5. Mai - Die Jahrhunderte zeugen

 

Im Häuschen zu Nazareth erscholl zum ersten Mal der Gruß an Maria: "Gegrüßet seist du, Maria!" Und seit diesem Augenblick haben die Christen aller Zeiten und aller Länder nicht mehr aufgehört, sie wieder zu grüßen und zu beglückwünschen, dass in ihren reinen Schoß das Himmelsmanna, der Sohn Gottes, herabgestiegen und Mensch geworden ist. Im Saal des heiligen Abendmahles in Jerusalem entstieg zum ersten Mal aus dem Mund des Heilandes selbst das inhaltsschwere Wort: "Das ist mein Leib, das ist mein Blut." Und seitdem geht durch alle Jahrhunderte der unerschütterliche Glaube an Christi gnadenreiche Gegenwart im heiligsten Sakrament. So mancher Zweifler möchte mit den Juden sprechen: hart ist diese Rede, wer kann sie hören? und darum den Glauben an dieses unfassbare Geheimnis ablehnen. Und doch ist kaum ein Glaubenssatz unserer heiligen Religion so klar bewiesen, als wie gerade der Glaubenssatz vom heiligen Sakrament. Christus selber tritt durch sein allmächtiges Wort für die Wahrheit dieses Glaubensgeheimnisses ein:

 

Was Gott Sohn gesagt, das glaub ich hier allein,

Es ist der Wahrheit Wort und was kann wahrer sein?

 

Seine heiligen Apostel reden zu den Christengemeinden mit Ergriffenheit und Rührung von diesem Sakrament der Liebe. Sankt Paulus spricht in seinem Korintherbrief davon. Und die Schüler der Apostel, ihre Nachfolger, die Väter der Kirche, ferner die heiligen Märtyrer, die Kirchenlehrer, Gottesgelehrte und Wundertäter, die Heiligen der Kirche, alle, alle sind sie eins in dem Glauben an Christi Gegenwart im heiligen Sakrament. Lassen wir aus der schier unübersehbaren Schar nur einige dieser heiligen Zeugen vorüberwandeln vor unserem geistigen Auge, hören wir an, was sie sagten und glaubten über das heilige Sakrament.

 

In der Stadt Antiochia lebte im ersten christlichen Jahrhundert der Bischof Ignatius. Er war ein Schüler des heiligen Johannes, des Lieblingsjüngers Jesu Christi, der beim letzten Abendmahl an der Brust des Herrn ruhte. Wie oft mag wohl Johannes seinem Schüler von dieser heiligen Stunde in der Gründonnerstagnacht erzählt haben! Kein Wunder, dass Ignatius von glühender Liebe zum eucharistischen Heiland erfüllt war. In der Christenverfolgung des Kaisers Trajan nun wurde er verhaftet und nach Rom geschleppt, damit er im Zirkus den wilden Tieren vorgeworfen werde. Das geschah auch um das Jahr 107. Als er das Gebrüll der hungernden Löwen hörte, rief er aus:

 

"Ich bin der Weizen des Herrn, ich muss durch die Zähne der wilden Tiere zermalmt werden, um ein reines Brot Christi zu werden."

 

Auf der Reise nach Rom schrieb er an mehrere Christengemeinden Trostbriefe und belehrte sie. Und da finden wir die schönen Worte des Heiligen:

 

"Ich erfreue mich nicht an vergänglicher Nahrung, noch an Ergötzungen dieses Lebens. Das Brot Gottes will ich, welches das Fleisch Jesu Christi ist, und zum Trank will ich das Blut desselben Jesus Christus."

 

Aus diesen Worten des heiligen Ignatius also ersehen wir klar, wie er überzeugt davon ist, dass Christi Fleisch und Blut eine Speise und ein Trank sind.

 

Ein herrliches Zeugnis legte auch der Papst Alexander I. ab, der um 117 als Märtyrer starb. Er schildert genau den Vorgang beim letzten Abendmahl und spricht in ehrfurchtsvollen Worten davon, dass beim heiligen Opfer der Leib und das Blut des Herrn aufgeopfert wird. Er weiß, dass die heilige Eucharistie ein großes Geheimnis ist, das nur den Christen bekannt, den Heiden nicht verraten werden darf. Und als man ihn aufforderte, dies Geheimnis preiszugeben und ihm mit dem Tod drohte, gab er den wütenden Heiden die schöne Antwort:

 

"Wisse, dass die Christen eher alle Marter dulden, als dass sie das Geheimnis ihres Glaubens mit einer Silbe offenbaren."

 

Dieses mutige Wort musste er mit dem Tod büßen.

 

Der heilige Dionysius, Bischof von Alexandria, der um die Mitte des dritten Jahrhunderts lebte, spricht in einem Brief gegen den Irrlehrer Paul von Samosata von dem heiligen Blut Jesu Christi (in der heiligen Messe), dass es nicht das Blut eines sterblichen Menschen sei, sondern das Blut des wahren Gottes, ein Strom von Seligkeit für jene, welche das Glück haben, davon zu genießen.

