Inhalt:
1. Verborgene Wege
2. Verheißung
3. Vorbereitung auf den Tod
4. Verehrung des Allerheiligsten
5. Vereinigung mit Gott
6. Vergänglichkeit alles Irdischen
7. Vorbereitung zur hl. Kommunion
8. Verehrung der Gottesmutter
9. Vorbereitung auf einen seligen Tod
10. Verfolgung
11. Volkssprache in der Liturgie
12. Vatikan im Krieg
13. Vorsehung Gottes
14. Verleugnung des Glaubens
15. Versehgänge in der Nacht
16. Verwerfung
17. Vision von Papst Leo XIII.
18. Voltaire
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1. Verborgene Wege
Ein vornehmer amerikanischer Gesellschaftsabend. Nicht in dem gewöhnlichen Sinn des Wortes. Die hervorragendsten Frauen und Männer der Stadt hatten sich zu der Abendunterhaltung, die wissenschaftlichen Charakter trug, zusammengefunden. Auch einige kirchliche Würdenträger nahmen teil. Unter den Damen erregte eine allgemeine Aufmerksamkeit, sowohl durch ihr kritisch fachliches Urteil, wie auch durch ihre Schönheit und Anmut.
Da trat ein katholischer Bischof ein. Die Dame brach mit einer leichten Verneigung die Unterhaltung, die sie eben führte, ab, kniete vor dem Prälaten nieder und küsste in Ehrfurcht den Ring an seiner Hand. Für einen Augenblick verstummte alles und man hörte, wie die Dame sprach: „Hochwürdigster Herr Bischof, ich bitte Sie um den Segen!“ Nicht wenig erstaunt war der alte Bischof.
„Mit Freuden, mein Kind! Gestatten Sie mir auch eine Frage: Sind Sie katholisch?“
„Nein, nein, hochwürdigster Herr, aber ich wurde in einem katholischen Pensionat erzogen, und die Schwestern waren doch so fromm und so gut und lieb mit mir, dass ich manches von ihren Gebräuchen gelernt habe, die so schön waren.“
„Sind Sie denn nie tiefer in die Religion eingedrungen, die so schön und erhaben ist?“
„Doch“, erwiderte die Dame lächelnd, „aber ich schrak vor einem Punkt zurück, vor der Lehre von der Wandlung in der Messe. Meine Zweifel konnte ich in diesem Punkt nicht überwinden.“
„Aber Sie ehren doch die katholische Kirche, nicht zuletzt in ihren Dienern, wie ich sehe,“ entgegnete der Bischof.
„Ich grüße stets einen Bischof, wenn ich ihm begegne, und jeden Morgen, Mittag und Abend bete ich den „Angelus“. Das lernte ich von den Schwestern, es hat mir immer gefallen und macht mir manches im Leben leicht.“
Erstaunt blickte der Bischof, legte der Dame die Hand aufs Haupt und sprach: „Fahren Sie fort, mein Kind, beten Sie immer den „Angelus“, und die Schwierigkeiten bezüglich der heiligen Wandlung werden verschwinden.“
Die Dame verneigte sich anmutig und begab sich zur Gesellschaft zurück. Der Bischof dachte bei sich: „Wie hart ist es für Reichtum und Schönheit, für die Welt, Gott ganz ihr Herz zu schenken.“
Der Bischof betete oft für diese Protestantin. Jahre vergingen. Eine schwere Krankheit befiel die Dame. Da war die Stunde der Vorsehung gekommen. Gott lohnte ihr Gebet, den kleinen Akt der Ehrfurcht mit Seiner Gnade. Sie öffnete ihr Herz der geheimnisvollen göttlichen Stimme, sandte zu einem katholischen Priester, wurde unterrichtet und starb ruhig und friedlich im katholischen Glauben.
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Liegt etwa die Schuld an der Sonne, wenn sie das Haus jenes Menschen nicht erhellt, der alle Öffnungen desselben dicht verschlossen hält? Hat man da ein Recht, das Himmelslicht der Ohnmacht zu beschuldigen?
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2. Verheißung
Die große Verheißung
Die größte Gnade, die dem Menschen zuteilwerden kann, ist die Gnade eines guten Todes. – Dass wir alle sterben müssen, ist gewiss. Wie wir aber sterben werden, dass weiß niemand von uns.
Wie viele Menschen, die im Leben große Sünder waren, haben sich noch kurz vor ihrem Tod aufrichtig und gründlich bekehrt, und sind nun gerettet für immer; während es auch Beispiele gibt, dass Christen, die lange Jahre hindurch ein frommes und erbauliches Leben geführt haben, zuletzt auf Abwege gerieten und unbußfertig starben.
Wie der Baum fällt, so bleibt er liegen. Von dem letzten Augenblick hängt die ganze Ewigkeit ab. Ende gut, alles gut.
Nun hat der göttliche Heiland den Verehrern seines heiligsten Herzens eine wirklich tröstliche Verheißung gemacht. Man nennt sie mit Recht „die große Verheißung“. Er sprach zur seligen Margareta Maria: „Im Übermaß der Barmherzigkeit Meines Herzens verspreche Ich dir, dass Seine allvermögende Liebe die Gnade eines bußfertigen Endes allen jenen verleihen werde, welche neun Monate nacheinander am ersten Freitag kommunizieren; sie werden nicht in Seiner Ungnade und nicht ohne Empfang ihrer Sakramente sterben, indem Mein göttliches Herz in diesem letzten Augenblick ihre sichere Zufluchts-Stätte sein wird.“
Es wird also nichts Geringeres, als die Gnade eines guten Todes, die endliche Beharrlichkeit jenen versprochen, welche neun Monate nacheinander (ohne Unterbrechung) am ersten Freitag eine würdige und andächtige Sühnungs-Kommunion empfangen. Diese neun Kommunionen sollen Sühnungskommunionen sein, wie der erste Monatsfreitag überhaupt nach der Absicht des Heilandes ein Sühnetag sein soll.
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3. Vorbereitung auf den Tod
Zwischen Spanien und Marokko liegt die bekannte Meerenge von Gibraltar. Sie ist so eng, dass man einen Kanonenschuss, der auf der spanischen Küste abgefeuert wird, an der afrikanischen Küste deutlich vernimmt; ihre Enden aber laufen in zwei gewaltige Wasserbecken aus: in das Mittelmeer und in den atlantischen Ozean. Bei der Betrachtung dieser Fahrstraße schreibt schon der heidnische Reisende Plinius der Ältere voll Staunen: „Durch eine so kleine Öffnung gelangt man in so ungeheuere Fluten!“
Auch der Tod verbindet zwei unermessliche Meere miteinander, zwei endlose Ewigkeiten: den Himmel mit seiner Pracht und die Hölle mit ihrer Pein. Und er ist gleichfalls ein überaus enger und schmaler Weg, so eng, dass man, um hindurch zu kommen, all sein Besitztum, Haus und Hof, Geld und Gut, Ehre und Reichtum und sogar seinen Leib zurücklassen muss. Ja, selbst die Seele wird durch ihn arg bedrängt und mit vielerlei Schmerzen gequält.
Die leiblichen Schmerzen des Todes sind vielleicht nicht größer als andere, die man im Leben erduldet. Denn in dem Maße, als die Sinne schwinden, wird die Empfindsamkeit vermindert und betäubt: es geht wie bei einem Feuer, dessen Flammen langsam erlöschen, sobald das Holz in Asche zerfällt. Um so lebendiger sind aber die Leiden der Seele. Die körperliche Schwäche würde wohl allein schon genügen, um uns dann alle Kraft, allen Mut, alle freudige Tätigkeit zu nehmen; nun aber gesellen sich Vergangenheit und Zukunft zur Gegenwart, um uns zu foltern. In der Gegenwart fühlt die Seele angesichts der Wichtigkeit der letzten Stunde eine solche Ohnmacht, dass sie in Verzweiflung vergehen würde, wenn sie kein Vertrauen auf Gottes Barmherzigkeit hätte. Die Ewigkeit wirft ihre Schatten auf das Sterbebett wie ein Bergriese, der beim Sonnenuntergang das ganze Tal in Dunkel hüllt. Die längst begrabene Vergangenheit lebt wieder auf und zeigt dem armen Sterbenden all seine Fehler in erschreckender Gestalt. Was er früher als Kleinigkeit betrachtet hat, kommt ihm jetzt voll Bosheit vor; Gemeinheiten, über die er gelacht, drücken wie eine Zentnerlast auf sein Gewissen. Dabei erkennt er ganz klar, dass neben jeder Sünde eine Gnade lag und dass er mit dieser Gnade die Sünde nicht nur hätte vermeiden, sondern sogar durch einen Tugendakt ersetzen können. – Endlich verursacht das baldige Erscheinen des Richters jedem, auch dem Gerechtesten, eine leicht begreifliche Besorgnis. Er soll ihn empfangen im hochzeitlichen Kleid und mit brennender Lampe in der Hand, und doch hat er, ach! so viel Grund zu fürchten, das Öl der Liebe, das er gesammelt, möchte nicht ausreichen bis zu seiner Ankunft, das Hochzeitskleid möchte Flecken haben, die das reinste Auge des Allwissenden nicht ertragen könnte. Und wenn dem so wäre, was dann? Welch gefährliche Lage: oben der Himmel, unten die Hölle, zwischen beiden – in Ungewissheit über ihr Los – die menschliche Seele!
Mit dieser Beschreibung des Todes stimmt überein, was erfahrene Ärzte vom Sterben sagen. Sie glauben nachgewiesen zu haben, dass der so genannte (leibliche) Todeskampf ein Übergangszustand zwischen Leben und Tod ist und zwar ein schmerzfreier Zustand. Mit dem geistigen Todeskampf ist es eine andere Sache. Dass der innere Blick auf Vergangenes und Zukünftiges größere Klarheit gewinnt, scheint unwidersprechlich. Ob aber der eigentliche Seelenkampf leicht oder schwer wird, hängt von dem Seelenzustand des Sterbenden im ganzen ab, vom Gläubig- oder Nichtgläubigsein, von dem Gefühl der persönlichen Verantwortlichkeit, von dem Zeugnis des Gewissens. Tönt diese Stimme im Inneren rein und klar, zugleich mit einer wohlgegründeten Hoffnung auf das Leben, das auf dieses folgt, so kann der Tod ein seliger werden; und das ist gewiss etwas, worum jeder Gott bitten muss. Dies hat unsere Väter ein alter Liederdichter (Kingo) gelehrt, da er beim Anbruch der Nacht den Wächter einen Vers singen ließ, welcher also lautete:
Wenn sich die Schatten senken,
Die Sonne steigt hinab,
So lässt die Stund` uns denken
An unser düst`res Grab.
O Jesu, Licht aus Gott,
Leucht` uns bei jedem Schritt,
Geh` bis zum Grabe mit,
Gib einen sel`gen Tod!
In diesen Worten liegt auch eine ernste Aufforderung, sich auf den Tod vorzubereiten. Und in der Tat; wenn jemand ohne alle Vorbereitung eine beschwerliche Reise antreten wollte, von der noch dazu der Verlust seines ganzen Vermögens oder der Gewinn unermesslicher Reichtümer abhinge, so würde man ihn als einen verwegenen Abenteurer oder als einen Irrsinnigen betrachten. Noch weit unverantwortlicher wäre es, ohne alle Vorsorge dem verhängnisvollen Tod entgegenzugehen.
Ein gutes Mittel, sich einen seligen Tod zu sichern, ist schon die Gewohnheit, oft an den Tod zu denken. Schwer können uns derartige Gedanken jedenfalls nicht fallen, weil wir von Bildern des Todes rings umgeben sind. Jeder Tag hat seinen Abend: der Abend ist sein Todeskampf, die Nacht sein Tod. Jedes Jahr hat wie seine Jugend: den Frühling, so auch sein Greisenalter: den Herbst, und seinen Tod: den Winter. Jeder Baum, der seine Blätter verliert, jeder Strauch, der kahl dasteht, jede Blume, die verblüht, ruft uns zu: „Gedenke, o Mensch, dass du sterben musst!“ Das Murmeln des Baches, das Rauschen des Stromes erinnert uns ans Sterben; denn langsamer oder schneller fließt seine Welle dahin, bis sie ihr Grab im Meer findet. Die schönsten Häuser werden altersgrau, die festesten Türme kommen dem Einsturz nahe; das sagt uns: „Wenn der Tod es selbst den Steinen antut, um wie viel rascher wird er mit dem gebrechlichen Menschen fertig werden!“ Worin bestehen unsere Speisen als in totem Fleisch und in toten Früchten? Das Brot, das wir essen, wurde aus zerriebenen Körnern gebacken; der Wein, den wir trinken, ist aus abgeschnittenen Trauben gekeltert.
Freilich wollen viele diese Todesmahnungen nicht verstehen; ja, sie fliehen den Gedanken an den Tod und halten es fast für eine Verletzung des Anstandes, wenn man in einer Gesellschaft nur das Wort „Tod“ ausspricht. Klug ist das nicht; denn niemand kann dem Tod dadurch entrinnen, dass er seine Nähe scheut. Viel klüger wäre es, seinen Lehren ein offenes Ohr zu leihen. Er belehrt uns über die Hinfälligkeit alles Irdischen, über die Vergänglichkeit der menschlichen Größe, über die Eitelkeit ängstlicher Sorge für das Zeitliche. Er löst unser Herz los von den Geschöpfen, weil sie uns schließlich doch nur bis zum Grabesrand begleiten. Er macht uns in unseren eigenen Augen klein, indem er uns unsere Armseligkeit zum Bewusstsein bringt. Darum heißt es auf dem großen Kreuz in der Mitte des Friedhofes zu Ober-St. Veit in Wien ganz richtig: „Gehe zu den Gräbern der Toten; sie sind Lehrstühle tiefer Wissenschaft und eine Schule der Demut!“
Weil wir aber aus uns selbst im Leben und im Sterben so arm und schwach sind, müssen wir uns um so inniger an Gott anschließen und ihn recht oft um die nötigen Gnaden zu einem guten Tod bitten. Die Kirche leitet uns täglich dazu an im englischen Gruß und in vielen ihrer anderen Gebete. Was sind das aber für Gnaden? Vor allem die Gnade der Beharrlichkeit, d.h. dass wir im Guten ausharren bis zum Tod und bereit befunden werden, wann der Herr kommt; sodann, dass wir nicht sterben ohne die heiligen Sakramente, nicht ohne den Segen und die Ablässe der Kirche. Wir können ferner beten um vollkommene Reue, vollkommene Liebe, gänzliche Ergebung in Gottes heiligen Willen und, wenn es dem Herrn so gefällt, um den Gebrauch der Vernunft bis zum Ende. Durch möglichst gute Benützung der letzten Augenblicke kann man ja vieles wieder gut machen, was man im Leben gefehlt hat. Der reuige Schächer hat sich noch am Kreuz so zu Gott gewendet, dass der Heiland selbst ihm verhieß: „Heute noch wirst du bei mir im Paradies sein!“ Was die Zeit, den Ort und die Umstände des Todes angeht, so wollen wir das Gott überlassen. Wir wissen nicht, was in dieser Hinsicht für uns das Beste ist, und vielleicht wäre gerade das Gegenteil von dem, was wir wählen würden, zu unserem Heil.
Manche fromme Personen haben die nicht genug zu lobende Gepflogenheit, jeden Monat einen Tag der besonderen Vorbereitung auf den Tod zu widmen. Sie empfangen dann die hl. Sakramente, machen eine geistliche Lesung und verrichten einige bestimmte Gebete. In Kirchbichl in Tirol starb am 17. Januar 1905 Pfarrer Josef Konrad plötzlich und unerwartet. Gegen 15.30 Uhr nachmittags hatte er sich wie gewöhnlich in die Kirche begeben, um dort seine Anbetungsstunde zu halten. Jedoch kaum hatte er dieselbe begonnen, als er, von einem Schlaganfall getroffen, tot zusammenbrach. Ein in der Kirche anwesender Mann eilte herbei und fand das entseelte Haupt seines Pfarrers auf das Betrachtungsbuch gelehnt, in welchem gerade jene Seite aufgeschlagen war, wo die „Vorbereitung auf einen guten Tod“ stand. Wie wird der edle Priester im Jenseits alle Stunden gesegnet haben, die er auf dieses wichtige Geschäft verwendet hatte! – Man könnte für eine solche Monatsandacht füglich das unten stehende geistliche Testament des hl. Karl Borromäus benützen.
