Lieder und Gedichte 4

 

Sollt` ich meinem Gott nicht singen?

Sollt` ich Ihm nicht dankbar sein?

Denn ich seh` in allen Dingen

Wie so gut Er`s mit mir meint.

 

Ist doch nichts, als lauter Liebe,

Was Sein treues Herze regt,

Das ohn` Ende hebt und trägt,

Die in Seinem Dienst sich üben!

Alles Ding währt seine Zeit;

Gottes Lieb` in Ewigkeit.

 

 

Inhalt:

 

1. Neujahr

2. Es ist ein Gott!

3. Der heilige Name Jesus!

4. Zur heiligen Familie von Nazareth

5. Der Ruf des Herrn

6. Früher Tod

7. Mariä Lichtmess

8. Trübe Tage

9. Die Tonkunst

10. Am Fronleichnamstag

11. Waldesrauschen

12. Das Muttergottesbild

13. Die sieben Worte Jesu am Kreuz

14. Aschermittwoch

15. Das Verlangen

16. Karl Borromäus

17. Der gute Hirt

18. Lobgesang der drei Jünglinge

19. Der Bettler und sein Kind

20. Fastenzeit

21. Die erste Kommunion der Kinder

22. Frühlingsstürme

23. Des Bettlers Leiche

24. Liebe zu Jesus im allerheiligsten Sakrament

25. Zum heiligen Joseph

26. Kanzone an die heilige Jungfrau

27. Zum Fest Mariä Verkündigung

28. Abendbetrachtung einer alten Witwe

29. Die Mutter und ihr Kind

30. Der Kreuzweg im Wald

31. Göttliches in uns

32. Das Himmelsglöcklein

33. O Haupt voll Blut und Wunden

34. Morgenliedchen

35. Palmsonntag

36. Abraham und der Götzendiener

37. St. Hermann Joseph

38. Ostern!

39. Der arme Greis

40. Das Buch ohne Buchstaben

41. Ave Maria Geläute

42. Todesseufzer

43. Der Tag der ersten heiligen Kommunion

44. Der heilige Wenzeslaus

45. In der Zelle

46. Weißer Sonntag

47. Die Stimme von Golgatha

48. An Maria - Am Morgen - Am Abend

49. Frühling

50. Maria betrachtet das schlafende Jesuskind

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1. Neujahr

 

 Ein Jahr ist verronnen im Strome der Zeit,

Und das neue zog im Triumphe schon ein.

Was hält es den Adamskindern bereit,

Die rings ihrer Freude nur Ausdruck verleih`n?

Hier frohes Wünschen, hier Hoffen und Wagen,

Dort sonnige Träume von besseren Tagen!

Und könnte dies alles verwirklicht werden:

Die Welt wäre nicht länger voll Leid und Beschwerden.

 

Doch die nächste Zeit die Enttäuschung schon bringt:

Reich bleibt an Dornen der Lebenspfad,

Drauf mühsam der Sterbliche weiter sich ringt,

Und kärglich nur erntet gestreute Saat.

Nach irdischem Glück der Sinn nur hascht,

An verderblichen Gaben der Weltlust er nascht;

So irret das Herz durch das Treiben hienieden,

Es suchet, es hofft - und nirgends ist Frieden.

 

Und Leid und stete Enttäuschung uns lehrt,

Dass Glück und Frieden im Staube nicht weilt,

Nur Trug ist`s, was diese Welt uns beschert,

das Traumbild der Freude zu bald nur enteilt. -

Was rät uns der Heiland? - "Befleißiget euch,

Mit Eifer zu finden das göttliche Reich,

Und seine Gerechtigkeit anzustreben:

Das übrige wird euch hinzugegeben!"

 

R. Grein

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2. Es ist ein Gott!

 

Du suchest Gott, du Tor, und fandest seine Spur

Noch nicht im großen Wundergarten der Natur?

Kommt er nicht Tag für Tag auf allen deinen Wegen

Mit seiner Weisheit, Macht und Güte dir entgegen?

Sagt nicht der Sonne Pracht, der Sterne heller Schein,

Des Mondes Glanz: Es muss ein Gott und Schöpfer sein?

 

Musst du, wenn Berg und Tal von Sturm und Donner hallen,

Demütig nicht vor Gottes Größe niederfallen,

Und wenn in wilder Wut die Elemente toben,

Schaut dann dein Auge hilfesuchend nicht nach oben?

So kündet dir der Vögel Sang, der Blumen Duft

Und Meer und Land und Feuer, Licht und Luft,

Des Tieres Stärke und des Menschen Majestät:

Es ist ein Gott, der ewig war und nie vergeht!

 

Und schlägt dir nicht der Weltgeschichte weiser Lauf

Das große Buch vom ew`gen Dasein Gottes auf?

Hat Gott nicht einstens Griechenland und Rom berufen,

Dass sie als Herr`n der Welt so Großes, Schönes schufen

Und - konnten sie als Heiden auch es selbst nicht ahnen -

Der Kirche Christi schon die Wege mussten bahnen,

In der sich so unendlich hehr und wunderbar

Stellt Gottes Sein und unsichtbares Walten dar?

 

Drum glaub` an ihn und seiner Allmacht große Werke,

Und preise mit den Engelchören seine Stärke

Mit kindlich-frommem Sinn und gläubigem Vertrauen,

Bis einst ihn selbst du kannst bei seinen Heil`gen schauen,

In Himmelshöh`n genießen seine Herrlichkeit,

Die immer war und ist und bleibt für alle Zeit,

Und bis dein Glaube dir nach dieses Lebens Not

Zur sich`ren Wahrheit wird: Es lebt ein ew`ger Gott!

 

Frz. Clute-Simon

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3. Der heilige Name Jesus!

 

Es jagt die Menschheit in törichtem Wahn,

Ein flüchtiges Trugbild von Frieden und Glück, -

Ein jeder stürmt seine eigene Bahn

Und kehret enttäuscht und mutlos zurück!

Das Heil, es wohnt nicht im wilden Genießen,

Dem Staube kann kein Segen entsprießen,

Wer diesen in Wahrheit zu finden begehret,

Der höre, was der Apostel uns lehret.

