Maiandachten X.

 

31. Maibetrachtungen

 

von Leopold Klima

 

über die Verwandten und Bekannten der Gottesmutter

 

1928

 

 

Inhalt:

 

1. Mai = Einführung

 

2. Mai = Mutter und Kind

 

3. Mai = Großmütterlein lieb

 

4. Mai = Der schlichte Heilige

 

5. Mai = Der Mann mit der Lilie

 

6. Mai = Eine noble Bekanntschaft

 

7. Mai = Die gute Base im Gebirge

 

8. Mai = Des Höchsten Priester

 

9. Mai = Der Löwe in der Wüste

 

10. Mai = Die Männer mit dem Hirtenstab

 

11. Mai = Die Männer mit dem Stern

 

12. Mai = Der Greis mit dem Schwert

 

13. Mai = Die kleinen Bewohner einer kleinen Stadt

 

14. Mai = Brüder und Schwestern Jesu

 

15. Mai = Hochzeitsbekanntschaft

 

16. Mai = Der erste Papst

 

17. Mai = Der Adoptivsohn

 

18. Mai = Der Mann mit dem Strick

 

19. Mai = Der berühmte Neffe

 

20. Mai = Der Mann des Gebetes

 

21. Mai = Die ersten Missionare

 

22. Mai = Die Schwester

 

23. Mai = Die Apostelmutter

 

24. Mai = Die ängstliche Hausfrau

 

25. Mai = Die große Sünderin

 

26. Mai = Der Freund des Sohnes

 

27. Mai = Kreuzwegbekanntschaft

 

28. Mai = Der Freund in der Schmach

 

29. Mai = Der Ehegemahl der Schwester

 

30. Mai = Der zum Freund gewordene Feind

 

31. Mai = Der Maler des Marienbildes

 

 

1.

 

Einführung

 

Sie suchten ihn unter den Verwandten und Bekannten.

(Lukas 2,44)

 

Liebe Marienverehrer! Es ist ein ganz eigenartiger Zauber, der im Monat Mai die Herzen der gläubigen Christen bestrickt, so dass sie in den Dämmerstunden dem Gotteshaus zueilen. Ja was wird ihnen denn da Besonderes geboten? Sie sehen brennende Kerzen, ein Schauspiel, das sie oft genug schon gesehen haben, sie hören und singen einfache Lieder, - Musik in einer Konzerthalle oder auf der prachtvollen Bühne eine Oper hört sich doch viel schöner an. - Sie sprechen Gebete, die sie schon 1000 Mal gesprochen haben, sie hören von der Kanzel Dinge, die ihnen gar nichts Neues mehr sind. 

 

Und doch . . . und doch zieht es die Menschen geradezu hinein in die Kirche. Was hat das zu bedeuten?

 

Es ist der Zug des Herzens zur Mutter. Wenn ein Kind in der Fremde weilt und wenn es ihm gut geht und wenn es in einer glänzenden Lebensstellung sich befindet, es kommen doch Stunden, da eine heiße Sehnsucht es erfasst: zu der zu gehen, die man am meisten lieb hat auf der Welt, zu der Mutter. Und wenn sie nur in einem armseligen Stübchen hausen würde, dieses Stübchen dünkte dem Kind reicher als ein moderner Salon mit Perserteppichen und Spiegelschränken; es ist ja die Mutter drin, die Mutter, die einen so gut versteht, der man alles sagen und klagen kann und an deren Herzen man sich so recht sein Leid ausweinen kann. Als Kaiser Friedrich III., der nur wenige Wochen deutscher Kaiser war, aus dem Kurort heim kam mit der Gewissheit, dass er sterben muss, da war sein erster Weg zu seiner Mutter, an deren Herzen er Trost suchte für das Bittere, das ihm bevorstand.

 

Und wenn deine Mutter nicht mehr unter den Lebenden ist, so geht selbst von dem stillen Erdenfleckchen, wo sie der glorreichen Auferstehung entgegenschlummert, eine geheime Kraft aus auf dich. Du fühlst dich nicht ganz allein und verlassen, wenn du am Grab derer knien kannst, die dich so viel geliebt hat.

 

Nun, meine lieben Marienverehrer, werdet ihr verstehen, warum wir die Maiandacht so lieben: es ist der Zug des Herzens zur Mutter.

 

Tief in unser Herz ist ja seit frühester Kindheit uns eingeprägt worden von frommen Eltern und gläubigen Priestern, dass Maria unsere liebe himmlische Mutter ist, zur Mutter uns gegeben vom göttlichen Heiland selbst, als er vom Kreuz herab sprach: "Siehe, deine Mutter!" Von Kindheit an haben wir gelernt, zu Maria zu beten, ihr alles vorzutragen, was wir uns nicht einmal dem allmächtigen Gott vorzutragen getrauten, denn wir wussten: Der Mutter können wir alles sagen und alles klagen.

 

Nun denn, so kommt in diesen Blütentagen des Mai allabendlich zur Mutter, ruht aus von des Tages Mühen und Sorgen an ihrem mütterlichen Herzen und tragt ihren Muttersegen heim in eure Häuser und Familien und seid fest überzeugt: Maria lässt nichts unbelohnt, was wir aus Liebe und Verehrung zu ihr tun, und wenn es ein einziges frommes Ave Maria ist, mit dem wir sie grüßen und wenn es ein Blümlein ist, das wir auf den Maialtar stellen und wenn es ein Lichtlein ist, das seinen milden Schein auf ihr Bild wirft.

 

Wir wollen aber auch von den Maiandachten einen geistigen Nutzen, eine religiöse Belehrung, eine Aufmunterung zum Guten, neuen Mut und neue Kraft als geistigen Blütenstrauß heimtragen und so wählen wir als Betrachtungsstoff das Thema: "Die Verwandten und Bekannten der Mutter Gottes."

 

Es ist ein altes Sprichwort: "Sage mir, mit wem du umgehst und ich sage dir, wer du bist."

 

Den Reinen zieht es wieder zum Reinen,

Den Gemeinen wieder zum Gemeinen.

 

Wenn wir Maria als die Heiligste der Frauen verehren, dann müssen auch die Menschen, mit denen sie das Band der Freundschaft verknüpfte, auch heilige, gute und edle Menschen gewesen sein und wir wollen zu ihnen aufschauen und von ihnen lernen, wie die echte Marienverehrung auch die Menschen zu guten und edlen Menschen machen kann. Und wir werden auch Bekannte der Gottesmutter kennen lernen, mit denen aber Maria keine Gemeinschaft pflegte und wir werden sehen, uns zur Warnung, wie der Mensch, der kein Freund Mariens ist, dann die Wege einschlägt, die ihn auch von Christus Jesus immer weiter weg führen.

 

So wie Maria ihren zwölfjährigen Jesusknaben in Jerusalem drei Tage lang suchte unter den Verwandten und Bekannten, so wollen auch wir Maria suchen 31 Tage lang unter ihren Verwandten und Bekannten und diese Bekanntschaften, die wir da machen werden, deren können wir uns freuen. Wir bewegen uns da in der allerbesten Gesellschaft, die uns Schutz und Hilfe verschaffen kann beim allerhöchsten Herrn, vor dem wir einst als unserem Richter zitternd stehen müssen. Dann brauchen wir nicht in Ängsten mit dem Psalmisten ausrufen: "Die Freunde hast du mir entfremdet!" (Psalm 88,9), nein, sie werden uns in ihre Mitte nehmen und zum ewigen Richter sagen: "Das ist unser guter Bekannter und Freund aus den Zeiten der Maiandachten her. Den, o Gott, wirst du nicht von deinem Angesicht verstoßen!" Amen.

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2.

 

Mutter und Kind

 

Wenn wir in unseren Maibetrachtungen von den Verwandten und Bekannten der Gottesmutter sprechen, dann muss an erster Stelle derjenige erwähnt werden, der ihrem Herzen am nächsten stand, den sie am meisten liebte, um dessentwillen sie am meisten litt: es ist Jesus Christus, unser Herr und Heiland. Und wollen wir das Verhältnis ausdrücken, das zwischen Maria und Jesus bestand, so brauchen wir nicht lange zu forschen: es ist das traute Verhältnis zwischen Mutter und Kind.

 

Wenn wir die Worte aussprechen "Mutter und Kind", so sprechen wir das Lieblichste, das Innigste und Rührendste aus, was Menschenzungen imstande sind, zu sagen.

 

Mutter und Kind! Sieh in diesen Worten den Inbegriff des höchsten Glückes, aus diesen Worten klingt das Hohelied der großen Liebe, die auf sich selbst vergisst und nur an den anderen denkt und für ihn sorgt und leidet. Sprich diese Worte aus und vor deinem Geist stehen auf ungezählte, in Sorge durchwachte Nächte, ungezählte Schweißtropfen. Sprich diese Worte aus und es zittert heraus ein großes Leid, das Mutterleid in tausendfacher Gestalt, sprich diese Worte aus und du siehst deine Jugendzeit, die dir zum Paradies wurde durch das Wort Mutter. Du siehst die Jahre, da das Schicksal mit rauer Hand nach dir greift und du erinnerst dich an den Ort, an den du dich immer wieder hinflüchten konntest: das Mutterherz. Und wenn du ein gereifter Mann schon bist, rau und hart geworden im Lebenssturm, einmal rollen doch Tränen über deine Wangen: wenn du stehen musst am Muttergrab und mit dem Fremden des Gedichtes schüttelst du das Haupt und sprichst:

 

"Wie schlöss ein Raum so eng und klein

Die Liebe einer Mutter ein?"

 

Marienverehrer! Wenn schon im gewöhnlichen Leben das Verhältnis zwischen Mutter und Kind ein so inniges und liebliches ist, wie dann erst bei einer solchen Mutter, wie es Maria war und einem solchen Kind, wie es Jesus war?