Mehr als die übrigen haben wohl jene ein Anrecht auf Gottes Barmherzigkeit beim Sterben, die nicht nur für sich selbst beten, sondern auch für die anderen Sterbenden und die sich überhaupt nach ihren Kräften und Verhältnissen der Sterbenden annehmen. Denn wie man mit dem bestraft wird, worin man gesündigt hat, so wird man auch in dem belohnt, worin man Gutes getan hat. An vielen Orten besteht eine vom Heiligen Stuhl mit zahlreichen Ablässen versehene Bruderschaft unter dem Titel des Todesangst leidenden Herzens Jesu und des mitleidsvollen Herzens Mariä. Sie ist von Papst Pius IX. in Jerusalem errichtet worden und hat zum Zweck, die inneren Leiden, welche das göttliche Herz Jesu, namentlich am Ölberg, erduldete, wie auch die Schmerzen der Muttergottes zu verehren und dadurch den Sterbenden einen guten Tod zu erflehen.
Das Hauptmittel eines seligen Todes ist ein gutes, christliches Leben. Denn es bleibt ewig wahr, was das Sprichwort sagt: „Wie gelebt so gestorben.“ „Der stirbt nicht leicht gut,“ sagt der hl. Augustin, „der schlecht gelebt hat, und wer gut gelebt hat, kann nicht schlecht sterben.“ Der Grund ist einleuchtend. Was könnte den beunruhigen, der sein Leben lang Gott treu gedient und die Sünde gemieden hat? Als der hl. Martin, Bischof von Tours, am Sterben lag und vom bösen Feind in Gestalt eines hässlichen Ungetüms versucht wurde, antwortete er ihm: „Was stehst du da, du grausames Ungeheuer? Du wirst nicht Unrechtes an mir finden.“ Umgekehrt strahlen alle im Leben vollbrachten guten Werke wie ebenso viele freundliche Abendsterne durch die Nacht des Todes hindurch. Alle Verdienste, die man sich erworben hat, umsäumen das Sterbelager mit Freude und Trost und versüßen die Bitterkeit des Scheidens von dieser Welt mit dem Vorgeschmack der himmlischen Seligkeit. Dazu kommt, dass der eifrige Christ im Kampf geübt ist. Wie einst David vor dem Zweikampf mit Goliath auf seine früheren Heldentaten hinweisen konnte: er fürchte sich nicht vor dem Riesen, weil er schon im Haus seines Vaters Löwen und Bären erschlagen habe, so kann er die Anfechtungen des Teufels getrost erwarten. Und wie David Goliath mit einigen Steinchen erlegte, so kann er mit einigen kleinen Gebetchen, die ihm geläufig sind, die ganze Hölle besiegen. „Tun wir also,“ mahnt mit Recht ein Geisteslehrer, „alles so, wie wir beim Sterben wünschen werden, es getan zu haben. Wenn unser Angesicht in einen Sonnenuntergang blickt, so sieht es golden aus; so auch unser Leben, wenn es stets dem kommenden Tod ins Angesicht schaut.“
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4. Verehrung des Allerheiligsten
Wie der heilige Klemens Maria Hofbauer innig das Sakrament des Altares verehrte
In Warschau, der alten Hauptstadt Polens, stand die freundliche Kirche St. Benno. Hier begann Pater Klemens Maria Hofbauer 1787 das seelsorgliche Wirken. In der kleinen, feuchten Wohnung neben der Kirche litt er anfangs mit seinen Mitbrüdern bittere Not, kein Stücklein Brot war übrig. „Klopft an, und es wird euch aufgetan!“ Eingedenk dieses göttlichen Wortes stieg er in der Kirche die Stufen des Hochaltars hinauf und klopfte vertraulich an die Tabernakeltür: „Herr, hilf uns! Jetzt ist`s Zeit.“ Sogleich rührte der Heiland das Herz eines wohlhabenden Bürgers, den armen „Bennoniten“ reichliches Almosen zu spenden.
Wieder eilte Pater Hofbauer vertrauensvoll zum Tabernakel, als die Russen mit Feuer und Schwert die Vorstadt Praga grausam verheerten. Die Schreckensnacht vom 4. Zum 5. November 1794! Grell glühen und sprühen die roten Flammen zum Himmel, schaurig fliegen Kanonenkugeln sogar ins Heiligtum St. Benno, so sie fallen ohne Schaden anzurichten am Fuß des Altares nieder. Dort kniet Pater Hofbauer die ganze Nacht und fleht inständig für die tausend und tausend Verwundeten um gnädiges Gericht, für die Hauptstadt selbst um Rettung. Wirklich gebietet morgens der feindliche Feldherr dem wilden Sengen und Morden entschieden Einhalt.
Die Königsherrlichkeit Polens hatte nun aufgehört. Da wollte Pater Hofbauer dem unglücklichen Volk linden, milden Trost bieten, es hinführen zum himmlischen König, der freundlich, voll Liebe des Herzens, die Bedrängten und Betrübten einlädt: „Kommet alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.“ Zu St. Benno herrschte fortan immer Festtag. Vom frühen Morgen bis zum späten Abend erglänzte der Gnadenthron des allerheiligsten Sakraments im reichsten Lichterglanz. Durch eifrige Predigten der „Bennoniten“ ermuntert und ermutigt, kamen die Gläubigen zahlreich zum Tisch des Herrn. Im Jahr 1796 sah die Kirche St. Benno schon über 48.000, im Jahr 1807 sogar über 100.000 Kommunikanten. Welche Freude für das apostolische Herz des Pater Hofbauer!
Wie feierlich wurde erst das Fronleichnamsfest zu St. Benno begangen! Gleich einem Frühlingsgarten prangte und duftete die Kirche, reichlich mit farbenprächtigen Blumen geziert. Den Triumph des himmlischen Friedensfürsten eröffneten die religiösen Vereine mit siegreich wehenden Fahnen und die weißgekleideten jungen Frauen mit Wachskerzen in der Hand. Vor dem goldreichen Baldachin her streuten Ministranten bunte Blüten auf den Weg; zwölf Kleriker schwenkten silberne Weihrauchfässer voll Ehrfurcht vor dem Allerheiligsten.
Im Jahr 1808 wollte Pater Hofbauer wieder freudig die Feier der Fronleichnamsprozession vorbereiten, aber ach, wenige Tage vorher gelang den Freimaurern in Warschau der schwarze Plan, das Kloster aufzuheben. Herzzerreißend erscholl das Weinen und Wehklagen des Volkes, als am 17. Juni die Kirche St. Benno von Soldaten umstellt und gesperrt wurde. Wohin sollte nun Pater Hofbauer sich wenden? Die gütige Vorsehung führte ihn zurück ins Vaterland Österreich.
In der Kaiserstadt Wien schien damals das kirchliche Leben fast verwelkt, vom unseligen „Josefinismus“ erdrückt und erstickt. Da kam Pater Hofbauer gerade recht als Apostel. Er konnte aber anfangs – in der Minoritenkirche – nur das Apostolat des Gebetes üben. Wie viele Stunden blieb er betend im stillen Glanz des ewigen Lichtes. Am 31. Mai 1813 begann er sein neues Amt als Rektor der Ursulinen-Kirche und erfüllte sogleich das Psalmwort: „Herr, ich liebe die Zierde deines Hauses.“ Bald erglänzten im Heiligtum neue Bilder, lieblich zur Andacht stimmend, und neue Paramente, den Gottesdienst mit würdiger Pracht zu feiern. Ja, der neue Rektor fand oft seine Freude darin, selbst den Hochaltar mit Blumen und Lichtern zu zieren und dabei den göttlichen Heiland immer von neuem vertraulich zu grüßen: „O guter Jesus, o höchstes und liebenswürdigstes Gut!“
Früher war allein für die Klosterfrauen hier Gottesdienst, jetzt kamen immer mehr und mehr Gläubige in diese Kirche, wo so feierlich Sonntag und Festtag gehalten wurde. Wie strahlte das Heiligtum erst am Fronleichnamsfest in reichster Zierde Die ganze Oktav hindurch dauerte die Festfreude. Wieder voll heiligen Herzensjubels beging Pater Hofbauer die Gnadenzeit des vierzigstündigen Gebetes, da hielt manchmal sogar der päpstliche Nuntius das Hochamt. Aber auch an gewöhnlichen Tagen war die Kirche St. Ursula wahrhaft ein Magnet, mächtig alt und jung, hoch und nieder, reich und arm anzuziehen. Viele Studenten, ja vornehme Männer schätzten sich glücklich, am Altar zu dienen. Und wie glücklich war Pater Hofbauer, recht vielen den Himmelssegen des heiligen Opfers zu vermitteln, recht vielen das lebendige Himmelsbrot zu spenden! Sein Gebet und Beispiel wirkte zwar still, aber doch kräftig, so dass allmählich auch in anderen Kirchen Wiens mehr Andacht und Ehrfurcht vor dem Geheimnis des Glaubens erblühte. Ein Frühling des kirchlichen Lebens war in Österreichs Hauptstadt angebahnt, als im Frühling des Jahres 1820 Pater Hofbauer mit rührender Andacht die heilige Wegzehrung empfing, denselben Heiland bald im Licht der Herrlichkeit zu schauen, wie sein Sehnen und Sinnen so oft in seinem Lieblingslied erklungen:
„Nun, o Himmel, hör – mein Flehen,
Öffne dich und lass mich sehen
Bis dorthin an Gottes Thron;
Bis dorthin will ich mich schwingen,
Meine Bitte vorzubringen
Bei dem wahren Gottessohn.
Dir allein will sie anhangen,
Ewig will sie dich umfangen
Dort im Reich der Seligkeit;
Sie will sich zu dir erschwingen,
Mit den Engeln Lob zu singen
Durch die ganze Ewigkeit.“
Die herrliche Kirche Maria Stiegen (Maria am Gestade), wo der heilige Petrus Canisius als Apostel Wiens zur Reformationszeit segensreich gepredigt hatte, birgt die Reliquien des neuen Apostels, des Pater Klemens Maria Hofbauer.
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5. Vereinigung mit Gott
Das höchste Ziel und das reinste Glück des Menschen ist die Vereinigung mit Gott. Betrachtet unser Verstand seine Macht und Herrlichkeit, bewahrt unser Gedächtnis das Andenken an seine unaussprechlichen Wohltaten, erfüllt unser Wille vollkommen den göttlichen, dann wird unser Denken und Handeln in Gott geheiligt, hoch erhoben und veredelt. In der Vereinigung mit Gott werden die Berufsarbeiten gesegnet, die Mühen und Leiden verdienstlich, alle Unternehmungen und Absichten geheiligt. Welch ein Ruhm für den Menschen, beständig mit Gott vereinigt zu sein. Welche Wunder und Gnaden muss diese göttliche Vereinigung in uns hervorbringen. Wie kann aber ein schwaches, unvollkommenes Geschöpf sich zu einer so hohen Ehre emporschwingen? Dies ist in der Tat ein Wunder der göttlichen Gnade. Der Mensch ist zu sehr gesunken, als dass er sich zu Gott erheben könnte. Um diese unermessliche Kluft zu überbrücken, tritt der Gottmensch Jesus Christus als Mittler zwischen beide und vereinigt sie in seiner geheiligten Person, dass sie nur mehr ein Wesen ausmachen. „Aus beiden hat er eins gemacht“ (Eph 2). „Alles ist euer, ihr aber seid Christi, Christus aber Gottes“ (1 Kor 3,22). Alle Geschöpfe der Erde gehören nicht sich selbst, sondern uns an, für die sie geschaffen sind. Wir gehören nicht uns, sondern Christus an, der unser Haupt ist. Jesus Christus ist mit Gott vereinigt, der das Ziel von allem ist, er erhebt alles mit sich zu Gott, so dass alles in Gott ist, dass Gott in allem lebt und regiert, dass er der Urgrund, der Mittelpunkt und das einzige Ziel von allem ist. Nach dieser hohen Ehre sollten wir trachten, aber wenige Seelen gelangen zu so hoher Vollkommenheit; denn wenige Seelen sind treu, mutig und standhaft genug, um sich selbst zu verleugnen und sich von sich selbst und allem Irdischen loszuschälen und sich ungeteilt an Gott hinzugeben. Aber es hat solche Seelen gegeben, es gibt solche noch heute und wird solche geben bis ans Ende der Zeiten. Eine solche Seele war David, der in seinen Psalmen das Glück pries, Gott anzugehören: „Es ist mir gut, Gott anzuhangen“ (Psalm 72). Eine solche Seele war Paulus, der begeistert ausruft: „Ich lebe, doch nicht ich, sondern Christus lebt in mir“ (Gal 2). Eine solche Seele war die Braut im Hohenlied, die ausjubelte: „Mein Geliebter ist mein und ich bin sein“. In diesem Zustand der Vereinigung liebt man Gott mit wahrhaft reiner Liebe. Aber wie es unmöglich ist, ohne die besondere Gnade Gottes zu solcher Stufe zu gelangen, so ist es auch nicht möglich, ohne die treueste und standhafteste Mitwirkung mit der Gnade sich auf ihr zu erhalten. Schreiten wir darum an der Hand Gottes immer weiter auf dem Weg der Vollkommenheit, bis unsere Hoffnung in Besitz übergeht und wir Gott schauen von Angesicht zu Angesicht. Amen.
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6. Vergänglichkeit alles Irdischen
Eingedenk des göttlichen Wortes: „Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber Schaden leidet an seiner Seele?“ verzichteten viele Heilige auf fast alles und brachten ihr Leben z.B. als arme Einsiedler in Entbehrungen, Abtötungen und frommen Übungen zu. In Anbetracht der Tatsache, dass alles Irdische keinen Bestand hat, erstrebten sie die himmlischen Güter, die alle menschlichen Begriffe übersteigen, und gewannen sie durch ein heiliges Leben und oft sogar durch den Martertod um Christi willen. Auch uns spornt zum Streben nach himmlischen Gütern nichts so sehr an, als die Betrachtung der Vergänglichkeit alles Irdischen.
1. In diesem Leben auf dieser Welt hat nichts Bestand. Die Zeiten gehen vorüber wie ein Schatten. Unaufhaltsam rollt das große Rad der Zeit und der Zeiger am Zifferblatt der Zeit geht immerfort vorwärts. Schau in dein eigenes Leben zurück. Seitdem deine Mutter dich zum ersten Mal ans Herz gedrückt hat, sind die Jahre deiner Kindheit verflossen, deine Jugendzeit floh dahin wie ein Sonnenblick. Wie die Wellen im Bach, der munter über die Kiesel hinweghüpft, gingen deine Tage vorüber, um nimmermehr wiederzukehren. – Auch die Güter der Erde haben keinen Bestand. Man sammelt sich begierig Schätze, man müht sich ab von der Morgenfrühe bis in die späte Nacht, um das Vermögen zu vergrößern, man baut Häuser und vermehrt seinen Grundbesitz, ohne zu wissen, wem alle seine Güter vielleicht schon in kurzem anheimfallen. Wie oft hört man von Leuten, die vor wenigen Jahren reich und angesehen waren und jetzt mit Armut und Hunger kämpfen. Wurde doch noch in diesen Tagen von einem ehemaligen Millionär berichtet, dass er sein ganzes Vermögen eingebüßt habe bis auf einige Euro, für die er sich einen Strick kaufte, um sich damit zu erhängen. – Selbst der Mensch ist der Vergänglichkeit unterworfen. „Alles Fleisch veraltet wie Heu und wie ein frisches Blatt am grünen Baum. Einige kommen hervor, andere fallen ab. So ist das Geschlecht von Fleisch und Blut. Einige sterben, andere werden geboren.“ (Sir 14.18.19) Wir haben hienieden keine bleibende Stätte. Wer könnte dies leugnen? Was ist aus den Menschen geworden, die vor etwa 50 oder 100 Jahren auf den Straßen liefen? Sie sind den Weg alles Fleisches gegangen. Täglich fordert der Tod seine Beute aus der Mitte der Lebenden. „Was geboren ist auf Erden, muss zu Staub und Asche werden.“
2. So sehr uns die Vergänglichkeit alles Irdischen einleuchten muss, so wenig überdenken wir sie. Wir lieben das Vergängliche zumeist mit übermäßiger Liebe. Wir dürfen uns der irdischen Dinge freuen und sie mit Dank gegenüber Gott genießen, aber nur zu oft hängt man am Irdischen mit maßloser Liebe. In übergroßer Sorge um das Irdische schafft man im Schweiße seines Angesichtes von der Morgenröte bis zum Abenddunkel, um einen Gewinn zu erhaschen. Misslingt das Geschäft, erleidet man eine Einbuße, dann nimmt der Jammer kein Ende. Gar häufig artet die Liebe zum Irdischen in Verbrechen aus. Denkt an den Geizhals, dem sein Geldsack zum Götzen wird, dem er sein ganzes Sinnen und Trachten hingibt. Denkt an den Unzüchtigen, der die unordentlich geliebte Person anbetet und höher achtet, als Gott und den Himmel. Ist das nicht eine sündige Liebe? – Wir beachten so wenig das Unvergängliche, obgleich der Apostel so dringend mahnt: „Was droben ist, habet im Sinn, nicht, was auf Erden ist!“ Wie wenig kümmert man sich um Gottesdienst und Gebet. Wie gleichgültig zeigt man sich im Empfang der Sakramente und in der Anhörung des göttlichen Wortes. Wie wenig strebt man nach Tugend und Vollkommenheit. Handelst du nicht selber so? Vergiss nicht das Wort des göttlichen Heilandes: „Ich sage euch: Macht euch Freunde mit Hilfe des ungerechten Mammons, damit ihr in die ewigen Wohnungen aufgenommen werdet, wenn es mit euch zu Ende geht“ (Lk 16,9).
