christen bestrickt, so dass sie in den Dämmerstunden dem Gotteshaus zueilen. Ja was wird ihnen denn da Besonderes geboten? Sie sehen brennende Kerzen, ein Schauspiel, das sie oft genug schon gesehen haben, sie hören und singen einfache Lieder, - Musik in einer Konzerthalle oder auf der prachtvollen Bühne eine Oper hört sich doch viel schöner an. - Sie sprechen Gebete, die sie schon 1000 Mal gesprochen haben, sie hören von der Kanzel Dinge, die ihnen gar nichts Neues mehr sind. 

 

Und doch . . . und doch zieht es die Menschen geradezu hinein in die Kirche. Was hat das zu bedeuten?

 

Es ist der Zug des Herzens zur Mutter. Wenn ein Kind in der Fremde weilt und wenn es ihm gut geht und wenn es in einer glänzenden Lebensstellung sich befindet, es kommen doch Stunden, da eine heiße Sehnsucht es erfasst: zu der zu gehen, die man am meisten lieb hat auf der Welt, zu der Mutter. Und wenn sie nur in einem armseligen Stübchen hausen würde, dieses Stübchen dünkte dem Kind reicher als ein moderner Salon mit Perserteppichen und Spiegelschränken; es ist ja die Mutter drin, die Mutter, die einen so gut versteht, der man alles sagen und klagen kann und an deren Herzen man sich so recht sein Leid ausweinen kann. Als Kaiser Friedrich III., der nur wenige Wochen deutscher Kaiser war, aus dem Kurort heim kam mit der Gewissheit, dass er sterben muss, da war sein erster Weg zu seiner Mutter, an deren Herzen er Trost suchte für das Bittere, das ihm bevorstand.

 

Und wenn deine Mutter nicht mehr unter den Lebenden ist, so geht selbst von dem stillen Erdenfleckchen, wo sie der glorreichen Auferstehung entgegenschlummert, eine geheime Kraft aus auf dich. Du fühlst dich nicht ganz allein und verlassen, wenn du am Grab derer knien kannst, die dich so viel geliebt hat.

 

Nun, meine lieben Marienverehrer, werdet ihr verstehen, warum wir die Maiandacht so lieben: es ist der Zug des Herzens zur Mutter.

 

Tief in unser Herz ist ja seit frühester Kindheit uns eingeprägt worden von frommen Eltern und gläubigen Priestern, dass Maria unsere liebe himmlische Mutter ist, zur Mutter uns gegeben vom göttlichen Heiland selbst, als er vom Kreuz herab sprach: "Siehe, deine Mutter!" Von Kindheit an haben wir gelernt, zu Maria zu beten, ihr alles vorzutragen, was wir uns nicht einmal dem allmächtigen Gott vorzutragen getrauten, denn wir wussten: Der Mutter können wir alles sagen und alles klagen.

 

Nun denn, so kommt in diesen Blütentagen des Mai allabendlich zur Mutter, ruht aus von des Tages Mühen und Sorgen an ihrem mütterlichen Herzen und tragt ihren Muttersegen heim in eure Häuser und Familien und seid fest überzeugt: Maria lässt nichts unbelohnt, was wir aus Liebe und Verehrung zu ihr tun, und wenn es ein einziges frommes Ave Maria ist, mit dem wir sie grüßen und wenn es ein Blümlein ist, das wir auf den Maialtar stellen und wenn es ein Lichtlein ist, das seinen milden Schein auf ihr Bild wirft.

 

Wir wollen aber auch von den Maiandachten einen geistigen Nutzen, eine religiöse Belehrung, eine Aufmunterung zum Guten, neuen Mut und neue Kraft als geistigen Blütenstrauß heimtragen und so wählen wir als Betrachtungsstoff das Thema: "Die Verwandten und Bekannten der Mutter Gottes."

 

Es ist ein altes Sprichwort: "Sage mir, mit wem du umgehst und ich sage dir, wer du bist."

 

Den Reinen zieht es wieder zum Reinen,

Den Gemeinen wieder zum Gemeinen.

 

Wenn wir Maria als die Heiligste der Frauen verehren, dann müssen auch die Menschen, mit denen sie das Band der Freundschaft verknüpfte, auch heilige, gute und edle Menschen gewesen sein und wir wollen zu ihnen aufschauen und von ihnen lernen, wie die echte Marienverehrung auch die Menschen zu guten und edlen Menschen machen kann. Und wir werden auch Bekannte der Gottesmutter kennen lernen, mit denen aber Maria keine Gemeinschaft pflegte und wir werden sehen, uns zur Warnung, wie der Mensch, der kein Freund Mariens ist, dann die Wege einschlägt, die ihn auch von Christus Jesus immer weiter weg führen.

 

So wie Maria ihren zwölfjährigen Jesusknaben in Jerusalem drei Tage lang suchte unter den Verwandten und Bekannten, so wollen auch wir Maria suchen 31 Tage lang unter ihren Verwandten und Bekannten und diese Bekanntschaften, die wir da machen werden, deren können wir uns freuen. Wir bewegen uns da in der allerbesten Gesellschaft, die uns Schutz und Hilfe verschaffen kann beim allerhöchsten Herrn, vor dem wir einst als unserem Richter zitternd stehen müssen. Dann brauchen wir nicht in Ängsten mit dem Psalmisten ausrufen: "Die Freunde hast du mir entfremdet!" (Psalm 88,9), nein, sie werden uns in ihre Mitte nehmen und zum ewigen Richter sagen: "Das ist unser guter Bekannter und Freund aus den Zeiten der Maiandachten her. Den, o Gott, wirst du nicht von deinem Angesicht verstoßen!" Amen.

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2.

 

Mutter und Kind

 

Wenn wir in unseren Maibetrachtungen von den Verwandten und Bekannten der Gottesmutter sprechen, dann muss an erster Stelle derjenige erwähnt werden, der ihrem Herzen am nächsten stand, den sie am meisten liebte, um dessentwillen sie am meisten litt: es ist Jesus Christus, unser Herr und Heiland. Und wollen wir das Verhältnis ausdrücken, das zwischen Maria und Jesus bestand, so brauchen wir nicht lange zu forschen: es ist das traute Verhältnis zwischen Mutter und Kind.

 

Wenn wir die Worte aussprechen "Mutter und Kind", so sprechen wir das Lieblichste, das Innigste und Rührendste aus, was Menschenzungen imstande sind, zu sagen.

 

Mutter und Kind! Sieh in diesen Worten den Inbegriff des höchsten Glückes, aus diesen Worten klingt das Hohelied der großen Liebe, die auf sich selbst vergisst und nur an den anderen denkt und für ihn sorgt und leidet. Sprich diese Worte aus und vor deinem Geist stehen auf ungezählte, in Sorge durchwachte Nächte, ungezählte Schweißtropfen. Sprich diese Worte aus und es zittert heraus ein großes Leid, das Mutterleid in tausendfacher Gestalt, sprich diese Worte aus und du siehst deine Jugendzeit, die dir zum Paradies wurde durch das Wort Mutter. Du siehst die Jahre, da das Schicksal mit rauer Hand nach dir greift und du erinnerst dich an den Ort, an den du dich immer wieder hinflüchten konntest: das Mutterherz. Und wenn du ein gereifter Mann schon bist, rau und hart geworden im Lebenssturm, einmal rollen doch Tränen über deine Wangen: wenn du stehen musst am Muttergrab und mit dem Fremden des Gedichtes schüttelst du das Haupt und sprichst:

 

"Wie schlöss ein Raum so eng und klein

Die Liebe einer Mutter ein?"

 

Marienverehrer! Wenn schon im gewöhnlichen Leben das Verhältnis zwischen Mutter und Kind ein so inniges und liebliches ist, wie dann erst bei einer solchen Mutter, wie es Maria war und einem solchen Kind, wie es Jesus war?

 

Als nach Gottes Ratschluss die zweite göttliche Person Mensch wurde und den Namen Jesus annahm, da hatte er auf alles verzichtet, was sonst das menschliche Leben angenehm und lebenswert macht: in keiner menschlichen Wohnung wollte er geboren werden, nein, in einem Viehstall, seine erste Ruhestätte war keine Wiege, sondern eine Futterkrippe, in seinem späteren Leben hatte er keine Heimat, kein Vaterhaus, kein Plätzchen, wo er sein müdes Haupt zur Ruhe hätte hinlegen können, so dass er in die Klage ausbricht: "Die Füchse haben ihre Höhlen und die Vögel ihre Nester, aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlegt." Er fand keine Liebe, sondern Hass, Unverstand und Undank. Als er starb, war nicht einmal ein Grab sein eigen. Aber auf alles das hat der Herr gerne verzichtet, nur auf eine Mutter wollte er nicht verzichten. Die Lieblosigkeit der Menschen hat er ertragen, aber die Liebe einer Mutter wollte selbst Gottes Sohn nicht entbehren.

 

Und wie liebte ihn diese Mutter! Die Heilige Schrift sagt uns ja nicht viel davon, aber wir können aus der Heiligen Schrift diese Mutterliebe Mariens herauslesen. Nicht wahr, die wahre Liebe will nichts für sich und ist froh, wenn nur der geliebte Mensch alles hat? Als Jesus Christus geehrt und gepriesen wurde vom ganzen Volk, als das Volk aufstand und ihn mit Gewalt zum König machen wollte, als das ganze Land von seinem Ruhm als eines Propheten und Wundertäters widerhallte, als er in Jerusalem einzog und alles ihm zujubelte: "Hosanna, hosanna", wo war da die Mutter? Sie zog sich still zurück voll Bescheidenheit und Freude. Sie trat nicht vor und rief: "Seht, ich bin seine Mutter!" Nein, sie war so glücklich, weil  nur er,. der liebe Sohn so gefeiert und gepriesen wurde. Sie wünscht für sich nicht einen einzigen Strahl seiner Ehre, seines Ruhmes. Ist das nicht ein rührender Zug aus dem Leben Mariens, der so recht ihre Liebe zu ihrem Kind ins rechte Licht setzt?

 

Aber wenn der geliebte Mensch leidet, da verlangt die rechte Liebe ihren Mitanteil am Leiden. Als Christus nicht mehr der Liebling des Volkes war, sondern der Leute Spott, als an ihm sich erfüllte das Prophetenwort: ein Wurm bin ich und kein Mensch, als alles, selbst die trautesten Freunde sich von ihm abwandten, da tritt die Mutter aus ihrer bescheidenen Verborgenheit hervor. Da schämt sie sich nicht, die Mutter des Verbrechers zu heißen, nur ein Gedanke durchzittert ihre Seele: "Mein Kind leidet, ich muss zu ihm und bei ihm sein." Und so sagt die Heilige Schrift, dass Maria unter dem Kreuz stand. 

 

Und Jesus liebte seine Mutter, wie nur ein braves Kind seine Mutter lieben kann. Auch darüber erzählt die Heilige Schrift nicht viel, aber aus einigen Begebenheiten leuchtet Christi Liebe zu seiner Mutter hervor. Es war die Zeit noch nicht gekommen, als Gottes Sohn öffentlich aufzutreten, als er zu Kana zur Hochzeit eingeladen war. Aber als die Mutter ihn bat, da änderte er sogar seinen Ratschluss und wirkt ihr zuliebe das erste Wunder.

 

Und wie er mit dem Tod ringt in einer Qual, dass der stärksten Natur die Sinne vergehen, da der Mensch keinen anderen Gedanken mehr hat, als nur von den Schmerzen erlöst zu werden, wo er in Verzweiflung schreien möchte: "Ach helft mir doch!" Selbst in dieser Stunde denkt der Herr noch an seine Mutter und bittet den Johannes, dass er sich ihrer annehmen möchte. 

 

Ja es war die zarteste, die innigste Liebe, die die zwei Herzen Jesu und Mariä verband.

 

Was wollen wir daraus für uns lernen? Auch heute noch freut sich Maria im Himmel, wenn die Menschen ihren lieben Sohn Jesus Christus recht lieben und ehren. Und Jesus Christus ruft auch heute uns noch zu, indem er auf Maria weist: "Sehet eure Mutter! Seid auch ihr Johannesseelen! Wenn ihr die Mutter ehrt, so ehrt ihr auch den Sohn." Daraus erkennt ihr, dass die Anbetung Jesu Christi und die Hochverehrung Mariens zusammengehören, wie Mutter und Kind zusammengehören. Der Marienkultus gehört zum katholischen Christen. Zerstört die Liebe zu Maria in den Menschenherzen und es erstirbt auch langsam die Liebe zu Christus. Der verstorbene Bischof von Lourdes, Msgr. Schöpfer, hatte sich als Wahlspruch seines Pontifikates die Worte gewählt: "Per Mariam, ad Jesum", "Durch Maria zu Jesus!" Gerade als Bischof von Lourdes, dieses weltberühmten marianischen Heiligtums, hatte er ungezählte Male Gelegenheit, die Wahrheit dieses Wahlspruches gleichsam mit Augen zu schauen, mit Ohren zu hören, mit den Händen zu tasten. Wie viele, die längst ihren Kinderglauben verloren hatten und mit Jesus zerfallen waren, haben wunderbarer Weise in Lourdes durch Mariens Fürbitte ihren Glauben und damit ihren Jesus wiedergefunden. Und würden die Beichtstühle in Lourdes und in den anderen marianischen Wallfahrtsorten sprechen können, sie würden nichts anderes rufen, als des frommen Bischofs Wahlspruch: Per Mariam ad Jesum - Durch Maria zu Jesus!

 

Wer Maria liebt und ehrt, der liebt und ehrt auch Jesus. 

 

Wer Jesus liebt und ehrt, der liebt und ehrt auch Maria.

 

O freuen wir uns, dass durch Christi Vermächtnis zwischen uns und Maria dasselbe Verhältnis entstand, wie zwischen Maria und Jesus und das der Dichter so schön in die Worte kleidet:

 

Da knie ich Maria vor deinem Bild,

Mein Herz von Freude und Jubel erfüllt.

Drin flüsterts und klingt es so leise, so lind:

Du meine Mutter und ich dein Kind!

Amen.

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3.

 

Großmütterlein lieb

 

Was muss das für eine liebe, gute Frau gewesen sein, zu der die seligste Jungfrau Maria sagen konnte: meine Mutter! Es ist das die heilige Anna. Wir sehen das schon aus dem Verhalten des gläubigen Volkes zur heiligen Mutter Anna: diese Verehrung, dieses Zutrauen, diese Liebe zu dieser populärsten aller Heiligen! Und wir wissen eigentlich gar nicht viel von dieser heiligen Frau, aber es genügt uns, zu wissen, dass sie die Mutter der Muttergottes und daher die Großmutter Jesu Christi war, um überzeugt zu sein, dass ihr Leben in einer besonderen Heiligkeit erstrahlte. Wir wissen von ihr, dass sie ihre Mutterwürde als ein süßes und heiliges Amt sich von Gott in heißen Gebeten direkt erflehte und dass sie ihre Mutterpflichten als eine ihr von Gott übertragene Aufgabe in Treue und Gewissenhaftigkeit erfüllte.

 

Wir lesen in der Heiligen Schrift des Alten Testamentes von einer anderen Anna, der nachmaligen Mutter des Propheten Samuel, dass sie im Heiligtum von Silo kniete und bitterlich weinte. Warum weinte sie so und betete so inbrünstig im Heiligtum des Herrn? Es war ihr bisher das Glück versagt geblieben, ein Kind an ihre Brust zu drücken und darum weinte sie und wollte sich gar nicht trösten lassen, selbst als ihr Mann zu ihr hintrat und sprach: "Warum ist dein Herz betrübt? Bin ich dir nicht viel mehr wert als zehn Söhne?" (1. Samuel 1,8) Und als ihr Gebet erhört wurde, wie jubelte diese Mutter auf in dem herrlichen Lobgesang, der da beginnt mit den Worten: "Es frohlockt mein Herz in dem Herrn!"

 

Und nach langen, langen Jahrhunderten kniet wieder eine Anna im Heiligtum des Herrn und wieder rollt Träne um Träne über ihr Antlitz und innige Gebetsseufzer steigen empor aus leidvollem Frauenherzen. Ja es ist das gleiche Leid, das diese zweite Anna bedrückt. Und wie in ihren alten Tagen der Herr ihr segnend gedenkt und sie eine Tochter an ihr Herz drückt, da will auch ihr Jubel und ihr Danksagen kein Ende nehmen.

 

Seht, so haben die Frauen des Alten Bundes über die Mutterwürde gedacht. Sie fassten diese Würde auf als ein großartiges Gnadengeschenk des Herrn, für das sie ihm Dank sagten ihr Leben lang.

 

Anna, die Frau des Elkana, brachte ihren Knaben, den jungen Samuel ins Heiligtum und weihte ihn dem Dienst des Herrn und Anna, die Heilige, sie brachte ihr dreijähriges Töchterlein Maria in den Tempel nach Jerusalem, damit es dort im Schatten des Heiligtums dem Herrn diene. Soi haben zwei Frauen des Alten Testamentes ihren Dank abgestattet für die unverdiente Gnade der Mutterschaft. 

 

Und wie denken die christlichen Frauen des Neuen Testamentes über diese hohe und hehre Würde der Mutterschaft? 

 

Wenn in früheren Zeiten zwei christliche Brautpersonen vor dem Traualtar niederknieten, so wussten sie sehr gut, dass der neuerwählte Stand mit Recht auch ein Wehestand zu nennen ist, denn viel Kummer und Sorge, viel Leid und manche Träne ist hinter seinem rosigen Schleier verborgen. Und sie wussten auch, dass wohl die schwerste Bürde des Ehestandes der Kindersegen ist. Sie wussten es, dass sie manche schlaflose Nacht am Bettlein ihrer Lieblinge werden zubringen müssen, dass sie manche schlaflose Nacht sorgenvoll hin- und herzählen werden, und sie denn das Nötige herbeischaffen für Nahrung und Kleidung der Kinder. Sie wussten es und doch sträubten sie sich nicht, die Vater- und Mutterwürde aus Gottes Hand entgegenzunehmen. Denn sie wussten auch, dass die Kinder es einmal dankend anerkennen werden, was die Eltern ihretwillen für Opfer gebracht, wie sie selber sich manches versagten, vom Munde absparten, um es den Kindern zu geben. Sie wussten, dass die Kinder einmal der Trost und die Freude ihres Alters sein werden und darum beugten sie ehrerbietig ihr Haupt dem Willen Gottes und nahmen diese ehrenvolle Würde an.

 

Und heute? Heute ist diese echt christliche Gesinnung fast ganz geschwunden. Und wir leben ja im Zeitalter des schrankenlosen Genusses. Man will sich ausleben, man will sich selbst in den Mittelpunkt rücken, man will Selbstverwirklichung, man will aber nichts wissen von Opfer und Entsagung und Selbstverleugnung. Und dieser Geist, der auch die Jugend ergriffen hat, begleitet die jungen Leute hinein in diverse Beziehungen und hier hat das Wort "genießen" seinen allerhöchsten Thron aufgeschlagen. Und diesem Wort "genießen" steht das Kind im Wege. Wie viel Geld, das man sonst für Vergnügungen, Events, Partys, Kino und Konzerte anwenden könnte, müsste man für die Ernährung und Bekleidung des Kindes hernehmen, wie viel Zeit ginge mit der Pflege des Kindes verloren, wie viel Schönheit nehmen die Kinder ihrer Mutter weg! Daher wird das Kind als Feind betrachtet, als Eindringling in das Heim ihres Genusses. Daher wollen so viele Frauen nichts wissen von dieser heiligen und süßen Würde, ja manche sind durch die Tötung ihres Kindes im Mutterleib geworden zu modernen Königen Herodes, der seine Krieger aussandte und alle unschuldigen Wesen in Bethlehem und Umgebung umbringen ließ.

 

Nur eine Frage, liebe Marienverehrer: Glaubt ihr, dass der allmächtige und allweise Gott ungestraft die Verletzung eines seiner größten Gesetze hintergehen lässt? Glaubt ihr, dass Gott seine ewigen Gesetze nur deshalb gegeben hat, dass die Menschen das Gegenteil davon tun? O die Menschen empfinden es jetzt schon schaudernd und werden es noch bitterer spüren, was es heißt, in den gottgewollten Lauf der Natur hemmend einzugreifen. Es bedeutet heimliche Tränen und so manches frühe Siechtum. Unsere Friedhöfe könnten eine beredte Sprache darüber reden.

 

Während der unseligen Weltkriege waren die europäischen Zeitungen im Inseratenteil mit schwarzumränderten Traueranzeigen versehen, in denen todtraurige Eltern mitteilten, dass "notre unique fille" (unser einziger Sohn) in der Schlacht gefallen sei. Was muss das für unzählige Eltern für ein Schmerz gewesen sein! Der einzige Sohn! Aber wir müssen sagen: Gottes Mühlen mahlen langsam, aber sicher. Warum war der gefallene Sohn der einzige Sohn? Gott nahm ihnen nur zu oft das einzige Kind, weil sie es bewusst abgelehnt hatten, aus Gottes Hand reichlicheren Segen anzunehmen.

 

Liebe Marienverehrer! Ist es heute nach der Erfindung der Antibabypille, der "Pille danach" und der staatlich lizensierten Möglichkeit der Abtreibung besser? Nicht nur durch Kriege und Krankheiten und Bedrückungen gehen die Völker, besonders die Völker des Westens, zugrunde, aber an diesen himmelschreienden Sünden.

 

Denkt ernsthaft an eure große Verantwortung Gott und der Menschheit gegenüber und wenn ihr, christliche Frauen, aufschaut zum Bild der heiligen Mutter Anna, dann lernt von ihr die große Wahrheit: Die Mutterwürde ist wohl eine dornenreiche Würde, aber ein großes und heiliges Amt, ein Wohlgefallen Gottes und das Unterpfand einer besonders herrlichen Krone im Himmel. Amen. 

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4.

 

Der schlichte Heilige

 

Unter den Heiligen der katholischen Kirche gibt es sehr viele, von denen die Kirche sagt, dass sie die Tugend in heroischem Maße geübt haben. Ein heiliger Franz von Assisi liebte die evangelische Armut so sehr, dass er freiwillig auf sein ganzes Vermögen verzichtete und nur von dem leben wollte, was die Leute ihm als Almosen reichten. Der heilige Franz Xaver übte die Ehrfurcht seinen Ordensoberen gegenüber so, dass er seine Briefe an sie kniend schrieb. Ist es nicht eine heroische Ausübung der Kreuzesliebe, wenn eine heilige Theresia ausruft: "O Herr, entweder leiden oder sterben?" Der heilige Stanislaus liebte die Herzensreinheit so, dass er wie tot hinfiel, wenn nur ein ungeziemendes Wort an sein Ohr drang.

 

Wieder andere Heilige haben Großartiges geleistet im Reich Gottes, so dass sie die Bewunderung der Mit- und Nachwelt erregten. Der schon erwähnte heilige Franz Xaver verlässt die Heimat und begibt sich unter unsäglichen Mühsalen in das ferne Indien und über das Haupt von Tausenden und Abertausenden gießt er das Taufwasser aus. Ein heiliger Bernhard wird allen alles. Seinen Vater und seine Brüder begeistert er zum Eintritt ins Kloster, Kaiser und Könige suchen seinen Rat, er  durchreist die Lande und bewirkt, dass Franzosen und Deutsche, Engländer und Italiener begeistert die Waffen ergreifen, um das Heilige Land aus der Hand der Sarazenen zu reißen.

 

Was haben andere Heilige für den Glauben gelitten: erinnert euch an die glorreiche Märtyrerzeit, da Kinder und Greise, Jungfrauen, ernste Männer und Frauen unter Lobgesängen in den Tod gehen und der Menschengeist Tag und Nacht überlegte, wie man denn neue Martern für die Christen erfinden könnte, wo die Schwerter der Henker fast stumpf wurden und die Gefängnisse zu klein für die Heldenschar der Christen.

 

Und wie haben die heiligen Kirchenlehrer die Kirche verherrlicht durch ihre wundersame Weisheit, so dass sie wie Sterne am Himmel der Kirche erglänzen. Denken wir an einen heiligen Augustinus und Johannes Chrysostomus, einen St. Thomas von Aquin und Franz Sales.

 

Ja die Heiligen! Jeder ist groß in seiner Art. Und nun schauen wir auf jenen heiligen Mann, zu dem die Gottesmutter Vater sagte: den heiligen Joachim. Wenn er in so naher Beziehung zu Maria und Jesus stand, dass er der Vater der Gebenedeiten und somit der Großvater Jesu Christi wurde, von welcher außergewöhnlichen Heiligkeit mag er wohl ausgezeichnet gewesen sein! Doch nein, wir bemerken nichts von diesen außergewöhnlichen Tugenden und Leistungen für das Reich Gottes an ihm. Auch keine Gelehrsamkeit. Wo sollte er sie auch herhaben? Er war ja ein einfacher, schlichter Mann aus dem Volk, wenn er auch stammte aus Davids königlichem Geschlecht. Aber das Geschlecht war verarmt und er verdiente mit seiner Hände Arbeit das Nötige für sich und die Seinen. Er hat auch nicht sein Leben und Blut wie die heiligen Märtyrer für Gottes Sache hingegeben, nein er starb eines friedlichen und sanften Todes auf seinem Lager. Er hat auch nichts Außergewöhnliches geleistet für die Ausbreitung des Reiches Gottes, wie etwa die Missionare. Das Größte, was er vielleicht in der äußeren Ausübung der heiligen Religion geleistet hat, war die jährliche Wallfahrt zum Osterfest nach Jerusalem. Auch wird uns nichts von außergewöhnlichen Tugenden des Heiligen berichtet.

 

Und doch beten wir zu ihm: "Heiliger Joachim, bitte für uns!" Und doch rief er so das Wohlgefallen Gottes hervor, dass er gerade Joachim auserwählte, damit er sei der leibliche Großvater der zweiten göttlichen Person, dass er sei der nächste Anverwandte Jesu Christi. Was für eine Absicht mag wohl Gott bei dieser sonderbaren Wahl gehabt haben? Marienverehrer! Vielleicht wollte Gott uns an die trostreiche Wahrheit erinnern, dass die wahre Heiligkeit nicht geräuschvoll und glänzend auftritt vor der Welt, dass die wahre Heiligkeit ein gar schlichtes Gewand anhat und sich vor der Welt nicht viel bemerkbar macht, dass auch der vor Gott ein Heiliger ist, der still und demütig durchs Leben geht und unverdrossen seiner Pflicht lebt, ob nun die Welt es anerkennt oder nicht. So war der heilige Joachim ein Mann der Pflicht. Ob er nun die Pflichten erfüllte, die ihm das mosaische Gesetz auferlegte, ob er die Pflichten tat, die auf ihm ruhten als Hausvater und Brotverdiener, er tat sie ruhig und unverdrossen und betrachtete es als eine Selbstverständlichkeit, seinen Pflichten zu leben.

 

Weißt du nun, lieber Marienverehrer, wie auch dir die Blume der Heiligkeit blühen kann? Um ein Heiliger, eine Heilige zu sein, ist es nicht notwendig, dass du vielleicht stundenlang auf deinen Knien daliegst und im Gebet zu Gott aufblickst, es ist nicht nötig, dass du deinen Leib kasteist bis aufs Blut, es ist nicht nötig, dass du dein Vermögen unter die Armen austeilst und vom Almosen lebst wie ein heiliger Franziskus, es ist nicht nötig, dass du Heimat und Familie im Stich lässt und unter die Heiden gehst als Missionar, nein, du brauchst nur geduldig und unverdrossen deine Pflicht tun, in die du von unserem Herrgott hineingestellt bist und du kannst vor Gott ein großer Heiliger sein. Du bist z.B. eine arme Dienstmagd, musst dich viel mühen und plagen in Stall und Feld und bist abends todmüde, so dass dir kaum die Zeit bleibt zu einem andächtigen Abendgebet. Und doch kannst du bei deinen groben, einfachen Arbeiten eine Heilige sein. Opfere nur die Werke deiner Hände täglich dem Herrn auf: "Mein Gott, zu deiner Ehre sei mein Tagewerk heute vollbracht." Und wenn die Arbeit viel zu schwer wird, dass du aufseufzen möchtest, sage nur wieder ein Stoßgebetlein: "Mein Gott, dir zuliebe!" Und wenn vielleicht für all deine Plage keine Anerkennung kommt und vielleicht ein hartes Wort dich trifft, das dir weh tut, ein Blick aufs Kreuz, an das unser Gott von denen angenagelt wurde, für die er sich opferte in mühseligster Arbeit, und du bist wieder ruhig. Und so gehst du Tag für Tag durchs Leben, fleißig, grundehrlich und rechtschaffen, und der Sonntag ist dein Tag, an dem du wieder bei deinem Gott Kraft und Mut suchst. Schau, lieber Marienverehrer, du bist dann wirklich ein Heiliger, eine Heilige, auch wenn du von der Kirche nicht heiliggesprochen wirst. An uns gehen oft Menschen vorüber, wir beachten sie kaum, wir sehen nichts Außergewöhnliches, nichts Übertriebenes an ihnen, und doch sind wir an Heiligen vorübergegangen, auf denen schon lange Gottes Auge mit großem Wohlgefallen ruht.

 

Lieber Marienverehrer! Nicht wahr, auch du möchtest so glücklich sein, dass Gott mit Freude auf deine stille Heiligkeit schaut? So tritt hinein in die Fußstapfen des heilige Patriarchen St. Joachim und flehe zu ihm um seine Hilfe mit den Worten der Kirche in der heiligen Messe am Fest des heiligen Joachim: "O heiliger Joachim, Gemahl Annas, Vater der seligsten Jungfrau, verleihe deinen Dienern hienieden Hilfe, Halleluja!" Amen. 

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5.

 

Der Mann mit der Lilie

 

Wenn wir an die verschiedenen Bekannten und Verwandten der seligsten Jungfrau denken, dann tritt vor unser geistiges Auge jene hehre Heiligengestalt, die zu Maria in innigster und zartester Beziehung stand: der heilige Josef, der Nährvater Jesu Christi.

 

Wie war nun das Verhältnis des heiligen Josef zur seligsten Jungfrau? Die Heilige Schrift nennt ihn "den Mann Mariä", d.h. den Ehegemahl der seligsten Jungfrau, dem sie als Gattin anverlobt wurde, dem sie in das schlichte Arbeiterhäuschen zu Nazareth folgte, mit dem sie bis zu seinem Tod unter einem Dach lebte.

 

Aber trotzdem dürfen wir uns das eheliche Verhältnis zwischen Maria und Josef nicht so vorstellen, wie es sonst zwischen Eheleuten besteht. Maria hatte Gott ewige Jungfräulichkeit gelobt. Sagte sie denn nicht zum Erzengel Gabriel, als er ihr Gottes wundersame Botschaft brachte: "Wie soll denn dies geschehen, da ich keinen Mann erkenne?" Maria hatte dieses ihr heiliges Gelöbnis auch dem heiligen Josef mitgeteilt, als sie sein Haus betrat. Und Josef achtete in zartester Rücksichtnahme diesen Wunsch seiner Verlobten, und erst recht, als ihm offenbart wurde, zu welcher Würde seine jungfräuliche Gemahlin erhoben wurde, da kannte seine Ehrfurcht ihr gegenüber keine Grenzen mehr, sie wurde ihm die erhabene Königin, der zu dienen als letzter Diener er als ein unsagbares Glück betrachtete. Könnt ihr euch ein schöneres, ein zarteres Verhältnis vorstellen, als wie es zwischen Maria und Josef bestand? Vor den Augen der Welt waren sie Eheleute, Jesus galt als Sohn Josefs und Mariens, im Häuschen zu Nazareth lebten sie als Bruder und Schwester in einer geradezu englischen Reinheit nebeneinander. 

 

Dieses erhabene Beispiel hat auch in den späteren christlichen Jahrhunderten manche Nachahmer gefunden: Die heilige Jungfrau Cäcilia und ihr jungfräulicher Gemahl Valerian, die heilige Kaiserin Pulcheria und ihr Gemahl Marian, Kaiser Heinrich der Heilige und seine heilige jungfräuliche Gemahlin Kunigunde und viele andere, die hinblickend auf die Lilie in der Hand des heiligen Josef, auch im ehelichen Stand nicht verzichten wollten auf diese Lilie der Jungfräulichkeit, um dereinst dem Lamm ganz nah folgen zu können in weißen Gewändern mit Palmen in den Händen. 

 

Als Haupt der Heiligen Familie sah es der heilige Josef als seine oberste Pflicht an, für diese ihm von Gott anvertraute Familie Sorge zu tragen, dass jede Not und jeder Mangel fern gehalten wird von ihr. Denken wir an seine Sorgfalt bei der Flucht nach Ägypten: wie hart mag es ihm geworden sein, die Heimat zu verlassen, sein Arbeitsfeld zu verlassen, durch unbekannte Ländereien zu reisen, bei Tag und Nacht in steter Sorge, die Häscher des Herodes könnten ihn einholen und das göttliche Kind ihm entreißen. Wie hart wird es ihm geworden sein, sich einzuleben in die fremden Verhältnisse in Ägypten, bei Menschen, die eine andere Sprache redeten als er, sich wieder eine Arbeit zu suchen, um das tägliche Brot zu verdienen. Und Josef unterzog sich dieser Pflicht ohne Murren, ohne Missmut. Nein, wenn es auch für ihn eine große Sorge war, er fasste es doch mit unendlicher Freude als eine große Ehre auf, für den Schöpfer der Welt und dessen heilige Mutter sorgen zu dürfen.

 

Würden doch die christlichen Männer der heutigen Zeit vom heiligen Josef lernen! Der Mann ist das Haupt der Familie er ist der Nährvater, der Brotgeber. Wehe der Familie, wenn der Mann diese Pflicht vergisst, der in unchristlicher Selbstsucht nur an sich und sein Wohlergehen denkt und um seine Familie sich nicht kümmert. O wie viele Tränen sind schon aus den Augen bekümmerter Frauen geflossen, die am Samstag sehnsüchtig warten, bis der Mann den Wochenlohn heimbringt, damit sie wieder das Nötige an Brot und Mehl und Milch für die Familie anschaffen kann und unterdes sitzt der Mann vielleicht in der Schnapsschänke oder in einem sonstigen Vergnügungslokal und vertrinkt und verspielt den sauer erworbenen Lohn und denkt nicht an die sich grämende Frau zu Hause und die Kinder. Arme Familie!

 

Versteht ihr, liebe Marienverehrer, warum die Kirche das Fest des heiligen Josef unter die gebotenen Feiertage aufgenommen hat und zu einem Feiertag der christlichen Männer gemacht hat? Mir scheint, als habe die Kirche die Blicke der Männer hinwenden wollen auf diesen heiligen Mann, zu dem Jesus Christus Vater sagte: "Seht da den gerechten, den getreuen, den pflichteifrigen Mann und lernt von ihm." Denn wahrlich viel Familienleid schwände in den christlichen Familien, wenn die Männer öfters an diesen heiligen Mann Mariens denken würden.

 

Und noch eine schöne Lehre wollte uns der liebe Gott geben, indem er gerade St. Josef zum Gemahl der seligsten Jungfrau erkor. Hat da Gott nicht seinen Segen über die Arbeit ausgesprochen? Einstmals sprach Gott einen Fluch aus: "Die Erde sei verflucht um deinetwillen, Dornen und Disteln soll sie dir tragen und im Schweiß deines Angesichtes wirst du dein Brot essen." Und wahrlich, es schien, als ob die Erde seit dieser Stunde verflucht sei. Wie mussten und müssen die Menschen ringen in harter Arbeit, um dem Boden die karge Nahrung abzugewinnen, wie viele Schweißtropfen müssen die Erde betauen, ehe sie sich erbarmt und von ihren Gaben uns gibt. Und die Arbeit wurde auch als Fluch betrachtet. Wer arbeitete, wurde als ein niederer Mensch angesehen, nur elende Sklaven bebauten im Altertum den Boden und übten das Handwerk aus. Aber Gott dachte ganz anders und deshalb vertraute er einem schlichten Arbeiter, dem Zimmermann Josef seinen Eingeborenen an, bei ihm verbringt Jesus Christus den größten Teil seines Erdenlebens, ihm hilft Jesus Christus bei seinen Arbeiten, er der Himmel und Erde aus dem Nichts erschaffen hat, er greift selbst zum Hobel und zum Beil und ist freudig erregt, wenn sein Lehrherr Josef mit ihm zufrieden ist.