 

Derselbe heilige Dionysius erzählt in einem Brief an den Bischof Fabian von Antiochia eine Begebenheit, die uns ein klares Bild über den Glauben an die Eucharistie gibt:

 

Ein Greis, namens Serapion, der während der Christenverfolgung abgefallen war und daher von der Kirche ausgestoßen wurde, erkrankte schwer und verlangte dringend die Wiederversöhnung mit der Kirche. Er schickte in der Nacht noch einen Knaben zu einem Priester. Dieser aber war selber krank und konnte nicht kommen. Was tat nun der Priester? Er gab dem Knaben ein Stückchen von dem konsekrierten Brot mit und sagte ihm, er möge es mit einer Flüssigkeit dem Kranken in den Mund geben. Der Knabe tat, wie ihm geheißen und sofort nach dem Empfang der heiligen Eucharistie starb der Kranke.

 

Aus diesem Brief sehen wir, dass schon in der ersten christlichen Zeit das heilige Sakrament für die Kranken aufbewahrt und es ihnen geschickt wurde, dass man also an die Fortdauer der Gegenwart Christi glaubte, auch wenn das heilige Opfer zu Ende war, und dass man die heilige Kommunion auch unter einer Gestalt austeilte.

 

Wie könnten wir ferner unter der Schar der heiligen Kirchenlehrer, die Zeugnis ablegten für Christi Gegenwart im heiligen Sakrament, jenes Großen vergessen, der in seinen herrlichen Homilien immer wieder zurückkommt auf dieses erhabene Geheimnis des Glaubens? Es ist der heilige Bischof von Konstantinopel, Johannes Chrysostomus, der eucharistische Lehrer des Orients. In einer Rede auf den heiligen Philogonius sagt er:

 

"Durch diesen heiligen Tisch wird uns die Krippe vorgestellt, denn auch hier ist der Leib unseres Erlösers niedergelegt."

 

Herrlich sind seine Worte, in denen er die Erhabenheit dieser himmlischen Speise schildert und tiefste Reinheit von dem Empfänger verlangt:

 

"Bedenkt, wie groß die Ehre ist, die euch widerfährt. Bedenkt, zu welchem Tisch ihr den Zutritt bekommt. Derjenige, bei dessen Anblick die Engel zittern, dessen Angesicht sie aus Furcht vor dem Glanz des von seiner Person zurückstrahlenden Lichtes nicht anschauen können, dieser selbst nährt uns mit seiner Substanz, die unsrige wird mit der seinigen vermischt, und wir werden mit ihm ein Leib und ein Fleisch. Wer kann die Wunder des Herrn erzählen? Wer kann ihn würdig loben und preisen? Welcher Hirt hat je seine Schafe mit seinem eigenen Leib genährt? Doch was rede ich von einem Hirten? Überlässt nicht selbst manche Mutter ihre Kinder fremden Ammen? Er aber duldet es nicht, dass die Seinen so behandelt werden. Er nährt sie selbst mit seinem eigenen Blut, er zieht sie ganz nah an sich."

 

Haben wir nun die Stimme eines Kirchenlehrers aus dem Orient gehört, so wollen wir nun das gleiche Zeugnis aus dem Mund einer großen Leuchte des Okzidents vernehmen. Papst Gregor, mit vollem Recht der Große genannt, lehrt ausdrücklich in seinen Homilien:

 

"Im heiligsten Sakrament ist Jesu Fleisch und Blut wirklich gegenwärtig, indem der Heilige Geist durch die Konsekration Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi verwandelt."

 

Und was Gregor mit klaren Worten lehrt, das wurde in seinem Leben durch ein auffallendes Wunder bestätigt, das sich einmal bei einer heiligen Messe zutrug, die er gerade feierte. Damals war es Sitte, dass die Gläubigen selbst die Opfergaben, Brot und Wein für die Feier des heiligen Opfers brachten. Eines Tages nun brachte eine römische Matrone dem heiligen Papst zum Opfer Brot und Wein. Als der Heilige ihr nach Vollendung der heiligen Geheimnisse die heilige Kommunion reichte mit den üblichen Worten: "Der Leib des Herrn bewahre deine Seele," lachte sie leichtfertig. Sofort zog der Heilige Vater seine Hand zurück und legte den Teil des konsekrierten Brotes, welchen er ihr gerade reichen wollte, auf den Altar. Nachdem die heilige Messe beendet war, fragte der Heilige die Frau vor dem ganzen Volk, warum sie gelacht habe. Sie antwortete: "Weil du das Brot, welches ich gebacken habe, den Leib des Herrn genannt hast." Da warf sich der heilige Papst, vom Unglauben der Frau schmerzlich berührt, mit dem ganzen Volk auf die Knie und betete. Nach einer Weile erhob er sich und siehe da, das konsekrierte Brot, welches er auf den Altar gelegt hatte, hatte jetzt die sichtbare Gestalt Jesu Christi angenommen. Da fiel die Frau auf die Knie, denn nun musste sie glauben. Das Volk aber wurde noch mehr in seinem Glauben gestärkt. Nun warf sich der Heilige wieder zum Gebet nieder und die wunderbare Partikel erhielt wieder ihre frühere Gestalt.