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7. Vorbereitung zur hl. Kommunion
Mit Fasten und Nachtwachen, mit Gebet und Betrachtung bereiteten sich die Heiligen auf die heilige Kommunion vor und empfingen zum Dank vom Herrn zahllose Erleuchtungen und Gnaden. Wie kommt es, dass wir aus den häufigen Kommunionen nicht dieselben segensreichen Wirkungen erfahren? Es kommt daher, weil wir nicht mit der erforderlichen Vorbereitung uns zum Tisch des Herrn begeben. Wollen wir die Wunder der göttlichen Gnade an uns selber erfahren, dann müssen wir uns auf die heilige Kommunion vorbereiten
1. mit wahrer Ehrfurcht,
2. mit kindlichem Vertrauen.
1. Um die Ehrfurcht zum allerheiligsten Sakrament in uns zu erwecken, brauchen wir nur einen Blick zu werfen auf die Größe des Herrn, der bei uns einkehren will, und auf unser Nichts. Der bei uns einkehren will, hat seinesgleichen weder auf Erden noch im Himmel. Wollte er einen Strahl seines Lichtes auf uns werfen, wir würden, gleich Saulus, wie vom Blitz getroffen, zur Erde fallen. Der Täufer Johannes hielt sich nicht würdig, ihm die Schuhriemen aufzulösen. Er ist „Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott“. „Vor ihm beugen sich alle Knie derer, die im Himmel, auf der Erde und unter der Erde sind.“ – Was sind wir dagegen? Armselige Geschöpfe, dem Leib nach eine Handvoll Staub. Wir müssen mit Hiob bekennen: „Zu dem Moder habe ich gesagt, du bist mein Vater, zu den Würmern, ihr seid meine Schwester und meine Mutter.“ Was sind wir gegen das Weltall? Und dies ist nur ein Hauch seines Mundes. Unsere Seele ist zwar vortrefflicher, weil sie Gottes Ebenbild ist, aber wie oft verunstalten wir dieses Ebenbild des Allheiligen durch Sünden und Laster? Haben wir darum nicht allen Grund zur Verdemütigung? Und hielten wir unsere Seele frei von schweren Sünden, so verdanken wir dies mehr der Gnade des barmherzigen Gottes, als unserer eigenen Kraft. – Wieviel Grund haben wir darum, uns sorgfältig vorzubereiten, ehe wir vor das allerheiligste Angesicht Gottes treten. Esther warf sich vor dem Angesicht ihres königlichen Gemahls Assuerus auf die Erde und erwartete zitternd den Wink mit dem goldenen Zepter, bevor sie es wagte, vor sein Angesicht zu treten. Mit welcher Ehrfurcht sollten wir vor dem König des Himmels und der Erde erscheinen! Aber wie viele putzen den Leib und lassen ihre Seele im Schmutz der Sünde. Ach, welch eine Beschimpfung des Gottes der ewigen Liebe! Als die Bethsamiten die Arche des Bundes vorwitzig anschauten, rächte der Herr ihre Haltung, indem er 70 ihrer Vornehmsten und 50.000 vom Volk mit jähem Tod strafte. Welche Strafe haben diejenigen zu erwarten, die unwürdig am Mahl der Liebe teilnehmen. Bereitet euch deshalb würdig auf die heilige Kommunion vor. Sagt euch euer Gewissen, dass euer Herz noch geteilt ist zwischen Gott und der Welt, dann bleibt zurück, damit ihr nicht mit dem Leib und Blut Jesu Christi das Gericht hineinesst und trinkt.
2. Bereitet euch zur heiligen Kommunion vor mit kindlichem Vertrauen. Selbst die Engel sind nicht rein vor seinem Angesicht und die Himmel der Himmel fassen ihn nicht, wie könnten wir ihm den gebührenden Zins der Anbetung, Liebe und Ehrfurcht darbringen? Aber er ist der Gott der ewigen Liebe, der gern mit den Sündern verkehrte, alle Reuigen gütig aufnahm und auch uns zuruft: „Kommt zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken!“ Er droht uns sogar und warnt uns vor Strafen, wenn wir uns weigern, seiner Stimme zu folgen: „Wahrlich, ich sage euch, wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht essen und sein Blut nicht trinken werdet, so werdet ihr das Leben nicht in euch haben.“ Haben wir also unser Gewissen gereinigt und feste Vorsätze für die Zukunft gefasst, dann dürfen wir uns mit froher Zuversicht dem Tisch des Herrn nahen. Warum zittert ihr denn, furchtsame Seelen? Verdrängt die unbegründete Angst durch ein kindliches Vertrauen. Eine Scheu, die euch hindert, zum Brunnen des lebendigen Wassers hinzugehen, kommt nicht von Gott, sondern vom Satan. Lasst jene sich fürchten, die ihre Sünden noch nicht gebeichtet, ihren Hass und Groll nicht aufgegeben, das ungerechte Gut noch nicht zurückerstattet, das Ärgernis noch nicht beseitigt, die bösen Gewohnheiten noch nicht abgelegt haben. Diesen rufen wir zu: „Geht nicht zum Tisch des Herrn. Es ist nicht erlaubt. Ihr Gereinigten und Geheiligten aber, seid getrost. Für euch wird die heilige Kommunion eine Quelle des ewigen Lebens.“ Amen.
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8. Verehrung der Gottesmutter
Verehrung der allerseligsten Jungfrau Maria
Ein schönes Bild der Verehrung unserer himmlischen Mutter und ihres Jesuskindes tritt uns in vielen heiligen Frauen und Männern entgegen. Viel Zeit brachten sie vor dem Bild der Gottesmutter zu und mit den schönsten Blumen schmückten sie es. Darum erfreuten sie sich auch des vertrautesten Umgangs mit der Mutter voll der Gnade und empfingen von ihr außerordentliche Gnadenerweise. Folgen wir den Heiligen in der kindlichen Einfalt und der herzlichen Verehrung der allerseligsten Jungfrau Maria, so werden auch wir vieler Gnaden gewürdigt werden.
1. Maria ist die erste Empfängerin der Erlösungsgnaden. Kein Mensch ist so hoher Vorzüge und Gnaden teilhaftig geworden, keiner zu so besonderen Ehren bestimmt worden, wie die allerseligste Jungfrau. Schon vor ihrer Empfängnis war sie vom himmlischen Vater auserkoren, die Mutter seines eingeborenen Sohnes zu werden. Sie sollte die zweite Eva einer erlösten Menschheit werden und die Schuld der ersten Eva sühnen. Darum musste sie von der Erbschuld wie von aller persönlichen Sünde frei sein; und diesen Vorzug der unbefleckten Empfängnis hat sie vor allen anderen Frauen durch Gottes Gnade erhalten. Verdient die vielgeliebte Tochter des himmlischen Vaters, die auserwählte Braut des Heiligen Geistes, die reinste Mutter des eingeborenen Gottessohnes nicht die freudigste Verehrung? – Eine unendliche Gnade erhielt Maria in der Geburt des Erlösers. Wie freut sich eine Mutter, wenn sie ihr neugeborenes Kind an ihr Herz drücken kann, obgleich ihr Kind noch mit der Erbsünde behaftet ist. Unendlich größer war die Freude der Muttergottes, denn sie hatte den Erlöser der Welt geboren. Der arme Stall zu Bethlehem war ihr der glänzendste Tempel, die Krippe ihr Altar, das Kindlein ihr Herr und Gott. Sie war die erste Anbeterin, die erste Jüngerin ihres göttlichen Sohnes. Sie hatte durch den das göttliche Leben gefunden, dem sie selber das Leben gab. O welcher Sterbliche könnte ihre Freude gebührend beschreiben? – Maria allein genoss das Glück, von der Geburt bis zum Erlösungstod und zur Himmelfahrt ihres göttlichen Sohnes dessen nächste und unzertrennliche Zeugin und Gefährtin stets gewesen zu sein. Unter ihren Augen wuchs das Kind Jesus heran wie an Alter, so an Weisheit und Liebenswürdigkeit vor Gott und den Menschen. Auf ihre Fürbitte wirkte er sein erstes Wunder, sie stand unter dem Kreuz ihres Sohnes, nahm seinen Leichnam auf ihren Schoß, besorgte sein Begräbnis, sah seine Himmelfahrt und löste sich ganz in Sehnsucht zu ihm auf, bis sie in den Himmel aufgenommen wurde, um fortan zur Rechten ihres göttlichen Sohnes über alle Engel und Heiligen zu herrschen. Mit Recht nennen wir darum Maria die erste und nächste Empfängerin der Erlösungsgnaden ihres göttlichen Sohnes.
2. Maria ist die liebevollste Ausspenderin der Erlösungsgnaden ihres göttlichen Sohnes. Wie ihr Sohn sein Blut und Leben für die Sünden der Welt opferte, so will sie in ihrer übergroßen Liebe allen Verirrten den Weg zur Rückkehr bahnen. Wer könnte alle die auffallenden Bekehrungen aufzählen, die durch die gütige Fürbitte der Zuflucht der Sünder bewirkt worden sind? Wie viele Gewohnheitssünder sind durch ein tägliches Ave Maria, durch das Gebet des heiligen Bernhard: „Gedenke, o gütigste Jungfrau“ oder durch das Rosenkranzgebet mit Abscheu vor der Sünde erfüllt! Wie viele Seelen hat ihre mütterliche Fürsorge den Klauen des Teufels entrissen! Der seraphische Bonaventura versichert: „So wie jeder, o seligste Jungfrau, der sich von dir abwendet und dich verachtet, notwendig zugrunde geht, ebenso ist es auch unmöglich, dass der, der sich an dich wendet und von dir aufgenommen wird, zugrunde gehe.“ Einst wollte der heilige Dominikus aus einem Besessenen die Teufel austreiben und fragte sie unter anderem, welchen Heiligen sie oben im Himmel am meisten fürchteten, und wer über sie auf Erden die meiste Macht besäße? Sie ließen sich kräftig beschwören, denn die Hartnäckigen wollten nicht antworten. Endlich, durch Beschwörungen gezwungen, erwiderten sie also: „Die Mutter Christi fürchten wir mehr, als alle anderen Heiligen, sie besitzt alle Gewalt über uns, sie verdient auch von allen Menschen über alle Heilige hochgeehrt zu werden, weil eine einzige Bitte von ihr, ein einziger Seufzer, den sie Gott darbringt, mehr Wert hat, als alle Bitten und Seufzer der Heiligen zusammen gelten, und wir bekennen zu unserem Verdruss, dass kein Ding gegen ihre treuen Diener und wahren Verehrerinnen etwas vermag, und dass keiner, der fortwährend in ihrer Verehrung ausharrt, jemals dahin kommen wird, mit uns in der Hölle zu leiden.“ Welch schöner Trost für die treuen, beharrlichen Verehrer Mariens!
O selig der Mensch, der, wie so mancher Heilige, im Geist der Kirche Maria stets auf das innigste verehrt, ihre Tugenden nachahmt und in allen Nöten und Gefahren in ihrem heiligsten Herzen seine Zufluchtsstätte sucht! Beten wir täglich den Engelsgruß und das eine oder andere Gebet, besonders den heiligen Rosenkranz, zu unserer Mutter und Königin Maria und auch wir werden ihre Macht, ihre Liebe und treue Fürsorge an uns erfahren, besonders in der Stunde unseres Todes. Amen.
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9. Vorbereitung auf einen seligen Tod
Das ganze Leben vieler Heiligen war eine fortwährende Vorbereitung auf einen seligen Tod. Wie gut wäre es, wenn auch wir lernten, uns würdig auf den Tod vorzubereiten.
1. Die Vorbereitung auf den Tod ist sehr wichtig, denn der Tod entscheidet über ein unendliches Glück oder Unglück. Stirbt man gut, dann geht die Seele einer Wonne entgegen, die alle menschlichen Begriffe weit übersteigt. Stirbt man schlecht, dann erwartet die Seele die entsetzlichste Qual in der Hölle, wo der Wurm nicht stirbt und das Feuer nicht erlischt, wo Heulen und Zähneknirschen sein wird. Ist das Urteil der Verdammung gesprochen, dann gibt es keine Appellation mehr. Hier auf Erden kann ein Verlust ersetzt, ein Schaden wieder gut gemacht werden. Ist aber das Todeslos unglücklich gefallen, dann lässt sich nichts mehr ändern. Der verlorene Himmel kann nicht mehr errungen, die brennende Hölle kann nicht mehr gelöscht werden.
2. Die Vorbereitung zum Tod ist sehr dringend, denn niemand ist vor dem Tod sicher, wir alle sind seit unserer Geburt Todeskandidaten. Er wirft seine Netze aus in der Stadt wie auf dem Land, auf dem Meer wie auf dem Festland, auf den Bergen wie in den Tälern, in der Einsamkeit der Wüste wie in der volkreichen Residenz. Er schont das kleine Kind, die blühende junge Frau ebenso wenig, wie den starken Mann und lebensmüden Greis. Wie der Sturmwind mächtige Bäume zu Boden wirft, so beugt der Tod die stärkste Menschenkraft, und mit einem Schlag seiner Knochenhand schleudert er den Riesen nieder. Magst du noch so hoch in der Welt gestellt sein, der Tod achtet nicht darauf. Er zerbricht das Zepter des Königs, wie den Hirtenstab des Bischofs, er pflückt die stolze Rose wie das bescheidene Veilchen. Keinen Tag sind wir sicher vor dem Erscheinen des Todes. „Rühme dich des morgigen Tages nicht!“ Vielleicht „noch in dieser Nacht wird man deine Seele von dir fordern“. Wie oft hört man von plötzlichen Unglücksfällen. Der eine ertrinkt im Wasser, der andere wird überfahren, der stirbt an Krebs, jener am Herzinfarkt oder durch ein anderes Unglück. Darum seid bereit, denn der Tag und die Stunde seines Todes weiß niemand. Haltet die Lampe bereit, damit, wenn der Herr kommt zur Hochzeit, er euch wachend finde.
3. Wollt ihr euch recht zum Tod vorbereiten, so versöhnt euch mit Gott durch eine aufrichtige, reumütige Beicht, stattet das ungerechte Gut zurück, versöhnt euch mit dem Feind, legt die bösen Gewohnheiten ab, meidet die nächste Gelegenheit zur Sünde, bekämpft die sündhaften Neigungen. Tilgt auch beizeiten die Sündenstrafen, legt euch freiwillige Bußübungen auf, gewinnt Ablässe, wodurch die nach gültig empfangenem Bußsakrament noch übrig bleibenden zeitlichen Strafen beseitigt werden. Macht euch gute Freunde durch christliche Liebeswerke, erfüllt treu eure Standespflichten, tragt in Geduld das Kreuz, das euch der Herr auferlegt, geht gern zur Heiligen Messe und denkt stets an euer Ende, wie es viele Heilige getan haben. Dann werdet ihr durch das Grabesdunkel hinaufschweben zu den lichten Höhen des Himmels. Amen.