 

Als nach Gottes Ratschluss die zweite göttliche Person Mensch wurde und den Namen Jesus annahm, da hatte er auf alles verzichtet, was sonst das menschliche Leben angenehm und lebenswert macht: in keiner menschlichen Wohnung wollte er geboren werden, nein, in einem Viehstall, seine erste Ruhestätte war keine Wiege, sondern eine Futterkrippe, in seinem späteren Leben hatte er keine Heimat, kein Vaterhaus, kein Plätzchen, wo er sein müdes Haupt zur Ruhe hätte hinlegen können, so dass er in die Klage ausbricht: "Die Füchse haben ihre Höhlen und die Vögel ihre Nester, aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlegt." Er fand keine Liebe, sondern Hass, Unverstand und Undank. Als er starb, war nicht einmal ein Grab sein eigen. Aber auf alles das hat der Herr gerne verzichtet, nur auf eine Mutter wollte er nicht verzichten. Die Lieblosigkeit der Menschen hat er ertragen, aber die Liebe einer Mutter wollte selbst Gottes Sohn nicht entbehren.

 

Und wie liebte ihn diese Mutter! Die Heilige Schrift sagt uns ja nicht viel davon, aber wir können aus der Heiligen Schrift diese Mutterliebe Mariens herauslesen. Nicht wahr, die wahre Liebe will nichts für sich und ist froh, wenn nur der geliebte Mensch alles hat? Als Jesus Christus geehrt und gepriesen wurde vom ganzen Volk, als das Volk aufstand und ihn mit Gewalt zum König machen wollte, als das ganze Land von seinem Ruhm als eines Propheten und Wundertäters widerhallte, als er in Jerusalem einzog und alles ihm zujubelte: "Hosanna, hosanna", wo war da die Mutter? Sie zog sich still zurück voll Bescheidenheit und Freude. Sie trat nicht vor und rief: "Seht, ich bin seine Mutter!" Nein, sie war so glücklich, weil  nur er,. der liebe Sohn so gefeiert und gepriesen wurde. Sie wünscht für sich nicht einen einzigen Strahl seiner Ehre, seines Ruhmes. Ist das nicht ein rührender Zug aus dem Leben Mariens, der so recht ihre Liebe zu ihrem Kind ins rechte Licht setzt?

 

Aber wenn der geliebte Mensch leidet, da verlangt die rechte Liebe ihren Mitanteil am Leiden. Als Christus nicht mehr der Liebling des Volkes war, sondern der Leute Spott, als an ihm sich erfüllte das Prophetenwort: ein Wurm bin ich und kein Mensch, als alles, selbst die trautesten Freunde sich von ihm abwandten, da tritt die Mutter aus ihrer bescheidenen Verborgenheit hervor. Da schämt sie sich nicht, die Mutter des Verbrechers zu heißen, nur ein Gedanke durchzittert ihre Seele: "Mein Kind leidet, ich muss zu ihm und bei ihm sein." Und so sagt die Heilige Schrift, dass Maria unter dem Kreuz stand. 

 

Und Jesus liebte seine Mutter, wie nur ein braves Kind seine Mutter lieben kann. Auch darüber erzählt die Heilige Schrift nicht viel, aber aus einigen Begebenheiten leuchtet Christi Liebe zu seiner Mutter hervor. Es war die Zeit noch nicht gekommen, als Gottes Sohn öffentlich aufzutreten, als er zu Kana zur Hochzeit eingeladen war. Aber als die Mutter ihn bat, da änderte er sogar seinen Ratschluss und wirkt ihr zuliebe das erste Wunder.

 

Und wie er mit dem Tod ringt in einer Qual, dass der stärksten Natur die Sinne vergehen, da der Mensch keinen anderen Gedanken mehr hat, als nur von den Schmerzen erlöst zu werden, wo er in Verzweiflung schreien möchte: "Ach helft mir doch!" Selbst in dieser Stunde denkt der Herr noch an seine Mutter und bittet den Johannes, dass er sich ihrer annehmen möchte. 

 

Ja es war die zarteste, die innigste Liebe, die die zwei Herzen Jesu und Mariä verband.

 

Was wollen wir daraus für uns lernen? Auch heute noch freut sich Maria im Himmel, wenn die Menschen ihren lieben Sohn Jesus Christus recht lieben und ehren. Und Jesus Christus ruft auch heute uns noch zu, indem er auf Maria weist: "Sehet eure Mutter! Seid auch ihr Johannesseelen! Wenn ihr die Mutter ehrt, so ehrt ihr auch den Sohn." Daraus erkennt ihr, dass die Anbetung Jesu Christi und die Hochverehrung Mariens zusammengehören, wie Mutter und Kind zusammengehören. Der Marienkultus gehört zum katholischen Christen. Zerstört die Liebe zu Maria in den Menschenherzen und es erstirbt auch langsam die Liebe zu Christus. Der verstorbene Bischof von Lourdes, Msgr. Schöpfer, hatte sich als Wahlspruch seines Pontifikates die Worte gewählt: "Per Mariam, ad Jesum", "Durch Maria zu Jesus!" Gerade als Bischof von Lourdes, dieses weltberühmten marianischen Heiligtums, hatte er ungezählte Male Gelegenheit, die Wahrheit dieses Wahlspruches gleichsam mit Augen zu schauen, mit Ohren zu hören, mit den Händen zu tasten. Wie viele, die längst ihren Kinderglauben verloren hatten und mit Jesus zerfallen waren, haben wunderbarer Weise in Lourdes durch Mariens Fürbitte ihren Glauben und damit ihren Jesus wiedergefunden. Und würden die Beichtstühle in Lourdes und in den anderen marianischen Wallfahrtsorten sprechen können, sie würden nichts anderes rufen, als des frommen Bischofs Wahlspruch: Per Mariam ad Jesum - Durch Maria zu Jesus!

 

Wer Maria liebt und ehrt, der liebt und ehrt auch Jesus. 

 

Wer Jesus liebt und ehrt, der liebt und ehrt auch Maria.

 

O freuen wir uns, dass durch Christi Vermächtnis zwischen uns und Maria dasselbe Verhältnis entstand, wie zwischen Maria und Jesus und das der Dichter so schön in die Worte kleidet:

 

Da knie ich Maria vor deinem Bild,

Mein Herz von Freude und Jubel erfüllt.

Drin flüsterts und klingt es so leise, so lind:

Du meine Mutter und ich dein Kind!

Amen.

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3.

 

Großmütterlein lieb

 

Was muss das für eine liebe, gute Frau gewesen sein, zu der die seligste Jungfrau Maria sagen konnte: meine Mutter! Es ist das die heilige Anna. Wir sehen das schon aus dem Verhalten des gläubigen Volkes zur heiligen Mutter Anna: diese Verehrung, dieses Zutrauen, diese Liebe zu dieser populärsten aller Heiligen! Und wir wissen eigentlich gar nicht viel von dieser heiligen Frau, aber es genügt uns, zu wissen, dass sie die Mutter der Muttergottes und daher die Großmutter Jesu Christi war, um überzeugt zu sein, dass ihr Leben in einer besonderen Heiligkeit erstrahlte. Wir wissen von ihr, dass sie ihre Mutterwürde als ein süßes und heiliges Amt sich von Gott in heißen Gebeten direkt erflehte und dass sie ihre Mutterpflichten als eine ihr von Gott übertragene Aufgabe in Treue und Gewissenhaftigkeit erfüllte.

 

Wir lesen in der Heiligen Schrift des Alten Testamentes von einer anderen Anna, der nachmaligen Mutter des Propheten Samuel, dass sie im Heiligtum von Silo kniete und bitterlich weinte. Warum weinte sie so und betete so inbrünstig im Heiligtum des Herrn? Es war ihr bisher das Glück versagt geblieben, ein Kind an ihre Brust zu drücken und darum weinte sie und wollte sich gar nicht trösten lassen, selbst als ihr Mann zu ihr hintrat und sprach: "Warum ist dein Herz betrübt? Bin ich dir nicht viel mehr wert als zehn Söhne?" (1. Samuel 1,8) Und als ihr Gebet erhört wurde, wie jubelte diese Mutter auf in dem herrlichen Lobgesang, der da beginnt mit den Worten: "Es frohlockt mein Herz in dem Herrn!"

 

Und nach langen, langen Jahrhunderten kniet wieder eine Anna im Heiligtum des Herrn und wieder rollt Träne um Träne über ihr Antlitz und innige Gebetsseufzer steigen empor aus leidvollem Frauenherzen. Ja es ist das gleiche Leid, das diese zweite Anna bedrückt. Und wie in ihren alten Tagen der Herr ihr segnend gedenkt und sie eine Tochter an ihr Herz drückt, da will auch ihr Jubel und ihr Danksagen kein Ende nehmen.

 

Seht, so haben die Frauen des Alten Bundes über die Mutterwürde gedacht. Sie fassten diese Würde auf als ein großartiges Gnadengeschenk des Herrn, für das sie ihm Dank sagten ihr Leben lang.

 

Anna, die Frau des Elkana, brachte ihren Knaben, den jungen Samuel ins Heiligtum und weihte ihn dem Dienst des Herrn und Anna, die Heilige, sie brachte ihr dreijähriges Töchterlein Maria in den Tempel nach Jerusalem, damit es dort im Schatten des Heiligtums dem Herrn diene. Soi haben zwei Frauen des Alten Testamentes ihren Dank abgestattet für die unverdiente Gnade der Mutterschaft. 

 

Und wie denken die christlichen Frauen des Neuen Testamentes über diese hohe und hehre Würde der Mutterschaft? 

 

Wenn in früheren Zeiten zwei christliche Brautpersonen vor dem Traualtar niederknieten, so wussten sie sehr gut, dass der neuerwählte Stand mit Recht auch ein Wehestand zu nennen ist, denn viel Kummer und Sorge, viel Leid und manche Träne ist hinter seinem rosigen Schleier verborgen. Und sie wussten auch, dass wohl die schwerste Bürde des Ehestandes der Kindersegen ist. Sie wussten es, dass sie manche schlaflose Nacht am Bettlein ihrer Lieblinge werden zubringen müssen, dass sie manche schlaflose Nacht sorgenvoll hin- und herzählen werden, und sie denn das Nötige herbeischaffen für Nahrung und Kleidung der Kinder. Sie wussten es und doch sträubten sie sich nicht, die Vater- und Mutterwürde aus Gottes Hand entgegenzunehmen. Denn sie wussten auch, dass die Kinder es einmal dankend anerkennen werden, was die Eltern ihretwillen für Opfer gebracht, wie sie selber sich manches versagten, vom Munde absparten, um es den Kindern zu geben. Sie wussten, dass die Kinder einmal der Trost und die Freude ihres Alters sein werden und darum beugten sie ehrerbietig ihr Haupt dem Willen Gottes und nahmen diese ehrenvolle Würde an.