 

Gibt es ein erhabeneres Loblied auf die Arbeit als die Stube von Nazareth mit Josef und Jesus an der Hobelbank? Seit dem der Sohn Gottes selbst Hand angelegt hat an die Arbeit in der Werkstatt seines Nährvaters, seitdem ist die Arbeit geheiligt und ein Gott wohlgefälliges Werk.

 

Und wieder sehen wir die betrübende Erscheinung in der heutigen Welt, dass die Arbeit wieder als Fluch aufgefasst wird, dass man die Arbeit nur seufzend verrichtet als Mittel, um sein Leben zu fristen, dass man mit Unwillen das Joch der Arbeit auf sich nimmt und sich diesem Joch zu entziehen trachtet, wo man nur kann. Wir sehen die betrübliche Erscheinung, dass die Arbeit nicht mehr gewissenhaft verrichtet wird und jene Menschen sterben immer mehr aus, von denen man sagen konnte: das ist ein gewissenhafter Mensch, was er übernommen hat, führt er aufs beste aus, unbekümmert, ob er eine Aufsicht hat oder nicht. Immer häufiger hört man klagen, dass sich dieser oder jener seine Arbeit wohl gut bezahlen lässt, aber seine Arbeit doch nicht viel wert ist. Woher kommt denn diese Verfallserscheinung? Je mehr das Christentum schwindet bei den Menschen, desto mehr schwindet auch das Pflichtgefühl. Wer ein rechter Christ ist, der bemüht sich, dem Beispiel St. Josefs folgend, tadellos dazustehen als Mann, der es ernst nimmt mit allem, was ihm auferlegt ist. Der schämt sich seiner Arbeit nicht, ob es nun körperliche oder geistige Arbeit ist, sondern er freut sich, am heiligen Josef einen Kameraden gefunden zu haben, der durch sein hehres Beispiel ihm hilft, unverdrossen alles Harte und Schwere zu überwinden durch das bloße Wort "Pflicht" und der ihm zeigt, wie man dabei immer wieder neue Kraft schöpft: mit Jesus Christus vereint bleiben, nie von ihm sich zu trennen im Leben und im Sterben. Amen.

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6.

 

Eine noble Bekanntschaft

 

Manche Menschen haben die schließlich verzeihliche Schwäche, dass sie sich gerne ihrer vornehmen, ihrer noblen Bekannten rühmen, als würden sie selber dadurch in einen höheren Gesellschaftskreis emporgehoben, in eine noblere Sphäre versetzt. Nun wenn wir diesen allzumenschlichen Standpunkt auch auf Maria anwenden und sie fragen würden, welche Kreise denn zu ihrer näheren Bekanntschaft gehören, o da könnte uns Maria ganz stolz - wenn es bei ihr möglich wäre - berichten: "O ich habe auch sehr vornehme Bekannte gehabt. Denkt euch: ein mächtiger Fürst kam zu mir auf Besuch und beugte sich tief vor mir und brachte mir einen Gruß von dem mächtigsten und größten König der Welt." Ihr ahnt es schon, liebe Marienverehrer, welchen Bekannten der Gottesmutter ich meine: es ist der Erzengel Gabriel, dieser glänzendste Himmelsfürst, den Gott gleichsam als Kurier mit einer Sonderbotschaft zu Maria sandte.

 

Stellen wir uns diese heilige Stunde recht lebhaft vor Augen, in der Maria den Erzengel Gabriel kennenlernte. Einen herrlichen Gruß sprach der Engel aus beim Anblick der reinen Menschenblume, deren Tugendglanz so hell erstrahlte, dass er das Entzücken des Allerhöchsten hervorrief. O heilige Stunde, in der zum ersten Mal in der Welt der Engelsgruß ertönte: "Gegrüßet seist du Maria, voll der Gnade, der Herr ist mit dir, du bist gebenedeit unter den Frauen." Was für eine gnadenreiche Stunde! Denn in dieser Stunde vertauschte die zweite Person in Gott den glänzenden Palast des Himmels mit dem Tränental der Erdenheimat, in dieser Stunde ist "das Wort Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt", um uns undankbare Menschen zu retten aus Sünde und Tod. 

 

Marienverehrer, wundert es euch noch, dass die Kirche in dankbarer Gesinnung uns Menschen Tag für Tag und Tag für Tag erinnert an dieses trostreiche, beglückende Geschehnis, indem sie dreimal im Tag, wenn der Tag beginnt mit dem grauenden Morgen und wenn die Sonne hoch im Mittag steht und wenn sie wieder schlafen geht im Westen, die Glocken und Glöcklein erklingen lässt in Stadt und Dorf, von den Türmen der mächtigen Kathedralen und von den Holztürmchen der Holzkapellen? Und Mensch und Natur lauschen den Klängen, die so majestätisch und wieder so lieblich hinhallen über das Meer der Häuser und die blumenreichen Gefilde und wem nur ein gläubiges Herz in der Brust schlägt, der faltet gar fromm seine Hände und stimmt ein in das Grüßen der Glocken: "Gegrüßet seist du Maria!"

 

Liebe Marienverehrer! Tausend Jahre sind vor Gott wie ein Tag. Die lange, lange Zeit, die verflossen ist seit jenem ersten Ave Maria bis herauf zu der jetzigen Stunde ist vor Gott nur wie ein kurzer Tag. Aber auch dieser Tag Gottes hat einen Morgen, einen Mittag, einen Abend: es ist dies das christliche Altertum, das christliche Mittelalter und die Neuzeit. Aber der englische Gruß hat hineingeklungen in den Morgen des christlichen Altertums, in den Mittag des glaubensstarken Mittelalters, in den Abend der Neuzeit.

 

Wer wollte zweifeln, dass Maria schon in den ersten Christlichen Jahrhunderten verehrt wurde? Schon ihre Zeitgenossen hegten eine unbegrenzte Ehrfurcht für sie, denn sie dachten: wenn Gott einen Menschen grüßen lässt, kann es nicht gottlos sein, diesen Gruß Gott nachzusprechen. Sie dachten: wenn der Heilige Geist die Weissagung gibt, dass alle Geschlechter Maria selig preisen werden, so kann es nur vernünftig sein, wenn die Menschen diese Weissagung erfüllen. Und lange, bevor über der Erde Kirchen zu Ehren der Gottesmutter erbaut wurden, knieten schon unter der Erde in den Katakomben die Christen der ersten drei Jahrhunderte vor den Marienbildern, die an die Wände bei den Märtyrergräbern gemalt sind und wenn sie weggerissen wurden zu Marter und Tod vor die wilden Tiere und zu den Scheiterhaufen, ein letzter, scheidender Blick auf das Bild der Mutter gab ihnen Kraft, die Martern für Christus geduldig zu leiden. 

 

Und als im 5. Jahrhundert eine große Menge von Bischöfen beim Konzil zu Ephesus versammelt waren und als Glaubenslehre verkündeten, dass Maria die Gottesmutter sei, da kannte der Jubel des Volkes keine Grenzen, mit brennenden Fackeln in der Hand, unter Lobliedern begleiteten sie die Konzilsväter in ihre Wohnung. Ja am Morgen des Christentums, da ertönte laut freudig die Aveglocke mit dem Engelsgruß.

 

Aber nicht minder hell erscholl auch am Mittag des Christentums die Aveglocke. Vielleicht keine Zeit, die sich rühmen könnte, einen so zarten und innigen Marienkultus betrieben zu haben, wie das christliche Mittelalter. Da sang ein Walter von der Vogelweide:

 

O Magd und Mutter, schaue der Christenvölker Not!

Heil uns, dass sie den gebar,

Der unseres Todes Töter war."

 

Mit ihm sangen ungezählte andere das Lob der Himmelskönigin. Und in jener Zeit entstanden die schönsten Bilder der Muttergottes. Entzückt schaute sie im Geist der fromme Fra Angelico und malte seine Madonnen und vertiefte sich ein Raffael Santi in die hehre Würde der Gottesmutter und überlieferte der Welt seine Wunderwerke wie z.B. seine Madonna Sistina. Damals entstanden die gewaltigen Mariendome, in denen noch heute die Besucher sprachlos vor Entzücken stehen. Was für eine Liebe zu Maria musste in den Menschenherzen lodern, dass sie die gewaltigen Steinmassen in Bewegung setzten, so dass diese gleichsam reden: "Gegrüßet seist du Maria". In jener Zeit entstand das wunderliebliche Salve Regina eines heiligen Bernhard und glitten die Rosenkranzperlen durch die Hand des heiligen Dominikus als Waffe gegen die Irrlehren. In jener Zeit wurde ihr als Dank für den glänzenden Sieg bei Lepanto über den Erbfeind der Christenheit der erhabene Titel beigelegt: auxilium christianorum - Hilfe der Christen.

 

Doch nun fragen wir: Ist die Marienverehrung, die so hell aufleuchtet am Morgen und Mittag des Christentums, auch lieblicher Abendstern am Abend der Neuzeit? Passt die Marienverehrung noch in das Zeitalter der Glaubensspaltung, in das Zeitalter der versinkenden Religion, in die Zeit der harten Kämpfe um das tägliche Brot, in die Zeit der Technik und Kultur? Passen die Marienkirchen noch zu den modernen Verkehrsmitteln, Flugzeugen, Satelliten, Raumschiffen, zu den Banken, Wolkenkratzern und Mietskasernen, zu den Fabriken und Konzernen und dem Schiffsverkehr, zu den Krankenhäusern, Schulen, Universitäten  und Gefängnissen der Neuzeit? Ja, ja, und dreimal ja. Auch in der Neuzeit muss und soll klingen und singen in die unruhigen Menschenherzen hinein die Abendglocke der Muttergottesliebe. Und sie läutet auch. Ist nicht die Neuzeit das Zeitalter der marianischen Vereinigungen, in denen Menschen aller Stände und Berufe sich feierlich der Muttergottes geweiht und ihr feierlich gelobt, sie zu erwählen als Herrin, Beschützerin und Mutter und ihr und ihrem göttlichen Sohn in Treue zu dienen? Ist nicht die Neuzeit die Zeit der feierlichen Proklamierung des Glaubenssatzes der Unbefleckten Empfängnis? Ist nicht die Neuzeit die Zeit der glänzendsten Erscheinung der Gottesmutter zu Lourdes, wo die Menschen aus allen Erdteilen bei der Grotte Massabielle zusammenströmen und in allen Sprachen der Welt ihr verkünden, wie lieb sie Maria haben? 

 

Ja Marienglocke, klinge, klinge fort und sage den Menschen, dass auch heute noch eine gute Mutter über uns wacht, und segnet und beschützt. Ja, liebe Marienverehrer, lassen auch wir uns nicht beschämen durch das leuchtende Beispiel der Christen im Altertum und Mittelalter. Schauen wir mit derselben Liebe auf zur Immaculata, die die Schlange mit Füßen tritt. Sehen wir denn nicht allerorts, wie heute die Menschen den Flüsterungen der alten Schlange Gehör schenken, wie die Menschen im Staub der Erde kriechen und alle tierischen Triebe vergöttlichen? Schaut auf zur Unbefleckten und holt euch Kraft. Gleichwie sie der Schlange den Kopf zertreten hat, soll sie herrschen über das Niedrige und Gemeine in der Menschenbrust. 

 

Klinge, klinge Marienglocke, denn es will Abend werden und der Tag hat sich schon geneigt. Hilf den Menschen, dass sie sich anklammern an Mariens Schutzmantel, damit nicht die Nacht des ewigen Todes sich breite über die armen Kinder Evas. Amen. 

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7.

 

Die gute Base im Gebirge

 

Es ist ein wunderliebliches Bild, das uns der heilige Lukas in seinem Evangelium malt, wenn er uns die Muttergottes zeigt, wie sie eilenden Schrittes über das Gebirge Judäas schreitet. Was treibt denn die heilige Jungfrau an, das stille Haus von Nazareth zu verlassen und eilends den weiten Weg einzuschlagen, der nach Hebron führt? Ach es ist die Freude, die Maria nicht mehr verschließen kann in ihrem Herzen, es drängt sie, von dieser Freude einer anderen treuen Seele mitzuteilen. Und nun hat sie Hebron erreicht. Da eilt eine alte Frau ihr entgegen und vom Heiligen Geist erfüllt, wiederholt diese die Worte des Engels und spinnt sie weiter aus: "Du bist gebenedeit unter den Frauen und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes. Wie geschieht mir, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt?" Und sie führt Maria in ihr Priesterhaus und hier tauschen die zwei Frauen heilige Geheimnisse aus, hier erklingen zum ersten Mal die herrlichen Weisen des Hochgesanges aus dem Mund der jungfräulichen Sängerin: "Hoch preist meine Seele den Herrn . . . denn er hat angesehen die Niedrigkeit seiner Magd . . . Siehe von nun an werden mich selig preisen alle Geschlechter." Und drei Monate weilt Maria bei dem greisen Paar Zacharias und Elisabeth, ihren nahen Anverwandten.

 

Lässt sie sich wohl hier bedienen, lässt sie es sich als Gast etwa wohl ergehen? So wie ihr göttlicher Sohn von sich sagte: "Der Menschensohn ist nicht gekommen, um bedient zu werden, sondern um zu dienen", so kann auch Maria dieselben Worte auf sich anwenden. Sie kam nach Hebron, um zu dienen. Soeben erst war Maria zur höchsten Würde erhoben worden, die sich nur denken lässt und siehe da, weit entfernt, darüber stolz zu sein, verdemütigt sie sich noch tief. Die Heilige Schrift sagt: als sie in das Haus des Zacharias trat, grüßte sie die Elisabeth. Die Gottesmutter grüßt zuerst Elisabeth, die jetzt doch tief unter ihr stand.

 

An Elisabeth war auch Gottes Gnade offenbar geworden: in ihrem Alter sollte sie einem Sohn das Leben schenken und nun bleibt Maria drei Monate bei ihr und hilft der alten Frau in ihren Arbeiten und nimmt ihr das Schwerste ab und richtet sie auf, wenn der alten Frau vor der Zukunft bangt. O, was mag das etwas Schönes gewesen sein, das stille Walten der Mutter Gottes bei ihrer Base Elisabeth.

 

Seht da die Ehrfurcht, die Maria dem Alter zollte. Lernen auch wir von ihr, das Alter zu ehren.

 

Warum ist denn der altgewordene Mensch verehrungswürdig für uns? Er hat vor allem vieles erfahren in seinem Leben, mehr Bitteres als Schönes. Warum sind denn seine Haare weiß, seine Stirn gerunzelt, sein Körper gebückt? Ach, es sind die vielen, vielen Sorgen, die ihn während seines langen Lebens begleiteten, es sind die vielen Mühen und Arbeiten, die er auf sich nahm, um sich und den Seinen das tägliche Brot zu verdienen. So wie wir auf eine Fahne voll Ehrfurcht blicken, die manchen Sturm mitmachte, die verschlissen und zerfetzt am Stiel weht, so wollen auch wir voll Ehrfurcht auf Menschen blicken, die der Sturm des Lebens hin- und hergetrieben und hart mitgenommen hat. 

 

Warum sollen wir das Alter ehren? Haben sie nicht die Lebensweisheit inne? Was andere vielleicht erst lernen müssen, was sie durch Studium sich aneignen müssen, das haben sie durch ihre Lebenserfahrung schon inne und können den Jungen manchen guten Rat, manche gute Lehre geben. Hätte nur der junge König von Israel Roboam dem Rat der Alten gefolgt, die ihn ermahnten, sein Volk mit Güte zu regieren, er hätte nicht den größten Teil seines Reiches verloren.

 

Warum ehren wir das Alter! Sie werden ja langsam wieder wie Kinder, sie können nicht mehr viel mit ihrer Hände Arbeit verrichten, darum haben sie Zeit, mehr an Gott zu denken, sich mit Gott zu beschäftigen, eifriger zu sein im Gebet und Gottesdienst. Sie sehen die Ewigkeit immer mehr heranrücken an sie und darum wird ihr Sinn auch immer mehr losgeschält vom Irdischen und so befinden sie sich mehr oder weniger in einem Seelenzustand, der ihnen die Freundschaft Gottes sichert. Wenn nun Gott sie liebt und ehrt, sollen nicht auch wir sie lieben und ehren? 

 

Schon manche Heiden, wie z.B. die Spartaner geben uns ein schönes Beispiel ihrer Ehrfurcht vor dem Alter. Einst suchte während der olympischen Spiele, bei denen alle Stämme der Griechen vertreten waren, ein alter Mann einen Platz. Lange irrte er herum bei Alten und Jungen, aber niemand zeigte sich bereit, ihm einen Platz einzuräumen. Da kam er zu den Plätzen der Spartaner. In diesem Augenblick standen alle jungen Spartaner ehrerbietig auf, um dem Greis Platz zu machen. Dies schöne Benehmen machte auf alle Anwesenden einen solchen Eindruck, dass ein allgemeines Beifallrufen entstand und der erfreute Greis sagte: "Ihr Götter, alle Griechen kennen die Tugend, aber nur die Spartaner üben sie aus."

 

Doch wir haben es nicht nötig, auf das Beispiel der Heiden zu sehen. Blicken wir hin auf das hehre Beispiel der Gottesmutter, wie sie das Alter ehrte nicht mit Worten bloß, sondern in der Tat und Wahrheit. Die alten Leute sind oft auch misstrauisch, sie haben ja auch viele Enttäuschungen in ihrem Leben erfahren, sie sind manchmal launenhaft und eigensinnig, wie oft die Kinder und darum ist der Dienst, den wir den Alten erweisen, nicht immer ein leichter Dienst. Dafür aber ist er vor Gott besonders verdienstlich. Die alten Leute können sich oft selber nicht mehr helfen, sind unbeholfen. Und wenn sie nun in Not sind, wenn sie sich nichts mehr verdienen können, welch ein gesegnetes Werk ist es dann, wenn wir ihnen beistehen, wenn wir ein freundliches, tröstendes Wort ihnen sagen, in ihren Krankheiten sie besuchen und ihnen helfen, über das Harte und Bittere hinwegzukommen.

 

O wie schön ist es, wenn dem Menschen, dessen Lebenssonne langsam untergeht, die Sonne der christlichen Liebe aufleuchtet. Dann ist sein Lebensabend verschönt wie ein heiterer Sonnenabend, über den die scheidende Sonne noch einmal ihre goldenen Strahlen hingleiten lässt. Und der Heiland sieht alle diese Liebeswerke an, als hätte man sie ihm erwiesen. Und wenn du einmal selber alt sein wirst und einsam und verlassen dastehst wie ein entblätterter Baum im Herbststurm, dann brauchst du nicht verzagen: der Heiland wird dir dann auch liebe, gute Menschen zusenden, die dir ihre milde Hand entgegenstrecken, dass du nicht allein gehen musst den rauen Dornenpfad, der da heißt: das Greisenalter. Amen.

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8.

 

Des Höchsten Priester

 

Drei volle Monate weilte die Mutter Gottes bei ihrer Base Elisabeth und übte da in Demut und im stillen Dienen ein herrliches Werk der Nächstenliebe aus. Und nicht nur der alten Frau galt ihre Sorge und ihre Arbeit, auch auf den greisen Ehegemahl Zacharias erstreckte sich ihre hausmütterliche Sorgfalt. Was war Zacharias ein glücklicher Mann, dass er von Marias Sorge umhegt wurde, dass er von Maria bedient wurde.

 

Und wenn wir staunend fragen: warum tut dies Maria, warum verdemütigt sich die Gottesmutter so? So ist die Antwort ja leicht. Maria die Gütige, Maria die Barmherzige sah: hier gilt es zu helfen, hier gilt es zu stützen und sie zögerte nicht eine Minute, den zwei alten Leuten ihre Liebesdienste zu erweisen. Zudem war Zacharias ihr innigst verbunden durch die Bande der Blutsverwandtschaft. Aber noch einen Grund gab es, weswegen es sich Maria als eine hohe Freude anrechnete, Zacharias bedienen zu dürfen: Sie ehrte in dem Ehegemahl der Elisabeth den Priester des Allerhöchsten.

 

Die Heilige Schrift berichtet uns, dass Zacharias zu einer der 24 Priesterklassen gehörte und zwar zur Klasse Abias, die abwechselnd den heiligen Dienst im Tempel zu Jerusalem zu verrichten hatten. Schon als sie als Tempeljungfrau ihre Jugend im Schatten des jüdischen Heiligtums verbrachte, mochte sie Zacharias gesehen und ihn beobachtet haben, wie er seinen Dienst verrichtete. Sie war unzweifelhaft Zeugin seiner Frömmigkeit, mit der er die verschiedenen gottesdienstlichen Handlungen im Tempel verrichtete und jetzt, während ihres dreimonatlichen Aufenthaltes in Hebron erfuhr sie die wundersame Begebenheit, die sich im Tempel zu Jerusalem zugetragen hat. Derselbe Himmelsbote, der ihr die Botschaft brachte von der Menschwerdung des Sohnes Gottes, derselbe war auch Zacharias erschienen zur Rechten des Rauchaltares. Eine ähnliche Botschaft wie ihr, hatte er auch Zacharias mitgeteilt: du wirst Vater eines hochbegnadeten Kindes werden, das viele bekehren wird zu seinem Herrn und Gott und vor dem Messias einhergehen wird als sein Vorläufer in der Kraft des Elias.

 

Was musste Zacharias für ein heiliger Priester sein, dass er die Aufmerksamkeit Gottes selbst erregt, dass er der Träger eines großartigen Gotteswunders wird! Und wenn er auch für eine kleine Schwäche, dass er nämlich in das Unfassbare des Wunders sich nicht finden konnte und einen Augenblick zweifelte, wenn er dafür zur Buße stumm blieb bis zum Tag der Geburt des Johannes, das minderte nicht die Ehrfurcht, die Maria zu dem Priester Zacharias hegte.

 

Doch, liebe Marienverehrer, was ist das Priestertum, das Zacharias ausgeübt hat im Vergleich zum neutestamentlichen Priestertum, das Jesus Christus selbst eingesetzt hat? Stellen wir nur diesen kurzen Vergleich an: Die Hauptaufgabe der Priester des Alten Bundes bestand im Opfern. Der Opfer gab es in Israel eine große Zahl: da waren blutige und unblutige Opfer, da waren die Morgen- und Abendopfer, die Opfer am Sabbath und je größer das Fest, umso mehr Opferblut floss vom Opferaltar. Ganze Hekatomben Rinder wurden manchmal geschlachtet. Und der Priester legte die Schaubrote aus feinstem Weizenmehl auf den goldenen Schaubrottisch und er räucherte vor Gottes Angesicht und betete, dass Gott wegnehmen möge die Sünden des Volkes. 

 

Und nun tretet in das schlichteste Dorfkirchlein ein und ermesst an den Verrichtungen des katholischen Priesters die unendliche Würde und Erhabenheit des neutestamentarischen Priestertums. Auch er steht am Altar und opfert, auch bei seinem täglichen Morgenopfer fließt Blut, das edelste, das kostbarste Blut, das es gibt im Himmel und auf Erden, jenes Blut, das abwäscht die Sünden der Welt, dieses Blut, das auslöscht die Flammen des Fegefeuers. Auch er, der Priester, streckt seine Hand aus nach dem Opferlamm. Aber es ist dieses Opferlamm der makellose Leib unseres Herrn Jesus Christus, geboren aus Maria, der Jungfrau. O, eine einzige Heilige Messe, gefeiert vom katholischen Priester, wiegt alle die 100.000 Opfer auf, die da bluten in den Vorhöfen des Tempels von Jerusalem. 

 

Der Priester Zacharias konnte nur beten, Gott möge die Sünden wegnehmen von der Seele des opfernden Volkes. Der Priester des Neuen Bundes nimmt sie tatsächlich ab von der gebeugten Seele durch das einzige Wörtchen, das die Hölle schließt und die Pforten des Paradieses auftut: ego te absolvo - ich spreche dich los von deinen Sünden. O wenn die Beichtstühle in unseren katholischen Kirchen sprechen könnten, sie würden uns erzählen von ungezählten getrockneten Tränen. O wenn die Sterbebetten erzählen könnten, zu denen der katholische Priester Zutritt fand, sie würden einen Jubelhymnus anstimmen auf die Barmherzigkeit Gottes, der uns durch seinen Priester die bittere Todesnot des Sterbens lindern will. 

 

Zacharias konnte nur räuchern vor dem Altar Gottes, der Priester des Neuen Bundes schließt auf die Quellen der Gnaden, die uns durch die heiligen Sakramente zuströmen.

 

Er ist der Leuchtturm, der in dem geistigen Meer der gefährlichen Brandungen und Finsternis, die sich über die heutige, ungläubige Welt herabgesenkt hat, das Licht der Wahrheit leuchten lässt und die Seelen, die sich seiner Führung überlassen, glücklich führt in den Hafen des ewigen Friedens.

 

Zu Beginn des Krieges 1914 wurde in Frankreich die Ordre an alle Küstenstationen herausgegeben: die Leuchttürme auslöschen! Damit kein feindliches Schiff der Küste sich nahen könne.

 

Die Leuchttürme auslöschen! Stelle es dir gut vor, was aus einem Land wird, in dem das Licht des Priestertums erlischt. Der berühmte französische Schriftsteller und Priester Pierre l`Ermite erzählt von einem Dorf, das seit zehn Jahren ohne Priester ist: Die Sakristei stürzt ein, es regnet auf die Schränke, in denen die Ornate verschimmeln, zwischen den Fliesen des Chores wächst Gras und auf dem unbenützten Friedhof spielen Kinder mit den Totenköpfen Kegel. In diesem Dorf leben die Einwohner wie die Tiere: sie essen und trinken, sie arbeiten und schlafen. Wenn sie zum Himmel schauen, auf dem die Sterne funkeln, dann nur, um nach dem Wetter zu sehen, das es morgen haben werde. Sie glauben nicht an Gott, nicht an die Seele, nicht an ein künftiges Leben. Sie wissen nicht einmal, was das ist. Aber sie glauben an ihren Dünger. Die Kinder wachsen heran ohne Kenntnis von gut und böse. Die Kranken sterben ohne Beistand, ohne Hoffnung, und wenn sie tot sind, dann scharrt man sie ein wie Kälber und kein Mensch betet für sie.

 

Die Leuchttürme auslöschen! Ermesst ihr es, was wir am katholischen Priestertum haben? Lasst euch nicht irre machen am katholischen Priestertum, wenn die ganze Macht der Finsternis losstürmt gegen das Priestertum und alle Kübel des Hasses und der Verleumdung darüber ausgießt. Lasst euch nicht irre machen, selbst wenn ihr Ärgernisse sehen solltet im Priestertum. Auch Maria hat an Zacharias keinen Anstoß genommen trotz seiner Unvollkommenheit. Denkt immer daran: Unendlich mehr als der Schaden, den ein unwürdiger Priester anrichtet, wiegt der Segen, der vom katholischen Priestertum ausgeht über die ganze Welt. Ein Volk, das seine Priester noch ehrt, lässt Gott nicht zugrunde gehen. Amen. 

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9.

 

Der Löwe in der Wüste

 

Wer von euch, liebe Marienverehrer, kennt nicht das Bild, das die Muttergottes darstellt, wie sie den kleinen Jesusknaben an der Hand hält? Und daneben der kleine Johannes, schon jetzt den jugendlichen Leib in ein raues Tierfell eingehüllt, wodurch die spätere strenge Lebensweise dieses heiligen Mannes angedeutet werden soll. Gewiss war Johannes, der Sohn des Zacharias und der Elisabeth, der Mutter Gottes sehr gut bekannt. Sie war ja Zeugin der ersten Regungen seines irdischen Lebens, sie hielt gewiss den Verkehr mit der ihr lieben und verwandten Familie des Zacharias auch später aufrecht und wenn der Heiland von Johannes spricht als dem Größten der von einer Frau Geborenen, so hat gewiss die Mutter Gottes den Lebensgang dieses heiligen Kindes verfolgt von seiner frühesten Kindheit bis zu seinem tragischen Tod. Sie hat sich gefreut über die Erfolge und die Ehre, die ihm von Seiten der Juden zuteil wurde, die hinauseilten zum Jordan, um der "Stimme eines Rufenden in der Wüste" zu lauschen. Sie bemitleidete ihn, als sie von seiner Einkerkerung durch Herodes, den König, erfuhr und hat ihm Tränen treuer Verwandtenliebe geweint, als sie sein schmerzliches Ende erfuhr.

 

Johannes der Täufer wird vom Heiland als einer der Größten gepriesen. Ein Lob aus dem Mund Jesu Christi wiegt tausendfältiges Menschenlob auf. Ja ein Großer war Johannes! Er war groß in seinen Predigten: die Bewohner der Großstadt Jerusalem eilten ihm scharenweise zu und nahmen die bitteren Wahrheiten, die er ihnen sagte, geduldig hin. Groß war Johannes in seiner Abtötung: ein Gürtel aus Kamelhaaren war seine Kleidung, Heuschrecken und Waldhonig seine Nahrung. Groß ist Johannes in seiner rührenden Demut, mit der er ins Nichts verschwinden will, wenn der Stern Jesu Christi hell aufleuchten wird im Judenland. Aber wisst ihr, liebe Marienverehrer, wann Johannes am allergrößten war? Kommt, begleiten wir ihn! Wir sehen ihn, wie er einmal seine liebe Wüsteneinsamkeit am Jordan im Stich lässt, er nimmt den Wanderstab zur Hand und wandert, wandert. Bei einem prächtigen Palast macht er Halt. Was will der bleiche, abgezehrte Mann mit dem elenden Kamelhaarschurz in dem Luxus des königlichen Palastes! Erstaunt schauen ihm wohl die Wachen nach, wie er unerschrocken durch ihre Mitte schreitet und die Marmortreppen emporsteigt und eintritt in die teppichbehangenen, von schwülen Ambradüften durchfluteten Gemächer. Jetzt steht er vor dem König. Andere zitterten vor seinem strengen Blick und beugen tief Knie und Rücken vor dem gewaltigen Machthaber. Johannes tut das alles nicht. Ernst hebt er den Arm und spricht das berühmte Wort: "non licet!" Es ist nicht erlaubt o König, dass du die Frau deines Bruders hast. - Herodes lebte mit Herodias, der Frau seiner Bruders Philippus in unrechtmäßiger Ehe. Doch niemand, auch der Hohepriester von Jerusalem wagte es, dem König seine Sünde vorzuhalten. Erst Johannes brachte den Mut auf, ganz offen und rückhaltlos dem König die Sünde ins Gesicht zu sagen. Wir wissen, welchen Lohn Johannes für seinen Freimut davontrug: er wurde in das Gefängnis geworfen und nun ruhte die ehebrecherische Frau Herodias nicht eher, als bis ihr auf einer Schüssel das Haupt des hingemordeten Propheten präsentiert wurde.

 

Wer von uns beugte nicht in Ehrfurcht sein Haupt vor diesem echten Mann Johannes? Besonders heute, wo wir auch unter Männern so viele Feiglinge, so viele Leisetreter, so viele Kompromissler zählen, heute hätten wir es besonders nötig, uns an dem männlichen Mut, an der Überzeugungstreue eines heiligen Johannes aufzurichten. Heute wäre es notwendiger als je dass wieder Johannes vor die Menschheit hintrete, vor die Großen dieser Welt sowohl wie vor die Kleinen, vor Geschäftsleute und Staatsdiener, vor Jugendpädagogen und Hilfsarbeiter, vor Parlamentarier und Minister und mit fester Stimme das alte Wort wiederhole: "non licet - es ist euch nicht erlaubt!"

 

Viele tausend Jahre ist es schon her, seitdem Gott unter Donner und Blitz auf Sinais Höhen seine unabänderlichen Gesetze an die Menschheit erließ. Damals sagte auch Gott: es ist dir nicht erlaubt, an falsche Götter zu glauben und sie zu ehren, es ist dir nicht erlaubt, meinen heiligen Namen zu missbrauchen und meinen heiligen Tag zu entweihen. Es ist dir nicht erlaubt, meinen Stellvertreter auf Erden die Ehrfurcht zu verweigern, es ist nicht erlaubt, einzugreifen mit frevler Hand in mein Recht über Leben und Tod, es ist dir nicht erlaubt, die Ehe zu entweihen und die Hand nach fremdem Eigentum auszustrecken, es ist dir nicht erlaubt, die Wahrheit umzubiegen, ja nicht einmal erlaubt sei die unrechte Begierde. Diese Gesetze stellte Gottes Weisheit als Lebensregel des Menschengeschlechtes auf und durch Jahrtausende hindurch sind einzelne Menschen und ganze Völker solange glücklich und zufrieden gewesen und haben den ganzen Segen des Gehorsams gegen diese Gebote an sich erfahren, als sie auch diese Gebote als ihre Lebensnorm ansahen. Aber heute wollen die Menschen alles besser verstehen als Gott selbst, heute wollen sie es nicht mehr begreifen, dass zum wahren irdischen Glück unbedingt das Festhalten an Gottes Geboten führt. Die Menschen wollen gescheiter sein als Gott und darum erlauben sie sich, an diesen altehrwürdigen, erprobten Gottesgesetzen herumzukorrigieren und herumzureformieren oder sie sogar ganz aufzuheben.

 

Will man nicht heutzutage schon das 1. Gebot beseitigen? Rufen es nicht tausende und abertausende Stimmen der verführten Menschheit zu: "Was ihr glaubt noch an einen Gott und an ein Jenseits? Lasst euch nicht auslachen! Es gibt keinen Gott und keinen Himmel, auf den die Pfaffen nur das arme Volk vertrösten. Macht euch den Himmel auf Erden, denn nach dem Grab ist das Nichts!" Und man reformierte das 4. Gebot: "Ihr Jungen, lasst euch nur von den Alten nichts mehr sagen. Ihr seid selber gescheit genug." Und man reformierte das 5. Gebot, indem man die himmelschreiende Sünde des Mordens der Ungeborenen als eine notwendige Forderung der Zeit hinstellt und die Straflosigkeit solcher Mörder gesetzlich festlegen will. Man reformierte das 6. Gebot: die Heiligkeit und Unauflöslichkeit der Ehe wurde ihres übernatürlichen Charakters beraubt und zu einem bloßen Vertrag herabgewürdigt, der gegenseitig gekündigt und gelöst werden kann. Man korrigierte das 6. Gebot, indem man den Grundsatz des Sichauslebens, des die Jugend Genießens als höher hinstellte als Gottes unveränderliches Gesetz. Man reformierte das 7. Gebot, indem man die großen Räuber und Diebe, die Bestechungsgelder in Millionenhöhe annehmen, die hohe Ämter als Mittel betrachten, um sich auf fremde Kosten möglichst schnell zu bereichern, noch immer als Ehrenmenschen gelten lässt, wenn ihnen kein gerade grober Fall nachgewiesen wird. Man reformierte das 8. Gebot, indem man der Lüge einen schimmernden Thron errichtete in den Zeitungen, im öffentlichen gesellschaftlichen Leben. 

 

O die Menschen wollen besonders klug sein, klüger als Gott, darum dispensieren sie sich so leicht und seelenruhig von diesen angeblich veralteten Ansichten und Geboten.

 

Aber ich frage: hat diese Revolution gegen Gottes ewige Gesetze der Menschheit Glück gebracht? Schaut euch nur das alltägliche Leben an, werft einen Blick hinein in die Zeitungen: Lauter Mord und Totschlag, Einbrüche, sexuelle Übergriffe, Rassismus, Selbstmorde, Streiks, Revolutionen, Steuerhinterziehungen! Immer größere Psychiatrien und Krankenhäuser und dem gegenüber genug Platz in den Kirchen. Schaut das alles aus nach einem größeren Glück der Menschheit? Liebe Marienverehrer! Glaubt es mir: Gott lässt nicht ungestraft seine ewigen Gebote zum Spielball der Menschheit werden. Womit die Menschen sündigen, damit werden sie unfehlbar gestraft. Gott hat die Gebote nicht seinetwillen erlassen, er braucht sie nicht zu seinem Glück, aber er weiß, dass ihre Beobachtung zum Glück der Menschen so nötig ist wie die Luft zum Atmen. Und wir törichten Menschen glauben immer noch, dass wir unser Glück erst finden, wenn wir uns von diesen Geboten befreien, uns also nicht gebunden an die Gebote betrachten!

 

Johannes geht nicht mehr predigend über die Erde. Aber sein heiliges Amt hat die katholische Kirche übernommen. Auch sie ruft es allen ihren Kindern zu, reichen und armen, gelehrten und einfältigen: "non licet - es ist euch nicht erlaubt!"