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10. Verfolgung
Selig, die Verfolgung leiden
Die Heiligen scheuten sich nicht, freimütig die Wahrheit zu sagen, unbekümmert um die Folgen, die sie zu tragen hatten, eingedenk des apostolischen Wortes (2 Tim 4,2-4): „Verkünde das Wort, tritt dafür ein, ob man es hören will oder nicht; weise zurecht, tadle, ermahne, in unermüdlicher und geduldiger Belehrung. Denn es wird eine Zeit kommen, in der man die gesunde Lehre nicht erträgt, sondern sich nach eigenen Wünschen immer neue Lehrer sucht, die den Ohren schmeicheln; und man wird der Wahrheit nicht mehr Gehör schenken, sondern sich Fabeleien zuwenden.“ Wohl ahnten die Heiligen die Rache von gottvergessenen Menschen, aber es tröstete und beruhigte sie der Ausspruch des göttlichen Erlösers in seiner Bergpredigt: „Selig, die um der Gerechtigkeit willen Verfolgung leiden, denn ihrer ist das Himmelreich! Selig seid ihr, wenn euch die Menschen schmähen und allerlei Böses mit Unwahrheit von euch reden! Freut euch und frohlockt, denn groß ist euer Lohn im Himmel!“ (Mt 5,10-12) Es bedarf einer apostolischen Tugendkraft, um sich allen Arten von Verfolgungen bloß zu stellen und einer arglistigen Welt und Hölle Trost zu bieten, denn
1. verschiedenartig sind die Verfolgungen. Die heilige Kirche, ihre Lehre und Einrichtungen, ihre Diener und Anhänger werden oft angegriffen mit Gewalttätigkeiten. Misshandlungen, Drohungen, Drangsalierungen sollen die Christen im Glauben erschüttern. Nicht bloß ungläubige Menschen, sondern selbst christlich getaufte Machthaber und Politiker haben bis in unsere Zeit gegen eifrige und gewissenhafte Christen, insbesondere gegen pflichttreue Priester und Ordensleute, barbarische Maßregeln ergriffen. Mit teuflischem Hass erfüllte Schriftsteller haben alle Kunst der Satire und des Witzes, der Verleumdung und Bedrohung aufgeboten, die Glaubenswahrheiten als vernunftwidrig, den Gottesdienst als lächerlich, die kirchlichen Einrichtungen als abgeschmackt darzustellen und die Kirche Jesu Christi vom Erdboden zu vertilgen. Die Künste und Wissenschaften werden missbraucht, um das Heilige, Göttliche, Erhabene der Verachtung und dem Spott preiszugeben. Luchsäugig späht man nach Fehlern und Gebrechen der Frommen, nach unvermeidlichen Ausartungen des Guten und überträgt die Mängel einzelner auf die ganze Kirche. Mit dem Judaskuss der Freundschaft verrät man die Sache Jesu Christi. Manche legen die Hände müßig in den Schoß, wo sie tätig eingreifen, das Gute fördern und das Böse verhindern sollten. Alle diese sind Verfolger Christi, denn er sagt: „Wer nicht für mich ist, der ist gegen mich.“
2. Unglückliche Verfolger, die das Amt des Teufels übernehmen, um die Menschen zu verderben. Was sind sie anders, als Gehilfen des Teufels? Er hat die grausamen Verfolgungen ersonnen, den gottlosen Schriftstellern Gift und Galle und blendenden Zauber eingeflößt, er kleidet sich in einen Engel des Lichts und der Aufklärung und zischt aus dem beißenden Spott und Witz, er wiegt selbst manche Diener der Kirche in Schlaf, damit sie träumen, es stehe alles gut, während der Wolf in die Herde bricht. Wie werden sie erschrecken, wenn Christus ihnen zuruft: „Warum verfolgst du mich?“ – So unglücklich die Verfolger sind, so glücklich sind die Verfolgten. Kann sich ein Jünger Christi etwas Besseres wünschen, als seinem Meister ähnlich zu werden? Ist der Knecht besser, als der Herr? Alle wahren Christen haben Verfolgung leiden müssen, und es wäre kein gutes Zeichen, wenn wir immer in Frieden lebten, wenn die Welt und die Hölle sich nicht gegen uns empörte. Warum feiert denn das Kreuz nicht einen unausgesetzten Triumph? Warum stehen die treuen Diener der Kirche nicht immer in Ansehen und Ehren? Nur einen Grund will ich angeben: damit die guten Christen in der Demut erhalten werden und nicht an den Klippen der Eitelkeit und des Selbstgefallens scheitern, wenn ihre Fahrt auf diesem Weltmeer immer von günstigem Wind begleitet wäre, damit sie ihre Abhängigkeit von Gott und die Notwendigkeit der Gnade fühlen, ohne die sie nichts vermögen. Was nützt es uns, wenn uns Gott für unser geringes Tagewerk schon auf Erden belohnt? „Freut euch und jubelt, denn groß ist euer Lohn im Himmel!“
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11. Volkssprache in der Liturgie
von Erich Dolderer
Zusammenfassung aus „Theologische Quartalsschrift“
Schwabenverlag AG, Stuttgart 1947
(Wie aus der Presse zu entnehmen war, ist mit Zustimmung der deutschen Bischöfe der Entwurf eines einheitlichen deutschen Rituals geschaffen worden. Es soll den Gebrauch der Volkssprache vor allem bei den sakramentalen Handlungen weitgehend ermöglichen und sich zunächst auf den Taufritus, den Versehgang, die Eheschließung und die Beerdigung sowie auf die damit verbundenen Segnungen erstrecken. Wir bringen zu dem Problem der Verwendung des Lateins bzw. der Volkssprache in der Kirche zwei Stimmen, eine etwas zurückliegendere aus Deutschland und eine neuere aus England.)
Zur Zeit Christi und der Apostel war in Palästina das Aramäische Volkssprache. In dieser Sprache hat Jesus die frohe Botschaft verkündet, seine Jünger das Vaterunser gelehrt und das letzte Abendmahl gefeiert.
Nach dem Vorbild des Herrn werden auch die Apostel in der Urgemeinde das „Brotbrechen“ in der aramäischen Landessprache gefeiert haben. Als sie aber ihre Missionstätigkeit über Palästina hinaus ausdehnten, mussten sie für Predigt und Gottesdienst eine dem jeweiligen Volk verständliche Sprache wählen.
Die Apostel selbst und ihre Mitarbeiter haben dabei für Predigt und Gottesdienst im Wesentlichen wohl nur die griechische Sprache benützt. Diese war ihnen schon aus Palästina bekannt, wo sie damals ziemlich verbreitet war. Bis zum Ende des zweiten Jahrhunderts war das Griechische im ganzen Mittelmeerraum – zumindest in den Städten, wo sich ja die ersten Christengemeinden bildeten, und auch in Rom – die allgemein verstandene, ja weithin die vorherrschende Sprache.
So wurde das Griechische die Muttersprache auch der römischen Liturgie. Bis um die Zeit Konstantins d. Gr. wurde die römische Liturgie griechisch gefeiert, wenn vielleicht auch nicht ausschließlich.
Als im Abendland das Griechische mehr und mehr außer Gebrauch kam und nicht mehr verstanden wurde, trat zunächst in Nordafrika und Spanien sowie in den Landgemeinden Italiens die Volkssprache, das Lateinische, an seine Stelle, am spätesten in Rom selbst. Auch im Osten traten zu der anfangs so allgemeinen griechischen Kultsprache mehrere Volkssprachen hinzu. Es erschien natürlich, dass der Gottesdienst in einer verständlichen Sprache gefeiert werde. So setzte sich die Volkssprache durch, und es entstanden zu verschiedenen Zeiten die syrische, die koptische (ägyptische), die armenische, die georgische und die äthiopische (abessinische) Liturgie. Auch die germanischen Goten bekamen Bibel und Liturgie in ihrer eigenen Sprache. In Konstantinopel war es Johannes Chrysostomus, der den katholischen Goten die Liturgie in ihrer Sprache erlaubte; er stellte eigens eine Kirche für die gotische Liturgie zur Verfügung und hielt den Goten eine griechische Predigt, die von einem Dolmetscher übersetzt wurde.
Selbst in der Zeit, als schon die Verfestigung und Vereinheitlichung der Kultsprache eingetreten war, trug das Prinzip der Volkssprache in der Liturgie noch einmal einen großen Sieg davon: es war dies die Schaffung der slawischen Liturgie durch die heiligen Glaubensboten Cyrill und Methodius. Methodius führte die (römische) Liturgie in slawischer Sprache in Mähren und Slawonien ein.
Beim deutschen Volk wurde die Liturgie aus Gründen missionsgeschichtlicher, teilweise auch politischer Art, von Anfang an stets in lateinischer Sprache gefeiert. Merkwürdigerweise gab es hier anfangs kaum Versuche, eine volkseigene Kultsprache zu erhalten. Das hängt mit dem politischen Akzent der Germanenbekehrung und mit der völligen Inanspruchnahme der schöpferischen Kräfte durch den Aufbau des Reiches zusammen. Dass die deutsche Sprache nicht liturgiefähig gewesen oder wenigstens geworden wäre, lässt sich nicht mit gutem Gewissen behaupten. Sie hatte ja gar keine Möglichkeit und Gelegenheit, ihre Liturgiefähigkeit zu beweisen oder zu entwickeln. Die ersten Anfänge, welche sich bei Otfried von Weißenburg und bei Notker von St. Gallen zeigen, beweisen wohl die Liturgiefähigkeit der deutschen Sprache. Die Evangelienharmonie des Weißenburger Mönches Otfried beginnt mit folgenden, auch für unser Thema bedeutungsvollen und denkwürdigen Versen:
Da die Völker ihren Ruhm zu erhöhen stets sinnen,
in eigner Zunge zu schreiben beginnen,
warum sollten die Franken allein entbehren,
Gott auf fränkisch zu loben und zu ehren! . . .
Auch der Franken Worte sollen den loben,
der sie im Glauben zu sich erhoben.
Es blieb bei diesem Wunsch Otfrieds. In der Liturgie jedenfalls blieb es dem deutschen Volk versagt, Gott in seiner Zunge zu loben. Dies war sicher mit ein Grund – neben manchem anderen – dass sich die Frömmigkeit des deutschen Volkes im Mittelalter weithin neben der Liturgie her entwickelte. Die gottesdienstliche Feier, die Liturgie, war nicht mehr die Lebensschule der Christen, wie es im christlichen Altertum der Fall gewesen war. Der Naumburger Dom mit seinem hohen, hinter dem Lettner völlig verborgenen Klerikerchor kann wie mancher andere Dom ein Bild davon geben, wie entrückt und fern der Gottesdienst für den einfachen Gläubigen sich abspielte: räumlich entfernt, durch den Lettner abgeschlossen, durch die lateinische Sprache fremd, in den Zeremonien nicht unmittelbar ansprechend und verständlich. Der Gemeindegottesdienst war zum Klerikergottesdienst geworden. Die Gemeinde war aus ihrer mithandelnden Stellung in eine zuschauende gedrängt worden. Losgelöst vom Herzschlag der betenden Kirche, begann sie nun, ihren eigenen Weg in der Frömmigkeit zu gehen. Sie wuchs in ihrem Glauben und Beten nicht mehr in jener unmittelbaren Verbundenheit mit den hl. Mysterien auf wie einst. Die Folge war, dass der Glaube weithin seine lebendige Fülle verlor, bis schließlich das schier Unmögliche möglich wurde: dass die Reformation das Herzstück des katholischen Glaubens, die eucharistische Feier, als Götzendienst hinstellen konnte und mit solcher Aussage Glauben fand.
Die Reformation griff das Problem auf und schenkte ihren Gläubigen eine deutsche Liturgie, richtiger eine deutsche Ersatzliturgie in ihrem deutschen Kirchenlied und ihrer deutschen Messe. Mit den neuen Liedern sang die Reformation auch ihren neuen Glauben in die Herzen der Menschen hinein. Die Verwendung der deutschen Sprache beim Gottesdienst hat der Reformation ungeheuer genützt. Aber eine tiefe Tragik liegt darüber: Das Recht, das einst den Christen von Syrien, Ägypten, Rom zugestanden war, in ihrer eigenen Sprache den Gottesdienst zu feiern, gaben die Reformatoren ihren Gläubigen – aber sie entleerten dabei den Gottesdienst und nahmen ihm sein Tiefstes, indem sie den eigentlichen Inhalt der eucharistischen Feier, das Opfer des Herrn, missverstanden und verwarfen. So schnitten sie der Liturgie das Herz heraus und zerstörten damit ihr tiefstes Wesen. Dass darum die Gegenreformation auch in der Sprachenfrage eine entgegengesetzte Haltung einnahm, ist nur zu verständlich.
Auf dem Konzil zu Trient (1545 bis 1563) kam die Frage der Volkssprache in der Liturgie zur Verhandlung. Es ist überaus bezeichnend, wie vorsichtig und zurückhaltend das Tridentinum seine Haltung formuliert. Als häretisch wird nur der Grundsatz verworfen, dass die hl. Messe in der Volkssprache gefeiert werden müsse: „Wenn jemand sagt, die Messe dürfe nur in der Volkssprache gefeiert werden, der sei im Bann“.
Auch in der nachtridentinischen Zeit kam das Problem der Kultsprache nicht zur Ruhe. Immer wieder wurde es neu aufgegriffen, leider zumeist von unkirchlicher oder häretischer Seite, so vom Jansenismus, Gallikanismus und Josephinismus. Dass die von dieser Seite ausgehenden Forderungen der Volkssprache in der Liturgie verurteilt werden mussten, ist klar; denn sie waren aus giftiger Wurzel hervorgewachsen und mit mancherlei falschen und häretischen Anschauungen verknüpft.
Auch in der Aufklärungszeit zu Ende des 18. Jahrhunderts war das Streben nach stärkerer Verwendung der Volkssprache im Gottesdienst durch die Verquickung mit rationalistischen und nationalkirchlichen Bestrebungen vergiftet. Die Aufklärung sah im Gottesdienst nur den Zweck der Erbauung und Belehrung und hatte wenig oder gar kein Verständnis für den Hauptzweck der Liturgie: den Dienst Gottes in Anbetung und Hingabe. Weil ihr Streben nach der Volkssprache vielfach aus einer kranken Wurzel kam, konnte es auch bei der Kirche keine Billigung finden, erst recht natürlich nicht der Deutschkatholizismus und der Altkatholizismus, die im Zeichen der glatten Häresie und des offenen Abfalls standen und ihren Gottesdienst bald deutsch einrichteten.
Interessant und lehrreich ist in diesem Zusammenhang die Äußerung eines Schweizer altkatholischen Bischofs: „Die Altkatholiken sehen heute selbst ein, dass sie es falsch angefangen haben. Sie glaubten, Durch die Übersetzung ins Deutsche allein das Volk wieder an die Liturgie heranzuführen und dadurch zu gewinnen. Aber ihre Kirchen wurden wenig besucht, ihre Bewegung blieb klein, und ihre Anhänger gehen nicht häufig zu den Sakramenten. Die katholische Kirche hat es richtig gemacht“, fügte er hinzu. „Sie begann mit Pius X. in der eucharistischen Bewegung, das gläubige Volk wieder zum Tisch des Herrn hinzuführen. Und dann hat sich aus der eucharistischen die liturgische Bewegung entwickelt.“
Daraus ersehen wir auch: die Sprachenfrage ist nicht die wichtigste. Sicher ist es besser, wenn die Messe lateinisch in vollen Kirchen gefeiert wird, als wenn die Liturgie zwar deutsch gefeiert wird, aber vor leeren Bänken.
Die Volkssprache in der Liturgie ist nicht eine Frage des Dogmas, sondern der Disziplin. Wer heute im Abendland beinahe ausnahmslos die lateinische Liturgiesprache üblich ist, so darf dieser geschichtlich gewordene Tatbestand nicht dogmatisch begründet und unterbaut werden, als ob es notwendig so sein und bleiben müsse.