 

Und heute? Heute ist diese echt christliche Gesinnung fast ganz geschwunden. Und wir leben ja im Zeitalter des schrankenlosen Genusses. Man will sich ausleben, man will sich selbst in den Mittelpunkt rücken, man will Selbstverwirklichung, man will aber nichts wissen von Opfer und Entsagung und Selbstverleugnung. Und dieser Geist, der auch die Jugend ergriffen hat, begleitet die jungen Leute hinein in diverse Beziehungen und hier hat das Wort "genießen" seinen allerhöchsten Thron aufgeschlagen. Und diesem Wort "genießen" steht das Kind im Wege. Wie viel Geld, das man sonst für Vergnügungen, Events, Partys, Kino und Konzerte anwenden könnte, müsste man für die Ernährung und Bekleidung des Kindes hernehmen, wie viel Zeit ginge mit der Pflege des Kindes verloren, wie viel Schönheit nehmen die Kinder ihrer Mutter weg! Daher wird das Kind als Feind betrachtet, als Eindringling in das Heim ihres Genusses. Daher wollen so viele Frauen nichts wissen von dieser heiligen und süßen Würde, ja manche sind durch die Tötung ihres Kindes im Mutterleib geworden zu modernen Königen Herodes, der seine Krieger aussandte und alle unschuldigen Wesen in Bethlehem und Umgebung umbringen ließ.

 

Nur eine Frage, liebe Marienverehrer: Glaubt ihr, dass der allmächtige und allweise Gott ungestraft die Verletzung eines seiner größten Gesetze hintergehen lässt? Glaubt ihr, dass Gott seine ewigen Gesetze nur deshalb gegeben hat, dass die Menschen das Gegenteil davon tun? O die Menschen empfinden es jetzt schon schaudernd und werden es noch bitterer spüren, was es heißt, in den gottgewollten Lauf der Natur hemmend einzugreifen. Es bedeutet heimliche Tränen und so manches frühe Siechtum. Unsere Friedhöfe könnten eine beredte Sprache darüber reden.

 

Während der unseligen Weltkriege waren die europäischen Zeitungen im Inseratenteil mit schwarzumränderten Traueranzeigen versehen, in denen todtraurige Eltern mitteilten, dass "notre unique fille" (unser einziger Sohn) in der Schlacht gefallen sei. Was muss das für unzählige Eltern für ein Schmerz gewesen sein! Der einzige Sohn! Aber wir müssen sagen: Gottes Mühlen mahlen langsam, aber sicher. Warum war der gefallene Sohn der einzige Sohn? Gott nahm ihnen nur zu oft das einzige Kind, weil sie es bewusst abgelehnt hatten, aus Gottes Hand reichlicheren Segen anzunehmen.

 

Liebe Marienverehrer! Ist es heute nach der Erfindung der Antibabypille, der "Pille danach" und der staatlich lizensierten Möglichkeit der Abtreibung besser? Nicht nur durch Kriege und Krankheiten und Bedrückungen gehen die Völker, besonders die Völker des Westens, zugrunde, aber an diesen himmelschreienden Sünden.

 

Denkt ernsthaft an eure große Verantwortung Gott und der Menschheit gegenüber und wenn ihr, christliche Frauen, aufschaut zum Bild der heiligen Mutter Anna, dann lernt von ihr die große Wahrheit: Die Mutterwürde ist wohl eine dornenreiche Würde, aber ein großes und heiliges Amt, ein Wohlgefallen Gottes und das Unterpfand einer besonders herrlichen Krone im Himmel. Amen. 

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4.

 

Der schlichte Heilige

 

Unter den Heiligen der katholischen Kirche gibt es sehr viele, von denen die Kirche sagt, dass sie die Tugend in heroischem Maße geübt haben. Ein heiliger Franz von Assisi liebte die evangelische Armut so sehr, dass er freiwillig auf sein ganzes Vermögen verzichtete und nur von dem leben wollte, was die Leute ihm als Almosen reichten. Der heilige Franz Xaver übte die Ehrfurcht seinen Ordensoberen gegenüber so, dass er seine Briefe an sie kniend schrieb. Ist es nicht eine heroische Ausübung der Kreuzesliebe, wenn eine heilige Theresia ausruft: "O Herr, entweder leiden oder sterben?" Der heilige Stanislaus liebte die Herzensreinheit so, dass er wie tot hinfiel, wenn nur ein ungeziemendes Wort an sein Ohr drang.

 

Wieder andere Heilige haben Großartiges geleistet im Reich Gottes, so dass sie die Bewunderung der Mit- und Nachwelt erregten. Der schon erwähnte heilige Franz Xaver verlässt die Heimat und begibt sich unter unsäglichen Mühsalen in das ferne Indien und über das Haupt von Tausenden und Abertausenden gießt er das Taufwasser aus. Ein heiliger Bernhard wird allen alles. Seinen Vater und seine Brüder begeistert er zum Eintritt ins Kloster, Kaiser und Könige suchen seinen Rat, er  durchreist die Lande und bewirkt, dass Franzosen und Deutsche, Engländer und Italiener begeistert die Waffen ergreifen, um das Heilige Land aus der Hand der Sarazenen zu reißen.

 

Was haben andere Heilige für den Glauben gelitten: erinnert euch an die glorreiche Märtyrerzeit, da Kinder und Greise, Jungfrauen, ernste Männer und Frauen unter Lobgesängen in den Tod gehen und der Menschengeist Tag und Nacht überlegte, wie man denn neue Martern für die Christen erfinden könnte, wo die Schwerter der Henker fast stumpf wurden und die Gefängnisse zu klein für die Heldenschar der Christen.

 

Und wie haben die heiligen Kirchenlehrer die Kirche verherrlicht durch ihre wundersame Weisheit, so dass sie wie Sterne am Himmel der Kirche erglänzen. Denken wir an einen heiligen Augustinus und Johannes Chrysostomus, einen St. Thomas von Aquin und Franz Sales.

 

Ja die Heiligen! Jeder ist groß in seiner Art. Und nun schauen wir auf jenen heiligen Mann, zu dem die Gottesmutter Vater sagte: den heiligen Joachim. Wenn er in so naher Beziehung zu Maria und Jesus stand, dass er der Vater der Gebenedeiten und somit der Großvater Jesu Christi wurde, von welcher außergewöhnlichen Heiligkeit mag er wohl ausgezeichnet gewesen sein! Doch nein, wir bemerken nichts von diesen außergewöhnlichen Tugenden und Leistungen für das Reich Gottes an ihm. Auch keine Gelehrsamkeit. Wo sollte er sie auch herhaben? Er war ja ein einfacher, schlichter Mann aus dem Volk, wenn er auch stammte aus Davids königlichem Geschlecht. Aber das Geschlecht war verarmt und er verdiente mit seiner Hände Arbeit das Nötige für sich und die Seinen. Er hat auch nicht sein Leben und Blut wie die heiligen Märtyrer für Gottes Sache hingegeben, nein er starb eines friedlichen und sanften Todes auf seinem Lager. Er hat auch nichts Außergewöhnliches geleistet für die Ausbreitung des Reiches Gottes, wie etwa die Missionare. Das Größte, was er vielleicht in der äußeren Ausübung der heiligen Religion geleistet hat, war die jährliche Wallfahrt zum Osterfest nach Jerusalem. Auch wird uns nichts von außergewöhnlichen Tugenden des Heiligen berichtet.

 

Und doch beten wir zu ihm: "Heiliger Joachim, bitte für uns!" Und doch rief er so das Wohlgefallen Gottes hervor, dass er gerade Joachim auserwählte, damit er sei der leibliche Großvater der zweiten göttlichen Person, dass er sei der nächste Anverwandte Jesu Christi. Was für eine Absicht mag wohl Gott bei dieser sonderbaren Wahl gehabt haben? Marienverehrer! Vielleicht wollte Gott uns an die trostreiche Wahrheit erinnern, dass die wahre Heiligkeit nicht geräuschvoll und glänzend auftritt vor der Welt, dass die wahre Heiligkeit ein gar schlichtes Gewand anhat und sich vor der Welt nicht viel bemerkbar macht, dass auch der vor Gott ein Heiliger ist, der still und demütig durchs Leben geht und unverdrossen seiner Pflicht lebt, ob nun die Welt es anerkennt oder nicht. So war der heilige Joachim ein Mann der Pflicht. Ob er nun die Pflichten erfüllte, die ihm das mosaische Gesetz auferlegte, ob er die Pflichten tat, die auf ihm ruhten als Hausvater und Brotverdiener, er tat sie ruhig und unverdrossen und betrachtete es als eine Selbstverständlichkeit, seinen Pflichten zu leben.

 

Weißt du nun, lieber Marienverehrer, wie auch dir die Blume der Heiligkeit blühen kann? Um ein Heiliger, eine Heilige zu sein, ist es nicht notwendig, dass du vielleicht stundenlang auf deinen Knien daliegst und im Gebet zu Gott aufblickst, es ist nicht nötig, dass du deinen Leib kasteist bis aufs Blut, es ist nicht nötig, dass du dein Vermögen unter die Armen austeilst und vom Almosen lebst wie ein heiliger Franziskus, es ist nicht nötig, dass du Heimat und Familie im Stich lässt und unter die Heiden gehst als Missionar, nein, du brauchst nur geduldig und unverdrossen deine Pflicht tun, in die du von unserem Herrgott hineingestellt bist und du kannst vor Gott ein großer Heiliger sein. Du bist z.B. eine arme Dienstmagd, musst dich viel mühen und plagen in Stall und Feld und bist abends todmüde, so dass dir kaum die Zeit bleibt zu einem andächtigen Abendgebet. Und doch kannst du bei deinen groben, einfachen Arbeiten eine Heilige sein. Opfere nur die Werke deiner Hände täglich dem Herrn auf: "Mein Gott, zu deiner Ehre sei mein Tagewerk heute vollbracht." Und wenn die Arbeit viel zu schwer wird, dass du aufseufzen möchtest, sage nur wieder ein Stoßgebetlein: "Mein Gott, dir zuliebe!" Und wenn vielleicht für all deine Plage keine Anerkennung kommt und vielleicht ein hartes Wort dich trifft, das dir weh tut, ein Blick aufs Kreuz, an das unser Gott von denen angenagelt wurde, für die er sich opferte in mühseligster Arbeit, und du bist wieder ruhig. Und so gehst du Tag für Tag durchs Leben, fleißig, grundehrlich und rechtschaffen, und der Sonntag ist dein Tag, an dem du wieder bei deinem Gott Kraft und Mut suchst. Schau, lieber Marienverehrer, du bist dann wirklich ein Heiliger, eine Heilige, auch wenn du von der Kirche nicht heiliggesprochen wirst. An uns gehen oft Menschen vorüber, wir beachten sie kaum, wir sehen nichts Außergewöhnliches, nichts Übertriebenes an ihnen, und doch sind wir an Heiligen vorübergegangen, auf denen schon lange Gottes Auge mit großem Wohlgefallen ruht.