 

Würden die Menschen nur wieder mehr auf die Kirche hören und ihre Worte befolgen, sie würden es nicht zu bereuen haben. Es würde langsam wieder in die arme Menschheit einziehen, was ihr längst schon verloren ging: Glück und Frieden! Amen.

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10.

 

Die Männer mit dem Hirtenstab

 

Eines der lieblichsten Bilder aus der Geschichte der lieben Gottesmutter ist die Anbetung der Hirten. Da sehen wir eine armselige Felsenhöhle, notdürftig beleuchtet. Die ganze Einrichtung ist eine Futterkrippe für das Vieh und in dieser Krippe liegt der Heiland der Welt. Freudestrahlend zeigt die heilige Jungfrau das Kind den Hirten. Diese schlichten Männer aus dem Volk liegen auf den Knien vor dem Kindlein und beten es an in Ehrfurcht und Liebe. In dieser Stunde der heiligen Nacht sind die Hirten von Bethlehem gar gute Bekannte der Gottesmutter geworden, denn sie haben selber vieles gemeinsam mit Maria: Maria und die Hirten essen das Brot der Armut, Maria und die Hirten treten so bescheiden und schlicht auf und ohne Aufsehen in der Welt, Maria teilt mit den Hirten den schlichten Glauben. Als ihr der Erzengel verkündet hatte: "du wirst Mutter Gottes sein, trotzdem du jungfräuliche Reinheit gelobt hast, die Kraft des Allerhöchsten wird es bewirken", da beugt Maria in innigem Glauben ihr Haupt: es geschehe nach Gottes Wort. Und als der Engel den Hirten die Botschaft brachte: "Ihr werdet ein Kind finden in Windeln eingewickelt und in einer Krippe liegend", und als sie dieses Kindlein entdeckten, - da schreckt sie nicht die entsetzliche Armut dieses Kindes zurück, nicht die Schwachheit und Hilflosigkeit dieses Kindes. Ihr Glaube jubelt: "Das ist Gottes Sohn!" und in Ehrfurcht beugen sie ihre Knie zur Erde.

 

O liebe Marienverehrer! Was sind diese Hirten für glückliche Männer gewesen, weil sie einen festen Glauben gehabt haben. Einen Glauben, der in einem kindlichen Herzen wurzelt, einen Glauben, der nicht grübelt und zweifelt. An ihnen hat sich das spätere Wort des Jesuskindes erfüllt: "Vater, ich preise dich, dass du dies vor den Weisen und Klugen verborgen, den Kleinen aber geoffenbart hast." Denn der Glaube ist eine Gnade. Und je reiner das Herz und je einfältiger der Sinn, desto fester wurzelt er in der Seele. Wer aber erst glauben wollte, nachdem er alles ergrübelt und erforscht, nachdem er alle Zweifel gelöst, wer auf sein eigenes Wissen und Können pocht, der kommt nicht zum Glauben. Und seht, das ist die große Krankheit unserer Zeit, dass die Menschen vielfach zu hochmütig sind, sie wollen nicht wie die Hirten auf die Engelsbotschaft hin, ihr Haupt auf die Botschaft der Kirche hin in kindlichem Glauben beugen. Und darum gibt es heutzutage so viel Unglaube. so viel Zweifel, so viel Spott.

 

Und doch ist der Glaube die einzige Medizin auch für die Menschheit von heute. Wir sehen heute so viel Unrast, so viel Zerfahrenheit, so viel Unzufriedenheit, so viel Hass - selbst unter christlich sich nennenden Völkern - so viel Ausbeutung und Unterjochung, so viel Selbstmorde. Warum das alles? Weil vielfach die Grundlage aller Gerechtigkeit und allen Glückes fehlt: der Glaube.

 

Der Glaube ist es allein, der noch das Tier im Menschen versteht zu bändigen, der den Menschen abhält, in Sünde und Laster sich zu stürzen. Schon der heidnische Philosoph Plato lehrte: "Der Glaube an Gott bewirkt, , dass man wissentlich keine Ungerechtigkeit und keine gottlose Handlung begeht". Und der berühmte französische Schriftsteller Chateaubriand schreibt: "Eine vor einem Madonnenbild brennende Lampe vermag einen tieferen und lebendigeren Eindruck auf das Menschenherz auszuüben, dass es standhält in den Stürmen der Leidenschaft, als alle Philosophie". Der Anarchist Ravachol erklärte vor Gericht: "Wenn ich an Gott geglaubt hätte, würde ich nicht getan haben, was ich tat". Ja dieses Wort könnte an den Türen der Gefängnisse stehen: "Wenn ich an Gott geglaubt hätte, hätte ich nicht getan, was ich tat, wäre ich nicht hier, wäre ich kein Raubmörder, kein Einbrecher, kein Betrüger geworden". Dieses Wort könnte an manche Haustür geschrieben werden, durch die das Glück weinend fortgezogen ist: "Wenn ich an Gott geglaubt hätte und an seine Ewigkeit und an sein Gericht, wäre ich kein Ehebrecher geworden und hätte mein Familienglück nicht zerstört, wäre ich kein Trunkenbold, kein Tagedieb und Müßiggänger, kein nur das Leben genießender Lebemensch geworden".

 

Am Königssee bei Berchtesgaden soll von Efeu umrankt ein Kreuz stehen mit der Aufschrift: "Mein Herr und mein Gott!" Was hat es mit diesem Kreuz für eine Bewandtnis? Da fuhr einmal an einem Abend ein Kahn über den See mit einem Doktor der Medizin an Bord. Als der Ruderknecht an einem Kreuz am Ufer vorbeifuhr, da lüftete er andächtig den Hut. Und der fremde Herr lachte höhnisch dazu und verspottete den Bootsmann wegen seines Glaubens: "Ist alles Gerede, lieber Freund, das von Gott und Teufel, von Himmel und Hölle, um das Volk im Kampf des Lebens zu trösten. In Wirklichkeit ist es nichts damit." Der Ruderknecht schwieg. Und endlich kamen sie zur Mitte des Sees, wo er am tiefsten ist. Da stellte sich der Ruderknecht auf und sagte ernst und drohend: "Wie wenn ich Sie niederschlüge und in die Tiefe des Sees versenkte? Niemand sieht es und niemand erfährt es. Sie haben eine vollgefüllte Geldtasche, damit wäre mir und meiner Not geholfen, denn ich habe eine schwer kranke Frau daheim." Da erschrak der fremde Herr heftig und er bot dem Ruderknecht eine große Summe an, wenn er ihn verschone. Und der Knecht sagte: "Ich will nichts von Euch und führe Euch sicher über den See. Aber ein Ende hätte ich mit Euch gemacht, Herr, wenn ich so dächte wie Ihr, wenn ich nicht mehr glaubte an den Herrgott im Himmel und an den Teufel in der Hölle, was Ihr soeben als Dummheit und Unsinn bezeichnet habt. Hätte ich keinen Glauben, wäre mir doch alles gleich, da wäre ich ein Tor, wenn ich die Armut schleppen wollte, während Tausende im Überfluss prassen. Wäre ich so, dann würdet Ihr jetzt unten im See liegen." Und der Fremde wurde nachdenklich und die Worte des Bootsmannes verfolgten ihn und gaben ihm keine Ruhe mehr, bis er sein stolzes, ungläubiges Haupt in Demut beugte. Und nach Jahresfrist ließ er am Ufer das Kreuz setzen mit der Aufschrift: "Mein Herr und mein Gott."

 

O liebe Marienverehrer, fragt den Unglauben, ob er einen einzigen Menschen hervorgebracht hat, wie unsere lieben Heiligen sind. Kann der Unglaube eine solche Herzensreinheit geben, wie wir sie bewundern an einem heiligen Aloysius, Stanislaus, Agnes, Cäcilia? Kann der Unglaube solche geduldigen Menschen hervorbringen wie eine heilige Magdalena von Pazzis, eine heilige Lidwina? Kann der Unglaube zu einer solchen Liebe begeistern, wie sie übte eine heilige Elisabeth, die sich nicht scheute, die Geschwüre der Kranken zu küssen, wie sie übte ein heiliger Vinzenz von Paul, der selber als Galeerensträfling sich anketten ließ, um einen Familienvater zu befreien, wie sie üben die hochherzigen Seelen, die ihr Leben lang ausharren an den Krankenbetten, bei den Aussätzigen, als Missionare in den Eisfeldern beim Nordpol und in den Sandwüsten Afrikas? Vergleichen wir nur die Wirkungen des Glaubens und des Unglaubens bei einzelnen Menschen: der große Führer des irländischen Volkes Daniel O Conell, der oft vor 50 - 100.000 Männern Reden hielt, der im englischen Parlament für die Freiheit Irlands kämpfte, war ein tiefgläubiger Mann. Er betete öffentlich im Parlament seinen Rosenkranz. Nun betrachtet einen anderen Freiheitskämpfer, der ei Ungläubiger war: Robespierre in Frankreich. Unter seinem Regiment wurden Hunderttausende von Franzosen hingemordet, das Blut floss in Strömen, Frankreich wurde zum Teil in eine Wüste verwandelt, bis ihn seine Genossen, die selbst vor ihm schauderten, dem Fallbeil überantworteten. Don Bosco, ein schlichter Priester in Turin, hat tausende armer Jungen unter den größten Opfern zu tüchtigen Staatsbürgern erzogen und die großartigsten Erziehungsresultate erzielt. Sein Werk ist heute unsterblich. Rousseau, ein Freigeist, der ein berühmtes Buch über Erziehung geschrieben hat, hat seine eigenen fünf Kinder dem Findelhaus überwiesen, ohne sich um sie zu bekümmern. Adolf Kolping, der Gesellenvater, hat als Schustergeselle schon einen blatternkranken Mitgesellen gepflegt und dabei selbst die Blattern bekommen. Als Priester hat er tausenden von Gesellen in der Fremde ein zweites Heim geschaffen und deren Lebensglück begründen helfen, hat sein Einkommen armen Handwerksgesellen geopfert und ist als armer Priester gestorben. Der ungläubige Bebel dagegen hat viel geredet und geschrieben und revolutionäre Gedanken in die Gehirne der Arbeiter hineingehämmert, hat aber selbst mit den Arbeitern nicht geteilt und ist als steinreicher Villenbesitzer gestorben. Garcia Morena, der heiligmäßige Präsident der Republik Ecuador, hat diesen vorher verlotterten Staat emporgeführt zu Kultur und Wohlstand. Calles, der ungläubige Präsident von Mexiko, wütet ärger als einst Nero und Diocletian in dem reichen Land und lässt Tausende niederschießen und macht das blühende Land zur Wüste. Und die ungläubigen Herrscher von Russland, Lenin, Trotzki u.dgl. haben Russland die Barbarei gebracht und himmelschreiendes Elend und Not und grauenhafte sittliche Verworfenheit. Sie haben 28 Bischöfe, 1200 Geistliche, 6000 Lehrer, 9000 Ärzte, 300.000 Soldaten und Offiziere, 70.000 Polizisten, 12.000 Grundbesitzer, 815.000 Kleinbauern, 193.000 Arbeiter erschossen.

 

Wer denkt da nicht an Christi Wort: "An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen!" Hier der Glaube - hier der Unglaube! Wer erzeugt bessere, edlere Menschen, wer erzeugt die wahren Wohltäter der Menschheit?

 

Wer erzeugt glücklichere Menschen? Der Glaube oder der Unglaube? Auch der Ungläubige lacht, ist fröhlich, ist sogar oft ausgelassen fröhlich, man sieht ihn dort, wo es am lustigsten, am ausgelassensten zugeht, aber ist diese Lustigkeit, diese Ausgelassenheit nicht nur zu oft eine Maske, um die innere Leere, die innere Friedlosigkeit zu verbergen? Den wahren Frieden, die wahre Freude hat nur der, der gläubig ist und diese innere Fröhlichkeit, diesen inneren Frieden kann kein äußerer Umstand rauben. Die Heiligen waren alle mehr fröhlicher Natur. Ein Franz von Assisi konnte seine Herzensfreude nicht verborgen alten, er musste jubeln und singen mit den Vögeln der Natur. Der heilige Philipp Neri war der fröhlichste unter fröhlichen Studenten. Die heilige Elisabeth ließ in Eisenach ein Te Deum singen, als sie aus ihrer Burg mit ihren Kindern verstoßen wurde. Die Mitglieder eines Karmelitinnenklosters, die zur Zeit der französischen Revolution auf dem Henkerkarren zum Richtplatz hinausgeführt wurden, sangen auf dem Weg dahin und am Richtplatz selbst das Salve Regina, bis das Haupt der letzten der Klosterfrauen unter dem Henkerbeil sank.

 

Ja fragt den Unglauben, ob auch er mit dem göttlichen Heiland sagen kann: "Meinen Frieden gebe ich euch, meinen Frieden hinterlasse ich euch."

 

Im Jahr 1855 hielten in der Strafanstalt Kaisheim bei Augsburg Jesuitenmissionare, darunter auch der berühmte Pater Roh, eine Mission für die Sträflinge, an der sich 982 Sträflinge beteiligten. Sonst standen 30 Soldaten mit geladenem Gewehr beim Gottesdienst Wache, diesmal nur 2. Keiner der Sträflinge versuchte zu fliehen, alle legten eine Lebensbeichte ab und bei der Schlusspredigt ging ein Schluchzen und Weinen durch die harten Männer und sie drängten sich um die Missionare, um ihnen die Hand zu küssen und ihnen zu danken, dass sie ihnen den Frieden gebracht hatten. Vermag der Unglaube nur etwas Ähnliches? Vor Jahren kam ein Herr aus den höchsten Kreisen in die Zelle eines bekannten Missionars, um zu seinen Füßen nach langen Irrwegen eine Lebensbeichte abzulegen. Als alles beendet war, umfasste der Herr die Füße des Missionars und hob ihn zur Zimmerdecke empor. Erstaunt und erschrocken fragte der Missionar, ob er etwa irrsinnig geworden wäre. "Nein, das nicht", erwiderte der Herr - "aber glücklich, überglücklich bin ich."

 

Nennt mir eine einzige Institution des Unglaubens, liebe Marienverehrer, eine einzige Institution, die ein ähnliches Glücksgefühl hervorzurufen vermag wie die katholische Beichte.

 

Liebe Marienverehrer! Soll die heutige zerrissene, unzufriedene, verworrene und unglückliche Menschheit wieder genesen und glücklich werden, dann zurück zum schlichten Glauben der Hirten von Bethlehem. Nicht Reichtum macht glücklich, nicht Wissenschaft und Kunst und Sport und Tanz machen glücklich, die Hirten von Bethlehem allein zeigen uns den Weg, der zum wahren Glück führt. 

 

Darum

"O beugt wie die Hirten anbetend die Knie,

Erhebet die Hände und danket wie sie!"

Amen.

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11.

 

Die Männer mit dem Stern

 

Sahen wir gestern zu Füßen des Jesuskindes die frommen Hirten von Bethlehem mit ihrem schlichten Glauben liegen, heute sehen wir eine viel vornehmere Gesellschaft um die heilige Familie versammelt. Da ist nichts von Armut und Einsamkeit zu erblicken - da schimmern seidene und purpurne Gewänder, da glitzert das Gold Arabiens und duften die Salben Äthiopiens, da wiehern prächtig aufgezäumte Pferde und tragen Kamele seidengefütterte Türmchen auf ihrem Höcker und harrt ein Tross schwarzer und brauner Sklaven der Winke ihrer Herren. Ja die ganze Pracht und die Schätze des Morgenlandes breiten sich vor dem Jesuskindlein aus. Das war diesmal wieder eine vornehme Bekanntschaft, die Maria in Bethlehem gemacht hat. Alle Jahre erfüllt uns die Geschichte der Weisen aus dem Morgenland mit neuer Freude und wir empfinden es als so recht in der Ordnung, dass nicht nur die Armut und Einfalt vor der Krippe erschien, um dem Heiland der Welt zu huldigen, sondern auch der Glanz dieser Welt und die Vertreter ihrer Weisheit und Wissenschaft. Und so sei es noch heute: vor dem Heiland beuge jeder seine Knie, ob er reich ist oder arm, ein Gelehrter oder ein schlichter Mensch, denn für alle ist Christus geboren worden, und ist gestorben für alle, und alle finden nur bei ihm Frieden und Ruhe.

 

Verweilen wir noch etwas bei den Weisen aus dem Morgenland! War es eigentlich nicht ein gar gewaltiges Opfer, das diese Männer aus dem Morgenland bringen mussten, um zu Christus zu gelangen? Ermessen wir es nur, mit welchen Mühseligkeiten damals die Reisen verbunden waren. Wir können uns das jetzt im Zeitalter der Straßen und Eisenbahnen und Autos und Flugzeuge kaum mehr recht vorstellen. Da waren noch keine bequemen Wege und Autobahnen, da galt es endlose Wüsteneien zu durchkreuzen und Hunger und Durst lauerten immer in der Nähe als Todesboten, da mussten sie gefasst sein, von den räuberischen Nomadenvölkern überfallen und ausgeraubt zu werden, da verloren sie auf einmal den führenden Stern aus den Augen und ratlos standen sie in der fremden Stadt Jerusalem da. Ja die Weisen mussten sich die selige Stunde, die sie in der Nähe des Weltheilandes verbringen durften, teuer und bitter erkaufen. Und doch brachten sie gerne das Opfer. Für das Glück, bei Christus weilen zu dürfen, vergaßen sie auf alle Beschwerden, auf alles Ungemach, auf alle Bitterkeit und lobend und dankend kehrten sie in ihr Land zurück und später wurden sie - wie die Legende erzählt - vom Apostel Thomas getauft und heute werden sie als Heilige der katholischen Kirche verehrt. Erkennt in der Geschichte der heiligen drei Könige den Lohn Gottes für den erwiesenen Opfermut.

 

Ohne Opfermut ist eine richtige Ausübung der Religion nicht recht denkbar. Durch den Opfermut zeigst du deine Liebe zur Religion. Warum wird die Liebe der Mutter in allen Sprachen der Welt gerühmt und besungen? Weil die Mutterliebe eine Opferliebe ist. Und darum lieber Marienverehrer, glaube ja nicht, dass nicht auch Gott von dir den Beweis deiner Liebe zu ihm und der von ihm gestifteten Religion verlangt, indem er Opfer von dir verlangt. Wenn wir so lesen, wie die neubekehrten Christen in den Missionsländern oft ganze Tagesreisen machen, nur um einer Heilige Messe des Missionars beiwohnen zu können, müssen wir uns da nicht vor uns selber schämen, weil es uns gleich zu viel ist, wenn wir eine halbe Stunde bis zur nächsten Kirche gehen müssen oder wenn wir eine Stunde früher aufstehen müssen, um den Gottesdienst nicht zu versäumen.

 

Oder welch schreckliche Überwindung bedeutet es für manche, wenn sie einmal in der Woche aus Liebe zu unserem gekreuzigten Heiland sich der Fleischspeise enthalten sollen? Ist es überhaupt ein Opfer? Sagen doch viele Mediziner, dass das Fasten einmal in der Woche sehr gesund, naturgemäß, ja geradezu für die Gesundheit des Menschen etwas Notwendiges ist.

 

Was ist es Großes um das Opfer der Demut und Selbstverleugnung, das du bringst, wenn du im Sakrament der Buße dich deiner Sünden und Fehler anklagst, wenn du jetzt - nachdem du dich nicht geschämt hast, vor Gottes Angesicht zu sündigen - deine Knie beugst und dich einen armen Sünder nennst und die geheimsten und dunkelsten Falten deiner Seele enthüllst. Wenn du dann hingehst und deinem Feind verzeihst oder ihn um Verzeihung bittest, wenn du gut machst, was du gegen fremdes Gut und fremde Ehre gesündigt hast - o dein ganzer Stolz, deine Eigenliebe bäumt sich auf dagegen - aber du überwindest dich und bringst das Opfer . . . Darüber herrscht unendliche Freude bei den Engeln des Himmels.

 

Etwas Großes vor Gott und ein Zeichen deiner Liebe zu ihm ist es, wenn du von den Gütern dieser Welt, die die Kinder der Welt nur zu Lust und Genuss verwendet wissen wollen, immer etwas übrig hast zur Linderung der leiblichen und geistigen Not deiner Brüder und Schwestern in Christus, für die großen Werke der Barmherzigkeit, für die großen Werke unseres Glaubens, als da sind Missionen, Kirchenbauten, christliche Medien, Priesternachwuchswerke u. dgl.

 

Du kannst bringen das Opfer deines Verstandes. Wie oft flüstert dir die Versuchung zu und du liest es in den Zeitungen und hörst es an den Stammtischen und in Vereinslokalen: "welcher vernünftige Mensch wird denn heute noch alles glauben, was die katholische Kirche zu glauben verlangt? Diesen Widersinn, diesen Unsinn machen wir nicht mehr mit." Aber du bleibst stark. Dein Verstand begreift nie alles, was du glauben sollst, aber du rufst: "Herr, ich glaube, ich glaube trotz alles Geschreis und Spotts des Unglaubens". O jetzt, durch die Darbringung des Opfers deines Verstandes hast du deine Liebe zur Kirche gezeigt. Sei versichert, Gott vergisst dir das nicht.

 

Du kannst und musst bringen das Opfer deines Willens. Unser Wille neigt immer wieder zum Bösen hin. Da lockt die Sünde so verführerisch, da spielt die Welt mit tausend Zauberflöten, da liegt die Straße so breit, so bequem, so mit Rosen besäet da - und dort ist wieder so ein rauer, enger, dornenvoller, steiler Weg. Wofür willst du dich entscheiden? Und du sagst energisch: "ich will nicht!" Du blickst empor zu ihm, der gesagt hat: "Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz und folge mir", du blickst empor zu ihm, wie er mutig und entschlossen sein Kreuz umfängt und durch die Straßen von Jerusalem wandelt und emporklimmt den Kalvarienberg mit der Krone aus Dornen auf dem Haupt, blutend, geschlagen, gestoßen, verlästert - das alles siehst du vor Augen und mutig widerstehst du nun der Versuchung: "weiche Satan, ich kenne meinen Weg! Es ist der enge Pfad, der empor führt, es ist der Pfad der Kreuzigung des eigenen Fleisches, der Pfad des Kampfes gegen sich selbst und dieser Pfad führt zum Leben. Und der breite, rosenumduftete Pfad, er führt zum Verderben. Ich weiß, welchen Weg ich einzuschlagen habe. Mutig voran!"

 

O wenn du dieses Opfer gebracht hast, dass du aus Liebe zu Gott den eigenen unbändigen Willen niedergelegt zu den Füßen des Kreuzes, dann hast du dich emporgeschwungen zur Freiheit der Kinder Gottes und heißt es von dir: Freut euch und frohlockt, euer Lohn ist groß im Himmel.

 

An deiner Bereitwilligkeit zum Opfer jeglicher Art erkennt Gott die Größe deiner Liebe zu ihm. Wie gerne und freudig sind die Heiligen diesen Weg gegangen. Ein heiliger Einsiedler Antonius und Paulus entsagten allen Gütern und Freuden der Welt und dienten in schauerlicher Wüste, in Einsamkeit, in Fasten und Gebet zeitlebens ihrem Herrn und Gott. Eine heilige Agnes warf freudig hin ein glänzendes Leben, eine vornehme Verbindung und ging in den bitteren Tod, nur um ihren Bräutigam Jesus Christus treu bleiben zu können. Ein heiliger Franz Xaver verlässt Heimat und Vaterland, bei der Abreise geht er sogar ohne Abschied an seinem väterlichen Schloss vorüber und zieht in die heidnische Welt und erträgt unbeschreibliche Entbehrungen und stirbt einsam und verlassen auf der Insel Sansibar, alles das, um Seelen für Christus zu gewinnen. Ein heiliger Franziskus lässt sich vom eigenen Vater enterben und isst voll Fröhlichkeit das Brot der Armut und geht reich in den Himmel ein, ein heiliger Karl Borromäus pflegt die Pestkranken und ein heiliger Hieronymus sammelt die elternlosen Kinder und erzieht sie zu Himmelsbürgern, ein heiliger Benedikt Labre geht freiwillig als Bettler durch die Lande und ein heiliger Alexius bringt als Bettler einen großen Teil seines Lebens unter der Stiege des elterlichen Hauses zu, eine heilige Elisabeth irrt verstoßen und vertrieben von Stadt zu Stadt und ist voll innerer Freude, ein heiliger Wenzeslaus steht in der Nacht auf und trägt den Armen Holz zu und kniet vor der Kirchenpforte nieder zur Anbetung des Allerheiligsten. Als im Jahr 1828 die Frau eines gewissen Thomas Poynton auf der Insel Neuseeland ihres ersten Kindes genas, da legte sie 1000 Meilen Seefahrt zurück, um nach Sydney in Australien zu einem katholischen Priester zu gelangen, der ihr das Kind taufen sollte. Doch genug. Die Geschichte der Heiligen ist eine ununterbrochene Kette der größten, ja manchmal übermenschlichen Opfer, weil in ihrem Herzen eine wundersame Liebe zu Gott glühte.

 

Liebe Marienverehrer, denkt an die heiligen drei Könige, denkt an den kreuztragenden Heiland, denkt an die Gottesmutter, denkt an die Heiligen des Himmels, wenn Gott auch von euch irgend ein Opfer verlangt. Dann wird es euch nicht schwer fallen, diese Opfer auch zu leisten und werdet freudig sagen: "Herr, weil ich dich liebe, darum will ich nicht zögern, dir auch den Beweis dieser meiner Liebe zu erbringen - durch das Opfer!" Amen. 

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12.

 

Der Greis mit dem Schwert

 

Die Heilige Schrift erzählt uns: als der Jesusknabe 40 Tage alt war, brachten ihn Maria und Josef nach Jerusalem, um in Befolgung des Gesetzes ihn dem Herrn darzustellen und das vorgeschriebene Opfer darzubringen. Und bei dieser Gelegenheit machte die Mutter Jesu die denkwürdige Bekanntschaft eines Greises, von dem die Heilige Schrift sagt, dass er auf Antrieb des Heiligen Geistes in den Tempel kam und von unendlicher Freude erfüllt das Jesuskind in seine Arme nahm. Jetzt ist sein Sehnen gestillt. Auf das hatte er gewartet, gewartet all die Jahre seines Lebens, bis sein Haar weiß und sein Gang zitternd geworden ist, dass es ihm vergönnt sei, den von den Propheten angekündigten Messias zu sehen. Jetzt hält er das Kind in seinen Armen und er weiß: dieses schwache Kindlein ist der mächtige Schöpfer und Erhalter der Welt. Und er ist unter Millionen, unter Milliarden gewürdigt, dieses Kind zu schauen, mehr noch, auf seinen Armen zu tragen und an sein Herz zu drücken. Jetzt verstehen wir es, dass seine Lippen in seligem Jubel überströmen: "Jetzt, o Welt, hält mich nichts, gar nichts mehr zurück, jetzt will ich sterben, denn ich habe das höchste Glück genossen: nunc dimittis - nun entlasse, o Herr, deinen Diener in Frieden, denn meine Augen haben dein Heil gesehen." Doch mit einem mal hält er inne in seinem Jubel, seine noch vor Glück und Freude strahlenden Augen sind auf die selige Mutter gerichtet - und seine Augen nehmen einen rätselhaften Glanz an, es ist, als sähen sie in die Weite, in jahreferne Weite. Und Simeon sieht wieder das Kindlein, aber als den Mann der Schmerzen, mit durchbohrten Händen und Füßen, das Haupt gekrönt mit der Krone aus Dornen, der Körper grässlich zerfleischt und zerrissen. Er sieht wieder die Mutter vor sich, aber nicht mehr die Mutter in ihrem Mutterglück, sondern die Mutter in ihrem Mutterschmerz, die Mutter unter dem Kreuz. Und da öffnen sich des Simeon Lippen und er spricht das herbe, leidbringende Wort zu Maria: "Deine Seele wird ein Schwert durchdringen." Da zuckt das Herz der Mutter zusammen, als wäre es schon tödlich getroffen unter diesem Schwert. Wir aber verehren in dieser Begegnung Marias mit Simeon den ersten der 7 Schmerzen der seligsten Jungfrau Maria.

 

In seliger Mutterfreude bringen die christlichen Mütter ihre neugeborenen Kinder zum heiligen Tempel des Herrn. Mit einer brennenden Kerze schreiten sie vor den Altar. Und wie Simeon, so nimmt auch der katholische Priester das Kindlein in seine Arme und hebt es empor und opfert es dem Herrn auf. Das ist die Vorsegnung der christlichen Mütter, ein wunderschöner christlicher Brauch. Aber könnte da nicht auch der Priester so mancher Mutter das Wort Simeons zurufen: "Deine Seele wird ein Schwert durchdringen!" Mutter sein, heißt nur zu oft den Kreuzweg des Leidens zu gehen. O was steht so manches arme Mutterherz aus um des Kindes willen! Diese schlaflosen Nächte, wenn das Kind krank darniederliegt, die Sorgen, wenn das Kind größer wird, die Tränen, wenn das Kind in die Welt hinaus muss, wie es so ergreifend im Volkslied heißt:

 

"Vogerl fliegst in die Welt hinaus,

Lässt dein Mutterl alleine zu Haus."

 

Doch das bitterste Leid, das schärfste Schwert durchbohrt das Mutterherz, wenn das Kind undankbar sich erweist und Wege geht, über die sich die brave Mutter entsetzen muss. Wie oft bewahrheitet sich das alte Volkssprichwort: "Sind die Kinder klein, treten sie der Mutter aufs Kleid, sind sie groß, treten sie ihr aufs Herz." Glücklich noch die Mutter, die da Maria gleicht und sagen kann: "ich leide unschuldig." Doch wie oft, wie oft kommt es vor, dass die Mutter selber sich das Schwert schmiedet, das dereinst ihr zuckendes Herz durchbohrt.

 

Ja, wie ist denn so etwas Ungeheuerliches möglich? Die Mutter schmiedet sich das Schwert für ihr eigenes zuckendes Herz, wenn sie über der Sorge um das zeitliche Wohl des Kindes das eine Notwendige vergisst. Das Kind nicht nur für die paar kurzen Lebensjahre erziehen, sondern für die Ewigkeit, das ist der erste und wichtigste Erziehungsgrundsatz. Und gerade dieser Erziehungsgrundsatz wird heutzutage so viel von den christlichen Müttern versäumt. Wie oft müssen die Kinder auf die Frage des Religionslehrers, warum sie nicht in der Sonntagsmesse waren, antworten: "Der Vater, die Mutter haben mich nicht gehen lassen!" Wie viele Kinder kommen heutzutage in die Schule und bringen vom Elternhaus nicht einmal die gebräuchlichsten Gebete mit. Und dadurch kommt das Kind um seine schönste und süßeste Lebenserinnerung: Die Mutter, wie sie neben dem Bett sitzt und dem Kind die Hände faltet und mit ihm betet. Dieses Bild geht mit dem Kind und  begleitet es durchs Leben und wenn die Mutter längst schon unter dem grünen Rasen schläft, das Kind denkt in Dankbarkeit der Mutter, wie sie mit ihm gebetet hat. Und wenn der Sohn, die Tochter vielleicht auf Abwege gerät, plötzlich tritt wie ein lichter Schutzengel das Bild der betenden Mutter vor ihren Geist und sie kehren vielleicht beschämt um von ihrem sündigen Weg. Der bekannte Volksmissionar Pater Lerch SJ erzählte einmal, er sei auf seinen Missionsreisen durch alle Gebiete Österreichs und Deutschlands gekommen, bis tief ins Ungarnland hinein und bis zum Rhein. Und viele haben sich bekehrt, die 30 und 50, ja 60 Jahre bei keiner Beichte mehr waren. Und wenn er sie dann fragte, warum sie endlich doch wieder zurückfanden zu Gott, so bekam er in den verschiedensten Ländern regelmäßig immer die gleiche Antwort: "Ja, wissen Sie Hochwürden, ich habe halt eine fromme Mutter gehabt." Liebe Marienverehrer! Die fromme Mutter kommt doch immer wieder zum Vorschein und wenn Jahre und Jahrzehnte vergehen sollten. Und jetzt stellt euch das Unglück vor, wenn ein Kind keine fromme Mutter hat. Da wächst dann der junge Mensch heran ohne den Halt der Religion. Wird er den Stürmen der Leidenschaft gewachsen sein, wird er den Stürmen des Lebens gewachsen sein? Wehe der Mutter, wenn sie es erleben muss, dass ihr Kind entweder unglücklich wird oder schlecht durch ihre Schuld, weil sie ihm die köstlichste Mitgift vorenthalten hat: den Halt der Religion. O wie kalt, wie grausam schneidet ein solches Schwert ins Herz der Mutter. In der Zeitschrift "Schönere Zukunft" voim 20. November 1927 ist eine eigenartige Traueranzeige veröffentlicht. Da zeigt der Herausgeber das Hinscheiden seiner Mutter an und schreibt von ihr: "Sie hat uns ein einzig vorbildliches Christenleben vorgelebt." Glückliche Mutter! Es ist dann keine Phrase, wenn er weiter schreibt: "Tieferschüttert stehen wir an der Bahre der Toten."

 

Die Mutter schmiedet sich ein Schwert für ihr eigenes Herz, wenn ihre Liebe einen falschen Weg einschlägt. Nicht das ist die echte, wahre Mutterliebe, die immer gibt und immer wieder gibt, so oft der kleine, unverständige Erdenbürger es haben möchte, nein, die wahre Mutterliebe muss auch einmal den Mut aufbringen, dem Kind etwas zu verweigern und zu versagen, die Mutter muss den Mut aufbringen, ihren Willen durchzusetzen und nicht immer dem Willen des Kindes nachzugeben - sonst, sonst wird schon unsichtbar das Schwert geschmiedet, das eist ihr Herz zerreißt. Kinder, die es nicht lernen, sich etwas zu versagen, die es nicht lernen, den königlichen Weg der Selbstverleugnung zu gehen, werden willensschwache, charakterschwache Existenzen. Als Kinder wollen sie auf ihre Süßigkeit nicht verzichten, als Jungen nicht auf ihre Zigarette und später können sie auch nicht widerstehen, wenn die Sünde mit Allgewalt an sie herantritt: die Unzucht, die Genusssucht, die Rachsucht etc. Und wenn tausendmal ihnen Gottes Gebot entgegendonnert: das darfst du nicht! sie können sich nicht mehr helfen, sie haben es ja nicht gelernt, den Willen zu bändigen. Die Mutter selbst hat in ihrer falschen Liebe das eiserne Hemd der sündigen Gewohnheit ihnen gesponnen.

 

Auf dem Friedhof in Innsbruck stand ein junges Mädchen vor einem Grab mit finsterem, trotzigen Gesicht. Ein Priester trat auf sie zu und fragte, wer denn hier begraben liege. "Meine Mutter!" - kam es trotzig über ihre Lippen - "und ich schicke ihr meinen Fluch nach!" "Wie, Unselige, Sie fluchen Ihrer Mutter, ihrer toten Mutter?" "Ja, ich fluche ihr, denn dass ich schlecht geworden bin, dass ich mich nähre mit dem Geld der Sünde, das verdanke ich ihr."

 

Mütter, christliche Mütter, vergesst es nicht: Fromm erzogene Kinder, streng erzogene Kinder sind eine Freude der Mutter, ein Trost ihrer Augen, ein Stab ihres Alters. Aber bitter weinen muss eine Mutter über ihre Kinder, die ohne christliche Grundsätze aufwachsen, denen alles verholfen wird, deren Wille oberstes Gesetz im Haus ist. Solche Kinder sind undankbar, solche Kinder erpressen der Mutter dereinst die bittersten Tränen, solche Kinder treten ihr auf das Herz, sie sind das Schwert, das ihr Herz durchbohrt. O christliche Mutter, denke oft an Maria und Simeon, denke an das Schwert und wehr es ab, du kannst es, wenn du willst. Amen.

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13.