Dass jede Änderung hierin der Zustimmung der höchsten kirchlichen Autorität bedarf, wissen wir wohl. Diese Zustimmung und Erlaubnis darf man jedoch auf legalem Weg anstreben; denn von selbst kommt sie nicht. Es ist klar, dass die römische Behörde niemals von sich aus einem Volk den Gebrauch seiner Muttersprache in der Liturgie anbietet. Eine solche Erlaubnis kann erst kommen, wenn das Verlangen von unten, vom Volk bzw. vom Klerus und den Bischöfen her genügend stark geworden ist.
Nachdem die lateinische Sprache bei uns seit mehr als einem Jahrtausend die Sprache der Liturgie ist, wäre es völlig verfehlt, nun etwa die ganze hl. Messe in die deutsche Sprache zu übertragen und sie von einem bestimmten Tag an so zu feiern. Die liturgische Sprache ist veränderlich, denn sie ist nicht Dogma; aber sie ist nicht willkürlich, denn sie ist Geschichte. Aus diesem Grund schon – neben vielen anderen – möchten wir z. B. nicht raten, den Kanon der hl. Messe deutsch zu feiern. Er möge lieber lateinisch bleiben.
Der Grundsatz der geschichtlichen Entwicklung bewahrt uns so einerseits vor allen gewaltsamen und überstürzten Versuchen, in langer Entwicklung Gewordenes radikal umzustoßen und so einen Bruch in der Entwicklung aufzureißen. Er muss uns aber auch die nötige Weite und Großzügigkeit geben, überhaupt Sinn zu haben für kirchliche Reformen und ihre Möglichkeiten zu erkennen und anzubahnen.
Der wichtigste Grund, mit dem die lateinische Liturgiesprache gestützt werden kann, ist die Einheit: „Die lateinische liturgische Sprache, eines der heiligsten und stärksten Bänder, die uns Katholiken der ganzen Welt mit Rom und untereinander verknüpfen“, ist der landläufigste und einleuchtendste Grund, die Beibehaltung der lateinischen Kultsprache zu wünschen.
Ohne Zweifel ist die lateinische Sprache, wenigstens für den Bezirk der abendländischen Kirche und der dazugehörigen Missionen, ein wirklicher Ausdruck der Einheit und auch ein Band, das diese Einheit zu erhalten geeignet ist. Auch aus diesem Grund möchten wir den Kanon der hl. Messe in der lateinischen Sprache lassen. Auch wird das Lateinische seine große Bedeutung für die Verwaltung der Kirche, für das Kirchenrecht, für den Verkehr mit Rom und für die theologische Wissenschaft immer behalten, selbst wenn es in der Liturgie teilweise durch die Volkssprache ersetzt würde. Kirchensprache ist weiter als Kultsprache und hat viele Anwendungsgebiete auch außerhalb des Kultes.
Vor einem Missverständnis müssen wir uns hüten. Wir teilen nicht die Ansicht der Aufklärungszeit, die vermeinte, der Hauptzweck, ja der einzige Zweck der Liturgie sei die Belehrung und Erbauung des Volkes. Der erste und höchste Zweck der Liturgie ist vielmehr der Dienst Gottes, das ist die Anbetung und Verherrlichung des Vaters durch Christus im Heiligen Geist. Allerdings ist die Liturgie in ihren verschiedenen Teilen in verschiedenem Maß und in verschiedener Weise auf das Verständnis und die Teilnahme der Gläubigen angelegt. Nehmen wir etwa die hl. Messe. Es sind Lesungen darunter, Gebete, Gesänge und anderes. Manches ist Sache des Priesters, anderes Sache des Volkes. Manches ist seinem innersten Wesen nach auf Verständnis notwendig angewiesen, anderes wieder nicht.
Da ist einmal das offenbarende, verkündende Wort der Messe in Epistel, Evangelium, Predigt. Dieses Wort wendet sich an den Menschen, will von ihm aufgenommen, verstanden, geglaubt, befolgt werden. Es ist seinem innersten Sinn nach Verkündigung. Die Verkündigung wendet sich ihrem Wesen nach an den Hörer. Das Mitlesen im Schott ermöglicht zwar ein Verständnis, ist aber kein unmittelbares Verstehen der vom Priester verkündeten hl. Botschaft, wie es die Liturgie eigentlich meint. Die Kraft des vom Altar her verkündeten Gotteswortes kann darin nicht ausschwingen. „An sich müsste das Wort in dem Augenblick, da es im Fortgang der heiligen Handlung auftaucht, unmittelbar zum Hörenden gelangen können; das ist aber nach der heutigen Ordnung der Liturgie nicht möglich“ (Guardini).
Und eben darum erstreben wir vor allem an dieser Stelle eine Änderung: dass der Priester die Verkündigung der hl. Botschaft in Epistel und Evangelium fernerhin nicht in einer fremden Sprache, dem Volk den Rücken zukehrend, sagen und singen muss, sondern dass er dies auch in deutscher Sprache tun dürfe. „Der wichtigste Grund, warum die Kirche die Schriftlesung mit der Opferfeier verband, lag ohne Zweifel in der Notwendigkeit, den Gläubigen an der Hand der Hl. Schrift die Wahrheiten des Glaubens beständig in Erinnerung zu bringen . . . Dazu kam, dass in alter Zeit auch die Katechumenen durch das Anhören der Lesungen allmählich in den Inhalt der christlichen Lehre eingeführt werden sollten.“ Gelten diese Gründe bei uns nicht wieder in erhöhtem Maße? Legen sie nicht die Lesung in der Muttersprache nahe?
Außer dem verkündenden oder offenbarenden Wort kennt die hl. Messe aber auch andere Arten: das bittende Wort der Orationen, das preisende der Hymnen (Gloria, Sanctus), das bekennende des Credo. In diesen Stücken redet nicht mehr Gott zu uns, sondern hier richten wir unser Wort an Gott: wir können diese Arten zusammen das betende Wort nennen. Auch hier liegt der Gebrauch der Muttersprache nahe, und zwar bei jenen Teilen, welche Sache des Volkes sind: bei den Gesängen Gloria und Credo, Sanctus und Agnus, sowie Introitus, Graduale, Offertorium und Communio. Auch hier ist eigentlich nichts Neues einzuführen: im sogenannten „Deutschen Amt“, in dem der Priester alles lateinisch betet bzw. singt, das Volk aber seine Lieder zu Gloria und Credo, zu Sanctus und Agnus, zu Introitus, Offertorium und Communio in deutscher Sprache singt, haben wir eine glückliche und brauchbare, über ganz Deutschland hin verbreitete Form, das Volk zu einer wesensgerechten Betätigung und Beteiligung zu führen. Die Gesänge des Volkes in deutscher Sprache, das ist der zweite Wunsch, der sich für die Messe ergibt, wobei der Priester ruhig alles lateinisch beten kann und soll. Dabei wäre langsam anzustreben, dass die Gesänge des Volkes (die bisherigen Liedermessen) sich in Text und Melodie mehr dem Missale anschließen. Aber auch dies nur als eine Form neben dem auch weiterhin gültigen lateinischen Amt. Viel Streit könnte vermieden werden, wenn man nicht eine Form als die allein gültige ausgeben würde, sondern das lateinische und das deutsche Amt ruhig nebeneinander gelten lassen wollte, wie man ja auch Choralamt und mehrstimmiges Amt zugleich gelten lässt.
Neben diesen Arten des Wortes, dem verkündenden und dem betenden, steht in der hl. Messe noch eine Art des Wortes, die wir mit Guardini das vollziehende Wort nennen wollen. Seine ausgeprägteste Stelle hat es in der heiligen Wandlung, im weiteren Sinne können wir aber auch den ganzen Kanon dazurechnen. Hier geht es nicht darum, dass Gott in seinem Wort zu uns spricht wie in den Lesungen, hier geht es auch nicht in erster Linie darum, dass wir unsern Lobpreis zu tragen wie in den Gesängen, sondern hier übt das Wort eine heilige Gewalt aus, es schafft Wirklichkeit, es ruft Christi Opfer aus der Vergangenheit in die Gegenwart. Der diese Worte spricht, ist eigentlich Christus der Herr. Der Priester ist nur das besonders geweihte und mit Vollmacht ausgestattete Werkzeug, dessen sich der Herr hier bedient. Diese heiligen Worte sind der unmittelbaren Teilnahme der Gläubigen mehr entrückt als die Lesungen und die Gesänge der Messe. Sie sind eigentlich Sache des Priesters als Stellvertreter Christi oder der Gemeinde vor dem Antlitz Gottes. Hier ist es innerlich viel berechtigter als bei den Lesungen und Gesängen, die fremde Sprache zu Wort kommen zu lassen und unter ihrem verhüllenden Schleier das heilige Geheimnis zu vollziehen.
Aus der Vergleichung des Lesungen und Gesänge mit dem Kanon, aus ihrem verschiedenen inneren Charakter erweist sich eine unterschiedliche Behandlung der verschiedenen Messteile hinsichtlich der Sprache als begründet.
So scheint uns also das innere Wesen der verschiedenen Messteile selbst die Berechtigung zu geben, die einen in der lateinischen, die anderen dagegen in der Volkssprache zu feiern.
Wenn wir nun darangehen, konkrete praktische Ziele zu formulieren, so müssen wir uns von großer Behutsamkeit leiten lassen. Nichts könnte dem Anliegen, das uns bewegt, mehr schaden als wildes Reformieren und unbesonnenes Experimentieren. Das würde alles wieder im Voraus vergiften. Nach langjährigem und gründlichem Durchdenken glauben wir jedoch folgende Ziele aufstellen zu dürfen, wobei wir uns bewusst sind, dass es keine kurzfristigen Ziele sind, aber doch – so vertrauen wir – erreichbare:
An der lateinischen Sprache des Kanon möchten wir, wie schon gesagt, aus mehreren Gründen nicht rütteln. Dagegen erstreben wir deutsche Epistel und deutsches Evangelium.
Damit sollen das lateinische Evangelium und die lateinische Epistel nicht abgeschafft werden. In vielen Messen, besonders Privatmessen, auch in manchen Gemeindemessen, Stillmessen oder Ämtern wird der Priester die lateinische Sprache vielleicht vorziehen. Er möge es tun und Epistel und Evangelium lateinisch lesen oder singen.
Daneben aber soll auch die Möglichkeit gegeben werden, Epistel und Evangelium an ihrer Stelle innerhalb der Messe statt in lateinischer in deutscher Sprache zu verkünden, zu lesen oder zu singen. Die vier Stationsevangelien bei Prozessionen kann in manchen Diözesen der Priester lateinisch oder deutsch singen. Die gleiche Methode erstreben wir für die hl. Messe: der Priester kann Epistel und Evangelium lateinisch lesen, oder er kann sie deutsch lesen. Die Auswahl, ob lateinisch oder deutsch, könnte wohl dem Priester überlassen bleiben, es würde sich wohl sehr rasch eine im Allgemeinen gleiche Praxis bilden. Nötigenfalls könnte der Bischof genauere Weisungen geben.
Bei deutscher Lesung müsste sich der Priester natürlich dem Volk zuwenden. Der Gruß vor dem Evangelium und die Einleitungsformel müssten ebenfalls deutsch gesungen werden: „Der Herr sei mit euch“. „Und mit deinem Geiste.“ „Folgendes aus dem hl. Evangelium nach . . .“ „Ehre sei Dir, o Herr.“ Sonst würde sich nichts ändern.
Dies wäre nach unserem Vorschlag das einzige, was der Priester bei der hl. Messe deutsch zu sagen hätte. Alles Übrige würde er lateinisch beten oder singen.
Es sei noch bemerkt, dass unser Wunsch nach deutscher Epistel und Evangelium absolut nichts zu tun hat mit Abschaffung von Privatmesse und Stillmesse. Bei diesen Formen der Messfeier liegt es nahe, auch diese Teile wie bisher in der lateinischen Sprache zu lesen.
Außer den Lesungen sollen die Gesänge der Messe deutsch ausgeführt werden können. Es kommen hier in Betracht Kyrie, Gloria, Sanctus und Benedictus, Agnus Die, Introitus, Graduale, Offertorium und Communio. Diese Gesänge sind Sache des Volkes bzw. des Priesters als Vertreter des Volkes. Die Gesänge des Priesters, Präfation und Paternoster, wollen wir nicht antasten. Für jene Gesänge des Volkes erstreben wir, dass sie vom Volk in deutscher Sprache vorgetragen werden können, sei es gesprochen oder gesungen. Der Priester muss diese Gesänge auch lesen, er kann es lateinisch tun, auch wenn das Volk sie deutsch singt, für ihn würde sich also gegenüber bisher nichts ändern.
Die Begründung für den deutschen Volksgesang liegt hauptsächlich darin, dass die Gesänge als Ausdruck des Glaubens, des Lobpreises, der Anbetung usw. nur dann ganz echt gesungen werden können, wenn sie verstanden werden.
Auch hier soll das Lateinische keineswegs abgeschafft oder ausgeschaltet werden. Das Choralamt wie das mehrstimmige lateinische Amt mögen bleiben. Neben diesen Formen aber soll es auch Ämter geben, in denen die Gesänge deutsch vorgetragen werden.
Hier wird nichts Neues verlangt. Wir haben vielmehr schon – von der Singmesse abgesehen – die Formen der Gemeinschaftsmesse, der Betsingmesse sowie des „Deutschen Amtes“, in denen jene Gesänge vom Volk deutsch gesprochen oder gesungen werden. Diese Formen wären weiter zu pflegen und zu entwickeln.
Für diese Formen der Messfeier besteht noch eine große Aufgabe: deutsche Gesänge zu schaffen, welche den Messgesängen treuer entsprechen als unsere herkömmlichen Singmessen.
Vor allem aber möchten wir hier für die Berechtigung des sogenannten „Deutschen Amtes“ eintreten, bei dem das Volk seine Gesänge deutsch singt, der Priester aber alles lateinisch liest und singt. Unser Amt mit deutschem Volksgesang ist eine durchaus glückliche Form, das Volk zu einer richtigen und aktiven Teilnahme an der Messfeier zu führen, jedenfalls besser, als wenn nur der Kirchenchor singt. Nachdem Kardinal Bertram sehr entschieden für die weitere Duldung dieses seit langer Zeit in so vielen Diözesen verbreiteten Deutschen Amtes eingetreten war, hat ja auch Pius XII. sein „benigne toleratur“ (es kann wohlwollend geduldet werden) dazu gesprochen.