 

Der spricht: "In keinem andern ist Heil,

Kein anderer Name gegeben ist;

Und durch keinen wird Segen den Menschen zuteil,

Als durch Jesu Namen, den niemand ermisst."

Erwägen wir, was dieses Wort uns sagt;

Es weist aus des Weltlaufs sündige Nacht

Nach aufwärts, wo in den himmlischen Fernen

Der Name uns strahlet über den Sternen.

 

O folgen wir stets seinem himmlischen Licht!

Wohl strahlt es hienieden auf Prüfung und Leid,

Doch stärkende Labsal uns nimmer gebricht,

Im rastlos wogenden Erdenstreit,

Der Name Jesus, er leuchtet voran

Auf steiler, dorniger Pilgerbahn,

Das sicher ans ewige Ziel wir dringen,

Im Kampf uns die himmlische Palme erringen.

 

R. Grein

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4. Zur heiligen Familie von Nazareth

 

Hinweg von dem argen Getriebe der Welt,

Die der arglosen Seele nur Netze stellt,

Um Frieden zu finden, zu euch jetzt flieh`n,

O Jesus, Maria und Joseph, wir hin.

O würdigt uns, ganz euer eigen zu sein,

Die gläubig in euern Schutz wir uns geben

Und Leben und Denken und Wandel euch weih`n:

O bleibet uns Leuchten fürs Pilgerleben!

 

Denn den irdischen Pfad rings Dunkel umhüllt;

Und das Lebensbild voll Prüfung und Leid

Zu bald nur die Seele mit Bangen erfüllt

Und lässt sie ermatten im guten Streit.

Drum lasset, wenn Unheil uns wild bedroht,

Auf euer gläubiges Wallen uns schauen,

Da finden wir Trost in Betrübnis und Not,

Und es stärket die Seele ein neues Vertrauen.

 

Und windet der Weg auch durch Dunkel sich noch:

Einst tagt uns ein Morgen, der nimmer enteilt;

Da schwindet das irdische Sündenjoch

Und alle Wunden werden geheilt.

O Jesus, Maria und Joseph, wir flehn:

Lasst treulich an eurer Hand uns stets schreiten,

Dass einst die ewige Freude wir sehn

Nach dieses Daseins bewegten Zeiten.

 

R. Grein

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5. Der Ruf des Herrn

 

Wie war das Leben so öde und kalt,

Wozu all das Hasten und Jagen

Nach Gold und Ruhm und Genuss, um bald

Den Todeskeim in sich zu tragen.

 

Wie war der Wille so todesmatt

Nach all den Kämpfen und Wunden,

Nachdem er sich selbst verloren hat,

Wie könnte er wieder gesunden.

 

Wie war die Seele so dumpf und schwer

Von Nacht und Wirrnis umfangen,

Wie war der Himmel so sternenleer,

So trostlos mit Wolken verhangen.

 

Da sah ich die Wahrheit vor mir stehn

In schimmerndem Strahlengewande,

So lichtvoll und geistig, so wunderbar schön

Wie aus himmlischem Heimatlande.

 

Sie sprach: Komm, willst du nicht folgen mir?

Lass mich dein Leben gestalten.

Doch dich selbst und dich ganz verlang ich von dir,

Sonst kannst du mein Glück nicht erhalten!

 

Ein Leuchten ging da durch die Seele mir

Und ein neues Schaffen und Streben -

Vollende, o Herr, die Richtung zu dir,

Die Richtung zum ewigen Leben.

 

H. J. Laris

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6. Früher Tod

 

Sie sind dahin, der Jugend schöne Träume,

Bald ist es aus, mein Leben, kurz und karg.

Noch Tage bleiben mir, nur leere Schäume,

- - Dann schließt sich dröhnend über mir der Sarg.

 

Nicht hadern will ich mit des Schicksals Lose,

Nicht klagen über mein verfrüht` Geschick.

Zu Gott, der weise aus der Zeiten Schoße

Die Gaben streut, erheb` ich meinen Blick.

 

Er gab mir Leben, - ihm gehört das meine.

In seine Hände geb` ich`s froh dahin.

Mit ihm versöhnt, der für uns gab das seine,

Ist Sterben Süßigkeit und Tod Gewinn.

 

Ich bin bereit - - des Körpers Kräfte schwinden.

Doch meine Seel`, geläutert, klar und rein,

Wird bald das Glück, den Himmelsfrieden finden,

Wird bald verklärt bei ihrem Gotte sein.

 

Wilhelm Schaefer

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7. Mariä Lichtmess

 

Zum Tempel gehest, o Reinste, du ein?

Willst sündigen Frauen denn gleich du sein,

Wie sie das Opfer entrichten?

Den Sündern ist jene Vorschrift gesetzt;

Doch dich, die vom alten Leid nicht verletzt,

Kann nimmermehr sie verpflichten.

 

Doch solches Erwägen nicht ab dich hält, -

Was dort im Gesetze ist aufgestellt,

Es ward von Jehova gegeben.

Ihm hast du dich ganz im Gehorsam geweiht

Und seinem Dienst für die Pilgerzeit

Gewidmet dein sündloses Leben.

 

Da ficht dich die Meinung der Welt nicht an;

Du schreitest der Pflicht bezeichnete Bahn,

Um ganz nur Gott zu gefallen.

O hilf drum, dass unser Trachten auch sei

Von nichtiger Menschenfurcht gänzlich frei

In diesem irdischen Wallen!

 

Ein Sehnen ziehet nach droben das Herz;

O, weise die Pfade ihm himmelwärts,

Zeig ihm, wo der Frieden zu finden,

Hilf, dass unsern Wandel dem Höchsten wir weih`n;

So zieh`n nach dem Streit wir zur Freude einst ein,

Dort ewig dein Lob zu verkünden.

 

R. Grein

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8. Trübe Tage

 

Nur Stille mich umringet,

Sein Zepter lähmend schwinget

Der Winter im Reich der Natur;

In düsterm Todes-Verzagen

Die laublosen Bäume ragen,

Und eisige Stürme jagen

Vernichtend durch Felder und Flur.