 

Die kleinen Bewohner einer kleinen Stadt

 

Nazareth war ein kleines Städtchen und in solchen kleinen Orten kennen die Bewohner einander sehr gut, manchmal fast zu gut, so dass alle Familienverhältnisse, Freundschaften und Feindschaften, Laster und Tugenden kein Geheimnis bleiben können innerhalb der vier Mauern eines Hauses. Nazareth war eine kleine Stadt und darum kannten alle Bewohner Maria und Maria wieder kannte sie. Die Bewohner Nazareths waren gute Bekannte der Mutter Gottes. Und doch blieb ihnen das hehrste und größte Geheimnis der Stadt verborgen: Die Einwohner von Nazareth wussten nicht, dass sie den großen, unendlichen Gott in ihrer Stadt beherbergten, sie wussten nichts von des Heilandes übernatürlicher Abstammung und gnadenreichen Geburt. In ihren Augen war Jesus Christus nichts anderes als des Zimmermanns Josef Sohn und Maria des Zimmermanns Ehefrau. Was ergibt sich daraus? Dass Maria nichts gemein hatte mit den geschwätzigen Frauen, die nichts für sich behalten können und von Nachbarin zu Nachbarin laufen und das Neueste brühwarm erzählen müssen. Es war so Gottes Wille, dass Gottes Sohn in der Verborgenheit heranwachse und darum bewahrte Maria ihr süßes Geheimnis in ihrem jubelndem Herzen und sie erzählte nicht ihren Freundinnen und Nachbarinnen, was Großes der Herr an ihr getan hat. Jesus wuchs in der Verborgenheit ungekannt und kaum beachtet in Nazareth auf. Auf die Bewohner von Nazareth konnte der Heiland auch sein Wort anwenden: "In eurer Mitte steht der, den ihr nicht kennt."

 

Liebe Marienverehrer! Ist dieses Wort nicht auch heute noch angebracht? In eurer Mitte steht der, den ihr nicht kennt. Schaut, ist nicht jedes unserer Gotteshäuser ein Nazareth? Alle Tage vollzieht sich hier das Wunder der Menschwerdung Jesu Christi. Als Maria in Nazareth ihr Fiat sprach, "mir geschehe nach deinem Wort", da verließ die zweite göttliche Person die unsterbliche Wohnung des Himmels und durch die Kraft des Heiligen Geistes hat er Fleisch angenommen im Schoß der Jungfrau. Und wenn bei der Heiligen Messe der Priester die heiligen Worte der Wandlung spricht, da vollzieht sich dasselbe Wunder. Wieder steigt Gottes Sohn nieder in die Hände des jungfräulichen Priesters und wohnt unter uns. Und wie viele Christen gleichen da den Bewohnern Nazareths: in eurer Mitte steht der, den ihr nicht kennt. Es gibt ja noch Gottlob viele fromme Christen, die da ganz erfüllt sind von diesem hehrsten und süßesten Geheimnis unseres Glaubens, die da ins Gotteshaus treten mit der ehrfurchtvollsten Gewissheit: wahrlich, Gott ist unter uns, die sich hinwerfen vor seiner Majestät in Huldigung und Anbetung, die das Herz immer wieder hintreibt zur beseligendsten Vereinigung mit dem Bräutigam. Aber wie viele stehen noch fern, weit entfernt! Wie viele Christen, die keinen Glauben mehr haben an Christi Gegenwart im heiligsten Sakrament, die nichts anderes mehr sehen als ein weißes Brot. "In eurer Mitte steht der, den ihr nicht kennt." Und doch ist kein Glaubenssatz so sicher bewiesen als wie Christi Gegenwart im heiligsten Sakrament. Er selber, die ewige Wahrheit, die nicht trügen kann und will, hat schon bei der Verheißung sein Fleisch eine Speise genannt und sein Blut einen Trank und er ist bei dieser Behauptung geblieben und hat sie nicht abgeschwächt und widerrufen, als ein Zuhörer nach dem andern sich unwillig und ungläubig davonschlich. "Hart ist diese Rede, wer kann sie hören?" Und lieber hätte er selbst die Apostel ziehen lassen, als dass er sein Wort zurückgezogen hätte. Und dann im Abendmahlssaal hat er wahr gemacht, was er versprochen hat. Da stehen wie aus Granit seine Gottesworte da, von denen er sagte: "Himmel und Erde werden vergehen, aber seine Worte nicht." "Das ist mein Leib! Das ist mein Blut!" Denselben Leib gebe ich euch jetzt zur Speise, den ihr morgen schon am Kreuz hängend seht, zerrissen, blutend, geschlagen, mit Nägeln durchbohrt, das Herz durchstoßen, das Haupt dornengekrönt. Dasselbe Blut gebe ich euch zu trinken, das morgen schon die Straßen Jerusalems benetzen wird, das rosafarben vom Kreuz heruntertropfen wird. Kann jemand klagen und deutlicher sprechen? Staunend ruft St. Thomas von Aquin aus: "Nichts ist wahrer als dies Wahrheitswort." Und was Christus so klar im Abendmahlssaal ausgedrückt hat, das beweist er durch all die Jahrhunderte durch die großartigsten Zeichen und Wunder, die gerade durch das allerheiligste Sakrament geschehen sind. Ich erinnere nur an Lourdes. Ereignen sich dort nicht gerade die großartigsten Wunder durch das heilige Sakrament? Wie ergreifend ist es, wenn auf dem großen Platz vor der Rosenkranzkirche hunderte von Kranken, ja Sterbenden, von den Ärzten bereits Aufgegebenen auf den Bahren liegen und ihre flehenden Blicke und Hände dem segnenden Heiland im heiligsten Sakrament entgegenstrecken. Und immer inbrünstiger wird das Rufen: "Jesus, Sohn Davids, erbarme dich unser". Und da springt plötzlich ein Kranker auf und jubelnd tönt es von seinen Lippen: "Ich bin geheilt!" Und tausendstimmig setzt sich das Jubeln fort und endet in einem hellaufjauchzenden Te Deum. Solche Szenen haben sich schon hundertfach in Lourdes wiederholt und Tausende sind Zeugen gewesen solcher Wunder. Ja Christus geht noch heute im heiligen Sakrament an der leidenden Menschheit vorüber, Wohltaten spendend. 

 

In eurer Mitte steht der, den ihr nicht kennt. Viele Christen glauben wohl noch an Christi Gegenwart im heiligsten Sakrament, aber ihr Verhalten ist so, als wenn sie keinen Glauben hätten. Gehen sie an einer Kirche vorbei, finden sie es nicht der Mühe wert, ihrem Herrn und Gott und künftigem Richter einen Gruß zu entbieten. Befinden sie sich im Gotteshaus, benehmen sie sich so, als wären sie in einem öffentlichen Vergnügungslokal. Sie empfinden im Herzen keine Sehnsucht, ihm wenigstens einmal in der Woche, an seinem Tag, die pflichtgemäße Aufwartung zu machen, durch den andächtigen Besuch der Sonntagsmesse. Ja hätten die Christen mehr Glauben an Christi Gegenwart, sie würden nicht so viele Entschuldigungen und Ausreden suchen, um der Messe fernzubleiben. Hätten sie mehr Glauben, dann würden sie auch mehr Kommunizieren. Wie, du glaubst, dass in der heiligen Hostie dein Heiland gegenwärtig ist und du spürst nicht die geringste Sehnsucht, dich mit diesem geliebten Heiland aufs innigste zu vereinen? Nein, du kennst ihn nicht, der in eurer Mitte steht, der seine Hände vom Tabernakel aus dir entgegenstreckt und dich einlädt zum heiligen Gastmahl, du kennst ihn nicht, deinen lieben Heiland, der es so gut mit dir meint, dass du so kalt, so fremd, so fern bleibst. Du weißt es nicht, wie gut und kostbar der Herr ist, sonst würdest du öfters kommen, sonst würdest du täglich kommen. Wenn man jemanden wirklich lieb hat, ist jede Stunde Trennung schon ein hartes Opfer. Hast du deinen Heiland wirklich lieb? Warum empfindest du es dann nicht als hartes, bitteres Opfer, deinem Heiland vielleicht ein ganzes Jahr, vielleicht viele, viele Jahre fern zu bleiben?

 

Prüfe dich, ob nicht auch dir das Heilandswort gilt: "In eurer Mitte steht, den ihr nicht kennt." Um wie viel Seelenwonne sind die Einwohner von Nazareth gekommen, weil sie nicht gewusst haben, dass in ihrer Mitte Gott selbst sichtbar gelabt hat durch 30 Jahre. Um wie viel Glück und Wonne, um Frieden und Freude bringst du dich, wenn deinem Leben nicht leuchtet die milde Frühlingssonne der heiligen Eucharistie. Lass sie nicht untergehen, diese milde Sonne. Hat dir geleuchtet diese heilige Sonne, dann strahlt sie, wenn einst die Sonne deines Lebens verlischt um so heller auf und du siehst den Heiland dann nicht mehr unter dem Schleier des Brotes, sondern unverhüllt in ihrer ganzen himmlischen Schönheit und diese Himmelssonne geht dann nicht mehr unter und leuchtet dir von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

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(Bildquelle: www.claretwestng.org)

 

14.

 

Brüder und Schwestern Jesu

 

Als unser Heiland bereits das stille Nazareth verlassen hatte und als Lehrer des Volkes auftrat, da hielt es auch seine Mutter nicht zu Hause. Sie fühlte sich nur glücklich in der Nähe ihres geliebten Sohnes und so zog sie ihm nach und war selig, wenn sie ihm dienen durfte. Einmal sprach Jesus Christus wieder zum Volk in einem Haus. Da wurde ihm gesagt: "Siehe, deine Mutter und deine Brüder stehen draußen und suchen dich." (Matthäus 12,47) Jesus aber gab eine gar sonderbare Antwort: "Wer ist meine Mutter und wer sind meine Brüder?" Dann streckte er seine Hand nach seinen Jüngern aus und sprach: "Seht da meine Mutter und meine Brüder. Denn wer immer den Willen meines Vaters tut, ist mir Bruder, Schwester und Mutter."

 

Forschen wir ein wenig nach, was diese Worte und dieses Verhalten des göttlichen Heilands zu bedeuten haben. Seine liebe Mutter Maria kam zu ihm in Begleitung einiger Männer, die in der Heiligen Schrift als "Brüder Jesu" bezeichnet sind. Es müssen gute Bekannte Marias gewesen sein, sonst hätte sie nicht in ihrer Gesellschaft den weiten Weg von Nazareth zu dem Ort gemacht, in dem sich der Heiland gerade aufhielt. "Brüder Jesu!" Sind das leibhaftige Brüder des Herrn gewesen? Die Heilige Schrift gibt uns auch ihre Namen an: Jacobus, Simon, Josef und Judas Thaddäus. Da diese 4 Männer in der Heiligen Schrift immer auftreten unter dem Namen der "Brüder" des Herrn, so benützte der Hass gegen Christus und sein heiliges Evangelium sofort diese Ausdrucksweise, um die übernatürliche Empfängnis Jesu Christi aus Maria der Jungfrau zu leugnen und die jungfräuliche Reinheit der seligsten Jungfrau in Zweifel zu ziehen. Wenn Jesus noch Brüder und Schwestern gehabt hat, dann entstammte auch er der Ehe Marias mit dem Zimmermann Josef, wie ja ohnehin die Bewohner von Nazareth sagten, dann fällt alle übernatürliche Gloriole vom Haupt Jesu und seiner Mutter. So höhnen und jubeln die Feinde Christi und schreiben es in ihren Blättern und setzen diese theologische Gelehrsamkeit ihren blindgläubigen Lesern vor. Aber, liebe Marienverehrer, so können nur solche reden und schreiben, die die Heilige Schrift nicht durchstudiert haben oder sie nur oberflächlich und leichtfertig überblättern. Würden sie die Heilige Schrift gründlich durchstudieren, so müssten sie darauf kommen, dass nach dem Sprachgebrauch der Heiligen Schrift das Wort "Bruder" sehr oft nur "Verwandter, Vetter, Neffe, Enkel" bedeutet. Schon auf den ersten Seiten der Heiligen Schrift ist die Rede vom Streit der Hirten des Abraham und des Loth. Abraham und Loth waren aber Vettern. Und doch spricht Abraham zu ihm: "Möge doch nicht Streit sein zwischen mir und dir, sind wir doch Brüder." (1. Mose 13,8) Der Knecht Eliezer nennt Rebekka, die zu freien er für Isaak ausgezogen war, die Tochter des Bruders seines Herrn. In Wirklichkeit war sie die Enkelin. (1. Mose 24,48) Jakob sagt wieder zu Rachel, dass er ein Bruder ihres Vaters sei (1. Mose 29,12), während er nach unserem Sprachgebrauch ein Neffe von ihm war. Schon daraus ersehen wir, dass das Wort Bruder in der Heiligen Schrift nicht immer wörtlich aufzufassen ist, sondern die Bedeutung "naher Verwandter hat. Und dass die sogenannten "Brüder des Herrn" keine leiblichen Brüder Jesu Christi waren, ersehen wir schon daraus, dass dieselbe Heilige Schrift uns auch die Namen ihrer Eltern überliefert hat. Als Vater des Jacob, Simon, Josef und Judas Thaddäus erscheint in der Heiligen Schrift ein gewisser Alphäus oder Kleophas, wahrscheinlich der Kleophas, der einer von den zwei Wanderern war, die am Auferstehungstag von Jerusalem nach Emmaus gingen und denen sich der auferstandene Heiland zugesellte. Die Gattin des Kleophas und Mutter dieser 4 Männer hieß Maria und wird immer in der Heiligen Schrift die Frau des Kleophas und die Schwester der seligsten Jungfrau genannt. So erzählt Johannes: "Es standen aber beim Kreuz Jesu seine Mutter und die Schwester seiner Mutter, Maria, die Frau des Kleophas." Diese Frau des Kleophas war nun entweder eine leibliche, jüngere Schwester der Gottesmutter, dann wären Jesus und seine sogenannten Brüder Geschwisterkinder (Vettern) gewesen oder die Frau des Kleophas war nach dem Sprachgebrauch der Heiligen Schrift eine Verwandte der Mutter Gottes, dann wäre Jesus mit seinen Brüdern entfernter verwandt gewesen. Das ist also die Wahrheit über die sogenannten "Brüder des Herrn". Sie waren Verwandte, vielleicht sogar Neffen der Mutter Jesu und darum standen sie in freundschaftlichem Verkehr mit der seligsten Jungfrau und begleiteten sie auch auf ihrer Reise zu Jesus.

 

Hat nun Jesus vielleicht dies sein verwandtschaftliches Verhältnis zu den Brüdern, ja sogar zu seiner eigenen lieben Mutter in Abrede gestellt, hat er sie von sich etwa abgestoßen durch seine Frage: "Wer ist meine Mutter, wer sind meine Brüder?" Das innigste, das zärtlichste Verhältnis Jesu Christi zu seiner Mutter steht über allem Zweifel erhaben da. Wir können uns keinen treueren, gehorsameren, besorgteren Sohn vorstellen, als wie es Jesus zu Maria war. Aber durch diese Worte wollte er uns eine bedeutsame Mahnung geben. Er wollte sagen: "Vor mir gilt kein Ansehen der Person und wenn es meine Mutter und meine Verwandten wären. Vor mir gilt nur derjenige, der den Willen meines Vaters tut, der im Himmel ist." Weil Maria aber in der ausgezeichnetsten Weise den Willen des himmlischen Vaters tat, - wollte sie doch nichts anderes sein als die Magd des Herrn - darum ist sie auch geistigerweise erst recht seine Mutter. Und hätte Maria - was undenkbar ist - den Willen des himmlischen Vaters nicht getan, so hätte sie Jesus Christus auch nicht als Mutter anerkannt und hätten seine Verwandten nicht den Willen des himmlischen Vaters erfüllt, dann hätte er alle verwandtschaftlichen Bande für nichts geachtet.

 

Liebe Marienverehrer! Lernen wir aus diesem Verhalten des göttlichen Heilands! Wir gelten nichts vor ihm, wenn wir nur reich sind, wir gelten nichts vor ihm, wenn wir diese oder jene hohe und angesehene Stellung in der Welt einnehmen, wir gelten nichts vor ihm, wenn wir alle Weisheit und Kunst und Wissenschaft der Welt getrunken hätten, wenn wir berühmte Entdecker und Erfinder wären, wenn wir Großes leisten in Spiel und Sport, in Musik und Dichtkunst - wenn wir es uns aber nicht angelegen sein lassen, den Willen seines himmlischen Vaters zu tun, der niedergelegt ist in den heiligen Geboten, dann sind wir vor seinen Augen nichts, gar nichts. Dann will der Heiland jetzt und einst auch nichts wissen von uns. Wenn wir aber in allem, was wir denken und reden und tun, im Geschäft und in der Arbeit, in der Erholung und im Vergnügen stets Gottes heilige Gebote gelten lassen als einzige Richtschnur, nach der wir uns richten, - wir mögen arm und einfältig sein und mögen unbekannt und unbenannt in der großen Welt sein, vor Jesus Christus ist unser Name groß und angesehen. Er streckt voll Liebe seine Arme uns entgegen und ruft: "Seht da meine Mutter, seht da meine Brüder und Schwestern!"

 

Liebe Marienverehrer! Habt nicht auch ihr den Ehrgeiz, vom lieben Heiland einst als seine lieben Brüder und Schwestern angeredet zu werden? So habt denn immer Gottes heiligen Willen, Gottes heilige Gebote vor Augen! Amen. 

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15.

 

Hochzeits-Bekanntschaft

 

Wenn wir das Leben der heiligen Gottesmutter durchgehen, finden wir sie meistens von Ernst und Sorge und Schmerz umgeben und die Stunden ihrer Freude könnte man fast an den Fingern abzählen. Maria Herberge in Bethlehem suchend, Maria auf der Flucht, Maria auf der Suche nach dem verlorenen Kind, Maria am Kreuzweg, Maria unterm Kreuz, das sind die hauptsächlichsten Leidensstationen im Leben der Muttergottes. Heute nun wollen wir die Gebenedeite wo anders aufsuchen. Heute finden wir sie in einer fröhlichen Gesellschaft und sie freut sich mit den Fröhlichen von ganzem Herzen mit: Maria in Kana bei einer Hochzeit. Bei dieser Hochzeit wurde ihr eine ganz besondere Freude zuteil: ihr zuliebe wirkte ihr göttlicher Sohn bei dieser Hochzeit öffentlich sein erstes großes Wunder, er verwandelte Wasser in Wein. Wie gerne werden in späteren Jahren die Brautleute, deren Namen uns die Heilige Schrift nicht überliefert hat, an diese ihre Hochzeit gedacht haben. Erst später, als der Name Jesu Christi mit Staunen und Ehrfurcht ausgesprochen wurde und sich die Knie der Menschen vor ihm beugten, da werden sie die ganze Größe der Auszeichnung begriffen haben, die ihnen an ihrem Hochzeitstag zuteil wurde: unser Herr und Gott selber und seine liebe Mutter sind Hochzeitsgäste bei unserer Hochzeit gewesen. Und sie werden es Kindern und Kindeskindern erzählt haben.

 

Bei dieser Hochzeit in Kana ging allzu früh der Wein aus und hätte nicht Maria in ihrer Güte eingegriffen, es wäre für die Brautleute eine peinliche Verlegenheit entstanden. Der heilige Cyrillus betrachtet dieses Ausgehen des Weines nicht als etwas Zufälliges, sondern als einen Hinweis darauf, dass in so mancher Ehe der Wein der Freude oft allzu früh ausgehe und an seine Stelle das Tränenwasser der Betrübnis trete. Ehestand - Wehestand! Nur zu oft und allzu früh bewahrheitet sich in manchen Ehen dieses Wortspiel. Selbst der glücklichsten Ehe bleibt das Weh nicht erspart: Da sind oft schwere Sorgen um das tägliche Brot, besonders wenn die Familie immer größer wird und nur zwei Hände da sind, dieses Brot zu verdienen. Da sind Krankheiten, die wie ein großes Gespenst die Schwelle überschreiten. O wenn die Mutter oder der Vater an jedem Tag des Kalenders ein schwarzes Kreuzchen machen wollte, an dem dem Haus irgendein Leid widerfuhr oder die schwarze Sorge durch die Türspalte sah, in manchen Häusern würden nicht gar viele von den 365 Tagen ungezeichnet bleiben. Und was wird der Ehestand erst für ein Wehestand, wenn die Eheleute nach einer Zeit daraufkommen: wir passen nicht zueinander, unsere Charaktere verhalten sich zueinander wie Feuer und Wasser. Mancher Mann, manche Frau greifen sich verzweifelt an den Kopf: "O wenn ich das vorher gewusst hätte!" Und nun ist es zu spät. Durch des Sakramentes Kraft sind sie zu einer unauflöslichen Einheit verbunden. Wenn sie es mit ihrem Christentum ernst meinen, müssen sie es ernst nehmen mit dem Versprechen, das sie am Traualtar einst sich gaben: "Ich verspreche dir eheliche Treue und Liebe, auf keine Weise dich zu verlassen, mit dir alles, es sei gut oder bös und widerwärtig bis in den Tod zu tragen und zu leiden." Das mag manchmal schwer sein, übermenschlich schwer.

 

Aber wisst ihr das Geheimnis, dass in der Ehe wiederum das Wasser der Trübsal in den Wein der Freude werde? Macht es wie die Brautleute von Kana: ladet euch Jesus und Maria ein und macht sie euch zu ständigen Hochzeitsgästen in euerm Haus, d.h. die heilige Religion muss erster und vornehmster Gast bei christlichen Eheleuten sein.

 

Soll die Ehe glücklich werden, muss sie schon mit Gott beginnen. Heutzutage ist leider vielfach schon die kirchliche Feier zur Nebensache geworden - in fünf Minuten soll alles vorüber sein - und auf den weltlichen Prunk wird alle Aufmerksamkeit verwendet. Echt christliche Brautleute legen vorher eine recht gute, aufrichtige Beichte, wenn möglich, eine Lebensbeichte ab. Sie machen dadurch einen großen Strich durch ihr bisheriges Leben und beginnen nun ein neues Leben in Gott und mit Gott. Wo Jesus und Maria Hochzeitsgäste sind, da werden auch die kommenden Leiden und Trübsale die Eheleute nicht in Verzweiflung stürzen, sondern gerade die heilige Religion und die Gnade des Sakramentes wird sie stärken und mit heiliger Geduld ausstatten, so dass sie immer, wenn auch mit Tränen im Auge sagen können: "wie Gott will." Liebe Marienverehrer! Wie ganz anders werden die Leiden getragen in einer wahrhaft christlichen Familie und in einer ungläubigen Familie.

 

Wo Religion im Haus, da werden die Eheleute auch die nötige Geduld aufbringen, um die gegenseitigen Fehler zu ertragen und einander zu verzeihen und nachzugeben.

 

Wo Religion im Haus ist, da werden die Eheleute sich ein Gewissen daraus machen, in die großen Sünden und Laster so manches modernen Ehelebens zu fallen, die früher oder später zum Ruin jeglichen Familienglücks werden, als da sind: Ehebruch, Genusssucht, Mord der Ungeborenen. Wo echte Religiosität im Haus ist, da sind sich die Eheleute ihrer schweren Verantwortung bewusst, ihre Kinder nicht für diese Welt zu erziehen, sondern für die ganze Ewigkeit. Und solch erzogene Kinder werden einst der Stab ihres Alters, ihr Trost und ihre Freude. Warum gibt es heute so viele unglückliche Ehen, warum steigt die Zahl der Ehescheidungen ins Grauenhafte? Weil in vielen Familien ständiger Gast der Teufel geworden ist und man Jesus und Maria die Tür gewiesen hat. Und wenn Jesus und Maria ein Haus verlassen müssen, dann geht Friede und Freude und Segen und Glück mit ihnen fort. Heißt es doch so schön in dem alten Hausspruch:

 

"Wo Glaube, da Liebe,

Wo Liebe, da Friede,

Wo Friede, da Segen,

Wo Segen, da Gott,

Wo Gott, da ist keine Not." Amen.

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16.

 

Der erste Papst!

 

In der lauretanischen Litanei ehrt unsere heilige Kirche die hehre Himmelskönigin, indem sie ihr die herrlichsten Titel beilegt. Eine dieser Anrufungen lautet: "Du Königin der Apostel, bitte für uns!" Mit vollem Recht wird Maria die Königin der Apostel genannt. War sie ja doch so oft unter ihnen, jeden von ihnen hat sie gekannt, mit einigen war sie verwandt. Zur Hochzeit in Kana war Jesus und seine Jünger geladen und die Mutter Jesu war auch dabei. Am Pfingtsfest war Maria mitten unter der Schar der Apostel, mit denen sie betend die Herabkunft des Heiligen Geistes erwartete. Wie oft wird Maria in mütterlicher Sorge sich um das leibliche Wohl der Apostel gekümmert haben und gar nach der Himmelfahrt des Herrn war sie ihnen erst recht Ratgeberin und Trösterin. Und wieder erzählt uns die fromme Legende: Als Maria starb, da umstanden die Apostel ihr Sterbelager und nahmen so das Recht der allernächsten Bekannten und Verwandten in Anspruch. 

 

Ja Maria ist die Königin der Apostel.

 

In welchem Verhältnis mag wohl der erste Apostel, St. Petrus zu Maria gestanden haben? Die Heilige Schrift berichtet uns nichts darüber. Aber wir können es uns denken, welches Interesse Maria an dem Apostel hatte, den ihr göttlicher Sohn so auszeichnete, indem er ihm den Vorrang vor den übrigen Aposteln einräumte. Wie mag Mariens Herz geweint haben, als sie in den Trauertagen des Leidens ihres Sohnes von dem schmachvollen Fall Petri hörte. Sie wird es gar nicht fassen gekonnt haben, dass der, auf den Jesus so viel gebaut, der die Säule seines Reiches auf Erden, der Kirche, sein sollte, so versagte, so schmählich versagte. Doch bald fiel in ihre wehmütige Trauer um den leidenden Sohn ein milder Lichtstrahl: Die Reue Petri. Jetzt vertraut sie wieder auf ihn und das, was Petrus später alles geleistet für Christi Reich, war wohl angetan, sie in ihrem Vertrauen zu Petrus zu bestärken.

 

Blicken auch wir mit den Augen Marias auf Petri Sünde, fragen auch wir: Wie konnte denn Petrus so schmählich fallen? War nicht Petrus der bevorzugteste Jünger Jesu Christi? Wenn der Herr etwas ganz Besonderes, Außerordentliches vor hatte, Petrus wurde immer hinzugezogen. Als Jesus das Töchterchen des Jairus wieder zum Leben erweckte, hieß er alle das Gemach zu verlassen, nur Petrus durfte mit Johannes und Jakobus darinnen bleiben und Zeuge werden eines der großartigsten Wunder des Herrn. Auf Tabor wurde Petrus Zeuge der wundersamen Verklärung Christi und er sollte auch Zeuge sein des Beginns eines bitteren Leidens auf dem Ölberg. Nach dem feierlichen Bekenntnis der Gottheit Christi fiel auf Petri Haupt eine unsagbare Auszeichnung: "Du bist Petrus und auf diesem Felsen will ich meine Kirche bauen. Dir werde ich des Himmelreiches Schlüssel übergeben und was du binden und lösen wirst auf Erden, das soll auch im Himmel Geltung haben." Immer sah Petrus das glänzende Beispiel seines Meisters vor Augen, immer klangen in seinem Ohr die Worte wider, die er zu ihnen sprach, mahnend, sorgend, warnend. Und doppelt eindringlich klingt Christi Warnung in der Donnerstag Nacht an Petri Ohr. Und doch geschieht in derselben Nacht das Furchtbare: Die Leugnung Christi durch den Fürsten der Apostel.

 

Erkennt am Fall, an der Sünde des heiligen Petrus die furchtbare Macht der Finsternis. Wenn die dunkle Stunde der Versuchung über die Seele fällt, wo sind dann die guten Vorsätze, die man gemacht hat? Und die milde, liebe Gestalt des Heilandes versinkt vor dem Locken der Sünde und vor dem Thron des gerechten Richters verschließt die Seele ihr geistiges Auge und sogar vor den Flammen der Hölle und das Kreuz des Herrn stellt sich vergeblich vor sie hin. Alles das sieht die verblendete Seele nicht mehr, wenn sich vor ihr der grünende Baum mit der verbotenen Frucht erhebt. Und will der Mensch die Sünde tun, dann genügt oft der kleinste Anstoß und er liegt schon am Boden und triumphierend stimmt die Finsternis ihr Hohngelächter an. 

 

Die Geschichte des Falles Petri ist die Geschichte der Sünde einer ungezählten Schar von Menschen. Petrus wollte sicherlich den Herrn nicht verleugnen und er tat es doch. Und die Mehrzahl der Sünder begeht die Sünde nicht deshalb, weil sie Gott beleidigen wollen, nein, das ist nicht ihr Wille. Und sie beleidigen ihn doch immer und immer wieder, sobald sie der Versuchung nachgegeben haben. Erschrecken wir vor dem unheimlichen Einfluss der Macht der Finsternis auf die Menschenseele. Geben wir uns nie dem stolzen Selbstbewusstsein hin: "nein, so etwas könnte mir doch nicht passieren wie diesem oder jenem!" Beten wir lieber recht demütig mit einem Heiligen: "Herr, halte mich fest! denn wenn du deine Hand aus der meinen nimmst, werde ich zum Dieb und Räuber, zum Mörder und Ehebrecher."

 

Die Sünde war für Petrus und für jeden Sünder ein großes Unglück. Aber, liebe Marienverehrer, es gibt ein noch größeres Unglück als das Fallen in die Sünde. Ein größeres Unglück wäre es gewesen, wenn Petrus verzweifelt aus dem Hof fortgelaufen wäre. Aber die Worte der Heiligen Schrift: "er ging hinaus und weinte bitterlich" die zeigen, dass das Unglück wieder gutgemacht wurde. Es ist ein großes Unglück für die Seele, wenn der Mensch seinen Gott vergisst und statt Liebe nur Hass sät, wenn er zum Dieb wird und zum Verleumder, wenn er dem Teufel des Neides und Geizes sich übergibt und der Unzucht verfällt, aber größer noch ist das Unglück, wenn der Mensch sich sagt: "Ich kann mir nicht mehr helfen, ich kann mich nicht mehr ändern, die Gewohnheit der Sünde ist schon zu stark in mir, oder Gott wird mir ohnehin nicht mehr verzeihen." Da senkt sich zum zweiten Mal die Nacht über die unglückliche Seele, eine Nacht ohne Lichtstrahl, eine Nacht ohne Morgen: Die Verstockung, die Verhärtung in der Sünde. Das ist das größte Unglück, in das der Mensch fallen kann. Christliche Seele, willst auch du in diese Nacht hineingehen? Mach es wie Petrus. Es ist nie zu spät, seine Sünde zu beweinen und zu bereuen. Vertraue dich einem erfahrenen Beichtvater an, enthülle ihm alle Falten deiner Seele und frage ihn um seinen Rat: "Priester Gottes, so bin ich, jetzt hilf mir, dass ich mich wieder aufrichte, zünde ein Licht an, dass ich mich auskenne in dieser Nacht, weise mir den Weg, der mich herausführen soll aus dieser Nacht." Verzweifle nie, aber bringe wenigstens soviel Kraft und Mut auf, um irgendwie Heilung zu suchen. Petrus hat schwer gesündigt und er ist doch noch ein großer Heiliger geworden, er hat den Mut des Martyriums gefunden und ihn hat Jesus Christus trotz seiner Sünde zum ersten Papst gemacht.

 

In die Sünde gefallen zu sein, ist noch nicht das größte Unglück. In der Sünde bleiben, das nenne ich das größte Unglück. Auch du kannst, und wäre deine Sünde grauenhaft groß und schwer, noch ein Liebling Gottes werden und mit einer glänzenden Krone geziert werden, wenn du nur mit Gottes Gnade willst. 

 

Und viele sind für immer und ewig ausgeschlossen aus Gottes Reich und Gottes Licht und müssen in alle Ewigkeit einer es dem anderen zurufen: "Wir haben es selber gewollt."

 

O Maria, du Zuflucht der Sünder, bewahre einen jeden von uns vor einem solchen Unglück! Amen. 

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17.

 

Der Adoptivsohn

 

Am heiligen Karfreitag drang wohl das spitzeste von Simeon prophezeite Schwert durch das Herz der Gottesmutter. In wenigen Worten nur schildert uns die Heilige Schrift das Furchtbare, so an Maria geschah und überlässt es dem Leser des heiligen Buches, aus den wenigen Worten das ganze Meer des Schmerzes herauszufühlen. "Es stand aber bei dem Kreuz seine Mutter." Eine Mutter am Sterbebett ihres einzigen Kindes. Und dieses Kind wird in seiner Leidensstunde als gemeiner Verbrecher gebrandmarkt und sie weiß: er ist der Heiligste. Eine Mutter am Sterbebett ihres Kindes, das mit allen Martern gequält wird, deren die menschliche Bosheit nur fähig ist. Sie steht am Sterbebett ihres Kindes, aber dieses Sterbebett ist selber ein Marterwerkzeug und sie darf und kann ihm nicht den Todesschweiß abwischen, sie kann seine verschmachtenden Lippen mit keiner Erfrischung erquicken, sie muss ohnmächtig zusehen, wie er in Qualen zuckt und stöhnt und sein Haupt neigt und stirbt.

 

Und neben ihr steht ein Jüngling. Auf diesen ist das brechende Auge des Heilandes gerichtet: "Sohn, siehe deine Mutter!" Und von derselben Stunde an nahm sie der Jünger zu sich, so berichtet uns die Heilige Schrift. Maria und Johannes! Gibt es ein zarteres, ein innigeres Verhältnis als das zwischen Mutter und Sohn, zwischen Maria und Jesus? Und der Heiland will jetzt, dass dieses Verhältnis durch seinen Tod nicht gelöst wird, dass an seine Stelle Johannes tritt, dass Johannes Maria jetzt seine Mutter nennt und sie Johannes ihren Sohn. Und Jesus tat ruhig seine Augen zu, denn er wusste, dass dieses innig zarte Verhältnis, geboren in der Stunde des herbsten Leidens dauern wird alle Jahre bis zu der Stunde, wenn er seine geliebte Mutter zu sich nehmen wird in die ewige Glorie. 

 

Warum hat der Heiland Maria dem Johannes anvertraut, warum nicht dem Oberhaupt der Kirche St. Petrus, warum nicht seinem Verwandten, dem Apostel Judas Thaddäus? Seht in dieser wichtigen Stunde seines Sterbens da wollte der Heiland eine Tugend aufs Höchste auszeichnen, da wollte er einer Tugend einen besonderen Ehrenplatz einräumen: Droben auf dem Kalvarienberg, da stimmte der Heiland das Hohelied der Reinheit an, als er die Worte sprach: "Sohn, siehe deine Mutter, Frau, siehe dein Sohn." Er selbst, geboren aus der Makellosen Jungfrau, wollte diese makellose Lilie wieder nur geborgen wissen am Herzen eines jungfräulichen Freundes, des heiligen Johannes. Das war die große Auszeichnung, die der Keuschheit zuteil wurde, dass sie ernannt wurde zur Beschützerin der heiligen Jungfraumutter. 

 

Liebe Marienverehrer! Ist es nicht höchst notwendig geworden, dass wir Christen uns wieder daran erinnern, wie Christus und seine Mutter die Tugend der Reinheit hoch eingeschätzt haben. Der heilige Apostel spricht in seinen Briefen das große Wort aus, dass die Unreinheit unter Christen nicht einmal genannt werden sollte und was für ein entsetzliches Schauspiel stellt sich heute vor unsere Augen? Wie eine zweite Sündflut hat sich die Unreinheit ergossen über die ganze Welt. Kein Dorf zu klein, kein Haus zu niedrig, wo sie nicht Eingang fände. Sie fängt an, den Unschuldsblick der Kinder zu trüben und flackert noch in den halberloschenen Augen des Greises, der Arme sucht in ihren Armen sein Elend zu vergessen und der Reiche sucht mit ihr sein Wohlleben noch raffinierter zu gestalten. Und der Christenhass gibt ihr schöne, wohlklingende Namen, nennt sie Ausleben, nennt sie Naturnotwendigkeit, nennt sie eine Forderung der Vernunft. Und weinend geht die Reinheit durch die Welt und sucht ein Heim und wird fast überall vertrieben wie St. Elisabeth von der Wartburg. Da tut es bitter not, dass wir Christen uns wieder einmal erinnern, wie Christus und die Seinen über die Reinheit denken, denn nur das Urteil Christi darf maßgebend für uns sein und nicht das Urteil dieser Welt. Wie denkt der Heiland über die Reinheit? Betrachten wir nur sein Verhalten: als er eine Erdenmutter erwählen sollte, da ruhte sein Blick auf Maria, die heute mit dem Ehrentitel der unbefleckt Empfangenen, der reinsten Jungfrau, der keuschesten Jungfrau begrüßt wird. Als er einen Pflegevater sich erkor, da fiel die Wahl auf einen St. Josef, der abgebildet wird mit der Lilie in der Hand. Und einem seiner Apostel gestattete er beim letzten Abendmahl, in der wehmütigen Abschiedsstunde an seinem jungfräulichen Herzen zu ruhen: es war sein Liebling, der jungfräuliche Johannes. Und diesen, gerade diesen bestimmte der Heiland an seiner Stelle Mariens Sohn zu sein. Und ist es nicht wieder der Heiland, der die Herzensreinen selig preist: "Selig sind die, die ein reines Herz haben, denn sie werden Gott anschauen."