 

Lieber Marienverehrer! Nicht wahr, auch du möchtest so glücklich sein, dass Gott mit Freude auf deine stille Heiligkeit schaut? So tritt hinein in die Fußstapfen des heilige Patriarchen St. Joachim und flehe zu ihm um seine Hilfe mit den Worten der Kirche in der heiligen Messe am Fest des heiligen Joachim: "O heiliger Joachim, Gemahl Annas, Vater der seligsten Jungfrau, verleihe deinen Dienern hienieden Hilfe, Halleluja!" Amen. 

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5.

 

Der Mann mit der Lilie

 

Wenn wir an die verschiedenen Bekannten und Verwandten der seligsten Jungfrau denken, dann tritt vor unser geistiges Auge jene hehre Heiligengestalt, die zu Maria in innigster und zartester Beziehung stand: der heilige Josef, der Nährvater Jesu Christi.

 

Wie war nun das Verhältnis des heiligen Josef zur seligsten Jungfrau? Die Heilige Schrift nennt ihn "den Mann Mariä", d.h. den Ehegemahl der seligsten Jungfrau, dem sie als Gattin anverlobt wurde, dem sie in das schlichte Arbeiterhäuschen zu Nazareth folgte, mit dem sie bis zu seinem Tod unter einem Dach lebte.

 

Aber trotzdem dürfen wir uns das eheliche Verhältnis zwischen Maria und Josef nicht so vorstellen, wie es sonst zwischen Eheleuten besteht. Maria hatte Gott ewige Jungfräulichkeit gelobt. Sagte sie denn nicht zum Erzengel Gabriel, als er ihr Gottes wundersame Botschaft brachte: "Wie soll denn dies geschehen, da ich keinen Mann erkenne?" Maria hatte dieses ihr heiliges Gelöbnis auch dem heiligen Josef mitgeteilt, als sie sein Haus betrat. Und Josef achtete in zartester Rücksichtnahme diesen Wunsch seiner Verlobten, und erst recht, als ihm offenbart wurde, zu welcher Würde seine jungfräuliche Gemahlin erhoben wurde, da kannte seine Ehrfurcht ihr gegenüber keine Grenzen mehr, sie wurde ihm die erhabene Königin, der zu dienen als letzter Diener er als ein unsagbares Glück betrachtete. Könnt ihr euch ein schöneres, ein zarteres Verhältnis vorstellen, als wie es zwischen Maria und Josef bestand? Vor den Augen der Welt waren sie Eheleute, Jesus galt als Sohn Josefs und Mariens, im Häuschen zu Nazareth lebten sie als Bruder und Schwester in einer geradezu englischen Reinheit nebeneinander. 

 

Dieses erhabene Beispiel hat auch in den späteren christlichen Jahrhunderten manche Nachahmer gefunden: Die heilige Jungfrau Cäcilia und ihr jungfräulicher Gemahl Valerian, die heilige Kaiserin Pulcheria und ihr Gemahl Marian, Kaiser Heinrich der Heilige und seine heilige jungfräuliche Gemahlin Kunigunde und viele andere, die hinblickend auf die Lilie in der Hand des heiligen Josef, auch im ehelichen Stand nicht verzichten wollten auf diese Lilie der Jungfräulichkeit, um dereinst dem Lamm ganz nah folgen zu können in weißen Gewändern mit Palmen in den Händen. 

 

Als Haupt der Heiligen Familie sah es der heilige Josef als seine oberste Pflicht an, für diese ihm von Gott anvertraute Familie Sorge zu tragen, dass jede Not und jeder Mangel fern gehalten wird von ihr. Denken wir an seine Sorgfalt bei der Flucht nach Ägypten: wie hart mag es ihm geworden sein, die Heimat zu verlassen, sein Arbeitsfeld zu verlassen, durch unbekannte Ländereien zu reisen, bei Tag und Nacht in steter Sorge, die Häscher des Herodes könnten ihn einholen und das göttliche Kind ihm entreißen. Wie hart wird es ihm geworden sein, sich einzuleben in die fremden Verhältnisse in Ägypten, bei Menschen, die eine andere Sprache redeten als er, sich wieder eine Arbeit zu suchen, um das tägliche Brot zu verdienen. Und Josef unterzog sich dieser Pflicht ohne Murren, ohne Missmut. Nein, wenn es auch für ihn eine große Sorge war, er fasste es doch mit unendlicher Freude als eine große Ehre auf, für den Schöpfer der Welt und dessen heilige Mutter sorgen zu dürfen.

 

Würden doch die christlichen Männer der heutigen Zeit vom heiligen Josef lernen! Der Mann ist das Haupt der Familie er ist der Nährvater, der Brotgeber. Wehe der Familie, wenn der Mann diese Pflicht vergisst, der in unchristlicher Selbstsucht nur an sich und sein Wohlergehen denkt und um seine Familie sich nicht kümmert. O wie viele Tränen sind schon aus den Augen bekümmerter Frauen geflossen, die am Samstag sehnsüchtig warten, bis der Mann den Wochenlohn heimbringt, damit sie wieder das Nötige an Brot und Mehl und Milch für die Familie anschaffen kann und unterdes sitzt der Mann vielleicht in der Schnapsschänke oder in einem sonstigen Vergnügungslokal und vertrinkt und verspielt den sauer erworbenen Lohn und denkt nicht an die sich grämende Frau zu Hause und die Kinder. Arme Familie!

 

Versteht ihr, liebe Marienverehrer, warum die Kirche das Fest des heiligen Josef unter die gebotenen Feiertage aufgenommen hat und zu einem Feiertag der christlichen Männer gemacht hat? Mir scheint, als habe die Kirche die Blicke der Männer hinwenden wollen auf diesen heiligen Mann, zu dem Jesus Christus Vater sagte: "Seht da den gerechten, den getreuen, den pflichteifrigen Mann und lernt von ihm." Denn wahrlich viel Familienleid schwände in den christlichen Familien, wenn die Männer öfters an diesen heiligen Mann Mariens denken würden.

 

Und noch eine schöne Lehre wollte uns der liebe Gott geben, indem er gerade St. Josef zum Gemahl der seligsten Jungfrau erkor. Hat da Gott nicht seinen Segen über die Arbeit ausgesprochen? Einstmals sprach Gott einen Fluch aus: "Die Erde sei verflucht um deinetwillen, Dornen und Disteln soll sie dir tragen und im Schweiß deines Angesichtes wirst du dein Brot essen." Und wahrlich, es schien, als ob die Erde seit dieser Stunde verflucht sei. Wie mussten und müssen die Menschen ringen in harter Arbeit, um dem Boden die karge Nahrung abzugewinnen, wie viele Schweißtropfen müssen die Erde betauen, ehe sie sich erbarmt und von ihren Gaben uns gibt. Und die Arbeit wurde auch als Fluch betrachtet. Wer arbeitete, wurde als ein niederer Mensch angesehen, nur elende Sklaven bebauten im Altertum den Boden und übten das Handwerk aus. Aber Gott dachte ganz anders und deshalb vertraute er einem schlichten Arbeiter, dem Zimmermann Josef seinen Eingeborenen an, bei ihm verbringt Jesus Christus den größten Teil seines Erdenlebens, ihm hilft Jesus Christus bei seinen Arbeiten, er der Himmel und Erde aus dem Nichts erschaffen hat, er greift selbst zum Hobel und zum Beil und ist freudig erregt, wenn sein Lehrherr Josef mit ihm zufrieden ist.

 

Gibt es ein erhabeneres Loblied auf die Arbeit als die Stube von Nazareth mit Josef und Jesus an der Hobelbank? Seit dem der Sohn Gottes selbst Hand angelegt hat an die Arbeit in der Werkstatt seines Nährvaters, seitdem ist die Arbeit geheiligt und ein Gott wohlgefälliges Werk.

 

Und wieder sehen wir die betrübende Erscheinung in der heutigen Welt, dass die Arbeit wieder als Fluch aufgefasst wird, dass man die Arbeit nur seufzend verrichtet als Mittel, um sein Leben zu fristen, dass man mit Unwillen das Joch der Arbeit auf sich nimmt und sich diesem Joch zu entziehen trachtet, wo man nur kann. Wir sehen die betrübliche Erscheinung, dass die Arbeit nicht mehr gewissenhaft verrichtet wird und jene Menschen sterben immer mehr aus, von denen man sagen konnte: das ist ein gewissenhafter Mensch, was er übernommen hat, führt er aufs beste aus, unbekümmert, ob er eine Aufsicht hat oder nicht. Immer häufiger hört man klagen, dass sich dieser oder jener seine Arbeit wohl gut bezahlen lässt, aber seine Arbeit doch nicht viel wert ist. Woher kommt denn diese Verfallserscheinung? Je mehr das Christentum schwindet bei den Menschen, desto mehr schwindet auch das Pflichtgefühl. Wer ein rechter Christ ist, der bemüht sich, dem Beispiel St. Josefs folgend, tadellos dazustehen als Mann, der es ernst nimmt mit allem, was ihm auferlegt ist. Der schämt sich seiner Arbeit nicht, ob es nun körperliche oder geistige Arbeit ist, sondern er freut sich, am heiligen Josef einen Kameraden gefunden zu haben, der durch sein hehres Beispiel ihm hilft, unverdrossen alles Harte und Schwere zu überwinden durch das bloße Wort "Pflicht" und der ihm zeigt, wie man dabei immer wieder neue Kraft schöpft: mit Jesus Christus vereint bleiben, nie von ihm sich zu trennen im Leben und im Sterben. Amen.