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12. Vatikan im Krieg
Als die furchtbaren Stürme des fast 6-jährigen Krieges die Welt durchtobten, lag der Vatikan wie eine Insel stillen Friedens inmitten der wilden Brandung. Freilich wälzte sich das Kriegsgeschehen bis hart an seine Grenzen heran; zwei Mal fielen sogar Bomben auf das vatikanische Gebiet, aber das waren doch nur die letzten Ausläufer des ungehemmten Vernichtungswillens, der die Welt erfasst hatte. Der Hl. Vater selbst hielt strikte Neutralität, was nicht verhinderte, dass er in freimütigem Wort die schweren Verletzungen des göttlichen und menschlichen Rechtes geißelte, die während des Krieges geschahen. Die Audienzen gingen weiter wie in Friedenszeiten; auch viele Soldaten, zuerst die Achsenmächte und dann der Alliierten, wollten einmal den Hl. Vater sehen und hören; Tausende gingen während dieser Zeit im Vatikan aus und ein. Die Audienzen der Neuvermählten nahm der Papst zum Anlass, eine weitere Reihe seiner sprachlich und gedanklich hervorragenden Ansprachen über Ehe und Familienleben zu halten. Auch drei Weltrundschreiben gab er während dieser Zeit heraus, eines zur 1500-Jahrfeier des hl. Cyrill von Alexandrien, eines über die Förderung des Bibelstudiums (Divino afflante spiritu) und eines über den mystischen Leib Jesu Christi (Mystici corporis). Im übrigen mahnte er zum Gebet für den Frieden und ging selbst als wahrer hoher Priester mit dem Beispiel voran. Ergreifend war besonders jene Buß- und Sühneandacht, die er im letzten Kriegsadvent in der Peterskirche hielt. Er ließ sich dabei nicht, wie sonst üblich, auf der sedia gestatoria in das Gotteshaus hineintragen, sondern ging zu Fuß wie ein schlichter Pilger und trug ein großes Kreuz durch die Kirche zum Altar des hl. Petrus. Hier betete er dann mit flehend aufgehobenen Händen um Einhalt des Strafgerichtes, das die Menschheit heimsuchte. Am 5. Jahrestag des Kriegsbeginns und am Heiligen Abend des Jahres 1944 hielt er Radioansprachen für den Frieden. In der ersten sprach er dabei über die Verteidigung der christlichen Kultur und wünschte den Völkern, die im Krieg standen, Frieden und Sicherheit. In der zweiten mahnte er besonders zu unablässigem Gebet um den Frieden und schloss mit den Worten: „Mit euch, geliebte Söhne und Töchter, lege ich Unsere Bitten zu Füßen des Jesuskindes nieder und flehe zu ihm, es möchte dies das letzte Kriegsweihnachten sein und es möchte die Menschheit im neuen Jahr die Wiederkehr des Weihnachtsfestes überstrahlt vom Licht und der Freude eines wahrhaft christlichen Friedens feiern können.“ Der Hl. Vater veranlasste auch, dass im Vatikan eine eigene Auskunftsstelle zur Ermittlung von Kriegsgefangenen, Internierten und Vermissten eingerichtet wurde. Sie wurde so ausgiebig in Anspruch genommen, dass täglich bis zu 2000 Anfragen einliefen. Häufig besuchten auch Vertreter des Hl. Stuhls die Gefangenenlager in aller Welt und überbrachten Liebesgaben und Grüße vom Vater der Christenheit. Als dann der Krieg in Europa zu Ende war, hielt der Papst jene schnell berühmt gewordene Ansprache, in der er den Nationalsozialismus ein satanisches Gespenst nannte und ihm damit den treffendsten Namen gab, der je gefunden worden ist, in der er aber auch dem deutschen Volk Mut machte und Hoffnung zu neuem Aufstieg gab.
Der wahre Friede – Ein Papstwort in die Zeit
Vom Waffenstillstand bis zum Frieden wird der Weg recht mühsam und lang sein.
Das Ziel aber ist ein wahrer Friede, der dieses Namens würdig ist.
Ein Friede, der gegründet und gesichert ist in Aufrichtigkeit und Rechtlichkeit, in Gerechtigkeit und Wirklichkeitssinn;
ein Friede ehrlichen und entschlossenen Einsatzes, um jene wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse zu meistern oder ihnen vorzubeugen, die, wie sie es schon in der Vergangenheit taten, so auch in der Zukunft leicht zu neuen bewaffneten Konflikten führen könnten;
ein Friede, der von allen Rechtlichgesinnten jedes Volkes und jeder Nation gebilligt werden kann;
ein Friede, den die kommenden Geschlechter mit Dankbarkeit als die glückliche Frucht einer unglücklichen Zeit ansehen können;
ein Friede, der einen säkularen entscheidenden Wendepunkt in der Bejahung der Menschenwürde und geordneten Freiheit darstellt;
ein Friede, der wie eine „Charta Magna“ ist, welche die dunkle Epoche der Gewalt abgeschlossen hat;
ein Friede, der uns unter der barmherzigen Führung Gottes durch die zeitlichen Güter so hindurchgehen lässt, dass wir die ewige Seligkeit nicht verlieren.
Pius XII. am 2. Juni 1945
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13. Vorsehung Gottes
Was Gott tut, das ist wohlgetan
Nahe dem Dorf Anras im Osten Tirols steht das Kirchlein des hl. Antonius mitten in schöner Waldeinsamkeit – es ist wie eine Einsiedelei. Da fiel mir immer wieder die sinnreiche Parabel vom Einsiedler ein.
Der Einsiedler hat in seiner Waldeinsamkeit sich gefragt: „Warum geht es draußen in der Welt den Guten vielfach schlecht, den Bösen aber gut? Wo bleibt da Gottes Vorsehung? Wohlan, ich will hinausgehen und die Vorsehung Gottes suchen.“
Auf der Straße gesellt sich ein junger Mann zu ihm. Abends kommen sie zusammen in ein hohes Schloss und finden recht freundliche Aufnahme. Doch morgens nimmt der junge Mann heimlich einen silbernen Becher mit. Diesen gibt er dann einem bösen Geizhals, der ihnen gar nichts gegeben hat – wie gierig funkeln die Augen des Geizhalses beim Anblick des silbernen Bechers!
Der Einsiedler und der junge Mann wandern weiter und suchen Rast in einem ärmlichen Haus. Die Leute haben da zwar selbst wenig, geben aber vom Wenigen gern. Beim Abschied wirft der junge Mann einen Feuerbrand ins Haus, dass lichterloh die Flammen emporzüngeln. Den Einsiedler packt Grauen vor seinem Begleiter. Nur ungern folgt er ihm ins Gebirge. Da dringt Wehklagen aus einem einsamen Gehöft. Vater und Mutter weinen am Krankenbett des einzigen Kindes. Der junge Mann bereitet einen Trank für das kranke Kind. Es schlürft fieberglühend den Trank und stirbt sogleich.
Jetzt aber geht dem Einsiedler die Geduld vollends aus. Im Wald stellt er den unheimlichen jungen Mann zur Rede: „Warum machst du so etwas? Dem Geizhals hast du geholfen, aber den guten Leuten geschadet!“ In diesem Augenblick erscheint der junge Mann wunderschön in himmlischem Lichtglanz und sagt feierlich: „Ich bin ein Engel vom Himmel, ein Bote Gottes! Du hast gezweifelt an Gottes Vorsehung. Du hast gestaunt, warum ich dem edlen Schlossherrn den silbernen Becher genommen und ihn dem Geizhals gegeben habe – der Becher war vergiftet, bringt dem Geizhals seiner Sünden Lohn. Du hast dich gewundert, warum ich den armen Leuten das Haus angezündet habe – sie werden im Schutt bald einen Schatz finden als reichen Lohn ihres guten Willens. Du hast gezürnt, dass ich dem kranken Kind nicht einen Heiltrank gereicht habe – das Kind wäre sonst später ein Verbrecher geworden, jetzt ist es glückselig im Himmel. Siehe, nach dem Willen Gottes habe ich alles richtig gemacht als Bote Gottes.“ So spricht der Engel und verschwindet.
Der Einsiedler kniet reumütig nieder und bittet Gott um Verzeihung. Fortan bekennt er demütig:
„Was Gott tut, das ist wohlgetan,
Wenn ich`s auch nicht begreifen kann.“
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14. Verleugnung des Glaubens
1. Das Ende eines Abtrünnigen.
Zur Zeit der Französischen Revolution, in der katholische Priester zu Hunderten hingerichtet wurden, fielen auch einige Priester aus Ehrgeiz oder um ihr Leben zu retten, vom Glauben ab. Unter diesen befand sich sogar ein Bischof namens Johann Joseph Gobel. Dieser erklärte vor dem Nationalkonvent, dass er die neue Religion der Freiheit und Gleichheit annehme. Bald darauf folgte der Lohn für seinen Verrat. Er fiel bei Robespierre in Ungnade, und dieser verurteilte den 77jährigen Greis zur Guillotine (1794). Jetzt sah Gobel sein schweres Verbrechen ein und bereute zutiefst, dass er Volk und Priestern ein so furchtbares Ärgernis gegeben hatte. Am Tag vor seiner Hinrichtung schrieb er an seinen Vikar: „Morgen werde ich mein Verbrechen gegen Gott und die heilige Religion durch den Tod sühnen. Da ich mündlich nicht beichten kann, so schicke ich Ihnen hier schriftlich mein Sündenbekenntnis. Ich bitte Sie um Ihre geistliche Hilfe. Kommen Sie morgen unbemerkt zur Pforte des Kerkers und erteilen Sie mir in aller Stille die priesterliche Lossprechung. Bei der Lossprechung wollen Sie aber ja nicht die Worte vergessen: ab omni vinculo excommunicationis!“ Hoffentlich wurde dem reuigen Apostaten die Pforte des Gefängnisses durch die priesterliche Lossprechung zum Tor in eine glückliche Ewigkeit.
2. Lieber sterben als verleugnen.
Während der großen Christenverfolgung in Annam drohte man dem fünfzehnjährigen Waisenmädchen Thu, es mit seinem Schwesterchen lebendig zu begraben, wenn es seinem Glauben nicht abschwöre. Die Kleine blieb fest. Man führte sie an das Grab, das man vor ihren Augen aushob. Als es fertig war, sagte sie nur: „Wartet einen Augenblick!“ Sie kniete am Rand der Grube nieder und betete. Dann sprach sie: „Wir sind bereit.“ Man warf eine Matte in die Grube. Thu stieg hinab, bettete das Schwesterchen neben sich und sagte lächelnd: „Nun schaufelt zu!“ Und so geschah es. –
3. Lieber verdursten als sich verstellen.
Vor Jahren war es, da reiste ein katholischer Afrikaner vom Sudan in Gesellschaft mehrerer Muselmanen nach Norden. Dabei musste man das unermessliche Sandmeer Libyens durchqueren. Bald gingen die letzten Vorräte an Trinkwasser aus, und alle litten schmerzlich unter Hitze und Durst. Endlich kamen sie ganz erschöpft zu einer kleinen Oase. Diese gehörte einem Moslem, der dort auch einen Brunnen angelegt hatte. Als er vernahm, unter den Mitgliedern der Karawane befinde sich auch ein Christ, fasste er sogleich den Entschluss, dessen Glaubenstreue zu erproben. Er erklärte: „Ich gebe von meinem Brunnenwasser nur an jene Reisende ab, die die mohammedanische Glaubensformel sprechen.“ Was tat der katholische junge Mann? Er weigerte sich, auch nur mit einer äußerlichen Verstellung seinen Glauben zu verleugnen. „Dann musst du vor Durst sterben, wenn du dich nicht zum Hersagen der Formel bequemst“, riefen ihm seine Gefährten zu, „wir haben noch eine weite Strecke durch die wasserlose Wüste zurückzulegen!“ Da erklärte der tapfere junge Sudanese: „Und wenn ich verdursten und elend zugrunde gehen muss, nie wird es dazu kommen, dass ich um ein paar Schluck Wasser meinen heiligen Glauben verleugne.“ Allem Zureden zum Trotz blieb er fest und setzte mit seinen Gefährten die Reise fort. Immer mehr steigerte sich der glühende Durst und ließ ihn schier Unerträgliches erdulden. Dennoch vermochte er ohne größeren Schaden für seine Gesundheit das Ziel der Reise zu erreichen. Er hatte gesiegt.
4. Halbheit gilt nicht.
Als unter König Taxiba die Christenverfolgung in Japan losbrach, lebten am Königshof zwei christliche Hofdamen, die die Königin ungemein liebgewonnen hatte. Die Königin, die sich nicht von ihnen trennen wollte, schlug ihnen vor, sie brauchten ihre Religion nicht aufgeben, aber sie sollten sie im Geheimen ausüben, im Herzen könnten sie die besten Christinnen bleiben. Da antwortete die eine von ihnen: „Königin, die Christen haben nicht zwei Gesichter, eines der Lüge und eines der Wahrheit. Wer ihr Gesicht sieht, sieht auch ihr Herz. Wenn wir unseren Glauben nicht bekennen, so verleugnen wir ihn.“ Dabei blieben sie und nahmen ihren Abschied vom Hof. –
5. Ein heiliger Schwur.
Ein russischer Kommandant suchte einst einen alten katholischen Bauern namens Pikuts, der in seinem Dorf in hohem Ansehen stand, zu bewegen, er solle auf seine Glaubensgenossen einwirken, dass sie zur russischen Kirche überträten. Da kniete dieser im Angesicht von Freund und Feind nieder, zog ein Kruzifix hervor, das er stets auf der Brust trug, und sprach: „Ich schwöre bei meinen grauen Haaren, beim Heil meiner Seele, so wahr ich Gott im letzten Augenblick meines Lebens zu sehen hoffe, dass ich keine Silbe und kein Jota meines Glaubens verleugnen werde.“ Und alle Katholiken knieten sich ebenfalls nieder und sprachen ihm den Schwur nach.
6. Ein schönes Bekenntnis im Angesicht des Todes.
Der große Zentrumsführer Dr. Lieber (16.11.1838 – 31.3.1902) konnte auf dem Sterbebett die Worte sprechen: „Nie in meinem Leben habe ich meinen katholischen Glauben verleugnet, auch nicht eine halbe Minute lang.“
(Aus: Homiletisches Handbuch, Anton Koch, 1951, Band 12, Seite 18)
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15. Versehgänge in der Nacht
(von E. Roberts Moore, aus „Catholic Digest“, Cath. Dig. Bldg. 41 E. Eighth St., St. Paul 2, Minn.)
Mein erster Versehgang war in Wirklichkeit kein Krankenbesuch. Ich befand mich an dem Tag, an dem ich geweiht wurde, in New York auf dem Rückweg von der Kathedrale zum Priesterseminar. Das Öl der Priesterweihe war buchstäblich noch nicht an meinen Händen getrocknet. Irgendwo in der Lexington Avenue überfuhr ein Auto vor uns eine Frau, die gerade die Straße überqueren wollte, und schleuderte sie gegen den Straßenrand. Mit einem Kreischen der Bremsen kam unser Wagen zum Stehen. Einen Augenblick saßen wir fünf Neupriester wie betäubt im Wagen. Dann rief plötzlich einer von uns: „Wir sind ja Priester!“ Da ich am nächsten an der Tür saß, war ich der erste, der draußen war. Auf der Straße kniete ich neben dem armseligen, zerschmetterten Körper, stolperte bei der Formel der Absolution, da ich sie zum ersten Mal gebrauchte: „Si capax, ego te absolvo a peccatis tuis in nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti. Amen.“ (Für den Fall, dass du noch in der Lage bist, das Sakrament zu empfangen, spreche ich dich frei von deinen Sünden, im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.)
Dies war eine bedingte Absolution. Bedingt deshalb, weil ich nicht wissen konnte, ob die Frau überhaupt getauft war und ob sie ihre begangenen Sünden bereute. Es war eine Lossprechung und nicht die Letzte Ölung, weil ich natürlich die heiligen Öle nicht bei mir hatte. Aber die Letzte Ölung würde man auch noch im Krankenhaus nachholen, wohin die Frau gebracht wurde.
Der erste wirkliche Versehgang nach der Aufnahme meiner seelsorgerischen Tätigkeit war friedlich und traurig. Es handelte sich um ein kleines Mädchen, 12 Jahre alt, das kurz vorher zur Ersten Hl. Kommunion gegangen war. Es war zuckerkrank und sein Zustand war hoffnungslos. Die Mutter kam ins Pfarrhaus und bat, ein Priester möge sie besuchen. Ich ging gleich mit und plauderte mit dem Kind. In ergreifender Schlichtheit und ohne Furcht erzählte es mir, dass es im Begriff sei, in den Himmel zu gehen,um Jesus und Maria zu sehen, und ob ich ihm nicht noch einmal den Heiland bringen möge, bevor es fort müsse. Ich ging zur Kirche zurück, um das hl. Sakrament und die heiligen Öle zu holen.
Mein nächster Fall war ganz anders. Ich war gerade von der Morgenmesse zurückgekommen, als ein Polizeiwagen vorfuhr und der Chauffeur rief: „Kommen Sie schnell, Hochwürden! In der Grenwich-Straße ist ein entsetzliches Unglück passiert!“ Ich stürzte in das Haus, um das Öl zu holen, und war im Nu wieder zurück, ohne mir Zeit genommen zu haben, meinen Überwurf mit den Straßenkleidern zu vertauschen. Unterwegs erzählte mir der Fahrer, was sich zugetragen hatte. Ein Hochbahnexpress war mit einem Personenzug zusammengestoßen. Der erste Wagen des Personenzuges war auf die Straße hinunter geschleudert worden. Mir wurde ganz übel und schwach in den Knien, schon bevor ich ankam. Ein Dutzend Krankenwagen war aufgeboten worden. Ärzte, Fahrer, Polizei und Freiwillige arbeiteten bereits fieberhaft an den Trümmern, suchten die verstümmelten Gestalten heraus und legten sie in eine Reihe, wobei sie, soweit es möglich war, die Toten von den Sterbenden trennten. Ich musste mir mit den Ellbogen einen Weg durch die Neugierigen bahnen.