 

Gibt es da für die Sklaven der Sünde noch eine Entschuldigung? Abschrecken müsste sie das Wort des Völkerapostels, dass die Unreinen das Reich Gottes nicht besitzen werden. Wer aber mutig für diesen kostbaren Schatz kämpft, der kann voll Trost und Hoffnung empor zum Himmel blicken. In denselben Himmel hinein zu schauen wurde der jungfräuliche Apostel Johannes gewürdigt auf Patmos, der Insel. Da sah er die unermessliche Schar der reinen Seelen, die sich unbefleckt erhalten hatten auf dieser Erde. Und nun wandeln sie im Gefolge des Lammes in weißen Gewändern mit Palmen in den Händen und ihrer Wonne und Seligkeit wird kein Ende sein.

 

Lieber Marienverehrer, willst du einstens diesem glänzenden Gefolge eingereiht werden, dann horche nicht auf die verführerischen Stimmen der Welt, die dir zurufen: "Genieße dein Leben, das ohnehin so kurz ist und trinke die Wonnen, die es dir bietet!" Horche nicht auf die Sirenenstimmen des eigenen Fleisches, das dir die Sünde in den lockendsten Farben malt und wenn die Stürme der Versuchung über dich hinwegbrausen, dann rufe mit den Aposteln: "Herr hilf mir, sonst gehe ich zugrunde!" Rufe auf zu ihr, der Makellosen, Unbefleckten, flüchte dich unter ihren weiten Schutzmantel: "O Maria, ohne Makel der Erbsünde empfangen, bitte für mich, der ich zu dir meine Zuflucht nehme."

 

Alles Große muss erkämpft werden. Die Tugend der Reinheit fällt dir nicht als reife Frucht in den Schoß. Heiß und schwer ist der Kampf um sie, aber sie muss ein köstlicher Preis sein, sonst wäre sie ohne Mühe zu erringen. Hast du sie errungen, dann spürst du erst die ganze Seligkeit ihres Besitzes, jene Seligkeit, die St. Johannes kostete, als er ruhen durfte am süßen, liebebrennenden Herzen Jesu. Amen.

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(Fotografie aus der evang. Stadtkirche St. Peter und Paul in der mecklenburgischen Stadt Teterow)

 

18.

 

Der Mann mit dem Strick

 

Auch den unglücklichsten aller Apostel hat Maria gut gekannt. Vielleicht wusste sie nichts von seinem Seelenzustand, sie sah, wie er dem Herrn treu folgte, wie er begeistert war für ihn beim Anblick seiner Wundertaten, wie er sich einsetzte für sein Reich. Und dann trifft sie wie ein Donnerschlag die Nachricht: Judas hat deinen lieben Sohn an die Feinde verraten um schnöde 30 Silberstücke. Und eine zweite Nachricht zerreißt ihr Herz: Judas ist in Verzweiflung hingegangen und hat seinem Leben ein Ende gemacht. Da hat sich wohl eine Träne ins Auge der Gottesmutter gestohlen: "Unglückseliger Apostel! Warum hast du den Weg nicht zu mir gefunden? Du hast mir ein unsagbares Weh angetan, aber ich hätte dich doch unter das Kreuz geführt und hätte für dich zu meinem sterbenden Kind um Verzeihung emporgerufen. Mein Kind hat mir nie eine Bitte abgeschlagen, er hätte auch dir verziehen, wie er dem Räuber zu seiner Rechten verziehen hat. Unglücklicher Apostel! Was hast du getan?" So ähnlich mochte wohl die Gottesmutter geklagt haben.

 

Ja, liebe Christen, die Geschichte des unglücklichen Judas ruft uns warnend zu: Kein Sünder soll an der Barmherzigkeit Gottes verzweifeln, und wenn er sich nicht getraut, vor Gottes schreckende Gerechtigkeit hinzutreten, so wende er sich an die Zuflucht der Sünder, an Maria. Sie erbittet Bekehrung, Gnade, Verzeihung, wie wir dies an der Geschichte der marianischen Wallfahrtsorte ungezählte Male bewiesen finden.

 

Warum ist es mit Judas so weit gekommen? Hätte ihn vielleicht eine andere Leidenschaft beherrscht, vielleicht hätte er noch den Weg zum Heiland, den Weg der Gnade gefunden. So aber ließ ihn der Geldteufel, die Habsucht nicht mehr los. Und es ist eine bekannte Tatsache, dass sich jeder andere Sünder leichter bekehrt, eher wird der Unkeusche keusch und der Hassende verzeiht und der Hochmütige wird demütig, als dass der vom Geldbeutel Besessene diesen bösen Geist austreibt aus seinem Herzen. Judas war in der Nähe des Heiligsten, er hörte die Predigten, Mahnungen, Warnungen Jesu Christi; es war alles umsonst. Der Habgierige geht vielleicht gern in die Kirche, er weilt in der Nähe des Heiligsten, er beichtet und kommuniziert und doch bleibt er der Sklave dieses bösen Geistes. Er kennt es nicht mehr, in welch böser Verfassung er sich befindet. Während alle Leute schon mit Fingern auf ihn weisen und ihm allerlei "schöne" Namen geben: Geizhals, Pfeffersack, Filz, er hält sich selbst für einen Ehrenmann. Das was andere schmutzigen Geiz nennen, ist bei ihm nichts anderes als weise Sparsamkeit. In den Herzen solcher Sünder ist das Lichtlein Liebe ausgelöscht. Sie haben für keine Not, für kein Elend ihres Nächsten, für keinen noch so edlen Zweck ein Herz mehr, dagegen aber eine volle zugeknöpfte Tasche. Dieser Judasgeist hat schon unendlich viel Unheil angestiftet auf der Erde, ungezählte Tränen, ungezähltes Blut ist schon durch ihn geflossen. In Deutschland wäre der Abfall von der Kirche unter Martin Luther nicht so weit gediehen, wenn nicht die Fürsten, lodernd vor Begierde nach den Besitzungen der Kirche, die Sache Luthers gefördert hätten. Was sind die Kriege, was der erste oder zweite Weltkrieg mit ihrem Heer von Tränen, Blut und Elend, etwas anderes als der Ausfluss der Habsucht einzelner Herrscher und Völker? Warum ließ sich z.B. Amerika in den Krieg gegen Deutschland hetzen? Etwa weil es die Rechte der kleinen Nationen verteidigen wollte? Solche Ausreden sind nur eine Komödie. Nein, Amerika hat deshalb Krieg geführt, weil es seine Waffenlieferanten, Börsianer und Bankiers so haben wollten. (Judasgeist ist es, wenn ein großes Land wie Russland ein kleineres wie die Ukraine überfällt und zerstört.) Judasgeist ist es, wenn die afrikanischen Völker von den Europäern ausgeplündert und ausgewuchert wurden. In England kam es vor, dass Kinder von 8 Jahren um einen Hungerlohn 10-16 Stunden an den Spinnmaschinen stehen mussten. Fielen sie vor Schwäche um, dann stellte man sie in kaltes Wasser und dann wieder an die Maschine. Ja die herzlose Ausbeutung des Menschen um des bloßen Mammons willen ist abscheulichster und abstoßendster Judasgeist. Dieser Geist lebt immer und immer wieder auf und treibt seine widerliche Komödie. Sogar das Unglück des Nächsten nützt er aus zu seinem eigenen Vorteil. Bei Erbschaften, in Erbschaftsstreitigkeiten und Erbschaftsprozessen kann man ihn beobachten in seiner ganzen Widerlichkeit und Abscheulichkeit.

 

Was aber das Allertraurigste ist: Der vom Geist der Habsucht Ergriffene geht gewöhnlich hinüber in die Ewigkeit ohne Reue, ohne Buße über diese Sünde. Er ist so verhärtet und verstockt in dieser Leidenschaft, dass er meint, es sei alles in bester Ordnung bei ihm. Er spricht nicht einmal aus, was Judas in seiner Verzweiflung geschrien hat: "Ich habe gesündigt."

 

Liebe Marienverehrer! Hüten wir uns vor diesem Judasgeist! Und damit wir nicht in Versuchung geraten, diesem unheimlichen Geist zu verfallen, denken wir öfters darüber nach, wie kurz alles auf dieser Erde dauert, wie der Mensch alles, alles zurücklassen muss bei seinem Tod. Hat er von den irdischen Gütern keinen guten Gebrauch gemacht, dann werden diese irdischen Güter ebenso viele Ankläger sein beim allgerechten Richter. Und mag der Habsüchtige auch rufen: "Was klagt ihr mich an? Ich habe euch doch geliebt mit ganzem Herzen, aus ganzer Seele, aus allen meinen Kräften und mit ganzem Gemüt" sie werden kalt und höhnisch ihm antworten, wie die Pharisäer dem Judas: "Was geht das uns an, jetzt sieh du nur zu!" O Menschenseele, wie arm, wie bettelarm musst du jetzt stehen vor deinem Richter. Hast du aber die irdischen Güter nach dem Willen und der Meinung Gottes verwendet, hast du mit ihnen auch Freunde gesammelt für den Himmel, dann bewahrheitet sich an dir, was die Kirche am Fest des armen St. Franziskus von Assisi betet: "Reich ging er in den Himmel ein!" Amen.

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19.

 

Der berühmte Neffe

 

Unter den 12 Aposteln Jesu Christi befand sich noch ein zweiter Judas. Während das Andenken des einen, des Judas Iskariot ein unseliges geworden und sein Name mit einem gewissen Grauen ausgesprochen wird, genießt der zweite Judas beim gläubigen Volk eine ganz besondere Verehrung. Wer ist dieser zweite Judas? Er führt noch den Beinamen Thaddäus und war ein naher Verwandter Mariä und wird in der Heiligen Schrift unter die "Brüder Jesu" gezählt, von denen wir schon gehört haben. Sein Vater hieß Kleophas, seine Mutter Maria, die in der Heiligen Schrift als Schwester der Mutter Jesu erscheint. Daher war Judas Thaddäus entweder ein leiblicher Neffe oder doch ein naher Verwandter der Mutter Gottes.

 

Unser Heiland hat auf leibliche Verwandtschaft nicht viel gegeben, wenn nicht zu den Banden des Blutes auch die geistigen Bande des Glaubens und der unbedingten Hingabe dazukommen. Und dass Jesus Christus den Judas Thaddäus unter die Schar seiner Apostel aufgenommen hat, ist uns ein Beweis, dass bei Judas diese geistigen Bande des Glaubens und der bedingungslosen Hingabe eine wichtige Rolle spielten. Nicht viel erzählt uns die Heilige Schrift von Judas Thaddäus. Einmal wird er als sprechend angeführt. Das war beim letzten Abendmahl, als Jesus seine Abschiedsrede hielt und sagte, er wird sich dem offenbaren, der ihn liebt.Da sprach Judas: "Herr, was ist geschehen, dass du dich uns offenbaren willst und nicht der Welt?" (Johannes 14,22) In diesen Worten wunderte sich Judas Thaddäus, dass der Welterlöser sich nur einer kleinen Schar offenbarte. Jesus gab keine direkte Antwort, aber doch kann man aus seinen Worten die Antwort herauslesen: "Ich offenbare mich nur denen, die mich lieben und mein Wort halten. Das tun aber die weltlich Gesinnten nicht, darum offenbare ich mich auch nicht der Welt." In der Leidensgeschichte Jesu spielte er dieselbe Rolle, wie die übrigen Apostel. Er, der auch den Beinamen Lebbäus d.h. der Beherzte hatte, verlor bei Jesu Gefangennahme allen Mut und floh mit den übrigen Aposteln. Diese Handlungsweise ihres nahen Verwandten wird die Mutter Gottes wohl sehr betrübt haben. Doch nach der Sendung des Heiligen Geistes stellte Judas Thaddäus seinen ganzen Mann. Er zog als unerschrockener Glaubensapostel in die Heidenländer aus und verkündigte unerschrocken Jesus den Gekreuzigten. Nach dem Martertod seines Bruders Jakobus des Jüngeren, der als erster Bischof von Jerusalem das Blutzeugnis für den Heiland abgegeben hatte, kehrte er nach Jerusalem zurück und beteiligte sich an der Wahl des neuen Bischofs, die auf seinen zweiten Bruder Simon fiel. Wieder zog er hierauf predigend durch die Länder Syrien und Mesopotamien. Auch nach Armenien kam er. Die Einwohner dieses Landes verehrten ihn als ihren ersten Glaubensprediger. Er erlitt ungefähr um das Jahr 71 den Martertod. Sein Fest feiert die Kirche am 28. Oktober. Er schrieb auch an die Christengemeinde einen in die Heilige Schrift aufgenommenen Brief, in dem er von den Irrlehrern warnt und deren Strafe durch das Gericht Gottes ankündigt.

 

Der heilige Judas Thaddäus, der  Verwandte der seligsten Jungfrau Maria, genießt beim gläubigen Volk eine hohe Verehrung und besonders wird er in verzweifelten Fällen angerufen, in solchen Fällen, in denen der Mensch schon alle Hoffnung aufgeben möchte und keinen Anker mehr sieht, an den er sich klammern könnte, kein Sternlein mehr sieht, das ihm leuchten würde. Und tatsächlich hat sich der heilige Judas Thaddäus schon in ungezählten Fällen als wunderbarer Helfer und Patron erwiesen. in der Kirche "Am Hof" in Wien befindet sich eine dem heiligen Judas Thaddäus gewidmete Kapelle mit dem Bild des Heiligen. Und die ganzen Wände sind übersät mit Votivtafeln, auf denen überglückliche Verehrer des Heiligen ihren Dank und ihren Jubel zum Ausdruck bringen für seine wunderbare Hilfe.

 

Und da entsteht die Frage: Ja, ist es denn recht, dass wir uns in unseren Anliegen fast mehr an die Heiligen als an Gott selbst wenden? Wird uns da nicht von den Andersgläubigen der berechtigte Vorwurf gemacht, dass wir vor lauter Heiligen den lieben Gott übersehen! Meine Lieben! Die Kirche gebietet es uns nicht, dass wir in unseren Gebeten uns ausschließlich an die Heiligen wenden sollen. Sie selbst wendet sich in ihren offiziellen Gebeten direkt an Gott. Aber sie verbietet es auch nicht, dass wir die Heiligen um ihre Fürsprache bei Gott anrufen und da handelt sie ganz nach Gottes Willen. Als einst in Ägypten eine fürchterliche Hungersnot wütete, da rotteten sich die hungernden Scharen von dem Palast des Pharao zusammen und schrien nach Brot. Und der König verwies sie an Josef, den Sohn Jakobs: "Geht zu Josef!" Er hätte selbst sofort helfend eingreifen können durch Erlass des Befehls, man möge die Lagerhäuser öffnen und Getreide verteilen. Aber der Pharao wollte Josef, der sich um ihn und das ganze Land so verdient gemacht hatte, ehren und auszeichnen. Und darum übergab er ihm die Verteilung der Lebensmittel. Macht es nicht der Liebe Gott ähnlich? Die Heiligen, Maria an erster Stelle, die heiligen Apostel, die Märtyrer, die unter Martern ihr kostbarstes Erdengut, das Leben für Gott hingaben, die heiligen Bischöfe und Bekenner, die ihr Leben in Hingabe an Gottes Willen verbrachten, die heiligen Jungfrauen, die aus Liebe zu Gott den großen Kampf des eigenen Fleisches niederkämpften, die Heiligen haben gearbeitet, gelitten, gehungert und gebetet im Dienst des Reiches Gottes. Sie haben unzählige Seelen zu Gott geführt, sie haben zur Verherrlichung des Namens Gottes beigetragen unter den Heiden, sie haben ihr Erdenglück und Erdenleben als ein Nichts geachtet im Dienst des Reiches Gottes. Ist es da nicht würdig und gerecht, dass Gott sie dafür auszeichnet und ehrt, indem er in ihre Hände die Austeilung seiner Gaben und Gnaden legt? Die Gläubigen wissen sehr gut, dass der erste Spender aller Gaben und Gnaden Gott ist, von dem allein die Erhörung unserer Gebete und Bitten abhängt. Und in diesem Sinn wenden sie sich an die Heiligen, dass sie Gott unsere Bitten vortragen in der so recht menschlichen Vorstellungsweise, dass die auserlesenen Freunde und Lieblinge Gottes eher etwas bei Gott erreichen, als wir armen sündigen Menschen, die wir ohne Verdienste sind. In diesem Sinn verehren wir die Heiligen und so ist es auch der Wille der Kirche, dass wir sie verehren. Dabei dürfen wir freilich nie vergessen, dass die erste Verehrung und Anbetung Gott gilt. Auch wenn wir in die Kirche eintreten, sollen wir nicht zuerst vor den Bildern und Altären der lieben Gottesmutter und der Heiligen niederknien, sondern unser erster Gruß, unsere erste Kniebeuge gelte unserem im Tabernakel verborgenen Gott und Heiland, auf den das ewige Lichtlein hinweist.

 

Judas Thaddäus der Anverwandte der Mutter Gottes soll in unseren Herzen ein freundliches Plätzchen einnehmen und wenn du in großer Not bist, so wende dich vertrauensvoll an ihn, unternimm zu seiner Ehre eine neuntägige Andacht und mach diese Andacht wirksam durch den würdigen Empfang der heiligen Sakramente. Wenn es Gottes Wille ist, kannst auch du an einem öffentlichen Bild des Heiligen eine jubelnde Danksagung anbringen, oder wenigstens in deinem Herzen aufjubeln: "Dank dir, Mariens Verwandter, St. Judas Thaddäus, du hast geholfen, als niemand mehr helfen konnte!" Amen.

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20.

 

Der Mann des Gebetes

 

Der heilige Judas Thaddäus hatte noch einen Bruder, der gleich ihm vom göttlichen Heiland zum Apostelamt berufen wurde: Das war der heilige Apostel Jakobus der Jüngere, dessen die heilige Kirche mit dem heiligen Apostel Philippus am 3. Mai gedenkt. Wie oft mochte wohl Jakobus mit Maria, seiner Verwandten beisammen gewesen sein und mit ihr die Taten, Reden und Leiden ihres göttlichen Sohnes besprochen haben. Denn während die übrigen Apostel in aller Welt sich zerstreuten, blieb er in Jerusalem als Bischof dieser Stadt zurück und darum hatte er mehr als die anderen Apostel das Glück die Mutter Jesu zu sehen und zu sprechen. Auch sein Wirken in der heiligen Stadt wurde ungemein segensreich und die Zahl der Gläubigen wuchs immer mehr. Daher auch der Hass der Pharisäer und Schriftgelehrten gegen ihn. Endlich ließ ihn der Hohepriester Ananus vorführen und übergab ihn dem aufgewiegelten Volk, dass es ihn töte. Sie schleppten ihn auf die Zinne des Tempels und stieß ihn von der gewaltigen Höhe herab, dass er mit zerschmetterten Gliedern liegen blieb und da noch Leben in ihm war, trat ein Walker auf ihn zu und zerschmetterte ihm mit einer Stange das heilige Haupt. So geschehen im Jahr 61. Ihm folgte im Bischofsamt zu Jerusalem sein Bruder Simeon, der später den Kreuzestod erlitt.

 

Vom heiligen Jakobus sagt das priesterliche Breviergebet, dass er sich dem Gebet so hingegeben habe, dass die Haut seiner Knie hart wurde wie Kamelhaut. Jakobus war also ein Mann des eifrigsten Gebetes. Er war ja in eine gute Schule gegangen. Hatte er nicht schon an seiner Verwandten ein herrliches Vorbild des Gebetseifers? Maria, die große Beterin, Maria betend bei der Verkündigung des Engels, Maria betend auf der Flucht nach Ägypten, Maria betend auf der Wallfahrt nach Jerusalem, Maria betend in der Stunde des größten Leidens, Maria betend unter der Schar der Apostel und den Heiligen Geist erflehend - wie wird dieses Beispiel seiner Anverwandten befruchtend auf den jüngeren Jakobus eingewirkt haben und gar, als er das Glück hatte, seine Tage in der Gesellschaft Jesu Christi zubringen zu dürfen, wie ging ihm da das Verständnis für den Wert, die Notwendigkeit, den Segen und Trost des Gebetes auf, wenn er den Heiland betrachtete, wie er jedes Werk und jedes Wunder mit Gebet begann, wie er nächtelang im Gebet zubrachte auf einsamer Bergeshöhe, wie er betend auf dem Kreuz seinen Geist aushauchte. Und von allen Worten des Heilands ist wohl dieses zutiefst in seine Seele gedrungen: "Betet ohne Unterlass!" Darum wurde Jakobus der Mann des Gebetes, dem vom vielen knien Schwielen wuchsen, dessen letzten Worte noch ein Gebet waren für seine Mörder. 

 

Männer und Frauen des Gebetes müssen wir alle sein. Gott will es so. Er ist der höchste Herr der ganzen Welt. Durch das Gebet verdemütigen wir uns vor ihm, durch das Gebet drücken wir unsere Abhängigkeit aus und erkennen seine Oberhoheit an. Die Seele braucht das Gebet so notwendig wie der Leib das Brot. Stellen wir uns den Menschen vor, der nicht betet oder nicht mehr betet. Gleicht seine Seele nicht der Wüste, in der alles Leben erstorben ist? Durch das Gebet hatte er immer noch Verbindung mit seinem Herrn und Gott. Nun aber hat er diese Verbindung aufgehoben und hat dadurch zu Verstehen gegeben, dass er Gott nicht mehr braucht. Und Gott drängt sich nicht auf und die Gnade drängt sich nicht auf, aber der Geist der Finsternis hält jetzt den Augenblick für gekommen, da er sich der Seele bemächtigen kann. Und hat der Mensch aufgehört zu beten, kann Satan einen Triumphruf ausstoßen. Fragen und forschen wir nach der Geschichte so manches tiefen Sündenfalls. Wann ist es denn bergab gegangen, wann hat die Seele der Versuchung Gehör geschenkt? Als der Mensch anfing das Gebet zu vernachlässigen. Und umgekehrt, so mancher hat seine Seele gerettet, weil er wieder angefangen hat zu beten.

 

Ein Priester aus dem Rheinland erzählt folgende Begebenheit: Ein hochangestellter Herr machte ihm einen Gegenbesuch und im Gespräch, das sich entwickelte, kamen sie auch auf das Gebet zu sprechen. Und auf die Frage des Priesters, ob er denn noch betet, gab er zur Antwort: "Ich bete, wenn ich das Bedürfnis dazu empfinde." "Und haben Sie oft das Bedürfnis?" Der Herr darauf: "Das kann ich gerade nicht behaupten." Da fragte der Priester weiter: "Was würden Sie dazu sagen, wenn einer Ihrer vielen Bediensteten morgens auf dem Korridor an Ihnen vorbeiginge, ohne zu grüßen und auf Ihre Frage, warum er nicht grüße, zur Antwort geben würde: Ich habe heute kein Bedürfnis dazu?" Der Besuch erwiderte: "Herr Pfarrer, ich habe Sie verstanden und werde in Zukunft täglich morgens und abends beten." Nach einiger Zeit trafen sich die beiden wieder und der vornehme Herr erzählte voll Freude, dass er täglich mehrmals betet und auch jeden Sonn- und Feiertag zur Heiligen Messe geht. Nach einem halben Jahr las der Priester in der Zeitung die Todesnachricht, dass der betreffende Herr nach kurzer Krankheit und wohlversehen mit den hl. Sterbesakramenten gestorben sei. Hätte er wohl dieses Glück auch gehabt, wenn er bei seiner früheren Gebetsbedürfnislosigkeit geblieben wäre? Da meinen manche, sie erweisen Gott eine hohe Ehre, wenn sie sich hier und da bequemen, gedankenlos ein Gebet herzusagen. Nein, Gott braucht uns und unser Gebet nicht. Aber der Mensch braucht Gott jeden Tag und jede Stunde und jede Minute. Wir brauchen das Gebet, sonst sinken wir noch tiefer im Erdenschmutz und Erdensumpf ein, wir brauchen das Gebet, sonst werden die Menschen langsam zum Tier mit seinen tierischen Trieben, das Gebet aber hebt uns in die reinere und gesündere Atmosphäre des Ewigen und Unsterblichen empor.

 

Wir dürfen uns nie durch den Spott der heutigen Welt verleiten lassen, lau im Gebet zu werden durch den Hinweis, dass das Gebet nichts nütze, dass uns das Gebet auch nicht helfen könne. So haben auch die Pharisäer zum betenden Heiland zum Kreuz empor gespottet: "Er hat auf Gott vertraut, der helfe ihm nun."

 

Liebe Marienverehrer, die ihr Männer und Frauen des Gebetes seid, ihr werdet mir zustimmen und rufen: "Das ist nicht wahr, dass das Gebet nichts nützt und hilft. Wir haben in herzinnigem Gebet uns an den Herrn gewandt und er hat uns erhört in seinem Heiligtum, hundertmal, tausendmal. Und hat er in seiner Weisheit manchmal es anders gelenkt, als wir in unserem Erdensinn gewollt haben, er hat es doch recht gemacht."

 

Und hat Gott dich und deine Gebete nicht erhört, forsche nur nach, wer die Schuld trägt. War dein Gebet immer so, wie es sein soll? Beten und beten ist ein großer Unterschied. Lies einmal im Katechismus nach, wie ein rechtes Gebet beschaffen sein muss und gewöhnst du dich, in der rechten Weise zu beten, wirst du nie über Gott dich zu beklagen haben.

 

Das Gebet ist - wie Abraham a. S. Clara sagt - der güldene Schlüssel, der uns eröffnet die Schatzkammer Gottes. Das Gebet ist der lichte Engel, der durch Freud und Leid uns sorgsam geleitet, das Gebet ist das himmlische Manna, das die hungernde Seele immer aufs Neue erquickt, das Gebet ist das Sternlein, das uns leuchtet, wenn ringsum Finsternis und der Sturm des Leids uns umgibt, das Gebet ist der Rosenstrauch, an dem die wohlriechendsten und schönsten Rosen wachsen, das Gebet ist der sicherste Weg, der zum Himmel führt. Darum, Marienverehrer, betet ohne Unterlass!

 

Bete in gesunden Tagen, denn wenn du krank wirst, kannst du vielleicht nicht mehr beten!

 

Bete in den Tagen deiner Jugend, wenn du erst im Alter damit anfangen willst, dann lernst du es nicht mehr recht.

 

Bete in den Tagen, da Gottes Gnade auf dich niederlacht, damit du stark bleibst in der Stunde der Versuchung.

 

Bete in der Versuchung, denn das Gebet ist das einzige Mittel, den Geist der Finsternis zu vertreiben.

 

Bete, bete, bete, wenn du gefallen bist, damit du dich wieder erheben kannst.

 

Bete für alle, für die, die du lieb hast, sie beten ja auch für dich.

 

Bete wie Christus, Stephanus, Jakobus für die, die dich hassen und verfolgen, denn dann bist du ein rechtes Kind deines himmlischen Vaters.

 

Bete um ein glückseliges Sterben, dann wirst du betend hinübergehen und hast das goldene Schlüsselein in der Hand, das dir aufsperren wird die Schatzkammer Gottes. Amen.

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21.

 

Die ersten Missionare

 

Es mag ein rührender Anblick gewesen sein, als die heiligen Apostel nach dem Pfingstfest von Maria Abschied nahmen, um dem Auftrag des Heilands gemäß in die Welt hinauszugehen und das Evangelium den in der Finsternis des Heidentums sitzenden Völkern zu predigen. Drei Jahre waren sie beisammen gewesen, hatten Freud und Leid miteinander geteilt, hatten immer wieder die Fürsorge Mariens an sich erfahren, sie war es, die mit ihnen betete und ihren Mut anfeuerte und nun gehen alle  auseinander nach Süd und Ost und West und Nord. Zum letzten Mal scharten sie sich um die gütige Mutter und ließen sich nieder auf die Knie und richteten mit tränenerstickter Stimme die letzte Bitte an sie: "Mutter gib uns deinen Segen mit auf den Weg." Und der Muttersegen Marias ging mit ihnen und half ihnen, über die unsäglichen Mühseligkeiten und Schwierigkeiten Herr zu werden und half ihnen, dass sie blühende Gemeinden gründen konnten in Asien und Indien, in Ägypten und Rom und Spanien, wo Christus geliebt wurde und seine heilige Mutter. Und der Muttersegen Marias ging mit ihnen, dass sie stark blieben, als sie mit dem Heiland den bitteren Kelch des Leidens trinken mussten, als sie zersägt und lebendig geschunden und gekreuzigt und gesteinigt und erschlagen wurden.

 

Und dieses Schauspiel, das Jerusalem zum ersten Mal sah, wiederholt sich nun in der katholischen Kirche Jahr für Jahr. Alle Jahre ziehen aus den verschiedenen Orden und Missionsanstalten junge Menschen aus, verlassen Heimat und Vaterland und ziehen hin in die heißen Sandwüsten Afrikas und in die endlosen Eiswüsten am Nordpol, hin zu den Ureinwohnern Amerikas und nach China und Indien und Japa, in die ganze Welt, um ein Leben der Armut und Arbeit, ein Leben der Sorge und übermenschlichen Mühe, der Einsamkeit und Entbehrung zu führen, bis der Tod ihrem müden Leib die ersehnte Ruhe bringt. Und bevor sie ausziehen in die ferne, fremde Welt knien auch sie nieder und bitten: "Mutter, heilige Kirche, gib uns deinen Segen mit." Es ist ein ungemein ergreifender und rührender Anblick, dieser Auszug der jungen Missionare aus der Missionskirche, wo sie mit dem Kreuz umgürtet werden und den Segen ihres Ordensoberen empfangen. Und dieser Segen macht sie stark und opferbereit und ruht auf ihren Arbeiten und Mühen, auf ihren Opfern, ihren Leiden und Sterben.

 

"Die Ernte ist groß, der Arbeiter aber sind wenige. Bittet den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter in seinen Weinberg sende." Ist es, liebe Marienverehrer, nicht furchtbar traurig, dass nach 2000jährigem Bestand des Christentums der größte Teil der Menschheit noch nicht christlich ist? Milliarden Menschen kennen das Christentum noch nicht, wissen nichts vom göttlichen Heiland und seiner beseligenden Lehre und seinen heiligen Sakramenten. Milliarden Menschen noch in Finsternis und im Schatten des Todes. Ist das nicht eine grauenhafte Zahl? Aber wir haben zu wenig Missionare, zu wenig Missionspriester. Deshalb lautet auch die beständig wiederkehrende Klage der Bischöfe in den überwiegend heidnischen Ländern: "Hätten wir nur mehr Priester, wie viele Millionen Menschen, die den katholischen Glauben noch nicht kennen, könnten wir für Christus gewinnen. Millionen und Abermillionen von Ungläubigen lechzen und dürsten nach Wahrheit, aber umsonst, sie wird ihnen nicht zuteil, weil jene fehlen, die sie ihnen bringen könnten: die Priester."

 

Sollen wir da ganz untätig und teilnahmslos beiseite stehen? Haben wir kein Interesse an der Ausbreitung des Reiches Christi auf Erden? Hat nicht der Heiland selber gesagt: "Was ihr dem Geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan?" Und wer ist ärmer und geringer als unsere heidnischen Brüder und Schwestern, egal welche Hautfarbe sie haben? Und haben wir, die wir vielleicht sogar noch stolz darauf sind, der weißen Rasse anzugehören, nicht eine große, übergroße Schuld gutzumachen, die wir an unseren andersfarbigen Brüdern und Schwestern verbrochen haben? Wir waren von Gott berufen, den anderen Völkern den Segen des Christentums und damit die wahre Kultur zu bringen und so die Völker emporzuheben aus ihrer geistigen und sittlichen Finsternis. Und statt dessen, was haben die "Weißen" ihnen gebracht? Sie haben die Völker nur betrachtet als ein Objekt, das man aufs rücksichtsloseste und grausamste ausbeuten darf, um mit den Schweiß- und Blutstropfen dieser Völker zu ungeahnten Reichtümern emporzusteigen. Den Ureinwohnern Amerikas haben die Weißen den Schnaps gebracht, um diese Völker zugrunde zu richten und auf ihren Grund und Boden vorzurücken. Den Schwarzen Afrikas hat man ihre Arbeitskraft vielfach mit ein paar wertlosen Glasperlen abgekauft, in Indien haben die Engländer Millionen von Menschen dem Hungertod preisgegeben, damit sie über das Land und dessen märchenhafte Schätze um so leichter herrschen könnten und den Chinesen haben sie das entsetzliche Opiumgift gebracht. Eine große Schuld haben die weißen Völker ihren andersfarbigen Brüdern und Schwestern gegenüber auf ihr Gewissen geladen. Und wir, die wir uns doch Christen nennen, können auf keine bessere Art und Weise die Schuld unserer Rasse gut machen und sühnen, als dass wir es ermöglichen, dass unsere heidnischen Brüder und Schwestern der Segnungen des Christentums teilhaftig werden.

 

Gott will es so: "Geht in die ganze Welt und lehrt alle Völker", das ist Christi unzweideutiger Befehl.

 

Und die Kirche will es so. Sie heißt ja die katholische Kirche, die allgemeine Kirche. Sie ist für alle Menschen aller Zeiten und aller Orte. Alle sind berufen, teilzunehmen an den Gnadenschätzen unserer heiligen Kirche.

 

Und wie können wir diesem Wunsch Christi und seiner Kirche nachkommen? Vor allem durch unser Gebet für das Gedeihen der katholischen Missionen. Am Segen Gottes ist alles gelegen. Wenn Gott seinen Segen nicht geben würde, würden alle übermenschlichen Opfer und Arbeiten der Missionare vergeblich sein. Hinter den Missionaren muss ein gewaltiges Heer von Betern stehen. Vergessen wir es nicht, und verrichten wir täglich wenigstens ein andächtiges Vaterunser mit der besonderen Betonung der Worte: dein Reich komme! und mit der Anrufung des heiligen Franz Xaver, des Patrons des Werkes der Glaubensverbreitung: "Heiliger Franz Xaver, bitte für uns!"

 

Und zu unserem Gebet trete als zweite Waffe unser Almosen für die Missionen. Der Heilige Vater (Papst Pius XI.) hat in seinem Missionsrundschreiben "Rerum ecclesiae" den dringendsten Wunsch ausgesprochen, die Katholiken der ganzen Welt mögen Mitglieder des Werkes der Glaubensverbreitung werden. Als solche haben sie die Pflicht, täglich obenerwähntes Gebet zu sprechen und wöchentlich ein Almosen zu spenden. Die heilige Theresia vom Kinde Jesu schreibt von ihren frommen Eltern, dass sie alle Jahre eine bedeutende Summe sich ersparten, die sie für das Werk der Glaubensverbreitung widmeten. Würden alle Katholiken sich dieser Pflicht bewusst sein, es würden durch Menge von Spenden ganz gewaltige Summen zusammenkommen, die das Missionswerk so dringend nötig hat, um Missionshäuser und Kirchen, Schulen, Waisen- und Krankenhäuser, Apotheken und Aussätzigenspitäler zu errichten, um Priester, besonders Einheimische heranzubilden. Lassen wir uns nicht beschämen von den nichtkatholischen Sekten, die alljährlich große Summen aufbringen für ihr Missionswerk, wodurch sie aber die Irrlehre unter die armen Heiden verpflanzen. 

 

Möge jeder als Frucht dieser Maiandacht den festen Vorsatz mitnehmen: aus Liebe zu Maria, der hehren Schutzfrau der Kirche, will ich die Glaubensverbreitung durch die Missionen unterstützen.