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6.

 

Eine noble Bekanntschaft

 

Manche Menschen haben die schließlich verzeihliche Schwäche, dass sie sich gerne ihrer vornehmen, ihrer noblen Bekannten rühmen, als würden sie selber dadurch in einen höheren Gesellschaftskreis emporgehoben, in eine noblere Sphäre versetzt. Nun wenn wir diesen allzumenschlichen Standpunkt auch auf Maria anwenden und sie fragen würden, welche Kreise denn zu ihrer näheren Bekanntschaft gehören, o da könnte uns Maria ganz stolz - wenn es bei ihr möglich wäre - berichten: "O ich habe auch sehr vornehme Bekannte gehabt. Denkt euch: ein mächtiger Fürst kam zu mir auf Besuch und beugte sich tief vor mir und brachte mir einen Gruß von dem mächtigsten und größten König der Welt." Ihr ahnt es schon, liebe Marienverehrer, welchen Bekannten der Gottesmutter ich meine: es ist der Erzengel Gabriel, dieser glänzendste Himmelsfürst, den Gott gleichsam als Kurier mit einer Sonderbotschaft zu Maria sandte.

 

Stellen wir uns diese heilige Stunde recht lebhaft vor Augen, in der Maria den Erzengel Gabriel kennenlernte. Einen herrlichen Gruß sprach der Engel aus beim Anblick der reinen Menschenblume, deren Tugendglanz so hell erstrahlte, dass er das Entzücken des Allerhöchsten hervorrief. O heilige Stunde, in der zum ersten Mal in der Welt der Engelsgruß ertönte: "Gegrüßet seist du Maria, voll der Gnade, der Herr ist mit dir, du bist gebenedeit unter den Frauen." Was für eine gnadenreiche Stunde! Denn in dieser Stunde vertauschte die zweite Person in Gott den glänzenden Palast des Himmels mit dem Tränental der Erdenheimat, in dieser Stunde ist "das Wort Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt", um uns undankbare Menschen zu retten aus Sünde und Tod. 

 

Marienverehrer, wundert es euch noch, dass die Kirche in dankbarer Gesinnung uns Menschen Tag für Tag und Tag für Tag erinnert an dieses trostreiche, beglückende Geschehnis, indem sie dreimal im Tag, wenn der Tag beginnt mit dem grauenden Morgen und wenn die Sonne hoch im Mittag steht und wenn sie wieder schlafen geht im Westen, die Glocken und Glöcklein erklingen lässt in Stadt und Dorf, von den Türmen der mächtigen Kathedralen und von den Holztürmchen der Holzkapellen? Und Mensch und Natur lauschen den Klängen, die so majestätisch und wieder so lieblich hinhallen über das Meer der Häuser und die blumenreichen Gefilde und wem nur ein gläubiges Herz in der Brust schlägt, der faltet gar fromm seine Hände und stimmt ein in das Grüßen der Glocken: "Gegrüßet seist du Maria!"

 

Liebe Marienverehrer! Tausend Jahre sind vor Gott wie ein Tag. Die lange, lange Zeit, die verflossen ist seit jenem ersten Ave Maria bis herauf zu der jetzigen Stunde ist vor Gott nur wie ein kurzer Tag. Aber auch dieser Tag Gottes hat einen Morgen, einen Mittag, einen Abend: es ist dies das christliche Altertum, das christliche Mittelalter und die Neuzeit. Aber der englische Gruß hat hineingeklungen in den Morgen des christlichen Altertums, in den Mittag des glaubensstarken Mittelalters, in den Abend der Neuzeit.

 

Wer wollte zweifeln, dass Maria schon in den ersten Christlichen Jahrhunderten verehrt wurde? Schon ihre Zeitgenossen hegten eine unbegrenzte Ehrfurcht für sie, denn sie dachten: wenn Gott einen Menschen grüßen lässt, kann es nicht gottlos sein, diesen Gruß Gott nachzusprechen. Sie dachten: wenn der Heilige Geist die Weissagung gibt, dass alle Geschlechter Maria selig preisen werden, so kann es nur vernünftig sein, wenn die Menschen diese Weissagung erfüllen. Und lange, bevor über der Erde Kirchen zu Ehren der Gottesmutter erbaut wurden, knieten schon unter der Erde in den Katakomben die Christen der ersten drei Jahrhunderte vor den Marienbildern, die an die Wände bei den Märtyrergräbern gemalt sind und wenn sie weggerissen wurden zu Marter und Tod vor die wilden Tiere und zu den Scheiterhaufen, ein letzter, scheidender Blick auf das Bild der Mutter gab ihnen Kraft, die Martern für Christus geduldig zu leiden. 

 

Und als im 5. Jahrhundert eine große Menge von Bischöfen beim Konzil zu Ephesus versammelt waren und als Glaubenslehre verkündeten, dass Maria die Gottesmutter sei, da kannte der Jubel des Volkes keine Grenzen, mit brennenden Fackeln in der Hand, unter Lobliedern begleiteten sie die Konzilsväter in ihre Wohnung. Ja am Morgen des Christentums, da ertönte laut freudig die Aveglocke mit dem Engelsgruß.

 

Aber nicht minder hell erscholl auch am Mittag des Christentums die Aveglocke. Vielleicht keine Zeit, die sich rühmen könnte, einen so zarten und innigen Marienkultus betrieben zu haben, wie das christliche Mittelalter. Da sang ein Walter von der Vogelweide:

 

O Magd und Mutter, schaue der Christenvölker Not!

Heil uns, dass sie den gebar,

Der unseres Todes Töter war."

 

Mit ihm sangen ungezählte andere das Lob der Himmelskönigin. Und in jener Zeit entstanden die schönsten Bilder der Muttergottes. Entzückt schaute sie im Geist der fromme Fra Angelico und malte seine Madonnen und vertiefte sich ein Raffael Santi in die hehre Würde der Gottesmutter und überlieferte der Welt seine Wunderwerke wie z.B. seine Madonna Sistina. Damals entstanden die gewaltigen Mariendome, in denen noch heute die Besucher sprachlos vor Entzücken stehen. Was für eine Liebe zu Maria musste in den Menschenherzen lodern, dass sie die gewaltigen Steinmassen in Bewegung setzten, so dass diese gleichsam reden: "Gegrüßet seist du Maria". In jener Zeit entstand das wunderliebliche Salve Regina eines heiligen Bernhard und glitten die Rosenkranzperlen durch die Hand des heiligen Dominikus als Waffe gegen die Irrlehren. In jener Zeit wurde ihr als Dank für den glänzenden Sieg bei Lepanto über den Erbfeind der Christenheit der erhabene Titel beigelegt: auxilium christianorum - Hilfe der Christen.

 

Doch nun fragen wir: Ist die Marienverehrung, die so hell aufleuchtet am Morgen und Mittag des Christentums, auch lieblicher Abendstern am Abend der Neuzeit? Passt die Marienverehrung noch in das Zeitalter der Glaubensspaltung, in das Zeitalter der versinkenden Religion, in die Zeit der harten Kämpfe um das tägliche Brot, in die Zeit der Technik und Kultur? Passen die Marienkirchen noch zu den modernen Verkehrsmitteln, Flugzeugen, Satelliten, Raumschiffen, zu den Banken, Wolkenkratzern und Mietskasernen, zu den Fabriken und Konzernen und dem Schiffsverkehr, zu den Krankenhäusern, Schulen, Universitäten  und Gefängnissen der Neuzeit? Ja, ja, und dreimal ja. Auch in der Neuzeit muss und soll klingen und singen in die unruhigen Menschenherzen hinein die Abendglocke der Muttergottesliebe. Und sie läutet auch. Ist nicht die Neuzeit das Zeitalter der marianischen Vereinigungen, in denen Menschen aller Stände und Berufe sich feierlich der Muttergottes geweiht und ihr feierlich gelobt, sie zu erwählen als Herrin, Beschützerin und Mutter und ihr und ihrem göttlichen Sohn in Treue zu dienen? Ist nicht die Neuzeit die Zeit der feierlichen Proklamierung des Glaubenssatzes der Unbefleckten Empfängnis? Ist nicht die Neuzeit die Zeit der glänzendsten Erscheinung der Gottesmutter zu Lourdes, wo die Menschen aus allen Erdteilen bei der Grotte Massabielle zusammenströmen und in allen Sprachen der Welt ihr verkünden, wie lieb sie Maria haben? 

 

Ja Marienglocke, klinge, klinge fort und sage den Menschen, dass auch heute noch eine gute Mutter über uns wacht, und segnet und beschützt. Ja, liebe Marienverehrer, lassen auch wir uns nicht beschämen durch das leuchtende Beispiel der Christen im Altertum und Mittelalter. Schauen wir mit derselben Liebe auf zur Immaculata, die die Schlange mit Füßen tritt. Sehen wir denn nicht allerorts, wie heute die Menschen den Flüsterungen der alten Schlange Gehör schenken, wie die Menschen im Staub der Erde kriechen und alle tierischen Triebe vergöttlichen? Schaut auf zur Unbefleckten und holt euch Kraft. Gleichwie sie der Schlange den Kopf zertreten hat, soll sie herrschen über das Niedrige und Gemeine in der Menschenbrust. 

 

Klinge, klinge Marienglocke, denn es will Abend werden und der Tag hat sich schon geneigt. Hilf den Menschen, dass sie sich anklammern an Mariens Schutzmantel, damit nicht die Nacht des ewigen Todes sich breite über die armen Kinder Evas. Amen. 

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7.

