4. Mai - Aus Gottes Mund
"Wie kann denn das geschehen?" Diese Frage löste sich aus dem Mund der heiligen Jungfrau, als Gabriel, der Bote Gottes, vor ihr stand und die unfassbare Botschaft ihr brachte, dass sie die Mutter des Erlösers werden solle. Es scheint ein Ding der Unmöglichkeit zu sein, Jungfräulichkeit und Mutterschaft in einer Person zu vereinigen. Der Engel des Herrn löst alle Zweifel durch das Wort: "Bei Gott ist kein Ding unmöglich. Der Heilige Geist wird über dich kommen und die Kraft des Allerhöchsten dich überschatten." Nun zweifelt Maria nicht mehr. Ja bei Gott ist kein Ding unmöglich, Gott hat der staunenden Menschheit die wunderliebliche Gestalt der Jungfrau-Mutter vor Augen gestellt.
Und nun, liebe Marienverehrer, horchen wir auf einen anderen Engel des Herrn und seine Botschaft. Dieser Angelos, dieser Bote Gottes ist unsere heilige Kirche. Sie hat die Aufgabe, die Botschaft Gottes an die Menschheit weiterzugeben. Hören wir, was dieser Bote Gottes uns meldet: "Christliche Seele, sieh, ich verkünde dir eine große Freude. Auch mit dir ist der Herr und durch ihn wirst du gebenedeit. Der Herr ist dir ganz nahe. Tag für Tag steigt er bei geheimnisvollen Worten, die der Priester ausspricht, auf den Altar, denn dies weiße Brot, das die bebenden Priesterhände halten, ist Christi Jesu heiliger Leib geworden, derselbe Leib, der am Kreuz sich hingab für die Erlösung der Welt, und der Wein, der in goldenem Kelch perlt, ist Christi Jesu Blut geworden, dasselbe Blut, das am Holz des Kreuzes niederfloss als Lösepreis der sündigen Menschheit."
Diese Botschaft verkündigt die Kirche seit zwei Jahrtausenden, diese Botschaft predigt sie von allen Kanzeln der Welt.
Und da steht nun, liebe Marienverehrer, und so unfassbar scheint dir diese Botschaft, wie Maria die Botschaft des Engels. Auch du wirst ausrufen mit der Gottesmutter: "Wie kann denn das geschehen? Wie ist denn das möglich? Nein, das kann nicht möglich sein, dass sich die Herrlichkeit Gottes in einer weißen Hostie verbirgt, es kann nicht möglich sein, dass mit einem Brot, das Menschenhände zubereitet, das Menschenhände halten, über das eine menschliche Zunge Verwandlungsworte spricht, eine so wunderbare Verwandlung vor sich gehen kann. Wer kann das glauben?"
Der heilige Thomas von Aquin, dieser große Verehrer des heiligen Sakramentes, gibt es in einem herrlichen Hymnus an das heilige Sakrament zu, dass es schwer ist, an dieses Wunder zu glauben. Er sagt: Wenn wir die Sinne fragen, so werden uns diese täuschen. Das Gesicht sagt: Ich sehe keinen Leib Christi, ich sehe nur ein weißes Brot. Der Geschmack sagt: Ich verspüre nicht die Süßigkeit von Christi Leib, ich schmecke nur ein Brot. Der Tastsinn sagt: Ich fühle nicht die lieben Hände des Heilands, nicht seine gütigen Augen, nicht seinen barmherzigen Mund, ich fühle nur ein rundes, sprödes Brot. Die Sinne täuschen uns. Und Thomas geht weiter und sagt: Der Glaube an das heilige Sakrament ist schwieriger als der Glaube an den gekreuzigten Gott. Am Kreuz sah man keine Spur seiner Gottheit, er war daselbst der verachtetste, der letzte, der niedrigste der Menschen. Beim heiligsten Sakrament ist aber auch keine Spur seiner Menschheit zu bemerken: Ein stummes, weißes Brot, mit dem jeder verfahren kann, wie er will. Er kann auf die Knie vor ihm sinken, er kann es aber auch in den Schmutz der Straße werfen und mit Füßen treten, es wird sich nicht wehren. Und dieses Brot soll Jesus Christus sein? O wie schwer fällt es dem Menschen, daran zu glauben.
Und doch! Thomas von Aquin verweist uns nun auf die sicherste Quelle der Wahrheit: Auf Christi Wort selbst. Die Sinne täuschen uns, nur nicht das Gehör. Was wir hören aus Christi Mund, das ist wahr, das muss wahr sein.
Gesicht, Gefühl, Geschmack betrügen sich in dir,
Doch das Gehör verleiht den sichern Glauben mir.
Was Gottes Sohn gesagt, das glaub ich hier allein,
Es ist der Wahrheit Wort und was kann wahrer sein?