 

Und als schönen Lohn wirst du einen starken Glaubensmut und eine große Liebe und einen großen Eifer für deine Kirche davontragen. Denn wenn du dich für die katholischen Missionen interessierst, wirst du immer und immer wieder von den Opfern und Leiden erfahren, die die Missionare ertragen in allen Ländern der Erde. Du wirst staunen über den heiligen Eifer der Bekehrten, mit dem sie die schwierigsten und gefährlichsten Reisen machen, um nur wieder einmal das Glück zu haben, eine Heilige Messe zu hören und einen Priester zu finden, in dessen verschwiegene Seele sie ihre Sünden niederlegen können. Und du wirst vergleichen: und ich habe es so leicht, so bequem und ich schätze es bisher nicht genug! Du wirst wieder einen Begriff bekommen über den Wert deiner Seele: wenn die Missionare so viele Opfer bringen, warum tun sie es? Weil sie auch im niedrigsten und verkommensten und brutalsten Menschen eine kostbare unsterbliche Seele wissen, die sie retten wollen. Und wie leicht ist es dir gemacht, deine eigene Seele zu retten und du findest es noch zu unbequem? Du wirst dir die Einrichtungen unseres Glaubens mehr schätzen, wenn du dir vorstellst, wie es wäre, wenn auch deine Heimat Missionsland wäre. Im April 1927 musste in einer Provinz Chinas ein Missionspriester von der heranrückenden Armee der Bolschewiken fliehen. Er verbrannte zuerst die Taufbücher, damit die Feinde nicht die Namen der Christen erfahren, dann ging er ins Missionskirchlein und las zum letzten Mal die Heilige Messe, in deren Verlauf alle, alle kamen, um den Heiland in der heiligen Kommunion zu empfangen. Doch als er am Schluss der Heiligen Messe zur Ampel hintrat, in der das Ewige Licht brannte und es auslöschte, da ging ein lautes Schluchzen durch das Kirchlein, denn alle wussten: "Jetzt ist unsere Sonne untergegangen, jetzt hat uns unser Heiland verlassen." O was sind wir glückliche Menschen, dass wir noch den Tabernakel haben mit der heiligen Eucharistie und die Heilige Messe und Beichte und Krankenölung. Stelle dir nun vor: deine Heimat ist Missionsland und du musst das alles entbehren. Darum schätze es dir hoch, dass das Reich Gottes noch bei dir weilt.

 

Durch das eifrige Mitleben mit den katholischen Missionen wird dein eigener Glaube stärker und inniger, du wirst wieder stolz darauf, ein katholischer Christ zu sein. Und gar, wenn du einst hinüberkommst und dir Seelen entgegentreten, von Menschen, die du nie gekannt und gesehen, deren Sprache du nie gehört hast und sie dir jubelnd danken: "durch dein Gebet, deine heiligen Kommunionen, dein Almosen sind auch wir der Gnade des Christentums teilhaftig geworden", o wie froh wirst du dann sein, dass du zu Lebzeiten ein Herz hattest für deine ärmeren Brüder und Schwestern in Christus, denn durch alle Himmelsräume jubeln sie dir zu: "Vergelts Gott, vergelts Gott!" Und Gott vergilt es hundertfältig und tausendfältig. Amen.

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22.

 

Die Schwester

 

"In der Not gehen hundert Freunde auf ein Lot", heißt es in einem alten Sprichwort. Ja wenn es dem Menschen gut geht, hat er viele Freunde, die ihn immer wieder ihrer Freundschaft versichern, aber wenn es dem Menschen schlecht geht, da schleicht sich mancher von ihm weg in der Angst, vielleicht um Hilfe angegangen zu werden. 

 

Maria hat in ihrer höchsten Not, damals, als auf Golgatha ihr lieber Sohn den Tod eines Verbrechers sterben musste, nicht viele Freunde gehabt. Alle, die ihm vor kurzem Hosianna zugerufen hatten, waren verschwunden oder unter der Schar der Lästerer zu finden. Auch die Apostel haben sie im Stich gelassen und nur eine ganz kleine Schar treuer Freunde hielt zu ihr: Johannes der Apostel, Maria Magdalena, Maria Kleophä. Diese werden ausdrücklich von der Heiligen Schrift erwähnt, dass sie mit Maria unter dem Kreuz standen.

 

Maria Kleophä wird genannt die "Schwester Mariae". Entweder war sie eine wirkliche, jüngere Schwester der Gottesmutter oder eine nahe Verwandte. Und ihre Verwandtenliebe zu Maria war echt. Sie stand der Gottesmutter zur Seite in der bittersten Stunde ihres Lebens, sie weinte mit ihr unter dem Kreuz, sie blickte in tiefster Erschütterung und innigem Mitleid zum sterbenden Erlöser empor, sie litt mit ihm, sie hörte seine betenden Worte, wie er den Feinden verzieh und dem reuigen Schächer das Paradies verhieß, sie wurde aber auch Zeugin des großen Wunders, das bei Christi Tod geschah, wie die Sonne mitten am hellen Tag einen Trauerschleier über ihr strahlendes Antlitz warf, wie die Erde dröhnte und bebte und dem Felsen das steinerne Herz zersprang vor Weh über den Tod seines Schöpfers. Ganz überwältigt von diesen gewaltigen Eindrücken mag sie heimgekehrt sein und die Worte des heidnischen Hauptmanns wiederholt haben: "Ja er war wirklich Gottes Sohn." Und noch in späteren Jahren, als sie so recht den Kreuzestod Christi begriff, als sie erfasste, dass in jenen heiligen Stunden die Erlösung der Menschheit sich vollzog, da mag sie sich glücklich gefühlt haben, dass sie diesem Erlösungsopfer beiwohnen durfte.

 

Auch wir preisen Maria Kleophä glücklich und fühlen fast einen geheimen Neid, dass sie Zeugin sein durfte des größten Ereignisses der Weltgeschichte. Das was auf Kalvaria sich abspielte, wird heutzutage in den sogenannten Passionsspielen dargestellt. Und Tausende und Abertausende kommen aus den fernsten Ländern, um z.B. die weltberühmten Oberammergauer Passionsspiele anzusehen.

 

Ich weiß, liebe Marienverehrer, ein Kalvaria, ein Oberammergau, wo das Erlösungsopfer Jesu Christi nicht etwa im Spiel, im Bild gezeigt wird, nein, wo das Drama der Welterlösung tatsächlich sich immer wieder vor unseren staunenden Augen abspielt: es ist das Opfer der Heiligen Messe.

 

Maria Kleophä, wir brauchen dich nicht zu beneiden; wenn wir wollen, können auch wir täglich unter dem Kreuz stehen und betrachten das Lamm Gottes, das hinwegnimmt die Sünden der Welt und schauen sein Erlöserblut, das vom Kreuz zur Erde niedertropfte.

 

Denn die Heilige Messe ist dasselbe Opfer wie Christi Opfer am Kreuz. Er ist der Opferpriester und die Opfergabe selbst. Bei der heiligen Handlung vollzieht sich geheimnisvoll das Kreuzesopfer. Da wird die weiße heilige Hostie erhöht, nachdem der Priester die Wandlungsworte gesprochen hat: "Das ist mein Leib."

 

Da fließt Christi Blut im goldenen Kelch, nachdem der Priester, das schwache Werkzeug Christi, die Worte gesprochen hat: "Das ist mein Blut." Und das gläubige Volk weiß, dass sich jetzt etwas Wunderbares vollzogen hat, es sinkt auf die Knie und klopft an die Brust und spricht: ""Sei gegrüßt du wahrer Leib Jesu Christi, der für mich am Kreuz geopfert worden ist, in tiefster Demut bete ich dich an. Sei gegrüßt o kostbares Blut Jesu Christi, das für mich am Kreuz vergossen worden ist, in tiefster Demut bete ich dich an."

 

Maria Kleophä, wir brauchen dich nicht zu beneiden, denn wenn wir diesem geheimnisvollen Kreuzesopfer beigewohnt haben, kehren wir unendlich reich nach Hause zurück. Die heilige Theresia von Avila sah einmal in einer Vision das Jesuskind auf dem Altartisch stehen, aber in seinen Zügen war eine große Wehmut ausgedrückt, es breitete seine Arme aus und öffnete seine Hände, aus denen Perlen und Edelsteine rollten in einer unerschöpflichen Fülle. Da fragte die Heilige das göttliche Kind: "Mein Heiland, warum bist zu so traurig?" Und der Herr gab zur Antwort: "Weil niemand kommt, um die Schätze zu empfangen, die ich den Menschen so gerne schenken möchte." O wenn wir wüssten, welche Gnadenschätze in der heiligen Messe aus den geöffneten Händen des hier gegenwärtigen Heilandes rollen, wir wünschen uns die Heilige Messe höher einschätzen. Die Heilige Messe ist ja das beste Lob, der geziemendste Dank Gott gegenüber. Denn hier lebt und dankt Gottes Sohn selbst an unser statt dem himmlischen Vater. Hier in der Heiligen Messe hält der Heiland seine Hände ausgespannt und bietet dem himmlischen Vater an unser statt die gebührende Sühne an. Von dem griechischen Feldherrn Themistokles erzählt die Geschichte, dass er durch den Undank seiner Vaterstadt aus Griechenland verbannt wurde. Da begab er sich zum König Melitus von Molossa, mit dem er einst blutige Kriege geführt hatte. Er dachte nach, wie er den einstigen Todfeind versöhnlich stimmen könnte und fasste rasch einen Entschluss. Er nahm den jungen Sohn des Königs auf seine Arme und trat so vor seinen Feind und bat ihn, um dieses Kindes willen an ihm Barmherzigkeit zu üben. Und der Anblick des unschuldigen Kindes im Arm seines Feindes ergriff den König so, dass er dem Themistokles verzieh und mit ihm sogar Freundschaft schloss. Verhält es sich nicht auch mit uns so wie mit Themistokles? Wir scheuen uns, vor dem Angesicht unseres Gottes zu erscheinen, wir haben ihn uns zum Feind gemacht ob unserer vielen Schwachheiten und Sünden. Doch da hält an unser statt der Priester dem himmlischen Vater seinen eigenen Sohn entgegen und erinnert ihn an die große Liebe, die sein Sohn uns erwiesen hat, erinnert ihn an die unendliche Genugtuung, die er geleistet hat - und in Huld und Gnade neigt sich der Vater versöhnt zu uns nieder.

 

Und hast du sonst etwas am Herzen, eine Not, eine Sorge, ein Anliegen, hier in der Heiligen Messe kannst du am ehesten auf die Erhörung deiner Bitte hoffen, denn hier wird gegenwärtig derjenige, der einst gesagt hat: "Kommt alle zu mir, die ihr mühselig seid und beladen, ich will euch erquicken."

 

Würden die Christen nur ahnen, welche Perlen und Edelsteine aus den Händen des Heilands in der Heiligen Messe rollen, sie würden die Heilige Messe mehr schätzen, sie würden sie schätzen wie die ersten Christen, die sich vor Tagesanbruch in das Dunkel der Katakomben oft unter großen Gefahren begaben und in tiefster Andacht den heiligen Geheimnissen beiwohnten und bei der Heiligen Messe sich mit dem Heiland vereinten in der heiligen Kommunion und so sich mit Mut und Kraft ausrüsteten für die kommenden Qualen des Martyriums. Würden die Christen wissen, was sie an der Heiligen Messe haben, sie würden mit demselben Eifer zur Heiligen Messe kommen, wie die Katholiken zur Zeit der Königin Elisabeth I. von England. Damals war es den Priestern unter Todesstrafe verboten, die Heilige Messe zu feiern und die Gläubigen wurden mit hohen Geldstrafen und Gefängnis bestraft, wenn sie zur Heiligen Messe gingen. Und doch fanden sie sich heimlich zusammen in Kellern und auf Dachböden und geheimen Verstecken und waren unendlich glücklich, wenn sie wieder eine Heilige Messe miterleben und mitfeiern konnten und manche Familien gaben lieber ihr gesamtes Vermögen hin, als dass sie auf die Teilnahme an der Heiligen Messe verzichtet hätten.

 

Die berühmte Dichterin Baronin Handel Mazetti war im Jahr 1921 durch sechs Wochen schwer krank und musste das Bett hüten. Endlich, am Fest Allerheiligen konnte sie wieder das erste Mal in die Kirche gehen. Über diesen Kirchgang in die Karmeliterkirche zu Linz schreibt sie in der Vorrede zu ihrem Roman "Johann Christian Günther": "Heute weiß ich, was das Anhören einer Heiligen Messe ist, wie es den Geist erhebt, das Herz durchläutert und erquickt und ich werde nicht mehr so müßig sein in Anhörung der Wochentagsmesse. Wer einmal entbehren musste, weiß zu schätzen, wenn er besitzt."

 

Und wir? Und heute? O wie bequem sind manche Christen geworden. Um ein Theater, ein Kino zu sehen oder einen Konsumtempel zu besuchen, scheuen manche nicht zurück, weite Wege zu machen - und um dem großen Wunder der Messe beizuwohnen, scheuen sie sich, ein paar Schritte in die nahe Kirche zu tun. O diese bequemen Christen! Sogar ihre Nachlässigkeit in Bezug auf die heilige Sonntagsmesse haben sie alle möglichen Ausreden: das Wetter, das Geschäft, die Angst um die Gesundheit - und in Wirklichkeit ist es nur zu oft der Mangel an gutem Willen und der Mangel an Pflichtgefühl.

 

Marienverehrer! Denkt daran, welch ungeheures Opfer der Heiland gebracht hat, als er sich auf so unmenschliche Weise ans Kreuz schlagen und töten ließ - unserthalben! Denkt daran, dann werdet ihr mit Freude eilen, wenn die Glocken rufen und einladen: "Kommt, wieder ist Golgatha da, wieder ist Christi Kreuz errichtet, wieder fließt sein Blut. Kommt mit Maria Kleophä unters Kreuz und fangt auf diese kostbaren Tropfen, köstlicher als Perlen und Edelsteine und gießt sie hinunter in die Leiden des Fegefeuers und wascht damit eure Seele und schmiegt euch an Christi geöffnete Seite, da seid ihr geborgen und sicher wie das Kindlein im Arm der Mutter." Amen.

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23.

 

Die Apostelmutter

 

Das bittere Leiden unseres Heilands ist ein herrliches Ruhmesblatt für die Frauen. Während die Männer - außer Johannes - den Heiland verließen, ja sogar zu seinen Feinden übergingen, und in schlotternder Angst um ihr Leben sich versteckten, zeigten die Frauen eine geradezu bewunderungswürdige Stärke und einen rührenden Mut. Sie achteten nicht der Spottreden der Menge, nicht der rohen und drohenden Worte der Soldaten, sie standen an Mariens Seite unter dem Kreuz in weinendem Mitleid. Von diesen Frauen erwähnt die Heilige Schrift auch auch ausdrücklich den Namen der Salome. Wer war diese Salome? Sie war mit einem Mann namens Zebedäus vermählt, dem sie zwei Söhne schenkte: Den Jakobus und den Johannes. Sie muss eine ganz ausgezeichnete Frau gewesen sein, weil sie Mutter zweier solcher Söhne war, die Christus der Herr zur Würde des Apostelamtes erhob. Als der Heiland seine öffentliche Lehrtätigkeit begann, schloss sich Salome inniger an Maria und die anderen Frauen an, die dem Heiland folgten und für die leiblichen Bedürfnisse des Herrn und seiner Jünger Sorge trugen. Damals ließ sie sich in ihrer Mutterliebe zu einer unbedachten Bitte hinreißen. Auch sie verstand, wie die Apostel, die Lehre des Heilands vom Reich Gottes falsch. Auch sie verstand darunter ein irdisches Königreich, dass Jesus Christus errichten wird. In Mutterliebe und Mutterstolz hätte sie nur ihre zwei Söhne gerne mit den höchsten Würden bedacht: "Sprich, dass diese meine zwei Söhne in deinem Reich einer zu deiner Rechten, der andere zu deiner Linken sitzen werden." Aber der Heiland dämpfte sofort dieses irdische Wünschen: "Ihr wisst nicht, um was ihr bittet. Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinken werde?" D.h., zuerst müsst ihr mit mir den Weg der Leiden gehen, ehe ihr einen Ehrenplatz einnehmen werdet nicht in einem irdischen Reich, sondern im Reich meiner Herrlichkeit.

 

Salome hat dann selbst den Kelch getrunken, als sie mit Maria auf Golgatha stand und das entsetzliche Sterben des Sohnes Gottes ansehen musste. Damals brach fast ihr Herz in Mitleid und Liebe.

 

Noch einmal tut die Heilige Schrift Erwähnung dieser guten Freundin der Mutter Gottes. Als Jesus begraben war, da kaufte sie mit Maria Magdalena und mit Maria Kleophä kostbare Spezereien, um den Leichnam des Herrn einzubalsamieren. Doch als sie zum Grab kamen, war der Stein weggewälzt und im Grab sahen sie einen Jüngling sitzen, angetan mit einem weißen Kleid, der sprach: "Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten, er ist auferstanden." Welch ein Lohn für ihre Liebe! Salome hielt treu aus unterm Kreuz in Liebe und Mitleid, die Liebe treibt sie zum Grab und nun wird ihr als einer der ersten die Freudenbotschaft zuteil: "Er ist auferstanden." Wie mag Salomes Herz gejubelt haben und dieser Osterjubel klang wohl fort in ihrem Herzen, solange sie lebte. Glückliche Salome!

 

Hat Salome uns nichts zu sagen? Salome, die Sorge trug für das leibliche Wohl des Heilands, Salome, die dem Herrn zwei Söhne als Apostel schenkte, Salome, die in Mitleid und Liebe unterm Kreuz steht, Salome, die mit Spezereien für Christi Fronleichnam zum Grab geht? Ist sie nicht das Bild der christlichen Frau, die sich in den Dienst des göttlichen Heilands gestellt hat?

 

Ist es nicht eine wunderschöne Aufgabe der christlichen Frau, auch Sorge zu tragen für das, was des göttlichen Heilandes ist, besonders für sein heiliges Haus? Die Priester haben als Männer nicht immer die Zeit und auch nicht immer das Verständnis, für den entsprechenden Schmuck des Gotteshauses Sorge zu tragen. Da sind es immer brave christliche Frauen und Mädchen, die sich darum kümmern, die die Altäre mit frischem Blumenschmuck zieren, wenn die verschiedenen Feste des Jahres kommen, die Kirchenwäsche nähen und Altartücher verfertigen, die unter Freunden und Bekannten Spenden sammeln für die Zier des Gotteshauses. Das sind die kostbaren Spezereien, womit die christlichen Frauen den Leib des Heilands salben.

 

Salome hat zwei Söhne hingegeben als Apostel Christi. Liebe Marienverehrer! Wenn in der katholischen Kirche sich immer und immer wieder trotz unserer so gottfremden Zeit junge Männer finden, die den Dornenweg des Priestertums zu gehen bereit sind, die mit den Söhnen der Salome sagen: "wir können den Kelch trinken", so ist das nebst der Gnade Gottes fast immer das Verdienst einer frommen Mutter. Solange es noch fromme Mütter gibt, wird es auch immer katholische Priester geben. Wehe aber, wenn der fromme Sinn bei den christlichen Frauen aussterben würde, es gingen auch die Priesterberufe verloren. Lebenslustige Weltdamen, die bei allen Unterhaltungen zu sehen sind, aber wenig in der Kirche, die zigarettenrauchend in den Cafés herumlungern, doch fremd sind bei der Kommunionbank, diese schenken der Kirche Christi keinen Priester. Aber Mütter mit dem Rosenkranz in der Hand, Mütter, die mit den Kindern täglich beten, Mütter, die begleitet von der Kinderschar allsonntäglich dem Gotteshaus zustreben, Mütter, die den Heiland lieben mit aller Glut, das sind die richtigen Priestermütter, solche sind Werkzeuge in Gottes Hand, um Priesterberufe zu wecken. 

 

O christliche Mutter, die du heute in Liebe und Freude zu Salome emporblickst, möchtest du nicht auch eine Priestermutter werden, steht es nicht in deiner Macht, von deinen Kindern eins dem Heiland zu schenken?

 

Salome diente dem Heiland. Sie war dadurch, dass sie für sein leibliches Wohl Sorge trug, seine Mithelferin, dass er ungehindert sein heiliges Lehramt ausüben konnte. Auch die christliche Frau kann in vielfacher Beziehung eine Helferin des Seelsorgers werden. Wo oft der Priester nicht mehr hingehen kann, da findet eine kluge Frau noch den Weg in eine schier verlorene Familie, um den Ewigkeitsfunken wieder anzuzünden. Wie viele Sterbende haben sich noch mit den heiligen Sterbesakramenten versehen lassen, weil eine kluge, heilandliebende Frau das rechte Wort gefunden hat, um den Sinn des Kranken zu ändern. Was dem großen heiligen Bischof Ambrosius anfangs nicht gelungen ist: die Bekehrung des Augustinus, das hat mit ihrem Gebet und ihren Tränen die Mutter Monika erwirkt. Die christliche Frau kann die Stütze des Seelsorgers werden durch die Übung der christlichen Caritas, sie ist es, die für den öfteren Kommunionempfang durch Wort und Beispiel fördernd wirken kann, sie ist es, die oft mit mehr Mut als manche Männer den Schild der Glaubensverteidigung hochhebt und dem Spott und Hohn tapfer standhält.

 

Das ist alles Liebestätigkeit am heiligen Leib des Herrn, das ist die köstliche Spezerei der Salome. Christliche Frauen, seid dieser eurer Bestimmung, so edel und schön, immer eingedenk und der Heiland lohnt es euch. Wie Salome als eine der ersten die frohe Botschaft der Auferstehung vernahm, so gießt der göttliche Heiland auch ins Herz der gottliebenden Frau jene selige Freude über die Wahrheiten der Religion, jenen köstlichen Seelenfrieden, der wie ein wonniges Osterhalleluja fortklingt im Herzen der Frau in frohen, aber auch in leidvollen Tagen und einstens übergeht ins Halleluja des Himmels, wo Salome nun mit ihren zwei Söhnen zur Rechten und Linken des Heilands sitzt, d.h. solche Ehren in Wonnen genießt, wie kein Auge es gesehen und kein Ohr es gehört hat. Amen.

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24.

 

Die ängstliche Hausfrau

 

Was für ein wonniges Gefühl muss es für den Wüstenwanderer sein, wenn er nach langer, mühseliger Wanderung, ganz erschöpft und ermattet vor Durst, am Horizont eine Palme auftauchen sieht. Wie beflügelt jetzt Mensch und Tier seine Schritte, neues Leben scheint eingegossen zu sein in die erschöpften Glieder, denn alle wissen: Wo eine Palme, da ist eine Oase, und wo eine Oase, da ist auch Wasser, das köstliche, herrliche Wasser.

 

Eine solch liebliche Oase auf den Wanderungen des göttlichen Heilands und seiner heiligen Mutter durch das Heilige Land war der kleine Flecken Bethanien. Hier kehrte der göttliche Heiland gar gerne ein, hier fand er liebe und aufrichtige Freunde. Ob auch Maria nach Bethanien gekommen ist, erzählt uns die Heilige Schrift nicht, aber wir dürfen es als fast sicher annehmen, dass auch sie Gast gewesen war an jenem stillen Ort und sicher waren die drei Personen Lazarus, Martha und Maria sehr gute Bekannte und Freunde der seligsten Jungfrau. Und wenn Maria auch nicht Zeugin war dieser denkwürdigen Szene in Bethanien, so hat sie es bestimmt aus Marthas Mund vernommen. 

 

Da kehrte ihr göttlicher Sohn wieder einmal in dem gastlichen Haus ein. Sein Kommen war für das Haus ein wahres Fest. Und Martha, die Hausfrau, eilt geschäftig hin und her, in Garten und Keller und Vorratskammer, um herbeizuschaffen, was zur Bewirtung eines so lieben Gastes nötig ist. Wir dürfen uns nicht wundern, dass Martha, die gute, doch ein bisschen unwillig wird, wie sie Maria, ihre Schwester, müßig zu den Füßen des Herrn sitzen sieht. Sie hat sich vielleicht gedacht: "ich renne hin und her, dass mir die Schweißtropfen auf die Stirn treten, ich habe alle Hände voll Arbeit und die Schwester macht keine Miene, mir zu helfen." Endlich kann sich Martha nicht mehr zurückhalten, ihr Unwillen macht sich in Worten Luft, die wohl ganz freundschaftlich gesprochen werden, aus denen aber doch ein verhaltener Ärger herausklingt: "Herr, kümmert es dich nicht, dass meine Schwester mich allein dienen lässt? Sag ihr doch, dass sie mir helfen soll." Sie will gleichsam sagen: "Ja, Herr, wenn du willst, dass ich dich gastfreundlich bewirte, dann musst du schon der Schwester sagen, dass sie jetzt nicht am rechten Platz ist."

 

Doch der Herr geht nicht ein in den Gedankengang der Martha, ja er gibt sogar der geschäftigen Hauswirtin einen leisen Tadel: "Martha, Martha, du machst dir Sorge und bekümmerst dich um sehr viel Dinge. Nur eines ist notwendig. Maria hat den besten Teil erwählt, der von ihr nicht wird genommen werden."

 

Dieser Tadel, liebe Marienverehrer, ist nicht so sehr an die Person der Maria gerichtet. Jesus Christus, der große Seelsorger der Menschheit benützte diese Gelegenheit, um der Menschheit eine ungemein wichtige Lehre zu geben: "Du kümmerst dich um sehr viele Dinge, nur eines ist notwendig." 

 

Wie viele Menschen gleichen in ihrer Geschäftigkeit der Martha. Sie meinen, das was sie eben tun und betreiben, sei das Allerwichtigste für sie auf dieser Welt. Da gibt es Hausfrauen, die meinen, dass ihre häuslichen Angelegenheiten und Sorgen das Allerwichtigste sind. Sie sind beschäftigt früh und spät, jahraus, jahrein und sie klagen, dass sie die viele Arbeit kaum mehr bewältigen können. Und so kommen sie zu keinem ordentlichen Gebet im Haus, ja sogar die Sonntagsmesse muss nur zu oft versäumt werden. Christliche Frau, vergiss es nicht: Nur eines ist notwendig und das ist das Heil der Seele. Bei all deinen Arbeiten und Sorgen musst du immer so viel Zeit übrig haben, auch für dein Seelenheil zu sorgen. Und so mancher Landwirt ist so in seine Arbeit verwühlt, dass er sogar die Sonntagsglocken überhört. Er meint schon, es sei alles, oder doch die Hälfte verloren, wenn er nicht auch an den Tagen des Herrn Hand anlegt an den Arbeiten, die am Tag des Herrn nicht sein sollen. O lieber Christ, vergiss es nicht: Nur eines ist notwendig. Setze das Heil deiner Seele nicht aufs Spiel wegen einer Garbe Getreide, wegen einer Fuhre Heu. Denke daran: einmal muss deine allzufleißige Hand, deine unermüdlichen Füße ausruhen, Sonntag und wochentags - im Grab. Wenn du aber am Tag des Herrn nicht ruhst, wird deine Grabesruhe keine Ruhe in Gott.

 

Da ist mancher Geschäftsmann. Dem geht sein Laden, sein Geschäft, sein Gewerbe über alles, Tag und Nacht rechnet und spekuliert er und das Zauberwort, dem er nachjagt in fiebernder Jagd, das ist das Wort: gewinnen, gewinnen. Und wenn er bei dieser Hetzjagd nach dem Gewinn auch den einen oder anderen niedertreten muss und wenn er bei dieser Hetzjagd die Grundsätze der Rechtlichkeit und Ehrlichkeit verletzen muss, was kümmert ihn das, das Zauberwort "Gewinnen, gewinnen" schwebt vor ihm wie ein wunderbar schillernder Falter.

 

Halt ein lieber Christ und denk an Christi Wort: "Nur eines ist notwendig. Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewänne, aber Schaden litt an seiner Seele?" Einmal wird ein schnellerer Reiter dich einholen und dich hinunterstoßen, tief hinunter in deine Gruft auf dem Friedhof. Und alles, was du gewonnen hast auf dieser rasenden Jagd, es ist nicht mehr dein. Deine Erben werden sich teilen in deine Häuser und Wiesen und Sparbücher, in deine Kleider und Uhren und Ringe und Brillanten. Und du liegst so arm, so bettelarm in deiner Gruft. Doch das ist noch nicht das Ärgste - du trittst auch so arm, so bettelarm vor deinen Richter, denn du hast ja nicht Zeit gehabt, dir Reichtümer zu sammeln für die Ewigkeit. Deine Seele ist dann wirklich eine arme, arme Seele. Vergiss es nicht, noch ist es Zeit: Zuerst kommt die Seele, dann erst das Zeitliche, das Irdische, das Leibliche. Es ist unleugbar, dass die Menschen von heute ungemein geschäftig sind. Alle Verkehrsmittel sind gefüllt mit Menschen, auf den Straßen rasen die Autos, in den Fabriken wird Tag und Nacht gearbeitet, die Tiefen der Erde werden durchwühlt, zu bestimmten Zeiten eilen in den Städten Tausende und Tausende den Büros und Kanzleien zu, die Auslagen der Geschäfte strahlen in hellem Glanz, überall flimmert und flackert und blendet den Menschen die Werbung für unverzichtbare Produkte entgegen. Und der Menschengeist forscht und strebt, um immer Neues und Besseres zu ersinnen für das Wohl der Menschen. Die ganze Welt mit ihren vielen Ereignissen wird über die Medien in die entlegenste Alpenhütte übertragen und während die Wasser des Meeres durchfurcht werden unter Wasser und über Wasser von ungeheuren Luxusdampfern, Fischereischiffen, Kriegsschiffen, klingt durch die Lüfte das Rattern von Propellern und das Summen und Brummen und Pfeifen von Düsenjets und Passagierflugzeugen. Und alle Pracht der Erde wird aufgeboten, um dem Menschen das Leben so schön und angenehm als möglich zu machen und alle Genüsse sind bereit, um Aug und Ohr und Bauch und Kopf und alle Glieder des Körpers mit Wonne zu umgeben.

 

Und doch und doch! Eines nur ist notwendig. Das alles ist mehr oder weniger Kultur des Leibes und die Seele geht dabei leer aus. Denn die Menschen finden keine Zeit mehr, überhaupt nur an ihre Seele zu denken.

 

Doch der liebe Gott gibt der Welt, die da in Reichtum, in Glanz und Pracht, im Gewinn der irdischen Güter über einem Abgrund zu tanzen scheint, immer wieder seine Warnsignale: "vergesst es nicht ihr törichten Menschen: Nur eines ist notwendig." Solche Warnsignale sind so manche Elementarkatastrophen, wobei Menschen zugrunde gehen, zahlreich wie das Gras der Wiese, solche Warnsignale sind Kriege, Erdbeben, Überschwemmungen, sind Krankheiten und Unglücksfälle. Wenn nur die Menschen immer wieder diese Warnsignale verstehen und lesen würden.

 

Am Weißen Sonntag des Jahres 1912 fuhr ein gewaltiges Schiff über den Ozean. Tageshell strahlten die Lichter der "Titanic" in die schwarze Nacht. Das Schiff selbst glich einem Märchen aus "Tausend und eine Nacht". Da reiften Trauben am Lattenwerk, da gab es türkische Bäder und Saunen, da waren Konzerte und Tanzsäle und Klubzimmer und Kaufläden für die neusten Modetorheiten der amerikanischen Dollarprinzessinnen. Als "unsinkabel", als unsinkbar hatte man das Schiff bezeichnet, denn es war bewehrt mit dichten Panzerplatten und mehrfachen Hohlböden. Und wie lustig ging es zu auf diesem Schiff in dieser Nacht. Da wurde getanzt und gespielt und kokettiert, die Herren erschienen in tadellosem Gesellschaftsanzug und die Damen in prächtigster, duftigster Toilette. Wer dachte da an Gott und an seine Seele? Und kurze Zeit später? Da verwandelte sich das Lachen in ein herzzerreißendes Verzweiflungsrufen. Was galten jetzt Perlen und Edelsteine und Federhüte und goldene Uhren und Brillantenbroschen, wo jeder bedacht sein musste, das nackte, elende Leben zu retten, denn das Schiff war auf einen Eisberg aufgefahren und sank und sank. Da erinnerten sich die Todgeweihten, dass sie auch eine Seele hatten, die in den nächsten Augenblicken vor Gott stehen wird. Und da fanden sich manche Hände zum Gebet zusammen, die vielleicht schon Jahre lang sich nicht mehr gefaltet hatten, und manche Lippe flüsterte oder schrie es reuevoll hinaus: "O Herr, sei mir armen Sünder gnädig!" Und die Musik spielte: "Näher mein Gott zu dir!" Und als ein Priester unter die Todgeweihten trat und Worte der Ewigkeit und des Trostes sprach, da sanken sie nieder aufs Knie und machten das Kreuz und schlugen an die Brust und warteten ergebungsvoll auf den Tod.

 

Ja der Untergang des stolzen Schiffes war damals für die ganze Welt ein Warnsignal an die ans Zeitliche versunkene Menschheit: "Menschen, nur Eines ist notwendig!"

 

Liebe Marienverehrer, hämmern wir Christi Wort an Martha in unsere Seele ein, wir können es nicht oft genug wiederholen, dieses Wort, das die Kirche anwendet auf die Gottesmutter am Fest ihrer Himmelfahrt. Denn ihr Leben war nichts anderes als ein fortwährendes Streben nach diesem Einen Notwendigen. Ja bei aller Sorge um das Zeitliche, bei aller Arbeit, bei allen Vergnügungen, bei den Genüssen dieser Welt leuchte es vor uns und sei die Richtschnur all unseres Handelns: "Martha, Martha, du machst dir Sorge und kümmerst dich um sehr viele Dinge, nur Eines ist notwendig." O Maria hilf uns, in deine Fußstapfen zu treten, denn du hast den besten Teil erwählt! Amen. 

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24.

 

Die große Sünderin

 

Was hat die seligste Jungfrau mit Maria Magdalena zu schaffen? Maria, die Makellose, Maria, die Reine, Maria, die Jungfrau und Magdalena, die große, die öffentliche Sünderin? Gibt es einen größeren Gegensatz als Maria und Magdalena? Und doch finden wir beide Frauen ganz nahe beisammen beim Kreuz Jesu und auf beide schaute der sterbende Blick des Herrn voll Liebe herab. Und nicht ohne Zulassung Gottes ist es geschehen, dass diese zwei Frauen so nahe beim Kreuz Jesu standen. Wollte da nicht Gott öffentlich dokumentieren, dass ihm Beides lieb ist: die nie verletzte Sündenreinheit und die aufrichtige Buße nach begangener schwerer Schuld? Kauft die eine den Himmel mit den schneeweißen Perlen der Reinheit, so die andere mit den Perlen der aufrichtigsten Reuetränen. Maria Magdalena war eine große Sünderin. So schwer hatte sie gesündigt, dass man sie allgemein verachtete und als der Heiland einst mit ihr sprach, nahm man es ihm übel, dass er mit einer solchen Person sich in ein Gespräch einließ.

 

Die Menschen vergaßen nur zu oft, dass Jesus Christus sich selber den guten Hirten nannte, der lieber die 99 Schafe in guter Hut zurücklässt und dem verirrten nachgeht, bis er es findet und jubelnd heimträgt. Wohl blutete auch dem Heiland das Herz ob der Sünden einer Magdalena, niemand wusste die Abscheulichkeit und Bosheit der Sünde besser zu würdigen als Jesus Christus selbst, aber niemand hat auch ein so großes Interesse an der Bekehrung der Sünderin als wie Jesus Christus. Und als er Magdalena zu seinen Füßen liegen sah und die Tränen spürte, die niedertropften auf seine Füße, die sie dann mit ihrem Haar abtrocknete, da sprach er das große beseligende Wort aus: "Ihr wird viel vergeben, weil sie viel geliebt hat." Und Jesus Christus konnte ihr von Herzen verzeihen, weil das ganze folgende Leben der Magdalena zeigte, wie ernst sie es mit ihrer Bekehrung nahm. 

 

Und nun nimmt Jesus nicht den geringsten Anstoß, in Bethanien, in dem Haus der drei Geschwister Lazarus, Martha und und Magdalena zu verkehren. Und in dieses Haus hat er sogar seine heilige Mutter eingeführt. Wieviel Trost und wieviel Kraft mag Magdalena aus dem Umgang mit Maria geschöpft haben. Und dann gab sie dem Heiland einen großen Beweis ihrer Liebe: sie verharrte unter dem Kreuz bis zum letzten Herzschlag des Heilands aus in Tränen und Mitleid und gerade sie wurde dann einer hohen Auszeichnung gewürdigt: Ihr erschien im Garten der auferstandene Heiland und redete die Trauernde an: "Maria!" Und da wird Magdalenas Trauer in hellste Freude verwandelt, sie sinkt auf die Knie und ihre Lippen können kein anderes Wort jubeln als "Rabuni - o mein Meister, o mein Meister!" 