Ich ging von einem zum anderen dieser armen Menschen. Die meisten waren Arbeiter, die kurz zuvor gesund und munter ihre Familien verlassen hatten, um sich an ihre Arbeitsstätte zu begeben. Nun aber hatte der grausame Tod in einem Augenblick viele von ihnen aus dem Leben gerissen. Andere würden mit dem Leben davonkommen, aber an den Folgen dieses schrecklichen Morgens ihr Leben lang zu tragen haben. Immer und immer wieder murmelte ich die Worte der kurzen Formel der Letzten Ölung und gab jedem die bedingte Absolution. Als ich zu Ende war, war ich über und über mit Blut bedeckt. Ich fühlte mich elend und gebrochen, aber irgendwie kam mir erst jetzt zum Bewusstsein, dass ich wirklich Priester war. Ich empfand das gewissermaßen als meine Feuertaufe.
Ich war damals der Petrus-Pfarrei zugeteilt. Da die Pfarrei nicht sehr groß war, handelte es sich bei den meisten Versehgängen um Unglücksfälle. Der Eintrag in unser Versehbuch lautete bei der Rückkehr meist lakonisch: „D.O.A.“ (Tot bei der Ankunft.) Aber einen solchen Gang werde ich nie vergessen, hier hätte der Eintrag lauten sollen: „Er wollte nicht sterben.“ Ein Taxi und ein von Pferden gezogener Lieferwagen waren zusammengestoßen. Das Auto musste sehr schnell gefahren sein, denn die Deichsel des Lieferwagens war durch das Fenster gedrungen, hatte zwar zum Glück den Fahrer nicht getroffen, aber die Brust eines unglücklichen Passagiers durchbohrt. Der Krankenwagen kam zur selben Zeit an wie ich. Der Arzt konnte aber dem Verunglückten nur eine Spritze geben, um seine Schmerzen zu lindern. Der Mann war vollständig bei Bewusstsein. Ich kletterte zu ihm hinein, hörte seine Beichte, gab ihm die Absolution und salbte ihn.
Die Frage war: „Was jetzt?“ Der arme Kerl war vollständig durchbohrt und durch die Deichsel festgehalten. Die Feuerwehr löste das Problem. Aus einem ihrer Rettungswagen wurde eine Säge gebracht. Vor und hinter dem Mann sägte man die Deichsel ab, hob ihn mitsamt dem Deichselstück aus dem Taxi und verbrachte ihn zum Krankenhaus. Dort wurde die Deichsel entfernt. Es mag unglaublich klingen, aber die Deichsel hatte kein lebenswichtiges Organ getroffen. Der Mann kam durch!
Einmal läutete das Telefon um 2 oder 3 Uhr morgens. Diesmal war es ein junger Bursche aus der Pfarrei, den ich kannte und um den ich wegen der Gesellschaft, in der er verkehrte, besorgt war.
„Was ist los, Dan?“ fragte ich ihn. „In der Weststraße“, sagte er, „die und die Nummer, Sie kennen sicherlich die Hafenkneipe. In Zimmer Nr. 8 liegt ein Matrose im Sterben. Lungenentzündung. Sie meinen, er habe etwas Geld in seinem Koffer, daher lassen sie ihn ohne Hilfe sterben, um das Geld in die Hände zu bekommen. Aber er ist katholisch, Hochwürden, und ich kann einen Katholiken nicht ohne Priester sterben lassen. Sagen Sie aber ja nicht, dass ich Sie rief“, bat er ängstlich bevor er einhängte, „man würde mich umbringen.“
Ich dankte, zog meine Kleider an und eilte fort. „Was willst du?“ war der Gruß, mit dem mich ein finster aussehender Wächter empfing, als ich ankam. Bei dieser Frage spuckte er aus. „Ich bin ein Priester“, sagte ich. „Ich will einen kranken Mann besuchen. Er hat Lungenentzündung und liegt auf Zimmer Nr. 8.“
„Mach, dass du fortkommst, Freund“, sagte der Mann und kam langsam auf mich zu. „Wir haben überhaupt keine kranken Leute hier bei uns, und wenn wir welche hätten, dann möchten wir dich auch nicht hier haben.“
Es war ein finster dreinschauender Mann, und das Lokal sah auch finster genug aus. In einer Ecke stand ein schäbiger Kassenschrank, in der anderen befand sich eine schmutzige Theke. Es roch nach abgestandenem Alkohol und Tabakrauch. Eine rußige Nachtlampe trug nicht gerade zur Verschönerung des Milieus bei. Aber ich war zu jung, um mich zu fürchten. Ich sagte nur: „Hören Sie mal, ich gehe jetzt hinauf und besuche diesen Burschen. Aber wenn Sie wollen, dass ich fortgehe und die Polizei hole, ist es mir auch recht. So oder so, ich werde hinaufgehen.“
Er sah mich eine Zeitlang finster an und sagte dann: „O.K., Freundchen, geh nur hinauf, aber merke dir, das ist deine Beerdigung!“ Ich ging die Treppe hinauf und den Gang entlang, wobei ich die Türen zählte, bis ich dachte, ich sei zur richtigen gekommen. Ich klopfte an, obwohl ich nicht erwartete, dass mir geantwortet würde. Plötzlich wurde die Tür aufgerissen. Aber es war nicht das richtige Zimmer. Auf das, was ich hier zu sehen bekam, war ich nicht vorbereitet. Im flackernden Schein einer alten Laterne, die vor dem Fenster stand und ihren Schein so undeutlich auf ihn warf, dass es aussah, als ob er sich noch bewege, lag auf dem Boden, den Rücken gegen einen Stuhl gelehnt, den Kopf zurückgeworfen, ein Mann mit durchgeschnittener Kehle. Er musste schon seit Tagen tot sein!
Mir fuhr die Angst in die Glieder. Ich raste die Treppe hinab an dem Türwächter vorbei und hinaus auf die Straße, wo ich Ausschau nach einer Polizeistreife hielt. Schließlich fand ich eine. Und so verstärkt, kehrten wir zurück. Der Mann an der Tür aber war jetzt verschwunden und wurde nicht mehr aufgefunden. Soviel ich weiß, ist der Fall noch heute ungeklärt.
Und der Matrose mit seiner Lungenentzündung? Den fanden wir auch. Er besaß einen Koffer und 600 Dollar. Wir brachten ihn zum Krankenhaus, wo er nach ein paar Tagen starb. Ich konnte ihm den letzten Beistand der Kirche geben, und später machten wir eine Schwester von ihm ausfindig, die in Not lebte und der wir den Inhalt des Koffers übergaben.
Ein anderes Erlebnis hatte ich mit Johnny O. Brien und seinen Freunden. Wieder war es schon nach Mitternacht, als das Telefon mich weckte. Zehn Häuserblocks vom Pfarrhaus entfernt hatte es ein Taxiunglück gegeben. Es regnet wenigstens nicht, dachte ich, als ich zum Fenster hinaussah. Ich eilte, so schnell ich konnte, zur Unglücksstelle und kam dem Polizeiwagen und dem Krankenauto noch zuvor. Ein zertrümmertes Taxi lag auf der Straße. Am Boden fand ich, von Kopf bis zu Fuß mit Blut bedeckt und offenbar schwer verwundet, eines der Opfer. Neben ihm stand, gleichsam als Wache, blutig und ebenfalls zerschunden, Johnny O`Brien, umgeben von seinen Freunden, 4 oder 5 der verwegensten Burschen, die ich je gesehen habe. Sie hatten alle leichtere Verletzungen. Auf dem Gehsteig stand ein gutes Dutzend müssiger Zuschauer. Ich fragte mich, wo diese hergekommen waren, denn die Straßen dieses Viertels von New York sind zur Nachtzeit dunkel und verlassen. Ein Polizist, offenbar noch ein Neuling, war auch dabei und wartete nervös auf Verstärkung.
Johnny erspähte mich zuerst. Er winkte mich heran. Offenbar betrachtete er sich als den verantwortlichen Leiter der ganzen Szene. „Hier ist er, Hochwürden“, sagte er und stieß dabei mit seinem Fuß an das armselige, stöhnende Bündel zu seinen Füßen. „Er ist ein guter Katholik, Hochwürden. Machen Sie ihn fertig.“ Dann wandte er sich seinem Freund zu: „Hör jetzt auf mit dem Stöhnen, der Priester ist da.“
Ich war nicht ganz sicher, ob Mac wirklich ein so guter Katholik gewesen war, aber es war ja meine Aufgabe, dies herauszubringen, und schließlich hatte er, ein je schlechterer Katholik er gewesen war, desto mehr meine Dienste nötig. So kniete ich auf der Straße nieder.
In der Zwischenzeit vergrößerte sich unsere Gruppe durch weitere nächtliche Bummler. Johnny übernahm die Leitung des Ganzen. Nicht alle hatten ihren Hut abgenommen, als ich mich neben den Verwundeten kniete. Das konnte Johnny nicht ertragen. Er wandte sich der Menge zu und befahl: „Hüte herunter, oder ich schlage sie euch runter!“ Die Hüte wurden abgenommen, und Johnny machte wieder kehrt, um sich zu überzeugen, ob ich mein Amt ordentlich erledigte.
Ich beendete meine Aufgabe, stand auf und wischte mir den Staub und den Schmutz von den Knien. Johnny, der offenbar einen tiefen Glauben an die Wirkung der Letzten Ölung auch in Bezug auf die Heilung eines Patienten hatte, sagte: „Los jetzt, Freunde! Hebt ihn auf, und lasst uns gehen.“ Trotz der Bitten des armen Kerls, ihn auf der Straße liegen zu lassen, fassten seine Kameraden ihn an und versuchten, ihn auf die Füße zu stellen. Befehl von Johnny war offenbar Befehl. Nun trat der Neuling von Polizist in Tätigkeit: „Lasst ihn in Ruhe!“ schrie er. „Seht ihr denn nicht, dass er ganz besoffen ist?“
Aber niemand brachte Johnny weg. Blitzschnell fuhr seine Hand in die Tasche, und in diesem Augenblick war der Neuling von Polizist dem Tod näher als der verwundete Gangster. Aber Kirche und Staat arbeiteten wenigstens diesmal zusammen, und zwar sehr zum Vorteil des Staates. Ich fasste nach Johnnys Arm, da ich wusste, dass ein Priester vor ihm sicher war. „Lass ihn los, Johnny“, sprach ich zu ihm, „du wirst so schon genug Schwierigkeiten haben.“ Einen Augenblick zögerte er und starrte mich an, während ich ein tolles Gefühl im Magen hatte. Dann sagte er: „O.K., Hochwürden.“ Der gefährliche Augenblick war vorbei. Kurz darauf kam der Krankenwagen und zugleich auch Polizeiverstärkung. Johnny und seine Freunde mussten einsteigen, um auf der Polizei vernommen zu werden.
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16. Verwerfung
1. Die Trennung vom Gott der Liebe.
Der bekannte Volksmissionar P. G. Patiß SJ legte einmal bei einer Volksmission in der Predigt über das Letzte Gericht in ergreifender Weise das Urteil des ewigen Richters über die Verworfenen (Mt 25,41) aus: „Hinweg von mir!“ Er erklärte, was alles darin liege, von Christus verstoßen zu werden, und wie der Mensch da verliere, was immer ihm zum Heil sein könnte. Es gebe dann für ihn keine Gnadenmittel der katholischen Kirche mehr, keinen Schutz der heiligen Engel, keine Fürbitte der Heiligen, keine Liebe und Erbarmung der Gottesmutter. Zuletzt rief er, selbst tief erschüttert, mit ergriffener Stimme aus: „Und ach, kein Herz Jesu mehr!“ Da brach unter den Zuhörern ein so allgemeines, lautes Schluchzen aus, dass der Bußprediger eine Weile innehalten musste. Alle fühlten die Wucht dieses Wortes: „Kein Herz Jesu mehr!“ Nach der Predigt ging der Pater in den Beichtstuhl. Da kam ein armer Sünder, der jahrelang in den Ketten der Sünde gefangen war und legte unter Tränen eine reumütige Lebensbeichte ab. Nach der Beichte fragte der Missionar, was ihn denn dazu bewogen habe, umzukehren. Der arme Sünder antwortete: „Ich habe soeben Ihre Predigt über das Letzte Gericht gehört. Alles andere hat mich kalt gelassen; aber als Sie sagten: „Ach, kein Herz Jesu mehr!“, da ging es mir wie ein Stich durchs Herz. O Pater! Kein Herz Jesu mehr, das wäre ja zum Verzweifeln!“
2. Die Trennung von der Gemeinschaft der Guten.
Ein Mann, der sein Leben lang Freigeist und Gottesleugner gewesen war, der Franzose Delauro-Dubez, hat seine in seinen alten Tagen erfolgte Bekehrung in der Einleitung zu seinem apologetischen Werk „Der bekehrte Atheist“ selbst beschrieben: „Ich hatte bereits 64 Jahre im Unglauben verlebt, als ich während eines Aufenthaltes zu Montpellier auf einem einsamen Spaziergang in der Umgebung dieser Stadt meine Gedanken – ich weiß nicht durch welchen geheimen Zug veranlasst – den seligen Tagen meiner Kindheit zuwendete, wo meine gute Mutter noch lebte und mir als schützender Engel zur Seite stand. Mit Herzensfreude und tiefer Rührung dachte ich an die Verstorbene, und die auffallendsten Züge ihres schönen, ganz der Liebe und Mildtätigkeit geweihten Lebens zogen an meinem Geist vorüber. Es war mir, als sähe ich sie noch die Kranken und Gefangenen trösten, die Tränen der Weinenden trocknen, den Bedürfnissen verschämter Armen abhelfen, sich selbst vergessend, den Dürftigen, die sie als ihre gemeinsame Mutter betrachteten, Kleider und Mundvorräte mitteilen, die für die Familie bestimmt waren. Wie süß waren die Tränen, die ich bei dieser Erinnerung an meine zu früh verstorbene Mutter vergoss! Aber als ich hierauf einen Blick in mein Inneres warf, wie ganz anders wurde mir da zumute. Gewissensbisse erfüllten mein Herz mit Bitterkeit, und trostlose Gedanken verwirrten meinen Geist. O beste Mutter! - sprach ich bei mir selbst - sollte wirklich die selige Ewigkeit, von der du mir so oft gesprochen, für dich schon begonnen haben? Und ich, sollte ich meiner ungläubigen Gesinnung wegen ewig verdammt, ewig von dir getrennt werden? Sollte ich für immer und ewig gezwungen sein, Gott zu lästern und zu verfluchen, der dein Verdienst anerkannt und, als der unendlich Gerechte, mit einer Seligkeit ohne Maß und Grenzen belohnt hat? Ganz in diese Gedanken versunken, hatte ich mich, ohne es zu bemerken, der Seminarkirche genähert. Gleichsam wider Willen warf ich mich vor dem Gitter, das den Vorraum vom Schiff trennt, auf die Knie und betete laut: O Gott meiner Mutter! Wenn du wirklich bist, wenn du, wie sie mir sagte, die höchste Wahrheit, Weisheit und Güte bist, wenn du mich für dich geschaffen hast und das redliche Verlangen eines unglücklichen Herzens kennst, so bitte und beschwöre ich dich, reiche mir deine allmächtige Hand, offenbare dich deinem Geschöpf, sei ihm Licht und Leben, zeige ihm den Weg, auf dem es zu dir gelangen kann. Meine Aufregung war außerordentlich. Reichlich flossen meine Tränen. Nach einigen Augenblicken wurde es in meiner Seele wieder ruhig, und ich stand auf mit dem aufrichtigen Entschluss, redlich nach der Wahrheit zu forschen.“ Delauro fand die Wahrheit, umfasste sie mit gläubigem Herzen und legte in der Folge durch Wort und Schrift, durch Tat und Leben Zeugnis für sie ab.