 

Vor ihrem eisigen Toben

Verhüllt die Sonne droben

Wie trauernd das Angesicht, -

Da fällt belebend milde

Kein Strahl auf das öde Gefilde:

Durch schwarze Wolkengebilde

Kaum flüchtiger Glanz sich bricht.

 

Mir ist`s, als müsst in dem Grauen

Ein Bild des Daseins ich schauen;

Dem Freude selten nur lacht,

Nur Leidenswogen da brausen,

Der Drangsal Stürme sausen

Und stürzen die Seele in Grausen

Und banger Verzagtheit Nacht.

 

Es hat das alles indessen

Die Allmacht uns zugemessen

Und uns zum Wohle verhängt.

So ruft sie vom Pilgertale

Durch Schmerz uns zum himmlischen Saale,

Wo mit verklärendem Strahle

Der ewige Lenz uns umfängt.

 

R. Grein

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9. Die Tonkunst

 

Geist, der durch die Saiten waltet,

Und, vom leisesten Entsteh`n

Schwellend zum Accord entfaltet,

Uns die tiefste Welt gestaltet,

Geist, wer schuf dein heil`ges Weh`n?

Was zu Gott mich oft erhoben,

Oft der Leidenschaften Toben

In der wilden Brust gestillt,

Wär`, aus eitlem Hauch gewoben,

Nur des Nichtssein Dämmerbild?

 

Nein, dich hat die ew`ge Liebe

Zu den Sterblichen gesandt,

Dass im rauhen Weltgetriebe

Uns die süße Ahnung bliebe

Von dem schönen Vaterland.

Jeder Ton, der uns durchdrungen,

Ist aus heil`gem Quell entsprungen

Und aus ew`gen Harmonien,

Und erhellt die Dämmerungen,

Die die Heimat uns entziehen.

 

Harmonie, du Band der Sphären,

Schöpferin des ew`gen Lichts,

Hohe, deren Wink zu ehren,

Tausend Sonnen sich verklären

Aus dem Schoß des dunkeln Nichts,

Heilige, die jedem Fehle,

Dass nur Gleiches sich vermähle,

Die geweihte Kette schließt,

Glorie der reinen Seele,

Harmonie sei mir gegrüßt!

 

Dir gehorcht die schwarze Welle,

Wenn der Sturm die Flügel schwingt,

Dir der Tanz am Wiesenquelle,

Ruh` und Kampf und Nacht und Helle

Folgen, wenn dein Scepter winkt.

Wo der Schöpfung Pulse beben,

Darf kein Misslaut sich erheben;

Auf geheimnisvoller Spur

Schmilzt der Kräfte Widerstreben

In den Einklang der Natur.

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10. Am Fronleichnamstag

 

Schmücket festlich heut` die Hallen,

Denn ein König ziehet ein;

Lasset bunte Fahnen wallen,

Festlich zieh`n die frohen Reih`n,

Kränze schmücken die Altäre;

In der Glocken Feierklang,

Dass sich jedes Aug` verkläre,

Mische sich der Jubelsang!

 

Er, durch Den die Sterne glühen,

Der den Wurm im Staub erschuf,

Vor Dem Cherubime knien,

Horchend Seiner Allmacht Ruf,

Stieg vom Himmel für uns nieder

In der Gnade mildem Strahl,

Brachte uns den Frieden wieder

In dies wüste Erdental.

 

Wo Er wallt, da sprosset Segen,

Jubelt freudig die Natur;

Wo Er tritt, auf allen Wegen

Lässt Er Seiner Liebe Spur;

Ist ein Vater aller Armen,

Tröstet Jeden, der da weint;

Aller will Er Sich erbarmen,

Wie ein liebevoller Freund.

 

Und Er pflanzte eine Blume

Hier auf uns`rer wüsten Au;

In der Liebe Heiligtume

Netzt Er sie mit Himmelstau.

Und die Engel knien schweigend,

Wo die Wunderblume blüht,

Beten, sich zum Staube neigend,

Wo ihr Busen ahnend glüht.

 

Gleich der Lilie in dem Tale,

Dir das Herz mit Sehnsucht füllt,

Wohnet Er im Liebesmahle

Des Altares eingehüllt.

An dem heil`gen Kreuzesstamme

Lodert, glühend immerdar,

Heil`gen Feuers reine Flamme

Auf der Kirche Sühnaltar.

 

Seht, der herrliche Bezwinger

Unsres Feindes ziehet ein;

Er, der hohe Freudenbringer,

Will in unsrer Mitte sein.

Glocken tönen, Lieder schallen,

Blumen streu`n des Siegers Bahn;

Jubelvolle Scharen wallen,

Und die Fahnen geh`n voran.

 

Menschheit, freue dich, erhebe,

Was da fühlet, Jubelton!

Sünder, stehe auf und lebe,

Blicke zu der Gnade Thron!

Und du, Kirche, reich an Gnaden,

Freue dich, du Himmelsbraut!

Alle Wesen sind geladen

Zu dem Quell, der ewig taut.

 

Ed. Michelis

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11. Waldesrauschen

 

Durch des Waldes dunkle Schatten schleicht ein schweigend Todesbangen,

Alles hält mit rauem Arme der Erstarrung Schlaf umfangen,

Ach, das frohe Waldgetümmel ist mit Grabesruh` vertauscht,

Dichtgehäuft das Laub, das welke, unterm Schritt des Wandrers rauscht.

 

Doch, wo blieb es, jenes Rauschen in den grünen Wipfeln droben,

Das dem Lauschenden im Walde froh empor das Herz gehoben?

Zwar der Eiche dürre Zweige sturmgepeitscht hernieder tönen,

Doch es ist erpresstes Ächzen, ist des Sterbens letztes Stöhnen.

 

In des Winters eis`gem Wüten Laub und Strauch und Hälmlein beben,

Was dem Auge hier begegnet, redet von entwich`nem Leben,

Doch der Sonne wärm`re Strahlen zu dem Wald schon Botschaft tragen:

"Bald wird alles neu erwachen in des Lenzes schöneren Tagen."

 

Ist`s mit deinem Lebenspfade anders denn, o Christ, bestellt?