 

Am Fest des heiligen Aloisius betet die Kirche ein wunderschönes Gebet: "O Gott, der du in dem engelgleichen Jüngling Aloisius wunderbare Unschuld des Lebens mit gleich hohem Bußgeist vereinigt hast: verleihe auf seine Verdienste und Fürbitte, dass wir, die ihm in der Unschuld nicht nachgefolgt sind, ihn in der Buße nachahmen." In diesem Gebet drückt die Kirche aus, dass es nur zwei Wege gibt, die zum Himmel führen: Der bessere, sichere ist der Weg der Unschuld, wie ihn gegangen ist die Mutter Gottes, der heilige Johannes, der heilige Aloisius und eine unendlich große Schar von Heiligen aus allen Ständen. Doch hat der Mensch das Unglück gehabt, von diesem Weg abgewichen zu sein, dann bleibt ihm nur noch ein Weg übrig, der Weg der Buße, den Magdalena gegangen ist.

 

Wenn die Israeliten vom wahren Gott abgefallen waren, dann traten immer wieder die Propheten auf und mahnten das Volk zur Bekehrung und Buße als das einzige Mittel, um Gottes Huld wieder zu gewinnen, Und der Prediger in der Wüste, Johannes der Täufer, er kannte fast keinen anderen Gegenstand seiner Predigten, als die Worte: "Tuet Buße!" Und der Heiland? Wir wissen, wie rührend gut und mild er gegen die Sünder war, aber immer stellt er als Bedingung seiner Verzeihung die Buße, die sich am schönsten offenbart in der Besserung des Lebens. Wie oft hören wir aus seinem Mund die Worte: "Geh nun hin und sündige nicht mehr!"

 

Welch ein Trost ist dieser Gedanke für uns: mögen wir noch so viele und noch so schwere Sünden haben, wir brauchen deswegen nicht zu verzagen und zu verzweifeln, wahre, aufrichtige Buße kann sie vollständig tilgen. Wenn etwas unser durch die Sünde beschmutztes Seelenkleid wieder weiß waschen kann wie Schnee, so ist es die Buße. Die Lebensgeschichte eines heiligen Augustinus ist uns ein Beweis hierfür, den die Buße aus einem Ungläubigen und Unzüchtigen zu einem großen Heiligen gemacht hat. Pelagia war eine unsittliche Schauspielerin, Margareta von Cortona lebte Jahre lang in einem unsittlichen Verhältnis: die Buße hat aus ihnen große Heilige gemacht. Gab es eine größere Sünderin, als die unter dem Namen Kapitain Pigerre bekannte Kommunistenführerin zur Zeit der französischen Kommune? Sie Sie tötete den Erzbischof von Paris, Msgr. Dabajs und 13 Priester mit eigener Hand. Später auf den Barrikaden kämpfend, wurde sie gefangen genommen und zum Tod verurteilt. Auf Fürbitte der Oberin der Nonnen des St. Lazarus-Klosters in Paris aber wurde sie begnadigt. Und nun tritt ein Umschwung in ihrem Leben ein. Sie beweint ihre Verbrechen bitterlich, zieht sich in ein Kloster zurück und führt durch 20 Jahre ein Leben der schwersten Buße und wird so gerettet.

 

Liebe Marienverehrer! Denken wir oft, wenn wir gesündigt haben, an das bitterernste Wort: "Wenn ihr nicht Buße tut, werdet ihr alle zugrunde gehen." Wenn wir gesündigt haben, scheuen wir uns nie und nimmer, mutig den ersten Schritt zur Buße zu tun und reumütig das heilige Sakrament der Buße zu empfangen. Es gibt unter den Christen so viele Männer und Frauen, die vor dem heiligen Bußsakrament eine geradezu heillose Angst haben. Sie wissen es und fühlen es, dass es für ihr Gewissen eine große Erleichterung wäre, wenn sie einmal ihre schwere Last, die sie vielleicht schon jahrelang seufzend herumschleppen, in die verschwiegene Brust eines Beichtvaters abwälzen würden. Aber sie bringen nicht dazu den Mut auf. Falsche Scham! Die Furcht, von ihren Kumpanen deswegen verspottet zu werden, mitunter auch Bequemlichkeit hält sie immer wieder von diesem wichtigen Schritt ab. Und doch hat der Heiland uns dieses Sakrament nicht gegeben, dass es uns Furcht einjage, dass wir missmutig werden, wenn wir uns an unsere Pflicht zu beichten erinnern, nein er gab es uns mitten im Jubel seiner Auferstehung, als er bei verschlossenen Türen zu den Aposteln trat und sie begrüßte mit dem Segenswunsch: "pax vobis - der Friede sei mit euch", um anzudeuten, dass er uns dieses heilige Sakrament geben wollte, um der gedrückten, friedlosen Seele das köstliche Geschenk des Friedens wieder zu geben. Ein Friedenssakrament ist das heilige Sakrament der Buße. Tausende und Millionen haben schon den Himmelssegen dieses Sakraments verkostet, ganze Ströme von Tränen wurden schon durch dieses Sakrament getrocknet oder in Freudenströme verwandelt.

 

Lieber Christ! Hast du gesündigt und willst du nicht zugrunde gehen, so musst du Buße tun und der erste Schritt dazu ist das heilige Sakrament der Buße. Es ist der erste Schritt. Und du darfst noch nicht glauben, dass jetzt alles getan ist, wenn du dem Beichtvater die Wunden deiner Seele aufgedeckt hast. Jetzt beginnt erst ein zweites großes Werk, die eigentliche Buße: die Ausführung der heiligen Vorsätze, die du gefasst, die Werke der Gottseligkeit, die zu tun du beschlossen hast, die vollständige Umwandlung des Lebens. Das ist wohl nicht immer leicht, die alte Sündenlust hebt immer wieder begierlich ihr Haupt und manchmal kommt auch ein Rückfall in die Sünde vor. Aber hast du wahren Bußgeist, wirst du dich immer wieder aufraffen und den Dornenweg gehen, den auch Magdalena gegangen ist. Ein vollständiger Dornenweg ist dieser Weg doch nicht: es blüht auf diesem Weg auch manch schönes Röslein: Der Friede mit Gott, der Friede mit dem eigenen Innern. Und eine wunderlieblich blühende Rose auf diesem Dornenweg der Buße ist das liebe Wort des Heilands: "Im Himmel wird eine größere Freude sein über einen Sünder der Buße tut, als über 99 Gerechte, die der Buße nicht bedürfen." Amen.

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26.

 

Der Freund des Sohnes

 

Wenn Maria nach dem stillen Bethanien kam und daselbst zu Gast weilte, da war ihr sicher ein guter Bekannter derjenige, den ihr göttlicher Sohn seinen lieben Freund nannte: Marthas und Maria Magdalenas Bruder Lazarus. Lazarus muss ein ausgezeichneter Mensch gewesen sein, sonst hätte ihn Jesus Christus nicht unter die Schar seiner vertrauten Freunde aufgenommen. Und gerade den Lazarus hat Jesus sich auserwählt, um an ihm eines seiner größten Wunder zu offenbaren. Denn siehe, als Jesus mit seinen Aposteln fern von Bethanien weilte, da wurde Lazarus krank. Er war die einzige Stütze seiner zwei Schwestern, kein Wunder, dass sie erschraken und sofort Hilfe suchten bei dem, den sie als den großen Wundertäter kannten. Sie schickten einen Boten zu Jesus und ließen ihm sagen: "Herr, den du lieb hast, der ist krank." Aber Jesus kam nicht. Und die Krankheit wurde schlimmer und immer schlimmer. Die Schwestern sind ganz trostlos, unruhig eilen sie immer wieder auf die Straße hinaus und schauen und schauen und - Jesus kommt nicht. Und Lazarus stirbt und wird begraben. Trostlos weinen die Schwestern am Grab: jetzt ist all ihr Hoffen und ihre Lebensfreude begraben. Vier Tage vergehen, die Verwesung musste schon schreckliche Verwüstungen an dem Toten angerichtet haben - da kommt Jesus. Mit wehmutsvoller Trauer begrüßen sie ihn. "Zu spät, zu spät!" "Herr wärst du hier gewesen, unser Bruder wäre nicht gestorben". Doch für Gott ist nichts zu spät. Jesus steht tief erschüttert beim Grab, Tränen fließen über sein göttliches Angesicht, so dass die Umstehenden sagen: "Schaut nur, wie lieb er ihn gehabt hat." Und dann lässt Jesus trotz des Einspruchs der Schwestern das Grab öffnen und ruft in das Grab und Lazarus erhebt sich und steht aus dem Grab auf. Das Trauerhaus in Bethanien wird in ein Haus hochjubelnder Freude verwandelt. 

 

Warum hat wohl der Heiland so gehandelt? Warum musste Lazarus zuerst sterben und sein Tod die Schwestern in namenlose Trauer versetzen? Hätte ihn Jesus Christus nicht gesund machen können, selbst aus der Ferne, zumal er den Lazarus so lieb hatte?

 

Liebe Marienverehrer! Alles was Christus tat und tut, hat einen tiefen Sinn. Neben anderen Beweggründen wollte er uns Menschen vielleicht eine Lehre über das Leid geben. 

 

Menschenleid! Wo ist es nicht zu finden? Wer hat es noch nicht gekostet, das Leid, das in tausendfältiger Gestalt über die Erde wandert und weder vorübergeht an der armen Hütte wie am Palast des Reichen. Leid allüberall. Auf dem alten Luisenfriedhof in Charlottenburg steht ein eigentümliches Grabdenkmal: In das Denkmal ist ein Kreuz eingemeißelt und darunter steht das einzige Wörtchen "warum?" Daneben die Gestalt eines Mannes, der auf Kreuz und Frage verzweifelt starrt. Das Grabdenkmal ist sozusagen der Schrei eines gebrochenen mit Gott hadernden Menschen. Der dies Denkmal errichtete, ist nicht der einzige, der so gefragt hat. Diese Frage bewegte zu allen Zeiten Millionen gequälter Menschenkinder. Sie stammt nicht von gestern und heute und beschäftigt die Menschen auch in der Zukunft, die Frage: woher das Leid, woher der Schmerz? Wer die Beantwortung dieser Frage nicht bei der Religion sucht, der wird wie jener Mann auf dem Grabdenkmal verständnislos und verzweifelt die Frage wiederholen: "warum, warum?" 

 

Einzig und allein die Religion ist imstande, diese Frage erschöpfend und befriedigend zu beantworten. Wenn ich frage, warum das Leid, dann ruft mir die heilige Religion als erste Antwort die Worte zu: "Sünde und Sühne."

 

Schau empor zum Kreuz. Da hängt einer in solch namenloser Qual, dass er verzweifelt emporschreit zum Himmel. Er leidet, um Gottes Gerechtigkeit Sühne zu leisten für die Sünden der Menschheit. Verstehst du nun, warum Menschen oft leiden müssen, die nicht an fremder Schuld, sondern an eigener zentnerschwer zu tragen haben? Du murrst gegen Gott und jammerst: "Was habe ich verschuldet, dass Gott mich so heimsucht?" Hast du wirklich nichts verschuldet? Denk daran und denk zurück. Du weinst über den Undank deiner Kinder. Denke nach: wie hast du einst deine Eltern behandelt? Du liegst krank darnieder, wochenlang, jahrelang. Denke nach: ist deine Krankheit nicht eine Folge und eine Strafe deiner Jugendsünden, deiner Unzucht, deiner Trunksucht? Du beklagst dich bitter, dass deine Füße dich nicht mehr tragen, dass du an das Zimmer gefesselt bist. Denke daran: wohin haben dich einst deine Füße getragen? Zum pflichtgemäßen Gottesdienst oder zur Sünde? Du leidest Verleumdung, Hass und Neid. Hast du nicht deine Mitmenschen einst ebenso behandelt? O suchen wir die Ursachen, die Schuld an unseren Leiden und Trübsalen nicht immer außerhalb von uns, suchen wir sie vielmehr in uns: "mea culpa, meine Schuld!" Und danken wir dann Gott, dass er uns Zeit und Gelegenheit geboten hat, für die Sünden nun sühnen zu dürfen.

 

Leiden sind ferner Boten, die Gott ausschickt, um manche verirrte Seele wieder heimzurufen zu Gott. Es ist eine alte Tatsache, dass Menschen, denen es immer gut geht, an die keine Not und kein Schmerz herantritt, nur zu leicht auf Gott und Ewigkeit vergessen. Was brauchen sie Gott und seinen Himmel? Sie haben ja schon den Himmel auf Erden. In ihrem Übermut treiben sie dann Sünde um Sünde und achten kein Gebot. Sie sind in höchster Gefahr, ewig zugrunde zu gehen. Da schickt ihnen Gott in seiner Liebe irgend ein großes Leid. Und dieses Leid macht ihnen die Augen auf, sie kehren sich wieder Gott zu, sie bitten ihn um Hilfe und erkennen, dass sie dieser Hilfe nicht würdig sind wegen ihrer Gottvergessenheit und versprechen nun Gott in heiligen Vorsätzen, ihm in Zukunft treu dienen zu wollen. "Not lehrt beten", sagt ein altes Sprichwort. Leid führt zu Gott. Mancher hat wieder seinen Gott und damit sein ewiges Glück gefunden, weil ihn Gott den Weg der Leiden führte. In ergreifender Weise schildert der französische Schriftsteller Francois Coppée diese erhebende Kraft des Leidens, wenn er schreibt: "Welch ein Jahr! In Pau im Jänner, dann zu Mandres im Juni erblickte ich mich wieder. Zweimal strecke ich mich auf den Operationstisch hin, von den Ärzten in weißer Schürze umringt. Ihre Gesichter werden plötzlich ernst, ich atme den widerlichen Geruch des Chloroforms und vernehme, da ich die Besinnung verliere in meinem Gehirn ein Geräusch wie von fernen Hammerschlägen. Zweimal bringt man mich, auf den Gurten der Ambulanzwagen hin- und hergeschaukelt, in meine Pariser Wohnung zurück. Wie lange bin ich dann in schmerzender Unbeweglichkeit auf dem Rücken gelegen? Ein Drittel dieses verwünschten Jahres. O der unausstehliche Gestank der Desinfektionsmittel, o diese endlosen, schlaflosen und alpgequälten Nächte! Ja grausam war dieses Jahr 1897 für mich. Ist es nicht, frage ich mich, das schlimmste meines Lebens?

 

Durchaus nicht, o mein Gott! Das rechte ist es. Denn es kam einer deiner Priester, er zeigte mir einfach das Kreuz und erinnerte mich an die erhabene Lehre, dass der Schmerz unvermeidlich sei und dass man ihn ohne Klage hinnehmen soll. Jetzt hat mein Hochmut die Waffen gestreckt. Ich habe auf meiner Stirn den Hauch des Todes verspürt und der Schauder vor dem Nichts und das Bedürfnis nach einem ewigen Leben sind in mir erwacht. Da habe ich die Heilige Schrift wieder gelesen und auf jeder Seite des erhabenen Buches leuchtete mir die Wahrheit entgegen. Und heute glaube ich fest. Den Glauben an Jesus Christus, den ich wiedererlangt habe, will ich mir bewahren und fortan ohne Unterlass vermehren, ohne in Stunden der Schwäche den Mut zu verlieren.

 

Ja, jeder, der leidet, muss das Wort über Lazarus auf sich anwenden: "Der Herr muss mich lieb haben, weil er mir Leiden schickt."

 

Aber Lazarus hatte weder für seine Sünden zu büßen, noch lebte er in Sünden, aus denen er durch das Leiden hätte gerissen werden sollen. Und doch schickte ihm Gott die schmerzliche, tödliche Krankheit. "Herr, den du lieb hast, er ist krank." Leiden sind ein Beweis der besonderen Liebe Gottes. Das Leben auf dieser Welt ist nichts, die Ewigkeit Alles. Und wen Gott besonders lieb hat, dem gibt er Gelegenheit, durch das Leiden sich unendliche Schätze für den Himmel zu erwerben. Darum taucht er seine heilige makellose Mutter in ein Meer von Leiden, darum litten die Apostel und starben den Martertod für Christus, darum gingen die heiligen Martyrer den Weg der grauenhaftesten Leiden und Schmerzen, durch Feuer und Wasser, durch die Rachen der wilden Tiere, erlitten Rad und Schwert und Rost und Säge. Darum freuten sich die Heiligen, wenn sie leiden durften. Deshalb rief eine Heilige aus: "Herr, schneide, brenne in dieser Zeit, nur schone meiner in der Ewigkeit." Deshalb rief eine andere Heilige: "Herr, entweder leiden oder sterben!" und wieder eine andere betete: "Herr, nicht sterben, nur leiden", darum soll dem Mädchen von Konnersreuth durch die heilige Theresia vom Kinde Jesu als Freudenbotschaft verkündet worden sein: dass sie leiden dürfe.

 

Würden wir nicht leiden brauchen, so würde wohl die Sehnsucht nach dem Himmel bei uns sehr schwach werden. Die Leiden sind aber das Sehnsuchtsglöcklein nach jenem Ort, wo kein Tod mehr ist, noch Trauer und Schmerz, wo Gott abwischen wird die Tränen von unseren Augen.

 

Der Weg der Leiden ist wohl ein dornenvoller Weg, aber wunderherrlich ist sein Ende. Unser großer Dichterfürst Schiller drückt dies aus mit den Worten, die er der Jungfrau von Orleans in den Mund legt: "Kurz ist der Schmerz, doch ewig ist die Freude." Und St. Paulus tröstet uns: "Ich halte dafür, dass die Leiden dieser Zeit nicht zu vergleichen sind mit der zukünftigen Herrlichkeit, die an uns offenbar werden wird." Amen.

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27.

 

Kreuzweg-Bekanntschaft

 

Einer der ergreifendsten Augenblicke in der Leidensgeschichte unseres Heilands war wohl jene Szene, wie er auf dem Kreuzweg seiner lieben Mutter begegnet. Was war das für ein trauriges Wiedersehen! Die Mutter begegnet dem Sohn auf dem Weg zu seiner Hinrichtung. Worte sind zu schwach, um den Schmerz der Mutter nur annähernd auszudrücken. Nach diesem leidvollen Augenblick wurde aber Maria noch ein kleiner Trost zuteil. Sie folgte dem kreuztragenden Sohn, mehr gestützt auf die anderen Frauen, als gehend, mit zerrissenem Herzen nach. Da sieht sie, wie wieder der traurige Zug zum Stehen gebracht wird. Ist ihr armes Kind unter der Last des Kreuzes gestürzt? Doch nein, er steht aufgerichtet da. Aber vor ihm kniet eine mutige Frau. Diese Frau - sie wird allgemein Veronika genannt - sieht sein von Blut und Schweiß und Speichel entstelltes Antlitz. In unendlichem Mitleid reißt sie ihren Schleier vom Haupt und reicht ihn dem Heiland, dass er sein Antlitz abtrockne. Den kreuztragenden Heiland freut dieses tätige Mitleid der Frau, er nimmt den Liebesdienst an und drückt sein Gesicht hinein in das Schweißtuch. Und o Wunder, das Antlitz des Herrn ist in das weiße Tuch abgedrückt. Veronika hat dieses Tuch wohl als kostbarsten Schatz aufbewahrt. Wie oft mag sie die "Photographie" des Herrn der Gottesmutter in späteren Tagen gezeigt haben. Noch heute gilt das Schweißtuch der Veronika als eine der kostbarsten Reliquien der katholischen Kirche.

 

Veronika, du heilige Frau mit dem mitleidigen Herzen, o wandere wieder durch die Kreuzwege des modernen Lebens und zeige uns wieder, wie man Barmherzigkeit übt.

 

Das Leben der Menschen ist wahrhaft ein bitterer Kreuzweg. Wie viel leibliche Not tut sich auf vor unserem entsetzten Blick. Armut, oft schreckliche Armut, Nahrungssorgen, Elementarschaden, das große Heer der Krankheiten, Verwaistsein, Sorgen, Tränen, wohin wir blicken. 

 

Und dann die nicht minder erbarmungswürdige geistige Not: in tiefster religiöser Unwissenheit Steckende - bei Umfragen unter Studenten in westlichen Ländern kam man zu dem Ergebnis, dass viele nicht wussten, wer Jesus Christus ist - da gibt es so viele sittliche Not, so viele in Sünde und Laster Versunkene, die auch eine unsterbliche Seele haben. Ein harter Kreuzweg ist das Menschenleben und alle, so ein Kreuz tragend, sind Brüder und Schwestern des Heilands, ja der Heiland selber. 

 

O wie leicht kommt es uns dann an, wie Veronika Barmherzigkeit zu üben, wenn wir uns vorstellen, wir erweisen diese Barmherzigkeit dem Heiland selber. Denn ausdrücklich hat er erklärt: "Wahrlich sage ich euch, was ihr dem Geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan." 

 

Und soweit wird der Heiland einst dein Christentum einschätzen, als du Barmherzigkeit geübt hast in deinem Leben. Dein Christentum ist so viel oder so wenig wert, als du Liebestätigkeit geübt hast. Die barmherzige Liebe ist die Königin der Religion. Das drückt niemand schöner und besser aus als St. Paulus, der einmal viel gehasst hat und nach seiner Bekehrung zum Sänger des Hohenliedes der Liebe wurde. Dieser St. Paulus sagt in seinem ersten Korintherbrief, dass alle Weisheit und Wissenschaft ohne Liebe nichts ist und dass der Glaube ohne Liebe nichts ist, also alle kirchliche Gesinnung, alles Beten und sogar Kommunizieren nichts ist, wenn die Liebe fehlt. Und alle Abtötung und alle Opfer, die ich im Dienst der Religion übe, gelten nichts, wenn mir der Geist der Liebe fehlt. Ja selbst, wenn ich großartige Liebeswerke ausüben würde, wenn ich sie aber nicht im Geist der Liebe tue, vor Gott haben sie dann keinen Wert.

 

Die barmherzige Liebe ist die große Herzbezwingerin, die unwiderstehliche Gewalt, die einzige Größe, vor der sich die Knie aller beugen. Der heilige Franziskus von Assisi hatte die Liebe, daher sein Erfolg bei den Massen, die heilige Elisabeth hatte die Liebe, daher ihr Name gebenedeit unter allen deutschen Frauen, der heilige Vinzenz von Paul hatte die Liebe, daher sein Beiname "der Unerreichte in allen Ländern", Don Bosco hatte die Liebe, daher ist sein Werk unsterblich, St. Martin hatte die Liebe, daher ist er einer der beim Volk beliebtesten Heiligen. Die Taten der Liebe haben die Beweiskraft von Wundern. Warum nehmen die im Todesschatten und Finsternis stehenden Heidenvölker die Lehre des Evangeliums an? Nicht deshalb, weil sie die Frohe Botschaft aus dem Mund der Missionare hören, als weil sie ihre Liebestaten sehen, weil sie sehen, wie der Missionar sich niederbeugt zu dem armen Waislein und ihm Schutz und Hilfe bringt in den Missionswaisenhäusern, weil sie sehen, wie der Missionar in erbarmender Liebe dem Kranken die Hand auflegt und ihn pflegt wie einen Bruder, weil sie sehen, wie der Missionar selbst den ausgestoßenen Aussätzigen nicht behandelt wie einen räudigen Hund, sondern in ihm den ärmsten Bruder sieht und seine Leiden und Schmerzen mit ihm teilt. Wie viele Ungläubige haben in Schmerzen liegend in den verschiedenen Spitälern den Glauben ihrer Jugend wieder gefunden und sich durch den Empfang der heiligen Sakramente wieder mit Gott versöhnt, nicht weil die barmherzigen Schwestern dortselbst sie vielleicht dazu überredet haben, sondern weil ihre opfernde Liebe sie zur Bewunderung hinriss.

 

Sucht diese Liebe im Heidentum, sucht sie bei den heutigen Ungläubigen, ihr werdet vergeblich suchen. Im alten Heidentum finden wir eine solche scheußliche Unbarmherzigkeit, dass uns das Grauen kommt, wenn wir davon lesen. Schon der Philosoph Aristoteles sah den Sklaven nur als "Beseeltes Werkzeug" an, dem gegenüber man keine Pflichten zu erfüllen habe. Daher war das Kreuzigen der Sklaven, das Martern der Kriegsgefangenen, das Aussetzen der verkrüppelten Kinder, die tierische Behandlung der zu den Bergwerken Verurteilten, das martervollste Abschlachten des Feindes bei den Heiden eine Selbstverständlichkeit. Und der moderne Unglaube? Er beruft sich immer auf die sogenannte Humanität, die Menschenliebe. Aber diese Humanität ist nichts anderes als ein spärlicher Rest, den der Unglaube unbewusst aus dem Christentum hinübergerettet hat. Wenn das Christentum den letzten Einfluss verloren hat, dann sinkt diese vielgepriesene Humanität herab zur Bestialität. Sagt doch der moderne Abgott der Ungläubigen, der Philosoph Nietzsche, der im Irrenhaus starb: "Die Schwachen und Missratenen sollen zugrunde gehen." Und in Mexiko zu Anfang des 20. Jahrhunderts, wo katholische Priester und Laien auf die bestialischste Weise gemordet wurden, haben wir ein sprechendes Beispiel der vielgepriesenen Humanität des Unglaubens. 

 

Barmherzige Liebe ersprießt nur im Schatten des Kreuzes. Kaum war dieser Baum errichtet, begann sie zu keimen und zu sprossen. "Seht, wie sie einander lieben!" sprachen ganz verwundert die Heiden, die so etwas noch nicht gesehen hatten. Und es war eine Liebe der Tat. Daher entließen christlich gewordene Herrschaften ihre Sklaven. Und es begann das Heldenzeitalter der christlichen Liebe, die Zeit der Armenpflege, der Spitälergründungen, es entstanden ganze Orden, die sich nur den Werken der Liebe widmeten und es traten die großen Heiligengestalten auf, die von einer Nächstenliebe erfüllt waren, wie wir es nicht zu denken wagen würden. Und im Zeichen dieser Liebe verlassen Missionare und Ordensschwestern Vaterland und Heimat und ziehen in die fernen Welten, um fremde Menschen zu bedienen, zu Pflegen, zu lehren und zu bekehren. Und diese Liebestätigkeit hört nimmer auf, solange die Kirche besteht, denn die Übung der barmherzigen Liebe ist Liebestätigkeit am Heiland selbst.

 

Liebe Marienverehrer! So tief als der Heiland sein Bild in den Schleier der Veronika eindrückte, musst du deiner Seele die Wahrheit eindrücken: dein Christentum ist so viel oder so wenig wert, als du barmherzige Liebe geübt hast. Lass keinen Tag vorübergehen, ohne nicht ein solches Werk der Liebe getan zu haben. Du brauchst nicht wie ein Vinzenz von Paul dich als Sklave verkaufen, um einen gefangenen Familienvater zu erlösen, du brauchst dich nicht in ein Aussätzigenhaus einschließen lassen, um diese Ärmsten zu pflegen, du brauchst nicht dein gesamtes Vermögen an die Armen zu verteilen wie St. Antonius der Einsiedler und kannst doch Liebestätigkeit üben und wenn es ein freundliches Wort ist gegenüber deinem Nächsten und wenn es ein Wort des Trostes ist gegenüber einem Weinenden und wenn es ein Besuch ist einem verlassenen Kranken gegenüber und wenn es eine Entschuldigung ist einem Fehlenden gegenüber, und wenn es eine Belehrung ist für einen Unwissenden und ein Rat für einen Zweifelnden oder ein kleines Almosen für dein Gotteshaus. Die Liebe ist erfinderisch, sie weiß tausend Mittel und Wege, um Liebe zu säen.

 

Lerne vom Heiland diese barmherzige Liebe, lerne von der Muttergottes diese Liebe, lerne sie von Veronika und den Heiligen. Im heidnischen Altertum erkannte man, welchem Herrn z.B. ein entlaufener Sklave gehörte, an dem Zeichen, das seinem Leib eingebrannt war. Du wirst einst vor deinem höchsten Richter stehen. Woran, an welchem Zeichen soll er erkennen, dass du ein wahrer Jünger des Gekreuzigten gewesen bist? Die Werke deiner Liebe werden die Zeichen sein, auf Grund welcher er sagen wird: "Geh ein in die Herrlichkeit des Herrn, denn selig sind die Barmherzigen." Amen.

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28.

 

Der Freund in der Schmach

 

Wir wollen heute wieder mit der Gottesmutter auf Kalvaria steigen und im Geist mitleben und mitschauen das furchtbare Drama, das sich da abspielte. Damals drang das Schwert des Schmerzes zu allertiefst ein in ihr Mutterherz. Nun ist alles vorüber. Der Herr hat seinen letzten Seufzer getan, gebrochen ist sein Auge, geneigt sein Haupt. Die Blässe des Todes überzieht sein heilig Angesicht. Nun sind auch die Feinde befriedigt. Der, den sie gehasst haben, ist tot. Sie ziehen ab vom Kalvarienberg, aber nicht triumphierend und hohnlachend, sondern still, gedrückt. So hatten sie sich ihren Sieg nicht vorgestellt, es kommt ihnen vor, als wenn der am Kreuz der Sieger geblieben wäre. 

 

Das Werk des Hasses ist vollendet, die rührende Liebe tritt an seine Stelle. Der heilige Leib des Gemarterten muss ja noch heute der Ruhe des Grabes übergeben werden, denn morgen ist der große Ostersabbat. Und nun treten zwei Männer auf den Plan, die der trauernden Mutter ihre Freundschaftsdienste anbieten: Josef von Arimathäa und Nikodemus. Ersterer hatte schon von Pilatus die Gunst ausgebeten, über den Leichnam des Herrn verfügen zu dürfen und gibt nun sein eigenes Grab her zur Ruhe des Herrn. Welch ein Trost mag dieser Freundschaftsdienst für Maria gewesen sein! Doch über den zweiten der Freunde Jesu müssen wir uns recht wundern. Nikodemus ist ein Ratsherr. Er kannte den Hass seiner Amts- und Parteigenossen gegen Jesus und deshalb hatte er nie den Mut gehabt, sich offen für Jesus Christus zu erklären, obwohl er in seinem Herzen von Jesu göttlicher Sendung überzeugt war. Nur in der Nacht, wenn ihn niemand beobachtete, schlich er heimlich zu Jesus und fragte ihn und ließ sich von ihm belehren. Und so bietet Nikodemus eigentlich das Bild eines Mannes, den man im gewöhnlichen Leben mit dem Namen "Feigling" bezeichnet. Damals stand Jesus Christus noch in hohem Ansehen beim Volk, damals umjubelte ihn noch das Hosiannarufen der Menge, damals hatten selbst Pharisäer und Schriftgelehrte einen gewissen Respekt vor Jesus Christus und trotzdem wagt es Nikodemus nicht, öffentlich zu zeigen, dass er zu Jesus gehören möchte. Und jetzt, welch ein Umschwung! Jetzt ist Jesus Christus als ein Missetäter hingerichtet, die Gloriole ist von seinem Haupt gerissen, sein Werk ist vernichtet, der letzte Henkersknecht durfte ihn aufs gemeinste beschimpfen und jetzt tritt Nikodemus unter das Kreuz der Schmach, jetzt zeigt er offen vor Freund und Feind, dass er zur Sache Jesu gehört, jetzt scheut sich der Ratsherr nicht, selbst auf das Kreuz des hingerichteten Verbrechers zu steigen und den Leichnam vom Kreuz loszulösen, er geht mit dem traurigen Zug, der in den Garten des Josef von Arimathäa führt, er tritt zur Mutter des Hingerichteten und richtet sanfte Worte des Trostes und der Teilnahme an sie.

 

Ja was ist mit dem Mann vorgegangen? Aus dem ehemaligen Feigling ist ein bewunderungswürdiger Held geworden, der einen Mut beweist, wie man es von ihm nicht erwartet hätte. Es ist, als ob sich erfüllt hätte das Wort Christi: "Wenn ich von der Erde erhoben sein werde, dann werde ich alles an mich ziehen." Dem Nikodemus ging jetzt der Sinn der Worte auf, die Jesus einst in der Nacht zu ihm gesagt hatte, als er sich ängstlich zu ihm geschlichen hatte: "Gleichwie Moses die Schlange in der Wüste erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben."

 

Nikodemus, wir beugen in Ehrfurcht unser Haupt vor dir, denn du hast durch deinen Mut auf Golgatha uns geholfen, auch unsere Furcht, auch unsere Feigheit zu überwinden.

 

Gibt es denn bei Christen Furcht und Feigheit in Bezug auf Christus und seine heilige Lehre? Man sollte es nicht für möglich halten. Nichts ist so sicher und gewiss, als unser auf Christus ruhender Glaube, nichts ist so ehrenhaft, so natürlich und so beseligend, als Christus dienen zu dürfen mit ganzem Herzen und doch und doch . . . . Wie viele gibt es auch heute noch, besonders unter der Männerwelt, die dem Nikodemus gleichen, der es nicht wagt, offen zu Jesus Christus zu stehen. Es gibt viele, sehr viele, die vollständig davon überzeugt sind: das alles ist wahr, was unser Glaube lehrt, die überzeugt sind von der Gottheit Jesu Christi und seinem Recht, uns Gesetze zu geben, sie haben sogar im Herzen eine geheime Sehnsucht, alle die Gnadenströme auf sich einwirken zu lassen, die von der Religion fließen, sie würden sehr gerne zur heiligen Beichte gehen, weil sie den Druck der Schuld auf ihrer Seele spüren und sie gerne wieder Frieden in ihrem Gewissen hätten, sie haben sogar eine geheime Sehnsucht nach der Vereinigung mit Christus in der heiligen Kommunion: und doch wagen sie es nicht, die Konsequenz dieser Überzeugung zu ziehen und nach dieser Überzeugung auch zu handeln. Und wenn in einer Gesellschaft, in einer Versammlung losgezogen wird gegen die verschiedenen Einrichtungen der Religion, sie stimmen in ihrem Herzen gar nicht damit überein und doch wagen sie es nicht, dem Gegner und Lästerer entgegen zu treten und ihren herrlichen Glauben in Schutz zu nehmen aus lauter Menschenfurcht. "Was würden die anderen dazu sagen? Ich könnte vielleicht den Namen Frömmler, Betbruder, Klerikaler von ihnen bekommen und das will ich um Gotteswillen doch nicht riskieren." Wer sind denn die "anderen", die dich vielleicht Betbruder, Klerikaler, Schwarzer u. dgl. nennen? Sind es etwa geistig gar so hochstehende Menschen? Im Gegenteil, ihr Wissen, ihre Bildung lässt gewöhnlich, sehr, sehr zu wünschen übrig. Würden sie nur etwas Intelligenz und Bildung besitzen, so würden sie nicht lästern und spotten, denn es zeugt immer von einem niedrigen Bildungsgrad, jemanden wegen seiner Überzeugung zu verspotten und zu lästern. Oder sind diese "anderen" vielleicht bessere Menschen? Frage nur diejenigen, die sie näher kennen und deine Hochschätzung ihres Edelmenschentums wird eine gewaltige Einbuße erleiden. Und vor solchen Leuten schämst du dich und hast du nicht den Mut, deiner Überzeugung, die die Überzeugung vom Edelsten ist, was es gibt, auch zu folgen? O würden die Katholiken mehr Mut aufbringen, würden sie sich nicht alles gefallen lassen, was die Gegner der Religion sagen, diese Spott- und Hohnreden würden bald aufhören, denn die Lästerer der Religion haben nur solange Mut, als sie auf der Gegenseite Feigheit sehen. Würden alle selbstbewussten Katholiken sofort die Zeitung abbestellen, die ihren heiligen Glauben im Schmutz herumzieht, o diese Zeitung würde bald von diesem niederträchtigen Handwerk ablassen. Und so ist die Feigheit der Katholiken Schuld daran, dass der Religionshass seine Triumphe feiert. Wo aber ein Katholik offen für Christus eintritt, wo ein Katholik Mut zeigt, da verstummt der Gegner bald, ja er ringt den Gegnern ob sie wollen oder nicht, einen gewissen Respekt ab.