3. Für immer verstoßen.
Das althochdeutsche Muspilli-Lied schließt seinen ersten Teil von den letzten Dingen des Menschen mit den ernsten Worten: „Weh dem, der in Finsternis muss seine Frevel büßen / brennen im Feuer: das ist schreckliches Los: / Dass der Mensch ruft zu Gott und ihm keine Hilfe kommt. / Es hofft auf Gnade die unselige Seele / doch nicht steht sie in Erinnerung beim himmlischen Gott. / Denn hier in der Welt hat sie nicht darnach gewirkt.“
(Aus: Homiletisches Handbuch, Anton Koch, 1950, Band 11, Seite 448)
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17. Vision von Papst Leo XIII.
Genau 33 Jahre auf den Tag genau, vor dem Sonnenwunder in Fatima, das heißt, am 13. Oktober 1884, hatte Papst Leo XIII. eine bemerkenswerte Vision, während er eine Messe zelebrierte. Er stand für ca. 10 Minuten wie in Trance da, sein Gesicht wurde fahl und grau. Danach ging er in sein Arbeitszimmer und verfasste ein Gebet zum Hl. Erzengel Michael:
Papst Leo XIII.:
Heiliger Erzengel Michael,
beschirme uns im Kampf,
schütze uns gegen die Bosheit
und die Nachstellungen des bösen Feindes.
Ihm möge Gott gebieten,
so flehen wir inständig.
Du aber, Fürst der himmlischen Heerscharen
wollest den Satan und alle andern bösen Geister,
welche zum Verderben der Seelen in der Welt umhergehen
mit Gottes Kraft in die Hölle hinabstoßen. Amen.
Auf die Frage, was denn geschehen war, erklärte er, dass er zwei Stimmen gehört habe, die aus der Richtung vom Tabernakel kam. Die eine Stimme war sanft und die andere war rau und hart. Er hörte folgendes Gespräch:
Die Stimme Satans prahlte mit seinem Stolz zu unserem Herrn: "Ich kann Deine Kirche zerstören."
Die sanfte Stimme des Herrn: "Du kannst? Dann gehe und tue es."
Satan: "Um das zu tun, brauche ich mehr Zeit und Macht."
Unser Herr: "Wieviel Zeit? Wieviel Macht?"
Satan: "75-100 Jahre, und mehr Macht über diejenigen, die sich meinem Dienst unterwerfen."
Unser Herr: "Du bekommst diese Zeit, und diese Macht."
Eine der ersten Änderungen des Zweiten Vatikanischen Konzil, war die Streichung des Gebetes zum Hl. Erzengel Michael im Jahr 1964. Es war das 80. Jahr des Teufels.
Exorzismus gegen Satan und die abtrünnigen Engel auf Anordnung Leo XIII. (Aus dem Rituale Romanum von 1903.):
"Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen."
Psalm 67
"Es erhebe sich Gott, auf dass seine Feinde zerstreut werden, und die ihn hassen, vor seinem Antlitz fliehen. Wie der Rauch zergeht, so mögen sie zergehen; wie Wachs vor dem Feuer zerfließt, so mögen die Sünden vor Gottes Angesicht vergehen."
Psalm 34
"Richte, o Herr, die mir Unrecht tun; bezwinge, die wider mich kämpfen. Beschämt und zu Schanden werden mögen, die mir nach dem Leben trachten. Es mögen zurückweichen und zuschanden werden, die wider mich Böses sinnen. Sie mögen werden wie Staub vor dem Wind und der Engel des Herrn bedränge sie. Ihr Weg sei finster und schlüpfrig und der Engel des Herrn verfolge sie. Denn ohne Ursache haben sie mir heimlich ihre verderbenbringenden Fallstricke gelegt, haben mir Schmach angetan ohne Ursache. Es komme unversehens über jenen der Fallstrick; und das Netz, das er heimlich gelegt, fange ihn; in seine eigene Schlinge möge er stürzen. Meine Seele aber wird in dem Herrn frohlocken und sich über seine Hilfe freuen. Ehre sei dem Vater und dem Sohne und dem Hl. Geiste, wie es war im Anfang, so auch jetzt und allezeit und in Ewigkeit. Amen."
Gebet zum hl. Erzengel Michael
"O glorreichster Fürst der himmlischen Heerscharen, hl. Erzengel Michael, beschütze uns in dem Kampfe und furchtbaren Streite, welchen wir gegen die Oberherrschaften und Mächte, wider die Beherrscher der Welt in dieser Finsternis, gegen die bösen Geister zu bestehen haben. Komme zu Hilfe den Menschen, welche Gott unsterblich erschuf, nach seinem Bilde und Gleichnis gestaltete und um teuren Preis aus der Tyrannei des Teufels erlöst hat. Schlage heute mit dem Heere der hl. Engel die Schlachten des Herrn, wie du ehedem gegen Luzifer, das Haupt der Stolzen, und gegen die abtrünnigen Engel gekämpft hast, welche ohnmächtig waren, dir Widerstand zu leisten, und für die es keine Stätte mehr im Himmel gab. Ja, dieses Ungeheuer, diese alte Schlange, welche Teufel und Satan genannt wird, welcher die ganze Welt verführt, ward mit seinen Engeln in den Abgrund gestürzt.
Doch siehe, dieser alte Feind und Menschenmörder hat sich übermütig wieder erhoben. Er hat sich in einen Engel des Lichtes verwandelt und schweift mit der ganzen Schar der bösen Geister umher, um des ganzen Erdkreises sich zu bemächtigen und den Namen Gottes und seines Gesalbten daraus zu vertilgen; um zu rauben, zu morden, in das ewige Verderben zu stürzen die Seelen, welche zur Krone der ewigen Herrlichkeit bestimmt sind. Dieser böswillige Drache ergießt wie ein ganz schmutziger Strom über die Menschen, deren Verstand schon wüste und deren Herz verdorben ist, das Gift seiner Bosheit, den Geist der Lüge, der Gottlosigkeit und Lästerung, ja den Pesthauch der Unkeuschheit und aller Laster und Missetaten. Feinde voll Arglist haben die Kirche, die Braut des unbefleckten Lammes, mit Bitterkeit überhäuft und mit Wermut betränkt; ruchlos haben sie die Hände nach ihren heiligsten Besitztümern ausgestreckt. Selbst an der geweihten Stätte, wo der Sitz des hl. Petrus und der Lehrstuhl der Wahrheit als Leuchte der Welt errichtet ward, haben sie den verabscheuungswürdigen Thron ihrer Gottlosigkeit aufgeschlagen mit dem unseligen Plan, den Hirten zu schlagen und die Herde zu zerstreuen.
Auf denn, o unbesiegtester Fürst, eile dem Volke Gottes zu Hilfe gegen das Anstürmen der verworfenen Geister und verleihe uns den Sieg. Dieses Volk verehrt dich ja als Schützer und Patron; in dir als in seinem Verteidiger gegen die boshaften Mächte der Hölle rühmt sich die hl. Kirche; dir hat Gott die Seelen anvertraut, um sie in die ewige Seligkeit zu führen. Ach, bitte doch den Gott des Friedens, auf dass er den Teufel besiegt unter unsere Füße lege, und jener die Menschen nicht länger in seiner Sklaverei festhalten und der Kirche nicht mehr schaden könne. Bringe du vor das Angesicht des Allerhöchsten unsere Gebete, auf dass die Erbarmungen des Herrn uns bald zuvorkommen; bemächtige dich des Drachen, der alten Schlange, welche der Teufel und Satan ist, und stoße ihn gefesselt in den Abgrund zurück, damit er nicht mehr die Völker verführe. Amen.
Vertrauend auf deine Hilfe und deinen Schutzkraft der Autorität der hl. Mutter Kirche – und in sicherem Vertrauen auf den Namen Jesu Christi, unseres Gottes und Herren, schreiten wir zum Kampf, um die Angriffe teuflischen Betrugs abzuwehren.
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18. Voltaire
Die letzten Tage und das Sterbebett eines Gottesleugners
In einem vor kurzem in Paris erschienenen Buch von Friedrich Lochèvre werden die letzten Tage des Gottesleugners und Seelenmörders Voltaire in wahrhaft furchtbarer Weise geschildert. Der offenbar sehr gut unterrichtete Verfasser erzählt folgendes:
Nachdem Voltaire am 10. Februar 1778 von seinem Landgut Fernay in der Schweiz zurückgekehrt war, begann seine Vergötterung in dieser sittenlosen Stadt.
Er nahm seine Wohnung im Hotel de Villette, wo ihn seine Nichte, Madame Denis und Herr von Villette, der als sein Sohn allgemein bekannt war und dem jedes sittliche Gefühl abging, empfingen. Jetzt wurde das Haus der Villettes der Mittelpunkt von Paris. Die vornehme Welt strömte herbei, um dem Philosophen ihre Bewunderung zu zollen. Auch das mehr gewöhnliche Volk begehrte dem "berühmten" Mann zu sehen. Die Pariser Akademie schickte Abgeordnete zu seiner Begrüßung. Franklin und sein Enkel besuchten ihn, und der letztere bat ihn kniend - um seinen Segen. Doch war das Ausbleiben des Königspaares und der königlichen Prinzen, die er bestimmt erwartet hatte, eine bittere Enttäuschung für ihn.
Madame Denis, die als Universalerbin ihres Onkels galt und Herr von Villette waren stolz auf die bedeutende Rolle, die sie zu spielen wähnten - Da ihr Name überall bekannt war und ihr Salon nicht leer wurde, dachten diese kleinen Geister, dass ein guter Teil der Verherrlichung ihres Gastes auch für sie bestimmt sei. Daher widersetzten sie sich dem Dr. Trouschins, Voltaire müsse auf sein Landgut Fernay zurückkehren.
Am 25. Februar hatte Achtzigjährige ein heftiges Blutspeien. Ganz erschüttert davon strömte alles herbei. Das Zimmer füllte sich mit vornehmen Besuchern. Man glaubte den Tod nahe und wollte gern dabei zugegen sein. Aber der Greis erholte sich wieder und konnte nach einer Woche das Bett verlassen. Den Rat des Arztes, noch jetzt in Fernay Ruhe zu suchen, wies der nach Vergötterung dürstende Alte zurück. Hierin bestärkten ihn seine Gastgeber. Mit neuen Huldigungen ließ er sich überhäufen. Um der Welt zu zeigen, dass er sich wohl befinde, musste er allerlei geistreiche Worte prägen, die dann von Mund zu Mund die Runde machten.
In Wirklichkeit aber stand Voltaire am Ende seiner Laufbahn. Um die Lebensgeister in etwa aufrecht zu erhalten, nahm er seine Zuflucht zu starkem Kaffee, der aber, übermäßig genossen, die verhängnisvollsten Wirkungen hervorbrachte. Der Schlaf verließ ihn und er geriet bald in die traurigste Stimmung, bald in die größte Aufregung, in der er häufig seine Umgebung mit Stockschlägen traktierte. Man konnte den "großen Mann" kaum mehr seinen Verehrern zeigen und doch musste das immer wieder geschehen. - Eines Tages - es war schon Mai geworden - schlug der alte Hofmarschall von Richelien ein Geheimmittel vor, das er selber einzunehmen pflegte, um die Kräfte neu zu beleben. Eine Dame, die davon kostete, verbrannte sich die Zunge und erkrankte. Voltaire wies es von sich, aber man riet ihm an, doch einige Tropfen zu nehmen. Endlich griff er unwillig zu dem Fläschchen und leerte es in einem Zug. Die Folge davon war, dass er zwei Tage vollständigem Wahnsinn anheimfiel.
Die Beschreibung des mehrere Tage anhaltenden Todeskampfes des einsamen, verzweifelnden Greises, dem selbst die notwendigste Verpflegung fehlte, ist erschütternd. - Wohl drängen sich draußen noch immer die Besucher, die im Flüsterton ihre Gedanken austauschen und meinen, dass der Kranke die liebevollste Versorgung genieße; wohl füllen elegante Damen und Herren die Aufgänge und Salons des Hauses, um zu sehen und gesehen zu werden, aber der alte, todkranke Voltaire liegt verlassen in einer engen Kammer und krümmt sich in seinen Schmerzen.
Madame Denis, eine übrigens abstoßende Figur, hat nur eine Sorge, nämlich die Briefe aufzufangen, die Voltaire dann und wann noch seinem Sekretär diktiert. Sie fürchtet, ihr Onkel möchte noch eine Veränderung anbringen - in seinem Testament. Im übrigen bekümmert man sich wenig um ihn. Vor der Außenwelt wird sein Zustand verschwiegen und diese glaubt, sein unerschütterlicher Humor sei noch immer derselbe. Der Sekretär Voltaires, Wagnière, vielleicht der einzige, der noch etwas Mitgefühl mit ihm hatte, berichtet, dass er Zeuge der abstoßendsten Szenen war.
In dem Zimmer des Todkranken herrschte oft ein Leben, wie wenn eine Rotte Betrunkener oder aneinander geratener Raufbolde zusammen wären. Man achtete weder auf die Vorschriften des Arztes, noch auf die flehenden Bitten des Sterbenden, ihn doch nicht zu töten.
Einem Besucher aus Genf Namens Rakle glückte es, das Zimmer Voltaires zu betreten. Er sah den alten Mann vor Kälte zitternd ganz allein und ohne jegliche Hilfe aus dem Bett steigen, während er laut klagte über die geringe Sorge, die man ihm schenkte.
Rakle schreibt: "Ich müsste fürchten, des Betruges und der Lüge bezichtigt zu werden, wenn ich erzählen wollte von der grässlichen Verlassenheit und dem jämmerlichen Zustand, in dem Herr Voltaire sich die letzten zwanzig Tage seines Lebens befand. Das Herz möchte vor Entsetzen stillstehen."
Von seinem Arzt, dem er die Hand drückt mit der Bitte, doch zu verhindern, dass er sterbe, verlangt er einen Nervenarzt. "Haben Sie Mitleid mit mir, ich bin wahnsinnig. Ach, hätte ich Ihren Rat befolgt, so wäre ich jetzt nicht in diesem entsetzlichen Zustand; dann wäre ich nach Fernay zurückgekehrt, und mein Kopf wäre nicht durch das Gift rasend geworden; denn ich habe nichts als Wahnsinn getrunken."
Vor seiner Umgebung hatte Voltaire einen großen Abscheu.
Madame Denis kommt nicht mehr auf das Zimmer ihres Onkels. Man hat eine Frau Roger als Pflegerin angenommen und ihr den Auftrag gegeben, gut acht zu geben auf - die Gotteslästerungen, in die der "Apostel der Aufklärung" ausbricht, damit, falls die Mitglieder der Familie den Wunsch äußern sollten, ihn kirchlich beerdigt zu sehen, dieser um so leichter zurückgewiesen werden könne.
Voltaire empfängt seine Wärterin oft mit Stockschlägen und wirft alle möglichen Gegenstände nach ihrem Kopf. Immer aufs neue bricht er aus in Schimpfen und Fluchen, und man bewundert "den Reichtum der Worte und die geniale Gewalt seiner Wut". Er heult vor Schmerzen. Das Feuer verzehrt ihn; sein Leib ist wie durch innere Flammen verbrannt; er verlangt nach einem Eisbad. Bloß liegt er auf dem Bett, da sein glühender Körper auch die geringste Berührung nicht mehr vertragen kann. Er beschmutzt sich selbst auf die scheußlichste Weise.
Samstag, den 26. Mai, am Sterbetag Voltaires, kamen die Ärzte Lorry und Thierry um 10 Uhr abends. In dem Zimmer des Sterbenden fanden sie niemand. Selbst die Bedienten hatten ihn verlassen. Voltaire lag bewegungslos da. Einer der Ärzte nahte ihm mit einer Kerze in der Hand und rieb ihm kräftig die Schöäfen. Der Sterbende öffnete die Augen und lispelte: "Lasst mich sterben!" Einige Augenblicke danach stieß er ein fürchterliches Gebrüll aus, so entsetzlich, dass Frau Roger vor Schreck zu sterben meinte, während eine andere Wärterin in eine Krankheit fiel, die drei Monate dauerte.
Trouchin selbst, der gerade eintrat als Voltaire starb, sagte: "Welch ein Tod! Ich werde mein Leben lang mit Entsetzen daran denken!"
Das war das Ende des Religionsfeindes.
(Quelle: Leo, Sonntagsblatt für das katholische Volk, 9. Juli 1911, 34. Jahrgang, S. 223)
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