Wild bewegt umrauschen Leiden täglich dich in dieser Welt,

Doch es harret süßer Trost schon nach dem Streit und nach dem Wehe;

Blicke gläubig drum zum Himmel, sprich: Was Gott will, das geschehe!

 

R. Grein

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12. Das Muttergottesbild

 

Wie brennt die Sonne, ach! so heiß!

Wie dürst es mich so sehr!

So seufzt und klagt ein armer Greis,

Ihn drückt die Last so schwer.

 

Er klagt und seufzet müd und schwach:

Die Felsen, ach! sind taub,

Im Abgrund aber rast der Bach,

Und bricht sich selbst zu Staub.

 

Vorüber ist die Jugendlust,

Vorüber Spiel und Scherz;

Das Alter stahl die Kraft der Brust,

Und gab mir Not und Schmerz.

 

Wie lachte einst voll Sang und Klang

Der Berg im Morgenstrahl!

Wie sauer wird mir nun der Gang!

Wie traurig schweigt das Tal!

 

Es geht den steilen Berg hinan,

Und oftmal steht er still,

Es zittert, ach! der alte Mann, 

Er kann nicht, wie er will.

 

Sein Fuß ist wund, und wund sein Herz,

Und hoch der Berg und steil;

An seiner Not, an seinem Schmerz

Nimmt keine Seele Teil.

 

Der Vogel ja versteht ihn nicht,

Der in den Zweigen scherzt;

Es lacht der Rose Angesicht,

Sie weiß nicht, was ihn schmerzt.

 

Von seiner Stirne rinnt der Schweiß,

Auf harten, harten Grund,

Der nichts von Lieb` und Mitleid weiß,

Von Herzen krank und wund.

 

So geht er einsam hin und klagt,

Kein Trost, der fern ihm winkt,

Er klagt, bis ihm die Kraft versagt,

Und stumm er niedersinkt.

 

Er blickt umher verzweiflungsvoll,

Das Herz erstarrt in Weh;

In tiefster Seele bittren Groll

Sagt er der Welt Ade!

 

O wär` ich niemals aufgewacht!

O dass ich ewig schlief!

Verflucht du Unglücksnacht,

Die mich in`s Leben rief.

 

Doch wie er so im Zorne wild

Verzweiflung in sich trinkt,

Da sieht er still ein armes Bild,

Das ihm von ferne winkt.

 

Ihm winkt die Mutter süß und mild,

Das Kindlein in dem Arm;

Es spricht zu ihm das Gnadenbild:

Auch ich war nackt und arm.

 

Auch ich schritt an dem Schmerzenstag

Bergan den heißen Gang,

Als meinem Ohr der Hammerschlag

Vom Kreuz herab erklang.

 

Auch mir erstarb der Klagelaut,

Da ich das Kreuz umschlang,

Und mich, die trostberaubte Braut,

Ein schneidend Schwert durchdrang.

 

O komm zu mir und tröste dich,

Mir ruht dein Heil im Arm;

O blick es an, dann endet sich

Dein bittrer Seelenharm.

 

O sieh, mein Kindlein lächelt dir,

Es winkt dir, nackt und bloß,

O komme, Armer! komm zu mir,

Und nimm es auf den Schoß,

 

Und nimm es in die Arme dein,

Und drück` es an dein Herz,

Dann klagst du nimmer so allein,

Mein Kind hört deinen Schmerz.

 

O zögre nicht, o bleib nicht fern,

Vergesse deinen Groll,

O komm zu deinem Gott und Herrn,

Er ruft dir gnadenvoll.

 

Er nahm das schwere Kreuz auf sich,

Er trägt auch deine Last,

O komm, der Heiland heilet dich,

O komm und sei Sein Gast.

 

Er ladet dich zur Seligkeit

Auf Tabor in das Zelt,

Dort lohnt Er dir in Ewigkeit

Für Leiden dieser Welt.

 

Mein Kindlein harrt voll Ungeduld,

O höre, wie Er spricht:

Ich trag die Last, Ich trag die Schuld,

O komm und zögre nicht!

 

So sprach zu ihm das arme Bild,

Gelindert war sein Schmerz,

Er weinte süß, er weinte mild,

Und Trost durchfloss sein Herz.

 

Er schloss es seinem Heiland auf,

Er schloss Ihn drinnen ein,

Er ging mit Ihm bergab bergauf,

Er ging nicht mehr allein.

 

Den Himmel trug er in der Brust,

Und wenn die Kraft erlag:

Dann dachte er in stiller Lust

An den verheiß`nen Tag.

 

Er dachte an die Seligkeit

Auf Tabor in dem Zelt,

Er dachte an die Flüchtigkeit

Der Leiden dieser Welt.

 

Guido Görres

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13. Die sieben Worte Jesu am Kreuz

 

An dem Kreuze blutbeflecket

Hing mein Heiland ausgestrecket

Voll der Liebe und Geduld. -

Da wo Mörder sterben müssen

Sah ich meinen Heiland büßen

Meiner Sünden große Schuld.

 

Hört Ihn für die Frevler flehen,

Welche spottend um Ihn stehen,

Ihn zu quälen nimmer ruh`n: -

Vater! o vergib die Sünden

Diesen Mördern, diesen Blinden,

Die nicht wissen was sie tu`n!

 

Einen Schächer hör` ich schmähen,

Und den anderen reuig flehen:

Herr! gedenke dorten mein!

Mit unendlichem Erbarmen

Spricht der Heiland zu dem Armen:

Heute wirst du bei Mir sein.

 

Seine Mutter sieht Er ringen,

Und das Schwert ihr Herz durchdringen,

Wie`s verkündet Simeon. - 

Doch, der Mutter der Betrübten,

Und dem Jünger, dem Geliebten,

Hilft noch tröstend Gottes Sohn.

 

Denn Er spricht mit Kindesherzen

Zu Marien voll der Schmerzen:

Mutter! sieh` da deinen Sohn! -

Und zum treuen Jünger blickend,

Ihn mit Himmelstrost beglückend:

Sieh` da deine Mutter! Sohn!