 

Die gute Base im Gebirge

 

Es ist ein wunderliebliches Bild, das uns der heilige Lukas in seinem Evangelium malt, wenn er uns die Muttergottes zeigt, wie sie eilenden Schrittes über das Gebirge Judäas schreitet. Was treibt denn die heilige Jungfrau an, das stille Haus von Nazareth zu verlassen und eilends den weiten Weg einzuschlagen, der nach Hebron führt? Ach es ist die Freude, die Maria nicht mehr verschließen kann in ihrem Herzen, es drängt sie, von dieser Freude einer anderen treuen Seele mitzuteilen. Und nun hat sie Hebron erreicht. Da eilt eine alte Frau ihr entgegen und vom Heiligen Geist erfüllt, wiederholt diese die Worte des Engels und spinnt sie weiter aus: "Du bist gebenedeit unter den Frauen und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes. Wie geschieht mir, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt?" Und sie führt Maria in ihr Priesterhaus und hier tauschen die zwei Frauen heilige Geheimnisse aus, hier erklingen zum ersten Mal die herrlichen Weisen des Hochgesanges aus dem Mund der jungfräulichen Sängerin: "Hoch preist meine Seele den Herrn . . . denn er hat angesehen die Niedrigkeit seiner Magd . . . Siehe von nun an werden mich selig preisen alle Geschlechter." Und drei Monate weilt Maria bei dem greisen Paar Zacharias und Elisabeth, ihren nahen Anverwandten.

 

Lässt sie sich wohl hier bedienen, lässt sie es sich als Gast etwa wohl ergehen? So wie ihr göttlicher Sohn von sich sagte: "Der Menschensohn ist nicht gekommen, um bedient zu werden, sondern um zu dienen", so kann auch Maria dieselben Worte auf sich anwenden. Sie kam nach Hebron, um zu dienen. Soeben erst war Maria zur höchsten Würde erhoben worden, die sich nur denken lässt und siehe da, weit entfernt, darüber stolz zu sein, verdemütigt sie sich noch tief. Die Heilige Schrift sagt: als sie in das Haus des Zacharias trat, grüßte sie die Elisabeth. Die Gottesmutter grüßt zuerst Elisabeth, die jetzt doch tief unter ihr stand.

 

An Elisabeth war auch Gottes Gnade offenbar geworden: in ihrem Alter sollte sie einem Sohn das Leben schenken und nun bleibt Maria drei Monate bei ihr und hilft der alten Frau in ihren Arbeiten und nimmt ihr das Schwerste ab und richtet sie auf, wenn der alten Frau vor der Zukunft bangt. O, was mag das etwas Schönes gewesen sein, das stille Walten der Mutter Gottes bei ihrer Base Elisabeth.

 

Seht da die Ehrfurcht, die Maria dem Alter zollte. Lernen auch wir von ihr, das Alter zu ehren.

 

Warum ist denn der altgewordene Mensch verehrungswürdig für uns? Er hat vor allem vieles erfahren in seinem Leben, mehr Bitteres als Schönes. Warum sind denn seine Haare weiß, seine Stirn gerunzelt, sein Körper gebückt? Ach, es sind die vielen, vielen Sorgen, die ihn während seines langen Lebens begleiteten, es sind die vielen Mühen und Arbeiten, die er auf sich nahm, um sich und den Seinen das tägliche Brot zu verdienen. So wie wir auf eine Fahne voll Ehrfurcht blicken, die manchen Sturm mitmachte, die verschlissen und zerfetzt am Stiel weht, so wollen auch wir voll Ehrfurcht auf Menschen blicken, die der Sturm des Lebens hin- und hergetrieben und hart mitgenommen hat. 

 

Warum sollen wir das Alter ehren? Haben sie nicht die Lebensweisheit inne? Was andere vielleicht erst lernen müssen, was sie durch Studium sich aneignen müssen, das haben sie durch ihre Lebenserfahrung schon inne und können den Jungen manchen guten Rat, manche gute Lehre geben. Hätte nur der junge König von Israel Roboam dem Rat der Alten gefolgt, die ihn ermahnten, sein Volk mit Güte zu regieren, er hätte nicht den größten Teil seines Reiches verloren.

 

Warum ehren wir das Alter! Sie werden ja langsam wieder wie Kinder, sie können nicht mehr viel mit ihrer Hände Arbeit verrichten, darum haben sie Zeit, mehr an Gott zu denken, sich mit Gott zu beschäftigen, eifriger zu sein im Gebet und Gottesdienst. Sie sehen die Ewigkeit immer mehr heranrücken an sie und darum wird ihr Sinn auch immer mehr losgeschält vom Irdischen und so befinden sie sich mehr oder weniger in einem Seelenzustand, der ihnen die Freundschaft Gottes sichert. Wenn nun Gott sie liebt und ehrt, sollen nicht auch wir sie lieben und ehren? 

 

Schon manche Heiden, wie z.B. die Spartaner geben uns ein schönes Beispiel ihrer Ehrfurcht vor dem Alter. Einst suchte während der olympischen Spiele, bei denen alle Stämme der Griechen vertreten waren, ein alter Mann einen Platz. Lange irrte er herum bei Alten und Jungen, aber niemand zeigte sich bereit, ihm einen Platz einzuräumen. Da kam er zu den Plätzen der Spartaner. In diesem Augenblick standen alle jungen Spartaner ehrerbietig auf, um dem Greis Platz zu machen. Dies schöne Benehmen machte auf alle Anwesenden einen solchen Eindruck, dass ein allgemeines Beifallrufen entstand und der erfreute Greis sagte: "Ihr Götter, alle Griechen kennen die Tugend, aber nur die Spartaner üben sie aus."

 

Doch wir haben es nicht nötig, auf das Beispiel der Heiden zu sehen. Blicken wir hin auf das hehre Beispiel der Gottesmutter, wie sie das Alter ehrte nicht mit Worten bloß, sondern in der Tat und Wahrheit. Die alten Leute sind oft auch misstrauisch, sie haben ja auch viele Enttäuschungen in ihrem Leben erfahren, sie sind manchmal launenhaft und eigensinnig, wie oft die Kinder und darum ist der Dienst, den wir den Alten erweisen, nicht immer ein leichter Dienst. Dafür aber ist er vor Gott besonders verdienstlich. Die alten Leute können sich oft selber nicht mehr helfen, sind unbeholfen. Und wenn sie nun in Not sind, wenn sie sich nichts mehr verdienen können, welch ein gesegnetes Werk ist es dann, wenn wir ihnen beistehen, wenn wir ein freundliches, tröstendes Wort ihnen sagen, in ihren Krankheiten sie besuchen und ihnen helfen, über das Harte und Bittere hinwegzukommen.

 

O wie schön ist es, wenn dem Menschen, dessen Lebenssonne langsam untergeht, die Sonne der christlichen Liebe aufleuchtet. Dann ist sein Lebensabend verschönt wie ein heiterer Sonnenabend, über den die scheidende Sonne noch einmal ihre goldenen Strahlen hingleiten lässt. Und der Heiland sieht alle diese Liebeswerke an, als hätte man sie ihm erwiesen. Und wenn du einmal selber alt sein wirst und einsam und verlassen dastehst wie ein entblätterter Baum im Herbststurm, dann brauchst du nicht verzagen: der Heiland wird dir dann auch liebe, gute Menschen zusenden, die dir ihre milde Hand entgegenstrecken, dass du nicht allein gehen musst den rauen Dornenpfad, der da heißt: das Greisenalter. Amen.

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8.

 

Des Höchsten Priester

 

Drei volle Monate weilte die Mutter Gottes bei ihrer Base Elisabeth und übte da in Demut und im stillen Dienen ein herrliches Werk der Nächstenliebe aus. Und nicht nur der alten Frau galt ihre Sorge und ihre Arbeit, auch auf den greisen Ehegemahl Zacharias erstreckte sich ihre hausmütterliche Sorgfalt. Was war Zacharias ein glücklicher Mann, dass er von Marias Sorge umhegt wurde, dass er von Maria bedient wurde.

 

Und wenn wir staunend fragen: warum tut dies Maria, warum verdemütigt sich die Gottesmutter so? So ist die Antwort ja leicht. Maria die Gütige, Maria die Barmherzige sah: hier gilt es zu helfen, hier gilt es zu stützen und sie zögerte nicht eine Minute, den zwei alten Leuten ihre Liebesdienste zu erweisen. Zudem war Zacharias ihr innigst verbunden durch die Bande der Blutsverwandtschaft. Aber noch einen Grund gab es, weswegen es sich Maria als eine hohe Freude anrechnete, Zacharias bedienen zu dürfen: Sie ehrte in dem Ehegemahl der Elisabeth den Priester des Allerhöchsten.

 

Die Heilige Schrift berichtet uns, dass Zacharias zu einer der 24 Priesterklassen gehörte und zwar zur Klasse Abias, die abwechselnd den heiligen Dienst im Tempel zu Jerusalem zu verrichten hatten. Schon als sie als Tempeljungfrau ihre Jugend im Schatten des jüdischen Heiligtums verbrachte, mochte sie Zacharias gesehen und ihn beobachtet haben, wie er seinen Dienst verrichtete. Sie war unzweifelhaft Zeugin seiner Frömmigkeit, mit der er die verschiedenen gottesdienstlichen Handlungen im Tempel verrichtete und jetzt, während ihres dreimonatlichen Aufenthaltes in Hebron erfuhr sie die wundersame Begebenheit, die sich im Tempel zu Jerusalem zugetragen hat. Derselbe Himmelsbote, der ihr die Botschaft brachte von der Menschwerdung des Sohnes Gottes, derselbe war auch Zacharias erschienen zur Rechten des Rauchaltares. Eine ähnliche Botschaft wie ihr, hatte er auch Zacharias mitgeteilt: du wirst Vater eines hochbegnadeten Kindes werden, das viele bekehren wird zu seinem Herrn und Gott und vor dem Messias einhergehen wird als sein Vorläufer in der Kraft des Elias.

 

Was musste Zacharias für ein heiliger Priester sein, dass er die Aufmerksamkeit Gottes selbst erregt, dass er der Träger eines großartigen Gotteswunders wird! Und wenn er auch für eine kleine Schwäche, dass er nämlich in das Unfassbare des Wunders sich nicht finden konnte und einen Augenblick zweifelte, wenn er dafür zur Buße stumm blieb bis zum Tag der Geburt des Johannes, das minderte nicht die Ehrfurcht, die Maria zu dem Priester Zacharias hegte.