 

In der Stadt Amberg in Bayern wurde am 22. September 1919 ein sogenannter Freidenkerabend gehalten, bei dem der Redner, schon ein Greis in weißen Haaren, auf die unflätigste Weise gegen alles loszog, was den Katholiken ehrwürdig ist. Beichtstuhl, Zölibat, Askese, die Päpste, Bischöfe und Priester, die barmherzigen Schwestern, die katholischen Hospitäler, die katholischen Schulen, alle Katholiken, die ganze Christenheit troff nach dieser zirka zweistündigen Rede von Unflat. Kein Fleckchen mehr an und in der ganzen heiligen Kirche, wohin ein reinlicher Mensch auch nur den Fuß hätte setzen mögen. Da, nach dieser Rede, die sozusagen der katholischen Kirche den Todesstoß hätte versetzen sollen, meldete sich ein Herr zu Wort. Tiefernst und innig sprach der Redner in die Versammlung hinein: "Im Namen Jesu Christi stehe ich hier!" Und als einige zu lachen anfingen, da wiederholt er: "Im Namen Jesu Christi stehe ich hier." Da wurde es still, ganz mäuschenstill im Saal. Und der Herr fuhr fort: "Nun habe ich zwei Stunden lang Schmutz, nichts als Schmutz in das Angesicht meiner heiligen Kirche gehört und sehen Sie, ich liebe sie doch, und hab sie lieb, viel lieber als meine eigene Mutter." Bei diesen Worten lief es den anwesenden Katholiken wie ein Schauer durch den ganzen Körper. "Und wird es noch toller, kommt es zum Schlimmsten gegen meine liebe heilige Kirche, o bitte, dann vergessen Sie auch mich nicht. Ich sterbe gerne für sie trotz allen Schmutzes." Bei diesen Worten brach im Saal ein tosender Beifall aus. Da hat mancher mitgeklatscht, der nicht mehr recht katholisch war. Und der Redner hatte in seinen weiteren Ausführungen die Sympathie seiner Zuhörer auf seiner Seite. 

 

Seht aus diesem Beispiel, was rechter Mut im rechten Augenblick vermag. Katholiken, lernen wir heute aus dem Verhalten des Nikodemus, dass wir in Zukunft auch mehr katholischen Mut aufbringen. Hätten wir Katholiken mehr Mut, sie würden die Welt für den Katholizismus erobern. Und zu diesem Mut werden wir uns immer und immer wieder begeistern, wenn wir einmal fest überzeugt sind, dass wir stolz auf unsere Religion sein können, wenn wir uns erinnern, dass in unserer Religion nicht das Geringste ist, wofür sich ein rechter Mann schämen müsste. 

 

Einst galt es als eine Schmach, beim Kreuz zu stehen. Das Kreuz aber ist zum Sieger über die Welt geworden. Das Kreuz ist sogar zum Zeichen geworden, mit dem man Menschen wegen großer Verdienste auszeichnet, es sind das die Verdienstkreuze, , die Kriegerkreuze u. dgl. Darum stehen wir treu zum Kreuz und rechnen wir es uns als eine hohe Ehre an, dass wir berufen worden sind zur Religion des Gekreuzigten. Und sind wir einmal gestorben, werden wir uns noch in der Ewigkeit glücklich fühlen, wenn auf unserem Grab das Zeichen der Erlösung errichtet ist und in unserer erkalteten Hand ein Kreuzlein liegt. So stehen wir denn schon in unseren Lebenstagen mit Mut und Begeisterung zur Lehre des Gekreuzigten.

 

Der australische Ingenieur Sir Douglas Mawson leitete am Anfang des 20. Jahrhunderts die erste wissenschaftliche Expedition zum Südpol (1911-1914). Vom Schutzhaus aus machte er sodann mit zwei Gefährten Leutnant Belgrave Ninnis und dem Schweizer Xavier Mertz eine Exkursion in ein ganz fremdes Gebiet auf mehreren Hundeschlitten. Sie hatten Entsetzliches auszustehen. Ninnis verschwand in einer furchtbaren Eisschlucht. Nun kehrten sie um, Nahrungsmittelnot trat ein, so dass sie einen Hund nach dem anderen schlachteten und verzehrten. Dann wurde der Schweizer Mertz krank und starb in der furchtbaren Einsamkeit des ewigen Eises. Der überlebende Mawson türmte über der Leiche einen gewaltigen Schneeberg und nun sann er nach, wie er dem toten Gefährten ein letztes Zeichen der Liebe erweisen könne. Und da zerschnitt er einen Schlitten und bildete aus den Kufen ein Kreuz und steckte es auf das Schneegrab, wo es vielleicht noch heute steht, umtost von den ungeheuren Schneestürmen des Südpols.

 

Das Kreuz, ein letztes Zeichen der Liebe! Und dann schämst du dich für das Kreuz? Siehst du es ein, wie unlogisch, wie unchristlich du da handelst?

 

Nein! Dem Christen und gerade dem Christen ziemt Mut und diesem Mut ist Großes versprochen: "Wer mich vor den Menschen bekennt, den werde ich auch bekennen vor meinem Vater, der im Himmel ist." Amen.

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29.

 

Der Ehegemahl der Schwester

 

Es war am Ostertag, da gingen zwei Männer auf der Landstraße dahin. Sie sind anscheinend in ein sehr ernstes, ja geradezu trauriges Gespräch vertieft, denn ihre Mienen tragen ein tiefbetrübtes Gepräge. Wir wollen uns heute mit der Person eines dieser Beiden etwas näher beschäftigen. Er trägt den Namen Kleophas und nun wissen wir, dass er zu Maria in naher verwandtschaftlicher Beziehung steht. Seine Gattin Maria, die ihm vier Söhne geboren hatte, wird in der Heiligen Schrift die Schwester der Muttergottes genannt. Die Familie des Kleophas war eine dem Heiland treu ergebene Familie. Seine Gattin stand der trauernden Schwester unter dem Kreuz in Treue bei, zwei Söhne, Jakobus und Judas Thaddäus waren vom Heiland zum Apostelamt berufen worden, ein dritter Sohn Simon wurde nach dem Martertod seines Bruders Jakobus Bischof von Jerusalem und erlitt ebenfalls den Martertod. Kleophas, der Vater, wird in der Heiligen Schrift ein Jünger Jesu genannt. Und nun ist er tiefbekümmert über das entsetzliche Ende seines Verwandten Jesus Christus. Und während er mit dem zweiten Jünger anlässlich des Geschehenen die Ereignisse in Jerusalem bespricht, da gesellt sich der auferstandene Heiland zu ihnen, aber sie erkennen ihn nicht. Und Jesus klärt seinen Oheim und den zweiten Jünger auf über seinen Kreuzestod, dass Christus leiden musste, um so in die Herrlichkeit einzugehen. Er klärt sie auf, dass auf diese Weise die Weissagungen der Propheten in Erfüllung gegangen sind. Und Kleophas lauscht in immer größerer Spannung, sein Herz brennt in seinem Innern vor Erregung und Verwunderung über das Neue, das er gehört hat. Und so kommen die drei Wanderer nach Emmaus. Es ist aber unterdessen Abend geworden. Die zwei Jünger laden den unbekannten Fremden ein, doch einzukehren bei ihnen: "Herr, bleib bei uns, denn es will Abend werden und der Tag hat sich geneigt." Und so tritt der Heiland mit ihnen in das Haus und setzt sich zum Tisch. Und da nimmt er wie beim letzten Abendmahl das Brot in seine Hände und segnet es und reicht es ihnen und sein Angesicht beginnt zu leuchten und seine Wundmale zu glänzen. Da fällt es den zwei Jüngern wie Schuppen von den Augen: "Das ist ja Jesus!" Doch schon ist der Heiland verschwunden. Die zwei Jünger aber, voll des Jubels und der Seligkeit, dass sie den Auferstandenen gesehen haben, eilen trotz ihrer Müdigkeit noch in der Nacht nach Jerusalem zurück und vermelden den Wunderbericht: "Der Herr ist wahrhaft auferstanden! Er ging mit uns, er belehrte uns, er trat ein bei uns, er aß mit uns und beim Brotbrechen erkannten wir ihn."

 

Diese Erscheinung des Auferstandenen war bestimmt auch eine dem Kleophas zugedachte Belohnung für die Treue seiner Familie zu ihm. Und das geistige Band, das sich von Kleophas zu Jesus schlang, wurde von nun an noch inniger und fester. Die heiligen Väter sind auch der Meinung, dass der Heiland in Emmaus das Brot wiederum in seinen heiligen Leib verwandelte und die zwei Jünger kommuniziert haben. Und sonderbarerweise sind es wiederum zwei Männer, die vom Heiland persönlich kommuniziert werden. Ein Fingerzeig von Christus selbst, dass heilige Kommunion und Männlichkeit etwas Zusammengehöriges ist, dass es für den christlichen Mann eine Ehre, eine Auszeichnung bedeutet, wenn er zur heiligen Kommunion hintritt.

 

Wir stehen heutzutage im Zeichen der eucharistischen Bewegung. Der heilige eucharistische Papst Pius X. hat sie eingeleitet, in allen Ländern finden größere und kleinere eucharistische Kongresse statt und diese überragt von den grandiosen eucharistischen Weltkongressen. Die Krone der eucharistischen Bewegung ist die häufige heilige Kommunion. Immer mehr schwinden unter den bewussten Katholiken die Vorurteile gegen die häufige heilige Kommunion, immer mehr drängen sich Männer und Frauen hin zum Tisch Christi, um das Wunderbrot in Empfang zu nehmen. Ja, liebe Marienverehrer, lassen auch wir in uns die Herzen entbrennen von dem heiligen Feuer, das im Herzen eines Kleophas brannte, so dass er sprach: "Brannte nicht unser Herz in uns?" Ja, das Liebesfeuer zur heiligen Kommunion soll nie mehr erlöschen in uns. Denn seht, wenn je eine Zeit die oftmalige heilige Kommunion benötigte, so ist es die jetzige.

 

Sehen wir nicht mit Schrecken und Entsetzen ein Zurücksinken der heutigen Christenheit in ein neues Heidentum? Sehen wir nicht die Laster der alten Heiden triumphieren? Wo ist die Liebe, die Christus zur Grundlage seines Evangeliums machte? Wir sehen überall nur Hass und Streit und Feindschaft. Hass der einzelnen Staaten und Völker gegeneinander trotz Friedensschluss und Vereinte Nationen, Hass der Parteien, Hass der einzelnen Stände und Berufsgruppen, Hass in den Familien, Selbstsucht, Lieblosigkeit, Unbarmherzigkeit. Wo ist die Keuschheit der ersten Christen? Wir sehen heute eine sittliche Verkommenheit, dass uns geradezu grauen muss. Die Sünde, die unter Christen nicht einmal genannt werden sollte, ist das tägliche Brot der ehemaligen Christenvölker geworden, Nacktkultur in Sport, Mode und Tanz. Pornographie, Schamlosigkeit in Theater, Kino und Clubs, Unzucht der Ledigen und Homosexuellen, sexuelle Selbstverwirklichung, Ehebruch der Verehelichten - das alles und noch viel mehr wird von vielen, auch in der Kirche, schon als eine Selbstverständlichkeit gehalten. Wo ist die von Christus gepredigte Selbstverleugnung und Selbstzucht? Wir sehen eine alle Grenzen überschreitende Zügellosigkeit und Genusssucht. Wo ist das von Christus verlangte Zurückstellen der irdischen Werte gegenüber den ewigen? Stattdessen eine rücksichtslose Jagd nach dem Mammon und bei dieser Jagd hält man Lüge, Betrug, Wucher, Übervorteilung des Nächsten nicht einmal mehr für eine Sünde.

 

Wundern wir uns deshalb nicht, wenn gerade von den einsichtsvollsten Gläubigen immer wieder die Frage aufgeworfen wird: "Sind wir noch Christen?" Wundern wir uns deshalb nicht, wenn der indische, nicht christliche Gelehrte Ghandi den niederschmetternden Satz geprägt hat: "Es kommt mir vor, als wenn alle bösen Geister der Hölle auf Europa losgelassen wären." Wundern wir uns nicht, wenn ein Schriftsteller Oswald Spengler (1880-1936) angesichts dieser Verwüstung der Christenheit den Untergang des Abendlandes prophezeit hat. 

 

Der Franzose Georges Anquetil hat vor nicht langer Zeit (1.1.1925) ein Buch unter dem Titel "Satan conduit le bal" - "Satan als Vortänzer" veröffentlicht, das in drei Monaten eine Auflage von 250.000 erlangte. In diesem Buch beweist der Verfasser dokumentarisch die moralische Verkommenheit seines Vaterlandes. Und so wie es in diesem Buch beschrieben ist, so ist es heutzutage fast überall und so war es auch in Rom zur Zeit der Kaiser, bevor es zugrunde ging.

 

Der Satan als Vortänzer! Und die Christenheit tanzt ihm blindlings nach und weiß nicht, dass sie über einem Abgrund tanzt, dass es in rasender Fahrt dem Abgrund zugeht. Liebe Marienverehrer! Täuschen wir uns nicht: Unser Herr und Gott ist nicht deshalb Mensch geworden und hat 33 Jahre ein Leben der Armut, der Niedrigkeit geführt und hat sich schließlich martern lassen und ist den Verbrechertod am Kreuz gestorben, damit die Menschen ihren Trieben, Lastern und Leidenschaften freien Lauf lassen können. Dazu hat er das nicht auf sich genommen. Täuschen wir uns nicht: Wer nicht Christi Wort befolgt, wie es uns im Christentum niedergelegt ist, der tanzt dem Abgrund zu, aus dem es für ewig keine Errettung gibt.

 

Doch die Liebe Christi, die ja unendlich ist, hat uns in der heiligen Kommunion ein Mittel gegeben, um die Ketten des Satans abzustreifen, ein Mittel, um in der allgemeinen Verkommenheit und Verderbtheit sich rein und unbefleckt zu erhalten. Die heilige Kommunion ist die rettende Arche Noahs, die uns über die schmutzigen Schlammfluten des modernen Lebens glücklich hinüberrettet in die Gefilde des ewigen Friedens.

 

Satan ist der Vortänzer der heutigen Welt geworden. Und die Gefahr ist selbst für die Gutgesinnten riesengroß, dass sie mitgerissen werden in den Strom des Verderbens, denn die gesamte geistige Atmosphäre ist sozusagen vergiftet. Das Geschäftsleben ist vergiftet, das Familienleben ist vielfach vergiftet, das Genuss- und Vergnügungsleben ist ganz vergiftet. Und da versagen alle natürlichen Mittel, auch der Sport, auch die Kunst und die Wissenschaft. Um dein Herz unbefleckt zu erhalten vor der einer Sündflut gleich hereinbrechenden Verderbnis, musst du flüchten zu dem übernatürlichen Hilfsmittel der oftmaligen heiligen Kommunion. Wenn etwas die Welt retten kann, so ist es die heilige Kommunion. Warum sagten denn die Heiden verwundert von den ersten Christen: "Seht, wie sie einander lieben!" Weil diese täglich zur heiligen Kommunion gingen. Warum sehen wir aus dem Sumpfboden der römischen Verkommenheit wahre Wunderblumen jungfräulicher Reinheit emporblühen, St. Agnes, Cäcilia, Agatha, Lucia, Bibiana, die lieber starben, als ihre Reinheit herzugeben. Weil sie täglich das Wunderbrot aßen, das da ist der Sohn der reinsten Jungfrau. Willst du lieber Christ geduldig sein in deinen Leiden, willst du Kraft aufbringen zur Selbstverleugnung, zur Bändigung und Kreuzigung deines Fleisches, willst du gehorsam, ehrlich, rechtschaffen, gerecht, uneigennützig, kurz wahrhaft christlich leben - dann musst du öfters kommunizieren. Wo die öftere heilige Kommunion bei Männern und Frauen eingeführt ist, da blüht echtes, christliches Leben wundersam auf, wo der Tisch des Herrn verödet steht, dort wird Satan zum Vortänzer.

 

Eltern, ist euch am Fortschritt eurer Kinder in der christlichen Tugend gelegen, so schickt sie oft dem lieben Heiland als Gäste zu, junger Mann, junge Frau, ist dir gelegen an der Reinheit des Herzens, so sei kein Fremdling am heiligen Tisch, christliche Männer, wollt ihr rechtschaffen durchs Leben gehen, untadelig vor Gott und den Menschen, dann sträubt euch nicht gegen die Einladung Christi: "Kommt zu mir!" Christliche Frauen, ihr habt so oft viel Bitteres und Schweres zu tragen und zu leiden, warum teilt ihr eure Sorgen nicht mit dem Heiland in der heiligen Kommunion?

 

Und denkt daran: einmal kommt der Augenblick, da es heißt: Der Tag deines Lebens hat sich geneigt, es will Abend werden . . . . . Der Tod steht vor der Tür. Denk daran: nur einer ist, der dich dann nicht verlässt, der einkehrt bei dir, wenn alle dich verlassen, nur einer ist, der dich geleitet den dunklen Weg: Dein Heiland in deiner letzten heiligen Kommunion.

 

So werde jetzt schon recht gut Freund mit ihm und wenn du dann hinüberkommst, dann wird es dir wie dem Kleophas wie Schuppen von den Augen fallen: Der Auferstandene steht vor dir und ruft dir zu: "Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der hat das ewige Leben und ich werde ihn auferwecken am jüngsten Tag. Wer dieses Brot isst, wird ewig leben." Und du fällst ihm jubelnd zu Füßen: "Herr, meine Freude war es, mich in trüben Erdentagen mit dir zu vereinen in der oftmaligen Kommunion. Nun sind die Hüllen des Brotes gefallen, ich sehe dich in deiner himmlischen Schönheit!" Und der Heiland breitet die Arme aus, du sinkst an seine Brust und Er bleibt in dir und du in Ihm in aller Ewigkeiten Ewigkeit. Amen.

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30.

 

Der zum Freund gewordene Feind

 

Was waren das auch für Maria große Tage, jene Tage, die der Himmelfahrt Jesu Christi folgten. Es waren Tage sehnsüchtiger Erwartung und heißen Gebetes und allen voran ging wiederum Maria. Nun war Gottes Geist über alle gekommen, gereinigt und erleuchtet und wunderbar gestärkt traten die Apostel auf die Straßen der Stadt und predigten in den verschiedenen Sprachen der Zuhörer und taten große Zeichen und Wunder. Wie oft mag in diesen Tagen Maria ein jubelndes Magnifikat angestimmt haben, denn die junge Kirche schritt siegreich vorwärts. Da erfolgte ein harter Rückschlag: Die Verfolgung setzte von Neuem ein. Schon ist St. Stephanus ihrem Hass erlegen und hat seine Liebe zu Christus mit seinem Märtyrerblut besiegelt. Und neue Leiden warten auf die junge Kirche. Einer der grimmigsten Verfolger, Saulus mit Namen, von dem die Heilige Schrift sagt, dass er Mord schnaubte, der Anteil hatte an dem Mord am heiligen Stephanus, indem er die Kleider der Steiniger hütete, dieser Saulus bricht mit großem Gefolge in die Stadt Damaskus auf, um die dortigen Christen gefangen zu nehmen und gefesselt nach Jerusalem zu schleppen. Diese Absicht blieb auch der jungen Christengemeinde von Jerusalem, blieb auch Maria nicht verborgen. Die Heilige Schrift erzählt uns wohl nichts, was Maria in diesen Tagen der Drangsal seelisch gelitten und was sie getan hat. Aber wir können es uns denken: sie hat gebetet. Gebetet für die armen Opfer der Verfolgung, gebetet auch für die Verfolger, für Saulus. Denn vor ihren Augen stand ihr lieber Sohn, wie er, umtobt vom Hass seiner Mörder, noch am Kreuz für sie betete. Und gewiss hat auch das Gebet der Muttergottes einen tätigen Anteil an dem wunderbaren Ereignis, das sich vor den Mauern von Damaskus abspielte. Und damals schon erwies sich Maria als würdig des schönsten Ehrentitels, den die heilige Kirche ihr zuerkannte: "Zuflucht der Sünder!"

 

Und siehe, da dringt eine wundersame Kunde nach Jerusalem: Der Verfolger der Kirche hatte die Erscheinung Christi und ist infolge dessen aus einem Hasser der Kirche ein inniger Anhänger geworden. Er betet in Damaskus und bereut seine Sünde und bereitet sich auf die Taufe vor. Wie wird da wiederum Marias Herz aufgejubelt haben. Die Heilige Schrift erzählt uns auch, dass der bekehrte Saulus, der dann den Namen Paulus annahm, später auch nach Jerusalem kam . . . und den heiligen Petrus angetroffen hat. Wenn damals Maria in Jerusalem weilte, so ist es eine Selbstverständlichkeit, dass Paulus auch Maria aufsuchte. Da mochte er wohl zu ihren Füßen niedergesunken und sich als den unwürdigsten Diener ihres göttlichen Sohnes hingestellt haben und von Maria ließ er sich wohl erzählen über seinen geliebten Jesus. Denn diesen Jesus liebt er jetzt unsäglich und mehr als wie er ihn früher gehasst hat. Und diese Liebe zu Jesus drängt ihn, große Taten für ihn zu tun. "Die Liebe Christi drängt mich!", das ist einer seiner vielen Aussprüche. Und diese Liebe treibt ihn über Meere und in ferne Länder, dieser Liebe willen lässt er sich verfolgen von Stadt zu Stadt, um dieser Liebe willen blutet er, wird er in die Gefängnisse abgeführt und beugt er schließlich in Rom sein heiliges Haupt unter das Schwert des Henkers. In ergreifenden Worten schildert er, wie nichts imstande ist, ihn dieser Liebe abwendig zu machen: "Wer also wird uns scheiden von der Liebe Christi? Trübsal? Oder Bedrängnis? Oder Hunger und Blöße? Oder Gefahr? Oder Verfolgung oder Schwert?" (Römer 8,35) Paulus hat alles das durchgekostet, Unsägliches hat er für Christus gelitten und doch jubelt er auf: "Ich bin gewiss, dass kein Geschöpf imstande sein wird, uns von der Liebe Gottes zu trennen." (Römer 6,39)

 

O glücklicher Paulus! Können wir das auch von uns behaupten? Es braucht nicht einmal eine Verfolgung, eine Gefahr uns bedrohen, schon ein Vergnügen, ein Vorteil, ein zu bringendes Opfer ist imstande, die Seele manches Christen ins Wanken zu bringen, so dass es keiner großen Versuchung bedarf und er wirft um dieses Vergnügens, dieses Profites, dieses Opfers willen die ewigen Grundsätze Jesu Christi über Bord. St. Paulus steht vor unseren Augen als herrliches Beispiel der Beharrlichkeit bis ans Ende. Was hätte dem Paulus seine Bekehrung genützt, was sein rastloser Eifer, was seine Leiden, was seine Verfolgungen, seine Reisen und Predigten, seine Fasten und Nachtwachen - wenn er nicht treu geblieben wäre, wenn er im Augenblick des bitteren Todes die Fahne Jesu Christi verlassen hätte? "Sei getreu bis in den Tod!" Dieses Wort der Heiligen Schrift leuchtet in glänzenden Lettern im Leben des heiligen Paulus auf. Getreu bis in den Tod! O liebe Marienverehrer! Könnten wir einen besseren Vorsatz aus den diesjährigen Maiandachten mitnehmen als wie diesen? Wir sind eifrig in die Maiandachten gekommen und haben zur Mutter der Gnade gebetet und sie in unseren Liedern verherrlicht. Wir haben Maria umgeben gesehen von einem Kreis lieber Bekannter und Verwandter und haben gelernt, wie der Christ sich verhalten soll in den verschiedensten Lagen des Lebens, in Freud und in Leid, wir haben erkannt die Schwere und Verdorbenheit der Sünde und die ganze Himmelsschönheit der christlichen Tugend, wir haben erkannt die Notwendigkeit, aus den Gnadenströmen der heiligen Kirche zu trinken und immer wieder zu trinken. Und nun bleibt uns nichts anderes zu tun mehr übrig, als getreu zu sein in dem, was wir als recht und notwendig erkannt haben. Was soll uns nun trennen von der Liebe Christi und Mariens? Die Welt und ihre Lust? Der Spott der Feinde? Das böse Beispiel ringsum? Die eigene böse Lust in unserm Innern? Nein, nein, tausendmal nein!

 

Wir haben es gelobt und wollen es auch halten: wir wollen unserm Heiland die Treue wahren durch gewissenhafteste Erfüllung seiner Gebote jetzt und morgen und alle Tage bis in den Tod. Treu wollen wir sein, wenn die Sonne des Glücks uns lacht und blühenden Rosen unsere Tage gleichen, treu wollen wir sein, wenn die Wetternacht des Unglücks gleich tosenden Wildbächen auf uns niederstürzt. Dann wollen wir mit Maria unter dem Kreuz stehen und rufen: "Herr, dein Wille geschehe!" Treu wollen wir sein, wenn die ganze Schönheit unserer Religion vor uns aufgeht wie die Sonne an einem Frühlingsmorgen und treu wollen wir ganz besonders sein, wenn die Sünde ihre ganze Zaubermacht entfaltet und mit tausend Stimmen uns lockt und mit tausend Farben schillert. Treu wollen wir sein in den Tagen der Jugend, da die ganze Welt noch offen vor uns da liegt und treu bei unserem Gott verharren, wenn das Haar schon weiß wird und unser Gesicht gefurcht und die Ewigkeit uns schon zuwinkt. 

 

Die Treue ist etwas Großes. In den alten Heldenliedern unseres Volkes treten solche markige Männer und Frauen uns entgegen, denen die Treue über alles geht. Der grimme Hagen von Tronje wird eher zum Mörder, als dass er seinem König die Treue bricht und Rüdiger von Bechelaren lässt sich lieber niederschlagen, als dass er Freundestreue bricht. Ist die Treue gegenüber Gott nicht etwas noch Größeres als Gatten-, Königs- und Freundestreue? Dem mächtigsten, dem edelsten, dem gütigsten Herrn haben wir Treue gelobt, nicht einmal, sondern oft und oft und wiederholt dröhnten unsere Stimmen empor zum Gewölbe des Gotteshauses:

"Drum geloben wir aufs Neue

Jesu Herz dir ew`ge Treue!"

Was kann diese deine Treue erschüttern, Marienverehrer? Denk daran: Niemand ist verabscheuungswürdiger als der, der beschworene Treue brach.

 

Denk an St. Paulus, wie er jubelnd spricht: "Ich bin gewiss, dass kein Geschöpf imstande sein wird, uns von der Liebe Gottes zu trennen." Denk an Gottes hehre Verheißung: "Sei getreu bis in den Tod und ich werde dir die Krone der Vollendung geben." Amen.

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31.

 

Der Maler des Marienbildes

 

So ist denn der liebliche Mai wieder am Ende angelangt und es beschleicht uns leise Wehmut, von der liebgewordenen Andacht nun Abschied nehmen zu müssen. Tagtäglich haben wir der Gottesmutter schon durch unser Kommen gesagt: "Mutter, ich hab dich lieb!" Die heilige Theresia vom Kinde Jesu sagte noch zu ihren Lebzeiten: "Nach meinem Tod werde ich Rosen auf die Erde regnen lassen." Ist nicht auch der Monat Mai ein solcher Rosenregen gewesen? Wo ist jemand unter uns, dem nicht die Himmelsmutter irgend eine Gnadenrose zugeworfen hat? So mancher hat in seiner Trübsal, in Angst und Not bei ihr Trost gesucht und auch Trost gefunden. Vielleicht ist mancher heilsam in seinem Herzen ergriffen worden und hat sich entschlossen, nun ganz entschieden mit dieser oder jener Sünde und Gewohnheit zu brechen und an der Hand der Mutter den Weg zu gehen, der heimführt zur Mutter. So mancher hat sich vielleicht in diesem Monat entschlossen, wieder eifriger zu sein in der Erfüllung seiner religiösen Pflichten, Rose um Rose fiel aus der liebenden Mutterhand zu uns herab ins Tal der Tränen. Und nun wollen wir zum letzten Mal einen Blick werfen in die Schar der lieben Freunde und Bekannten und Verwandten der himmlischen Frau. Und da kommt es mir so recht zum Bewusstsein, dass ich einen nicht vergessen darf. Es ist derjenige, der uns das schönste und lieblichste Bild der Gottesmutter entworfen hat: der heilige Evangelist Lukas.

 

Er wird von der Heiligen Schrift ein Arzt genannt, die fromme Legende nennt ihn einen Maler, von dem das erste Bild der seligsten Jungfrau stammen soll. Was an der Legende Wahres ist, wissen wir nicht. Aber wenn auch Lukas nicht mit Pinsel und Farben ein Bild Marias auf Leinwand malte, ein Maler ist er doch. Und sein Pinsel war die Feder und seine Leinwand die Heilige Schrift. Und in der Heiligen Schrift hat er uns ein entzückendes Bild der Mutter Gottes gezeichnet, wie es schöner kein Raphael Santi und Tizian malen konnte. Im Evangelium des heiligen Lukas finden wir nämlich die Kindheitsgeschichte Jesu Christi und damit innig verbunden die Geschichte der jungfräulichen Mutter Maria.

 

Lukas berichtet uns die wunderliebliche Geschichte: "Es ward ein Engel von Gott gesandt in eine Stadt in Galiläa zu einer Jungfrau!" Und schon steigt vor unserem Geist ein liebliches Bild auf: das zarte Mädchen in Andachtsglut versenkt, vor ihr der Himmelsbote, der sich vor ihr als seiner Königin neigt und sie grüßt: "Ave Maria!" Und wieder malt Lukas weiter an seinem Bilderzyklus, den wir nennen könnten: Das Marienleben von Lukas: "Maria ging eilends über das Gebirge." Sahen wir im ersten Bild Maria als liebliche Jungfrau, in magdlicher Scham erzitternd, so tritt sie im zweiten Bild als Prophetin und gottbegeisterte Sängerin auf: Magnificat - Hoch preiset meine Seele den Herrn!" Doch Bild um Bild, eines farbenfreudiger und glänzender als das andere zieht an unserem staunenden Auge vorüber: Mariens Mutterglück in Bethlehem, Himmelslichter und Himmelsgeister - und wieder Stall und Stroh und Heu und unvernünftige Tiere, die Einfalt auf den Knien vor dem göttlichen Kind und die Pracht des Morgenlandes auf dem Weg zur Krippe und als Gegenstück zu diesem Bild: Mariens Mutterleid auf der Flucht nach Ägypten. Trauer und Angst ist über ihr Antlitz gebreitet, im Hintergrund Bethlehems Mütter, die sich nicht trösten können . . .

 

Das sind nur einige wenige Bilder, entworfen von der Meisterhand des Evangelisten Lukas. Und wir wissen auch, dass Lukas die Idee dieser Bilder aus dem Mund der Gottesmutter selber schöpfte. Es kommt in seinem Evangelium die Redewendung vor: "Maria bewahrte alle diese Worte in ihrem Herzen." Maria wusste am besten all die zarten Geheimnisse, die das Jesuskindlein umgaben und dem Lukas vertraute sie sie an, der sie in sein Evangelium aufnahm. Wie mag Lukas damals staunend gelauscht haben, als Maria ihm erzählte vom Engelsang über Bethlehem und von Simeons Prophezeiung, von ihrer Angst auf der Flucht und von ihrer Sorge, als sie den 12jährigen Jesusknaben suchte. Keines ihrer Worte durfte er vergessen und schon in ihrer Gegenwart mochte er die heiligen Worte aufgeschrieben haben. Und so ist uns das Lukasevangelium über Christi Kindheit, als wäre es von Maria selbst geschrieben worden. Mit unübertroffener Meisterschaft verwebt Lukas sein Marienbild ins heilige Evangelium.

 

Wir schließen nun die Maiandacht, Eines, liebe Marienverehrer, wollen wir heute noch beginnen: Das Marienbild, das Bild unserer liebsten, süßesten und gütigsten Mutter verweben in unser Herz. Hätte Lukas ein Marienbild nur gemalt mit Pinsel und Farben, es wäre vielleicht längst verloren gegangen. Aber das Marienbild, das er malte in seinem Evangelium, das ist unvergänglich und unzerstörbar. Und ein solches unvergängliches und unzerstörbares Marienbild wollen auch wir einmeißeln in unser Herz.

 

Und dieses Bild tragen wir immer mit uns! Wenn dich der Spott der Kinder dieser Welt trifft und sie dir zurufen: "Was hast du von deinem Beten, was gibt dir dein Beten?" Dann schau auf dein Marienbild in deinem Herzen: Das Bild der in Nazareth betenden Jungfrau.

 

"O Mutter, so komm, hilf beten mir!"

 

Und wenn die alte Schlange dir zuflüstert: "Bist ein einfältiger Mensch, der du so ängstlich an den Geboten Gottes festhältst. Versuch es einmal und folge mir und sprich mit mir: non serviam - ich will dir nicht mehr dienen, o Gott, und ich verspreche dir das Schönste vom Schönen dieser Welt und das Wonnigste von den Wonnen dieser Welt." Dann blick auf dein Marienbild in deinem Herzen: Die Dienerin Gottes, wie sie ihr Haupt in Demut beugt: "Siehe, ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe nach deinem Wort!" Und du wirst dann rufen können: "Weiche, Satan, auch ich will nichts anderes sein als Gottes Diener und nicht Satans Dienstknecht."

 

"O Mutter, so komm, hilf streiten mir!"

 

Und die Welt wird kommen und wird sagen: "Glück und Frieden findest du nur bei mir! Augenlust, Fleischeslust, Hoffart des Lebens, das sind die drei Gottheiten, die dir das Leben lustig und angenehm machen." Und wo immer du hingehst, du findest diese unheilige Dreieinigkeit: Augenlust, Fleischeslust, Hoffart des Lebens. O blick auf dein Marienbild in deinem Herzen: Die Muttergottes mit dem Kindlein in Bethlehem, und rufe mit den Hirten: "Kommt, lasst uns nach Bethlehem gehen." Denn nur über Bethlehem mit Maria und dem menschgewordenen Wort Gottes leuchtet der Stern des Friedens und des Glücks und unfriedlich und freudlos werden die Menschen sein, wenn sie nicht die Wege der Hirten gehen und die Mutter suchen und das göttliche Kindlein und es anbeten.

 

Und Gott sucht dich heim und Tränen und Kummer sind dein täglich Brot. Und die Welt höhnt und spottet: "Was hat dir dein Gottvertrauen genützt?" Und du möchtest selbst schon irre werden an dem allweisen, höchst gütigen Gott. O, dann blick auf dein Marienbild in deinem Herzen: Die Mutter mit dem Schwert, dem siebenfachen, in ihrem Herzen, sie, die makellose, sie, die heilige, die jungfräuliche, deren Schmerz groß ist wie das Meer - o blick auf dein Marienbild in deinem Herzen und du wirst wieder mutig und gottergeben mit Maria den Weg des Kreuzes gehen.

 

"O Mutter, so komm, hilf leiden mir!"

 

Blick täglich auf dein Marienbild in deinem Herzen, dann wirst du fromm, geduldig, rein und keusch, liebevoll und sanft, barmherzig und demütig und gehorsam deinen Pilgerpfad gehen. Dies Bild vor deinen Augen, wirst du Freude empfinden an der überirdischen Schönheit, wie sie erblüht in der heiligen Stadt Jerusalem, und alles Irdische wird dir vorkommen wie Moder und wertloser Flitter. Dies Bild der Muttergottes in deinem Herzen ist wie der Stern der Weisen aus dem Morgenland. Sie sahen nur ihn und achteten nicht mehr der schlechten Wege, der Dornen und Steine, sie sahen nur ihn und langten nach vielen Gefahren in Bethlehem an beim göttlichen Kind. Das Bild der Muttergottes ist auch ein solcher Stern des Lebens. Ihm kannst du dich sicher anvertrauen, er führt dich keinen Irrweg, wenn du auf ihn schaust wirst du nicht versinken und ertrinken in dem giftigen Schlamm der Welt, dieser Stern führt dich ins himmlische Bethlehem, wo du ewig den Friedenssang der Engel hören wirst: "O Mutter, so komm und bleib bei mir!"

 

Marienverehrer, vergiss die Mutter Gottes nicht!

Marienverehrer, vergiss die Mutter Gottes nicht!

Grab tief ihr Bild in dein Herz!

 

Ja in heiligstem Gelöbnis wollen wir einstimmen in die Worte des schönen Liedes:

 

Ein Bild ist mir ins Herz gegraben,

Ein Bild, so schön und wundermild,

Ein Sinnbild aller guten Gaben,

Es ist der Gottesmutter Bild.

In guten und in bösen Tagen,

Will ich dies Bild im Herzen tragen.

 

Dies liebe Wunderbildnis winkt

Mir Trost im Leben und im Tod;

Dann, wenn der dunkle Vorhang sinkt

Und glänzt das große Morgenrot,

Dann hoff ich in den Himmelsauen

Dich, o Maria, selbst zu schauen,

Amen.

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