 

O, die ihr vorübergehet

Und den Herrn so leiden sehet,

Denkt was Ihn an`s Kreuz gebracht! -

Wer litt je so große Schmerzen?

Wer trug je in seinem Herzen

Solcher Liebe Übermacht?

 

Bald wird Er das Opfer enden

Und den Blick zum Himmel wenden

Bei der Feinde frechem Spott. - 

Hör`, Er rufet im Erblassen:

Warum hast Du Mich verlassen?

O mein Vater! o mein Gott!

 

Hör` Ihn nun "Mich dürstet" klagen.

O, wer könnt` den Trunk versagen

Ihm, der sterbend ihn begehrt!

Doch nur Essig in dem Schwamme

Wird dem holden Gotteslamme

Und mit Galle nur gewährt.

 

Bei der Menschheit Schwäch` und Blöße

Tröstet Ihn des Opfers Größe

Und Er ruft: Es ist vollbracht! - 

Denn, wonach die Lieb` getrachtet,

Er, das Lamm, ist nun geschlachtet,

Und zerstört der Hölle Macht.

 

Er nur konnte so vollenden; -

Wie wird um sich Alles wenden

Zu des höchsten Gottes Ruhm! -

Sieh`, die Welt ersteht vom Falle,

Und die Völker werden alle

Christi Erb` und Eigentum.

 

Darum spricht Er hoch entzücket,

Eh` Er wird der Welt entrücket:

Vater! nimm Du Meinen Geist! -

Ihn empfehl` Ich Deinen Händen. -

Also will Er das vollenden,

Was des Vaters Lieb` Ihm heißt.

 

Wer ist je so groß gestorben?

Wer hat je so viel erworben,

Für der Menschen wahres Heil? -

O, wir wollen Ihn nun lieben,

Ihn durch Sünde nie betrüben,

Dass Sein Reich uns werd` zu Teil.

 

K. Deutschmann

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14. Aschermittwoch

 

Ein Kreuz von Asche an der Stirn wir tragen;

Es ward von Priesterhand uns aufgedrückt,

Und mahnt des Leidens, das die Allmacht schickt,

In unsers Wandelns sturmerregten Tagen.

 

O tragen wir`s! Nie kann das Herz verzagen,

Wenn es auf seines Heilands Drangsal blickt.

Sein Anblick uns dem Irdischen entrückt,

Und lässt uns freudig eitler Lust entsagen.

 

Was zaudern wir, den Dornenpfad zu schreiten,

Den Jesus selber uns vorausgegangen,

Nach Zornesnacht das Heil uns zu bereiten?

 

Wir schreiten mit dir, Herr, durch Spott und Wehen;

O, lass uns mit dir auch zur Freude gehen

Und gläub`gen Duldens schönen Lohn empfangen!

 

R. Grein

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15. Das Verlangen

 

Lass nennen mich mein innigstes Verlangen,

Ist`s auch, mein Gott und Heiland, viel zu kühn!

Nur Einmal möcht` ich in Entzücken glüh`n,

Und Heil`gen gleich in deinen Armen hangen;

 

Dich schau`n in Deinen rosenroten Wunden,

In jener Schöne, wie Theresia

Und manche Deiner Bräute Dich schon sah,

Dass ihnen Erd` und Himmel ganz entschwunden;

 

Aus deinem Mund der Liebe Worte hören,

Von Dir der heil`gen Liebe Kuss empfah`n,

Dem Feuer Deines Wesens brünstig nah`n,

Und süß ersterbend mich darin verzehren.

 

Nur Einmal höre, Seelenfreund, mein Flehen,

Dann löse des berauschten Geistes Band,

Und lass ihn fliehen in das Wunderland,

Wo Er Dich ewig liebentflammt wird sehen!

 

Pius Zingerle

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16. Karl Borromäus

 

"Nie verlass` ich meine Herde

Ihr hab`t weiter keine Pflicht;

Eilt und rettet euer Leben,

Ich verlasse Mailand nicht."

 

Mutig sprach es Borromäus,

Erzbischof und Cardinal,

Als die Pest zusammenraffte

Grausenvoll der Toten Zahl.

 

Wie ein offnes Grab, voll Schrecken,

Still und leer und angstumspannt,

Lag die Stadt; wer fliehen konnte,

Floh wie aus des Todes Hand.

 

Türe, Fenster sind verschlossen,

Mütter grau`n vor eig`nem Kind;

Rasselnd eilen Leichenwagen,

Halten, wo die Zeichen sind;

 

Und dann wieder alles schweigend,

Nur durchseufzt vom Sterbeton,

Wer am Morgen noch voll Kräften,

Ist am Abend Leiche schon.

 

Aber ohne Furcht des Todes,

Unermüdlich, stets gefasst,

Eilet durch die öden Straßen

Borromäus ohne Rast.

 

Geht vom Morgen bis zum Abend,

Ganze Nächte wandelt er

Geht von Haus` zu Haus` und tröstet,

Hilft und stärkt mit Tat und Lehr`.

 

In der Armut dumpfen Hütten

Sitzt er zwischen Sterbenden;

Sorgt für Alle, lenkt das Ganze,

Sorget für den Einzelnen.

 

Alles hat er hingegeben,

Zum Spitale ward sein Haus;

Froh entzieht er sich die Speisen,

Teilet sie den Armen aus.

 

Einer Hütte, spät am Abend,

Kömmt er müde einst vorbei,

Hört ein Klagen, blickt durch`s Fenster,

Sieht des Kranken harte Spreu,

 

Eilt nach Hause, will nicht ruhen,

Nimmt sein Bett und trägt es fort

Selber auf den müden Schultern

In der Armut Jammerort;

Legt den Kranken tröstend nieder,

Fachet seinen Glauben an,

Spendet ihm die Sakramente,

Geht, und wandelt seine Bahn.

 

Heinrich Bone

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17. Der gute Hirt

 

Ein Hirt ein Schäflein suchen tut,

Gar lieblich anzuschauen;

Das Schäflein gar so lieb Er hätt`,

Er sucht`s auf Berg und Auen;

Und ach, an Dornen, scharf gespitzt,

Er oftmal sich ganz wundig ritzt.