 

Doch, liebe Marienverehrer, was ist das Priestertum, das Zacharias ausgeübt hat im Vergleich zum neutestamentlichen Priestertum, das Jesus Christus selbst eingesetzt hat? Stellen wir nur diesen kurzen Vergleich an: Die Hauptaufgabe der Priester des Alten Bundes bestand im Opfern. Der Opfer gab es in Israel eine große Zahl: da waren blutige und unblutige Opfer, da waren die Morgen- und Abendopfer, die Opfer am Sabbath und je größer das Fest, umso mehr Opferblut floss vom Opferaltar. Ganze Hekatomben Rinder wurden manchmal geschlachtet. Und der Priester legte die Schaubrote aus feinstem Weizenmehl auf den goldenen Schaubrottisch und er räucherte vor Gottes Angesicht und betete, dass Gott wegnehmen möge die Sünden des Volkes. 

 

Und nun tretet in das schlichteste Dorfkirchlein ein und ermesst an den Verrichtungen des katholischen Priesters die unendliche Würde und Erhabenheit des neutestamentarischen Priestertums. Auch er steht am Altar und opfert, auch bei seinem täglichen Morgenopfer fließt Blut, das edelste, das kostbarste Blut, das es gibt im Himmel und auf Erden, jenes Blut, das abwäscht die Sünden der Welt, dieses Blut, das auslöscht die Flammen des Fegefeuers. Auch er, der Priester, streckt seine Hand aus nach dem Opferlamm. Aber es ist dieses Opferlamm der makellose Leib unseres Herrn Jesus Christus, geboren aus Maria, der Jungfrau. O, eine einzige Heilige Messe, gefeiert vom katholischen Priester, wiegt alle die 100.000 Opfer auf, die da bluten in den Vorhöfen des Tempels von Jerusalem. 

 

Der Priester Zacharias konnte nur beten, Gott möge die Sünden wegnehmen von der Seele des opfernden Volkes. Der Priester des Neuen Bundes nimmt sie tatsächlich ab von der gebeugten Seele durch das einzige Wörtchen, das die Hölle schließt und die Pforten des Paradieses auftut: ego te absolvo - ich spreche dich los von deinen Sünden. O wenn die Beichtstühle in unseren katholischen Kirchen sprechen könnten, sie würden uns erzählen von ungezählten getrockneten Tränen. O wenn die Sterbebetten erzählen könnten, zu denen der katholische Priester Zutritt fand, sie würden einen Jubelhymnus anstimmen auf die Barmherzigkeit Gottes, der uns durch seinen Priester die bittere Todesnot des Sterbens lindern will. 

 

Zacharias konnte nur räuchern vor dem Altar Gottes, der Priester des Neuen Bundes schließt auf die Quellen der Gnaden, die uns durch die heiligen Sakramente zuströmen.

 

Er ist der Leuchtturm, der in dem geistigen Meer der gefährlichen Brandungen und Finsternis, die sich über die heutige, ungläubige Welt herabgesenkt hat, das Licht der Wahrheit leuchten lässt und die Seelen, die sich seiner Führung überlassen, glücklich führt in den Hafen des ewigen Friedens.

 

Zu Beginn des Krieges 1914 wurde in Frankreich die Ordre an alle Küstenstationen herausgegeben: die Leuchttürme auslöschen! Damit kein feindliches Schiff der Küste sich nahen könne.

 

Die Leuchttürme auslöschen! Stelle es dir gut vor, was aus einem Land wird, in dem das Licht des Priestertums erlischt. Der berühmte französische Schriftsteller und Priester Pierre l`Ermite erzählt von einem Dorf, das seit zehn Jahren ohne Priester ist: Die Sakristei stürzt ein, es regnet auf die Schränke, in denen die Ornate verschimmeln, zwischen den Fliesen des Chores wächst Gras und auf dem unbenützten Friedhof spielen Kinder mit den Totenköpfen Kegel. In diesem Dorf leben die Einwohner wie die Tiere: sie essen und trinken, sie arbeiten und schlafen. Wenn sie zum Himmel schauen, auf dem die Sterne funkeln, dann nur, um nach dem Wetter zu sehen, das es morgen haben werde. Sie glauben nicht an Gott, nicht an die Seele, nicht an ein künftiges Leben. Sie wissen nicht einmal, was das ist. Aber sie glauben an ihren Dünger. Die Kinder wachsen heran ohne Kenntnis von gut und böse. Die Kranken sterben ohne Beistand, ohne Hoffnung, und wenn sie tot sind, dann scharrt man sie ein wie Kälber und kein Mensch betet für sie.

 

Die Leuchttürme auslöschen! Ermesst ihr es, was wir am katholischen Priestertum haben? Lasst euch nicht irre machen am katholischen Priestertum, wenn die ganze Macht der Finsternis losstürmt gegen das Priestertum und alle Kübel des Hasses und der Verleumdung darüber ausgießt. Lasst euch nicht irre machen, selbst wenn ihr Ärgernisse sehen solltet im Priestertum. Auch Maria hat an Zacharias keinen Anstoß genommen trotz seiner Unvollkommenheit. Denkt immer daran: Unendlich mehr als der Schaden, den ein unwürdiger Priester anrichtet, wiegt der Segen, der vom katholischen Priestertum ausgeht über die ganze Welt. Ein Volk, das seine Priester noch ehrt, lässt Gott nicht zugrunde gehen. Amen. 

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9.

 

Der Löwe in der Wüste

 

Wer von euch, liebe Marienverehrer, kennt nicht das Bild, das die Muttergottes darstellt, wie sie den kleinen Jesusknaben an der Hand hält? Und daneben der kleine Johannes, schon jetzt den jugendlichen Leib in ein raues Tierfell eingehüllt, wodurch die spätere strenge Lebensweise dieses heiligen Mannes angedeutet werden soll. Gewiss war Johannes, der Sohn des Zacharias und der Elisabeth, der Mutter Gottes sehr gut bekannt. Sie war ja Zeugin der ersten Regungen seines irdischen Lebens, sie hielt gewiss den Verkehr mit der ihr lieben und verwandten Familie des Zacharias auch später aufrecht und wenn der Heiland von Johannes spricht als dem Größten der von einer Frau Geborenen, so hat gewiss die Mutter Gottes den Lebensgang dieses heiligen Kindes verfolgt von seiner frühesten Kindheit bis zu seinem tragischen Tod. Sie hat sich gefreut über die Erfolge und die Ehre, die ihm von Seiten der Juden zuteil wurde, die hinauseilten zum Jordan, um der "Stimme eines Rufenden in der Wüste" zu lauschen. Sie bemitleidete ihn, als sie von seiner Einkerkerung durch Herodes, den König, erfuhr und hat ihm Tränen treuer Verwandtenliebe geweint, als sie sein schmerzliches Ende erfuhr.

 

Johannes der Täufer wird vom Heiland als einer der Größten gepriesen. Ein Lob aus dem Mund Jesu Christi wiegt tausendfältiges Menschenlob auf. Ja ein Großer war Johannes! Er war groß in seinen Predigten: die Bewohner der Großstadt Jerusalem eilten ihm scharenweise zu und nahmen die bitteren Wahrheiten, die er ihnen sagte, geduldig hin. Groß war Johannes in seiner Abtötung: ein Gürtel aus Kamelhaaren war seine Kleidung, Heuschrecken und Waldhonig seine Nahrung. Groß ist Johannes in seiner rührenden Demut, mit der er ins Nichts verschwinden will, wenn der Stern Jesu Christi hell aufleuchten wird im Judenland. Aber wisst ihr, liebe Marienverehrer, wann Johannes am allergrößten war? Kommt, begleiten wir ihn! Wir sehen ihn, wie er einmal seine liebe Wüsteneinsamkeit am Jordan im Stich lässt, er nimmt den Wanderstab zur Hand und wandert, wandert. Bei einem prächtigen Palast macht er Halt. Was will der bleiche, abgezehrte Mann mit dem elenden Kamelhaarschurz in dem Luxus des königlichen Palastes! Erstaunt schauen ihm wohl die Wachen nach, wie er unerschrocken durch ihre Mitte schreitet und die Marmortreppen emporsteigt und eintritt in die teppichbehangenen, von schwülen Ambradüften durchfluteten Gemächer. Jetzt steht er vor dem König. Andere zitterten vor seinem strengen Blick und beugen tief Knie und Rücken vor dem gewaltigen Machthaber. Johannes tut das alles nicht. Ernst hebt er den Arm und spricht das berühmte Wort: "non licet!" Es ist nicht erlaubt o König, dass du die Frau deines Bruders hast. - Herodes lebte mit Herodias, der Frau seiner Bruders Philippus in unrechtmäßiger Ehe. Doch niemand, auch der Hohepriester von Jerusalem wagte es, dem König seine Sünde vorzuhalten. Erst Johannes brachte den Mut auf, ganz offen und rückhaltlos dem König die Sünde ins Gesicht zu sagen. Wir wissen, welchen Lohn Johannes für seinen Freimut davontrug: er wurde in das Gefängnis geworfen und nun ruhte die ehebrecherische Frau Herodias nicht eher, als bis ihr auf einer Schüssel das Haupt des hingemordeten Propheten präsentiert wurde.

 

Wer von uns beugte nicht in Ehrfurcht sein Haupt vor diesem echten Mann Johannes? Besonders heute, wo wir auch unter Männern so viele Feiglinge, so viele Leisetreter, so viele Kompromissler zählen, heute hätten wir es besonders nötig, uns an dem männlichen Mut, an der Überzeugungstreue eines heiligen Johannes aufzurichten. Heute wäre es notwendiger als je dass wieder Johannes vor die Menschheit hintrete, vor die Großen dieser Welt sowohl wie vor die Kleinen, vor Geschäftsleute und Staatsdiener, vor Jugendpädagogen und Hilfsarbeiter, vor Parlamentarier und Minister und mit fester Stimme das alte Wort wiederhole: "non licet - es ist euch nicht erlaubt!"