Alle vier Evangelisten berichten uns die Worte Jesu Christi selbst über dieses heilige Sakrament. Sie erzählen uns, wie er nach der wunderbaren Brotvermehrung, nachdem er Tausende mit einigen Broten wunderbar gespeist hatte, die Aufmerksamkeit der Menschen auf ein noch wunderbareres Brot lenkte, das er ihnen geben werde. O wie gespannt lauschen die Juden da den Worten Christi. Und der Heiland spricht mit ganz klaren, unzweideutigen Worten davon, dass sein Leib wahrhaft eine Speise ist und sein Blut wahrhaft ein Trank, er verspricht denen, die sein Fleisch essen und sein Blut trinken, das ewige Leben. Da nahmen die Juden Ärgernis an seinen Worten. Ihnen kam das so unfassbar vor, was ihnen da der Heiland erzählte, dass sie unwillig wurden und sprachen: "Hart ist diese Rede, wer kann sie hören?" Und einer nach dem anderen ging weg von ihm. Der Heiland aber hat keinen zurückgerufen, er hat keines seiner Worte zurückgenommen. Er hat nicht gesagt: "Kommt zurück, ihr habt mich nicht recht verstanden, so war es ja nicht gemeint." Doch nein, Christus lässt sie bei dem Glauben, dass sie seine Worte als von seinem Leib als einer wirklichen Speise und von seinem Blut als von einem wirklichen Trank verstanden haben. Ja, er ist bereit, auch von seinen Jüngern sich zu trennen, wenn sie an diese Worte nicht glauben wollen. Daher wendet er sich etwas traurig an sie und fragt sie:
"Wollt auch ihr mich verlassen?"
Er will gleichsam sagen: "Geht nur, wenn ihr nicht glauben wollt, dass ich euch mein Fleisch und mein Blut als Speise und Trank geben werde. Denn wenn ihr meinen Worten nicht glauben wollt, dann seid ihr meine Jünger nicht mehr." Doch da legt Petrus als erster der Apostel sein Bekenntnis des Glaubens an Christi Wort ab:
"Herr - sagt er - wohin sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens!"
Du hast Worte des ewigen Lebens! Und 1200 Jahre später legt Thomas von Aquin ein ähnliches Glaubensbekenntnis ab:
"Was Gottes Sohn gesagt, das glaub ich hier allein,
Es ist der Wahrheit Wort und was kann wahrer sein?"
Doch Christus der Herr lässt es bei keiner bloßen Ankündigung, bei einem bloßen Versprechen bewenden. Was er verspricht, das erfüllt er auch, denn er ist der getreue Gott. Und in der Nacht vor seinem bitteren Leiden und Sterben, in der Nacht, da ein Judas ihn verraten und ein Petrus ihn verleugnet hat, in der Nacht, da er den größten Undank der Menschen erfahren musste, in dieser Nacht hat er sein Versprechen wahr gemacht, da hat er uns das Sakrament seiner Liebe geschenkt. Wahrlich, so kann nur Gott handeln. Heilig war die Kammer in Nazareth, wo Gottes Bote tiefgebeugt vor der Jungfrau stand, heiliger noch ist der Saal in Jerusalem, wo sich uns die ganze große Liebe unseres Gottes offenbarte und tief sollten wir das Haupt und die Knie beugen bei den Worten, die uns Matthäus, der Evangelist, überliefert hat. Der Heiland nahm das Brot in seine Hände und sprach:
"Nehmet hin und esset! Dieses ist mein Leib!" Dann nahm er den Kelch und sprach: "Trinket alle daraus, denn dieses ist mein Blut des Neuen Testamentes, das für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden."
Kann man an diesen Worten Jesu Christi drehen und deuteln? "Das ist mein Leib, das ist mein Blut", sagt Christus, nicht: "das bedeutet nur meinen Leib, das bedeutet nur mein Blut. Das ist derselbe Leib, der hingegeben wird; morgen, am heiligen Karfreitag, seht ihr denselben Leib am Kreuz hängen, das ist dasselbe Blut, das ihr morgen, am heiligen Karfreitag, aus tausend Wunden fließen sehen werdet." Die Heilige Schrift erzählt uns nicht, dass die Apostel jetzt noch gezweifelt haben. Nein, mit welcher Ergriffenheit, mit welcher Rührung werden sie zum Heiland aufgeschaut haben. Wie werden sie auf die Knie gefallen sein, um aus den Händen des Heilandes seinen eigenen Leib, sein eigenes Blut gereicht zu bekommen in der ersten heiligen Kommunion. Mit welcher Rührung werden sie später der lauschenden Christengemeinde diese Begebenheit im Saal des heiligen Abendmahles erzählt haben. Sie sprachen wohl mit einer solchen Ergriffenheit, mit einem solchen Glauben, dass sich dieser Glaube an Christi Gegenwart im heiligen Sakrament wie mit ehernen Buchstaben eingrub in die Christenherzen. Und obwohl der Glaube an dieses Geheimnis etwas Unfassbares ist, gerade in den ersten Christengemeinden gehörte das heilige Sakrament zum unerschütterlichen Glaubensgut, an dem niemand zu rütteln wagte, sie hatten es ja aus dem Mund der Apostel selber gehört und diese es aus dem Mund des Heilandes. Ja unfassbar ist dieses Geheimnis.
Wie kann denn das geschehen?
Und doch wollen auch wir mit Maria demutsvoll und glaubensinnig unser Haupt beugen. Bei Gott ist kein Ding unmöglich.
Tantum ergo sacramentum
Veneremur cernui.
Lasst uns tiefgebeugt verehren
Ein so großes Sakrament.
Amen.