 

Er zeucht Wald aus und zeucht Wald ein,

Viel Schweiß tut Er vergießen:

"Sag` an, wo weilst Du Lämmelein,

Auf Haiden oder Wiesen?

O trautes Schäflein mein, vernimm,

Vernimm des guten Hirten Stimm`!"

 

Er ruft dem Wand`rer auf der Flur:

"Hast nicht im Tal dort unten,

Nicht auf den Bergen eine Spur

Von meinem Schäflein funden?"

"O auserkones Lämmlein mein!

Wo irrst Du tief in Wüstenei`n?"

 

O frommer, guter Hirte mein!

Lauf Dich nicht wund und blutig,

Hast ja noch Schäflein neunzig neun,

Dess sei getrost und mutig.

Lohnt auch ein Schaf, das sich verirrt,

So große Müh`, Du frommer Hirt?

 

Doch sehr betrübt Ihn Sein Verlust,

Er ruft in großem Leide:

"O Lämmlein, deines Hirten Lust,

Kehr` um zur süßen Weide!"

Und ruft bei Nacht und ruft bei Tag,

Sein Herz zerfleußt in bitt`rer Klag.

 

Er hatte nimmer Rast noch Ruh,

Bis nach viel Tag` und Stunden

Er einst, gekehrt der Wildnis zu,

Sein trautes Schäflein funden.

Und ob Er`s find`t in tiefem Schlamm,

Doch lenkt Er liebreich zu dem Lamm.

 

Und als das Lamm die Stimm` vernahm,

Da blökt es froh und kläglich,

Doch sich zu retten aus dem Schlamm,

Ward nimmermehr Ihm möglich;

Und ob der Freude, dass Er`s fand,

Des Hirten ganzes Leid verschwand.

 

Und ob auch Seine Stirn voll Blut

Und scharfer Dörner Wunden,

Doch naht Er schnell mit treuem Mut

Gar freudig, dass Er`s funden,

Und zieht mit einem Kreuzesstab

Heraus es aus dem schwarzen Grab.

 

Und wäscht es gleichwie Schnee so rein,

Umhalst`s mit tiefem Sehnen

Und trägt es auf dem Rücken Sein

Mit vielen Freudentränen,

In froher Lust und ohn` Beschwerd`

Zurück zu Seiner frommen Herd`.

 

Ich bin ein Lamm, das sich verirrt,

Vertieft im Sündenschlamme,

Das Du, o Jesu, guter Hirt!

Erlös`t am Kreuzesstamme.

Entfache mich mit Gnad` und Mut

Und wasch` mich ab in Deinem Blut!

 

Du litt`st für mich so bitt`re Pein,

Bist in den Tod gegangen,

O, nimm mich auf die Schultern Dein,

Tu` mich mit Huld umfangen!

Dann will ich Dich mit Lieb umfah`n,

Und nie verlassen Deine Bahn.

 

Johann Peter Silbert

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18. Lobgesang der drei Jünglinge

 

Alle seine Werke

Lobet Gott den Herrn;

Lobt ihn jetzt und ewig,

Lobt ihn nah und fern.

 

All` ihr Engel Gottes

Singt ihm Preis und Dank,

Laut ihr Himmel eint euch

Ihrem Lobgesang.

 

Und ihr Wasser alle

Überm Sternenzelt,

Kräfte auch und Mächte

Lobt den Herrn der Welt.

 

Sonne, Mond und Sterne

Leuchtet ihm zum Lob,

Der am Firmamente

Strahlend euch erhob.

 

Jeder Regentropfen

Und du Tau und Nacht,

Preist den großen Schöpfer,

Der euch hat gemacht.

 

All` ihr Geister Gottes,

Hitze du und Brand

Gebet Lob und Ehre

Ihm, der euch gesandt.

 

Reif und Frost und Kälte,

Winter - Sommerzeit

Lobet ihn, den Herrn,

Bis in Ewigkeit.

 

Tage, finst`re Nächte,

Kälte, Schnee und Eis,

Licht und dunkle Mächte

Gebt ihm Lob und Preis.

 

Blitze und du Wolke,

Die den Strahl uns bringt,

Eint euch mit der Erde,

Die ihm Heilig singt.

 

Berge ihr und Hügel,

Was da grünt und blüht,

Jede mächt`ge Woge,

Die das Meer durchzieht.

 

Alles, was da lebet

In der Tiefe Grund,

Euren Herrn, den Schöpfer,

Lobt mit stummem Mund.

 

Vöglein in den Lüften

Frohes Lob ihm singt,

Das mit Jubeltone

Durch die Wolken dringt.

 

Jedes Tier auf Erden

Und du, Menschenkind,

Israel, sein Volk auch,

Dem er wohlgesinnt.

 

Über alles ehrt ihn,

Preist ihn, lobt ihn laut,

Euer Gott, der Mächtige,

Hat auf euch geschaut.

 

Priester auch des Herrn,

Mittler seiner Huld,

Ihr, die reinen Herzens,

Frei von jeder Schuld.

 

Du auch, Ananias,

In des Feuers Glut,

Laut mit den Gefährten

Lob` ihn voller Mut.

 

Dir dem Gott und Vater

Mit dem Menschensohn,

Auch dem Geist, dem Tröster,

Auf dreiein`gem Thron.

 

Über allen Welten

Sei dir Lob, o Gott!

Jetzt und aller Zeiten,

Herr, Gott Sabaoth!

 

H. v. B.

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19. Der Bettler und sein Kind

 

"Habt Mitleid, Herr, mit unsrer Not!

Noch labt uns heute kein Bissen Brot!

Die Mutter ist krank, der Vater blind;

Ich bin ein armes, armes Kind."

 

Der reiche Gutsherr schreit in Wut:

"Pack dich hinweg, du Bettlerbrut!

Hinweg, Gesindel, aus meinem Haus!

Sonst jagen euch meine Hunde hinaus."

 

Die Kleine wendet das blasse Gesicht,

Schmiegt an den Vater betend und spricht:

"O fliehe, mein Vater, o fliehe schnell!

Schon hör` ich der bösen Hunde Gebell."