 

Viele tausend Jahre ist es schon her, seitdem Gott unter Donner und Blitz auf Sinais Höhen seine unabänderlichen Gesetze an die Menschheit erließ. Damals sagte auch Gott: es ist dir nicht erlaubt, an falsche Götter zu glauben und sie zu ehren, es ist dir nicht erlaubt, meinen heiligen Namen zu missbrauchen und meinen heiligen Tag zu entweihen. Es ist dir nicht erlaubt, meinen Stellvertreter auf Erden die Ehrfurcht zu verweigern, es ist nicht erlaubt, einzugreifen mit frevler Hand in mein Recht über Leben und Tod, es ist dir nicht erlaubt, die Ehe zu entweihen und die Hand nach fremdem Eigentum auszustrecken, es ist dir nicht erlaubt, die Wahrheit umzubiegen, ja nicht einmal erlaubt sei die unrechte Begierde. Diese Gesetze stellte Gottes Weisheit als Lebensregel des Menschengeschlechtes auf und durch Jahrtausende hindurch sind einzelne Menschen und ganze Völker solange glücklich und zufrieden gewesen und haben den ganzen Segen des Gehorsams gegen diese Gebote an sich erfahren, als sie auch diese Gebote als ihre Lebensnorm ansahen. Aber heute wollen die Menschen alles besser verstehen als Gott selbst, heute wollen sie es nicht mehr begreifen, dass zum wahren irdischen Glück unbedingt das Festhalten an Gottes Geboten führt. Die Menschen wollen gescheiter sein als Gott und darum erlauben sie sich, an diesen altehrwürdigen, erprobten Gottesgesetzen herumzukorrigieren und herumzureformieren oder sie sogar ganz aufzuheben.

 

Will man nicht heutzutage schon das 1. Gebot beseitigen? Rufen es nicht tausende und abertausende Stimmen der verführten Menschheit zu: "Was ihr glaubt noch an einen Gott und an ein Jenseits? Lasst euch nicht auslachen! Es gibt keinen Gott und keinen Himmel, auf den die Pfaffen nur das arme Volk vertrösten. Macht euch den Himmel auf Erden, denn nach dem Grab ist das Nichts!" Und man reformierte das 4. Gebot: "Ihr Jungen, lasst euch nur von den Alten nichts mehr sagen. Ihr seid selber gescheit genug." Und man reformierte das 5. Gebot, indem man die himmelschreiende Sünde des Mordens der Ungeborenen als eine notwendige Forderung der Zeit hinstellt und die Straflosigkeit solcher Mörder gesetzlich festlegen will. Man reformierte das 6. Gebot: die Heiligkeit und Unauflöslichkeit der Ehe wurde ihres übernatürlichen Charakters beraubt und zu einem bloßen Vertrag herabgewürdigt, der gegenseitig gekündigt und gelöst werden kann. Man korrigierte das 6. Gebot, indem man den Grundsatz des Sichauslebens, des die Jugend Genießens als höher hinstellte als Gottes unveränderliches Gesetz. Man reformierte das 7. Gebot, indem man die großen Räuber und Diebe, die Bestechungsgelder in Millionenhöhe annehmen, die hohe Ämter als Mittel betrachten, um sich auf fremde Kosten möglichst schnell zu bereichern, noch immer als Ehrenmenschen gelten lässt, wenn ihnen kein gerade grober Fall nachgewiesen wird. Man reformierte das 8. Gebot, indem man der Lüge einen schimmernden Thron errichtete in den Zeitungen, im öffentlichen gesellschaftlichen Leben. 

 

O die Menschen wollen besonders klug sein, klüger als Gott, darum dispensieren sie sich so leicht und seelenruhig von diesen angeblich veralteten Ansichten und Geboten.

 

Aber ich frage: hat diese Revolution gegen Gottes ewige Gesetze der Menschheit Glück gebracht? Schaut euch nur das alltägliche Leben an, werft einen Blick hinein in die Zeitungen: Lauter Mord und Totschlag, Einbrüche, sexuelle Übergriffe, Rassismus, Selbstmorde, Streiks, Revolutionen, Steuerhinterziehungen! Immer größere Psychiatrien und Krankenhäuser und dem gegenüber genug Platz in den Kirchen. Schaut das alles aus nach einem größeren Glück der Menschheit? Liebe Marienverehrer! Glaubt es mir: Gott lässt nicht ungestraft seine ewigen Gebote zum Spielball der Menschheit werden. Womit die Menschen sündigen, damit werden sie unfehlbar gestraft. Gott hat die Gebote nicht seinetwillen erlassen, er braucht sie nicht zu seinem Glück, aber er weiß, dass ihre Beobachtung zum Glück der Menschen so nötig ist wie die Luft zum Atmen. Und wir törichten Menschen glauben immer noch, dass wir unser Glück erst finden, wenn wir uns von diesen Geboten befreien, uns also nicht gebunden an die Gebote betrachten!

 

Johannes geht nicht mehr predigend über die Erde. Aber sein heiliges Amt hat die katholische Kirche übernommen. Auch sie ruft es allen ihren Kindern zu, reichen und armen, gelehrten und einfältigen: "non licet - es ist euch nicht erlaubt!"

 

Würden die Menschen nur wieder mehr auf die Kirche hören und ihre Worte befolgen, sie würden es nicht zu bereuen haben. Es würde langsam wieder in die arme Menschheit einziehen, was ihr längst schon verloren ging: Glück und Frieden! Amen.

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10.

 

Die Männer mit dem Hirtenstab

 

Eines der lieblichsten Bilder aus der Geschichte der lieben Gottesmutter ist die Anbetung der Hirten. Da sehen wir eine armselige Felsenhöhle, notdürftig beleuchtet. Die ganze Einrichtung ist eine Futterkrippe für das Vieh und in dieser Krippe liegt der Heiland der Welt. Freudestrahlend zeigt die heilige Jungfrau das Kind den Hirten. Diese schlichten Männer aus dem Volk liegen auf den Knien vor dem Kindlein und beten es an in Ehrfurcht und Liebe. In dieser Stunde der heiligen Nacht sind die Hirten von Bethlehem gar gute Bekannte der Gottesmutter geworden, denn sie haben selber vieles gemeinsam mit Maria: Maria und die Hirten essen das Brot der Armut, Maria und die Hirten treten so bescheiden und schlicht auf und ohne Aufsehen in der Welt, Maria teilt mit den Hirten den schlichten Glauben. Als ihr der Erzengel verkündet hatte: "du wirst Mutter Gottes sein, trotzdem du jungfräuliche Reinheit gelobt hast, die Kraft des Allerhöchsten wird es bewirken", da beugt Maria in innigem Glauben ihr Haupt: es geschehe nach Gottes Wort. Und als der Engel den Hirten die Botschaft brachte: "Ihr werdet ein Kind finden in Windeln eingewickelt und in einer Krippe liegend", und als sie dieses Kindlein entdeckten, - da schreckt sie nicht die entsetzliche Armut dieses Kindes zurück, nicht die Schwachheit und Hilflosigkeit dieses Kindes. Ihr Glaube jubelt: "Das ist Gottes Sohn!" und in Ehrfurcht beugen sie ihre Knie zur Erde.

 

O liebe Marienverehrer! Was sind diese Hirten für glückliche Männer gewesen, weil sie einen festen Glauben gehabt haben. Einen Glauben, der in einem kindlichen Herzen wurzelt, einen Glauben, der nicht grübelt und zweifelt. An ihnen hat sich das spätere Wort des Jesuskindes erfüllt: "Vater, ich preise dich, dass du dies vor den Weisen und Klugen verborgen, den Kleinen aber geoffenbart hast." Denn der Glaube ist eine Gnade. Und je reiner das Herz und je einfältiger der Sinn, desto fester wurzelt er in der Seele. Wer aber erst glauben wollte, nachdem er alles ergrübelt und erforscht, nachdem er alle Zweifel gelöst, wer auf sein eigenes Wissen und Können pocht, der kommt nicht zum Glauben. Und seht, das ist die große Krankheit unserer Zeit, dass die Menschen vielfach zu hochmütig sind, sie wollen nicht wie die Hirten auf die Engelsbotschaft hin, ihr Haupt auf die Botschaft der Kirche hin in kindlichem Glauben beugen. Und darum gibt es heutzutage so viel Unglaube. so viel Zweifel, so viel Spott.

 

Und doch ist der Glaube die einzige Medizin auch für die Menschheit von heute. Wir sehen heute so viel Unrast, so viel Zerfahrenheit, so viel Unzufriedenheit, so viel Hass - selbst unter christlich sich nennenden Völkern - so viel Ausbeutung und Unterjochung, so viel Selbstmorde. Warum das alles? Weil vielfach die Grundlage aller Gerechtigkeit und allen Glückes fehlt: der Glaube.

 

Der Glaube ist es allein, der noch das Tier im Menschen versteht zu bändigen, der den Menschen abhält, in Sünde und Laster sich zu stürzen. Schon der heidnische Philosoph Plato lehrte: "Der Glaube an Gott bewirkt, , dass man wissentlich keine Ungerechtigkeit und keine gottlose Handlung begeht". Und der berühmte französische Schriftsteller Chateaubriand schreibt: "Eine vor einem Madonnenbild brennende Lampe vermag einen tieferen und lebendigeren Eindruck auf das Menschenherz auszuüben, dass es standhält in den Stürmen der Leidenschaft, als alle Philosophie". Der Anarchist Ravachol erklärte vor Gericht: "Wenn ich an Gott geglaubt hätte, würde ich nicht getan haben, was ich tat". Ja dieses Wort könnte an den Türen der Gefängnisse stehen: "Wenn ich an Gott geglaubt hätte, hätte ich nicht getan, was ich tat, wäre ich nicht hier, wäre ich kein Raubmörder, kein Einbrecher, kein Betrüger geworden". Dieses Wort könnte an manche Haustür geschrieben werden, durch die das Glück weinend fortgezogen ist: "Wenn ich an Gott geglaubt hätte und an seine Ewigkeit und an sein Gericht, wäre ich kein Ehebrecher geworden und hätte mein Familienglück nicht zerstört, wäre ich kein Trunkenbold, kein Tagedieb und Müßiggänger, kein nur das Leben genießender Lebemensch geworden".

 

Am Königssee