 

Doch genug dieser Zeugnisse aus dem Mund der heiligen Kirchenväter und Kirchenlehrer. Für das ganze christliche Altertum war die heilige Eucharistie die Sonne, die das Leben der Christen erwärmte und durchstrahlte. In den Schriften und Predigten jener Zeit strahlt diese Sonne auf. In das Düster der Katakomben leuchtet diese Sonne hinein. Die Grabkammern der heiligen Blutzeugen sind mit den tröstenden Symbolen dieses heiligen Sakramentes geschmückt. Und dieser Glaube an Christi Gegenwart im heiligen Sakrament blieb unverändert im Wandel der Jahrhunderte. Die Stimmen aller Jahrhunderte klingen einträchtig zusammen in das Credo an die heilige Eucharistie. Und Gott in seiner Liebe tut das Seine noch dazu, um diesen Glauben in den Menschenherzen zu bestärken. Nicht genug, dass er dieses heilige Sakrament vorausverkündet, dass er es zur Wirklichkeit macht in der heiligen Abendstunde des Gründonnerstags, durch alle Jahrhunderte tat er große Zeichen und Wunder an und durch die heilige Eucharistie, dass allen, die es sehen und davon hören, der Glaube an das heilige Sakrament leicht werden möge. Im Leben der Heiligen lesen wir von vielen Zeugen beglaubigte Fälle, wie sich die Gestalt des Brotes wunderbar änderte, und die liebe Gestalt Christi in der heiligen Hostie sichtbar wurde, einmal als schönes Kindlein, ein andermal blutend, mit der Dornenkrone bedeckt. Es werden Tatsachen von wunderbaren Kommunionen und natürlich nicht erklärbaren Wirkungen der heiligen Kommunion erzählt. Erwähnt sei z.B. das berühmte "Wunder von Amsterdam". Vom 22. bis 27. Juli 1924 tagte in dieser Stadt der 27. Eucharistische Weltkongress zu Ehren des heiligsten Altarsakramentes unter dem Zeichen dieses Wunders, das sich am 15. März 1345 dort abspielte. Am Abend dieses Tages hatte ein Kranker die heilige Wegzehrung empfangen. Kurz darauf bekam er Erbrechen und das Erbrochene wurde ins Herdfeuer geworfen. Als am anderen Morgen das Feuer aufgeschürt wurde, ward mitten in den Flammen die weiße heilige Hostie unversehrt gefunden. Nun wurde sie in feierlicher Prozession in die Kirche getragen. Das Wunder wurde dann im Rathaus durch eine ganze Reihe von Zeugen bestätigt und besiegelt. Seitdem ist alljährlich in Amsterdam zur Erinnerung an dieses Wunder das feierlichst begangene Mirakelfest, an dem seinerzeit z.B. mit großer Andacht Kaiser Maximilian von Österreich und Kaiser Karl V. teilnahmen.

 

Ist nicht auch der Wallfahrtsort Lourdes, der Ort der achtzehn Erscheinungen der Mutter Gottes zugleich auch ein Triumph ihres im heiligen Sakrament gegenwärtigen Sohnes? Großartige, von vielen Ärzten bezeugte Wunder, wunderbare Krankenheilungen sind dort schon in großer Zahl durch das heilige Sakrament geschehen, besonders in dem Augenblick, wo die vor der Rosenkranzkirche im Halbkreis liegenden Kranken mit dem heiligsten Sakrament gesegnet werden. Wiederholt sind da Kranke, angelangt bereits im letzten Stadium ihrer Krankheit, Sterbende, plötzlich nach dem heiligen Segen aufgesprungen mit dem Freudenruf: "Ich bin geheilt!"

 

O wie groß ist Gott in seiner Liebe! Der Unglaube hat keine Ausrede für seinen Unglauben. Mit eigenen Augen, mit den eigenen Ohren kann er sich überzeugen, dass Gottes Liebe im heiligsten Sakrament ein Mittel gefunden hat, um immer bei uns zu bleiben.

 

Wie die Frage der Muttergottes: "Wie kann denn das geschehen?" mit Leichtigkeit der Erzengel Gabriel durch den Hinweis auf Gottes Allmacht beantworten konnte, so kann auch unsere Frage: "Wie kann denn das geschehen, dass Christus in der kleinen, unscheinbaren Hostie gegenwärtig ist?" unsere heilige Religion beantworten durch den Hinweis, dass Gottes Macht und Gottes Liebe mit Leichtigkeit dieses Wunder vollzieht Tag für Tag auf unseren Altären.

 

Und wir, wir wollen Tag für Tag in jubelnder Freude einstimmen: Was die Apostel gelehrt und die Kirchenväter geglaubt, was die Blutzeugen getröstet und die Heiligen der Kirche heilig gemacht, Jesus im heiligsten Sakrament, ich glaube, ich glaube an dich!

 

Amen.