 

Der harte Mann verschließt das Tor,

Die Winde heulten, das Mädchen fror;

Der blinde Vater hält es im Arm

Und küsst die zitternde Wang` ihm warm.

 

Sie legt ihr Händchen in seine Hand

Und leitet ihn treu über Moor und Sand.

"Ist`s doch zum nächsten Dorfe nicht weit,

Dort finden wir wohl Barmherzigkeit."

 

Sie wandern getrost durch dunkeln Wald.

Die Wolken ziehen so feucht und kalt;

Es rasseln die Blätter von Sturmes Wut,

Und strömend rauschet die Regenflut.

 

Der Pfad ist schlüpfrig, der Fels ist glatt;

Die Löckchen träufeln, das Kind wird matt:

"Ach, Vater!" seufzet es atemschwer,

"Die Knie brechen: ich kann nicht mehr!"

 

Ohnmächtig lässt sie das Händchen los,

Und sinket wieder auf nasses Moos.

Der Vater suchet sein Kind und bebt,

Indem er es jammernd vom Boden hebt.

 

"Sei ruhig, mein Hannchen, umklammere mich!

Auf meinem Rücken trag` ich dich.

Bist, Ärmste, bis auf die Haut durchnässt:

Gib mir die Füßchen und halte dich fest!"

 

Nun lenket sie rufend des Vaters Weg

Und zittert und warnt vor dem schmalen Steg.

Der Blinde schreitet in ängstlicher Hast

Zum Walde hinaus mit der teuren Last.

 

Das Mädchen wimmert; dem Alten wird bang;

"Ach, Vater, wie dauert der Weg mir lang!"

"Geduld, mein Hannchen! ich höre Schalmei`n:

Zur Herberge kann es nicht weit mehr sein."

 

Die Stirne der Kleinen wird glühend heiß,

Und Füßchen und Händchen erstarren zu Eis,

Und wilde Krämpfe durchschneiden ihr Herz,

"Ach, Vater! ach, Vater! mich tötet der Schmerz."

 

Und als ihr Haupt auf die Schulter sank,

Da ruft er: "Hannchen! Du bist wohl krank?"

Und prüfet die Wege mit seinem Stab,

Und wanket keuchend den Hügel hinab.

 

"Wo sind wir? schlummerst Du?" Hannchen schweigt.

Und endlich hat er das Dorf erreicht.

"Helft, gute Leute; o helfet geschwind!

Ach, rettet mein liebes, mein einziges Kind!"

 

Er klammert es los, legt sanft es hin,

Und küsst ihm Wangen und Mund und Kinn,

Zur Stärkung bringen sie Wein und Brot:

Zu spät - das gute Hannchen war tot.

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20. Fastenzeit

 

Der heiland hat den Leidensweg beschritten;

Von finsterm Argwohn längst dem Tod geweiht,

Lebt er verkannt in seines Volkes Mitten;

Die Schar, die seine Göttlichkeit bestritten,

Hält schon das Kreuz bereit.

 

Der Hohn umlauert ihn auf seinen Wegen,

Vergessen ist`s, was Gutes er getan;

Er erntet Hass und Leid für Himmelssegen,

Statt Preis und Dank trägt man ihm Spott entgegen,

Auf düst`rer Marterbahn.

 

Der Helfer duldet alles ohne Klagen,

Nicht flieht er vor dem Tod, der seiner harrt. -

Für uns in Liebe hat sein Herz geschlagen,

Für uns das Leid, das willig er getragen,

Des Heiles Schlüssel ward.

 

O, lasst im Erdenstaub uns mit ihm wallen

Und willig dulden mit ihm Spott und Leid,

Nicht Erdentand darf mehr uns wohlgefallen:

Der Dulderpfad führt zu den ew`gen Hallen

Der bessern Ewigkeit.

 

R. Grein

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21. Die erste Kommunion der Kinder

 

In des Tempels heil`gen Hallen

Schau ich Kinder schön gereiht,

Fromme Seufzer aufwärts wallen

Von den Herzen, Gott geweiht.

 

Wie der Kerzen helle Flamme

Festlich leuchtet ja fürwahr:

So verklärt vom Kreuzesstamme

Glaube diese Kinderschar. 

 

Wie sie fromm die Hände falten,

Andacht ist nur ihre Lust;

Immer fest an Gott zu halten

Ist der Schwur der reinen Brust.

 

Tretet nun zum Seelenmahle,

Und empfangt das Lebensbrot,

Welches Christus gab im Saale

Kurz vor Seinem Kreuzestod.

 

*

*       *

 

Ihr empfingt die Himmelsspeise,

Die der Christen Seelen nährt,

Und sie stärkt zur letzten Reise,

Wo das Leben ewig währt. 

 

Und es scheint die Glaubenssonne

Warm und mild euch in das Herz;

Auch der Unschuld seel`ge Wonne

Raubt noch nicht der Reue Schmerz.

 

Haltet fest an Christi Lehre,

Was auch frech das Weltkind spricht,

Nicht gesellt euch zu dem Heere,

Das mit Hohn den Glauben bricht.

 

An den dunkeln Scheidewegen

Sei der Glaube Führer euch,

Und er wird mit Gnadesegen

Selbst den Armen machen reich.

 

Mertens

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22. Frühlingsstürme

 

Schwarze Wolken eilen droben,

Wilde Stürme heulend toben

Über Feld und Flur;

Todeshauch bannt alles Leben,

Windesbrausen macht erbeben

Weithin die Natur.

 

Zürnend, mit erregter Schnelle

Eilt im Fluss dahin die Well

Wild vom Sturm bewegt.

Soll im Tosen und im Wehen

Alles, alles denn vergehen,

Was noch Leben trägt?

 

Nein, das Leben wird erwachen;

Nach dem Toben soll uns lachen

Milde Frühlingszeit. -

Mensch, der Erdenbahn Beschwerden

Sich`re Boten dir auch werden

Bess`rer Ewigkeit.

 

R. Grein

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23. Des Bettlers Leiche

 

Auch er geht seinen letzten Gang,

Sein Tagwerk zu beschließen;

Ihm war am Abend oft so bang,

Wenn alle ihn verstießen;

Die Brüder warfen ihn hinaus, -

Nun gibt der Vater ihm ein Haus. -

 

Er ward sein Leben lang geplagt,

Nun wird er noch getragen;

Und wenn auch keiner um ihn klagt, -

Was hülfen ihm die Klagen?

Die Wand des Sarges ist so dicht;

Der Tote hört die Klagen nicht.

 

Er hat sein Leben lang mit Not

Und Dürftigkeit gekämpfet;

Da kam der langersehnte Tod,

Der allen Jammer dämpfet,

Und bot dem alten Bettelmann

Auf seiner Flur ein Häuschen an.

 

Nun liegt der müde Wand`rer da,

Die Hände fromm gefaltet;

Das Auge, das nur Jammer sah,

Ist zu, das Herz erkaltet;

Der müden Hand entfiel der Stab, -

Man trägt ja liebend ihn zu Grab.

 

Das Kreuzlein in der toten Hand,

Das muss ihn jetzt begleiten,

Und als der Gnade Unterpfand

Zum Richterstuhle leiten;

Er trug es nicht nur in der Hand,

Weil jeder Tag in Schmerzen schwand.

 

Nun, armer Toter, schlafe wohl

Bis zu des Himmels Freuden;

Du lehrst mich, wie ich leben soll,

Um fröhlich hinzuscheiden.

Wer hier den schweren Kreuzweg geht,

Der jubelt, wenn er aufersteht.

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24. Liebe zu Jesus im allerheiligsten Sakrament

 

O Blumen, die ihr Tag und Nacht hier weilet

Bei meinem Herrn, wie seid ihr hoch beglückt!

Heil euch, die nimmer ihr von hier enteilet,

Bis euch der Tod die Äuglein zugedrückt.

O wär` auch mir das schöne Glück erteilet,

An diesem Ort zu wohnen, den ihr schmückt!

Welch` überselig Los, könnt` ich mein Leben

Vor meinem Leben hier zum Opfer geben!

 

O Kerzen, die ihr stets die Flamme nähret

Zu meines und zu eures Herrn Ehr`,

O würd` auch mir die süße Lust gewähret,

Dass Licht und Glut nur meine Seele wär`,

Dass ich mit euch, die ihr euch ganz verzehret,

Mich auch verzehrt` in glüh`ndem Liebemeer! -

Beneidenswerte! könnt` ich mein Geschicke

Mit euerm wechseln, o was gliche meinem Glücke!

 

Du heiliges Gefäß, Heil dir vor allen!

Sieh, mein Geliebter kommt und ruht in dir.

Wem ist wohl je so schönes Los gefallen?

Als deines Herrn Wohnung stehst du hier.

Ach, möcht` es Ihm, dem Milden, doch gefallen,

Dies Amt nur einen Tag zu gönnen mir!

Dann würd` ich ganz zu Lieb` und Feuergluten,

Wenn Lieb` und Feuer in mir ruhten.

 

Doch ist mir nicht ein höh`res Glück beschieden,

O Kelche, Kerzen, Blumen all, als euch,

Wenn mein Geliebter, wie ein Lamm, voll Frieden,

In`s Herz einkehrt, an Huld und Liebe reich;

Wenn ich an dem Verbannungsort hienieden

Den Herrn empfang und alles Gut zugleich?

Warum dann sterb` ich nicht vor Liebeshitze,

Da meinen Schatz ich ganz und gar besitze?

 

Geh, Seel`, und wie ein Schmetterling umschwebe

Stets dein geliebtes Licht und weiche nie;

Von Glaube nur und nur von Liebe lebe,

Und bei des Teuern Anblick seufz` und glüh`;

Und kommt die Stunde, dass ich dir ergebe

Er, den da preist des Himmels Harmonie,

Dann halt` Ihn fest und sprich in heil`gem Triebe,

Dass du nur Liebe willst und nichts als Liebe. 

 

A. M. v. Liguori

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25. Zum heiligen Joseph

 

Wir wandeln hienieden auf dornigem Pfad,

Hier dräut uns die Not, - dort umtobt uns Streit;

Wo suchen wir Beistand, wo finden wir Rat?

Wer ist`s, der uns Mut und Tröstung verleiht?

Weh` uns, wenn auf Sterbliche wir vertrauen! -

Zum Himmel sollen bittend wir schauen.

 

Voll Milde blicket ein Schirmvogt herab,

Zu dem noch niemand vergebens gefleht, -

Sankt Joseph, den Gott zum Helfer uns gab,

Wenn hoch die Woge des Leidens geht.

Der Heilige trug einst selbst ja auf Erden

Der Armut Last und des Kampfes Beschwerden.

 

Doch nichts hat das innere Glück ihm geraubt,

Nie hat in der Not ihm der Friede gefehlt -;

Treu hat er an Gottes Güte geglaubt,

Und die Frömmigkeit hat ihn im Dulden gestählt.

Ein Trost blieb ihm in Drangsal und Wehe:

Es weilte der Heiland in seiner Nähe.

 

O lernen vom heiligen Joseph wir,

Den Gottessohn zu uns zu laden ein;

Ist er mit uns, was schreckt uns dann hier?

Der Kampf des Daseins wird leicht uns sein.

Das Dräuen des Todes selbst wird dann zunichte:

Es öffnet die Tür nur zum himmlischen Lichte.

 

R. Grein

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26. Kanzone an die heilige Jungfrau

 

O schöne Jungfrau du, im Lichtgewande,

Im Sternenkranz, so wert der höchsten Sonne,

Dass all ihr Licht auf dich herabgeflossen,

Von dir zu reden drängt mich Liebeswonne;

Doch bringt es deine Hülfe nur zu Stande

Und dess, der sich in Lieb` auf dich ergossen!

Ihr ruf` ich, deren Huld all` die genossen,

So gläubig zu ihr riefen.

O Jungfrau, wenn dem tiefen

Jammer in Huld sich je dein Herz erschlossen,

So neige dich herab zu meinem Flehen,

Dass mir dein Beistand werde,

Obwohl ich Erde, Fürstin du der Höhen!

 

O weise Jungfrau, aus dem schönen Kranze

Der heiligen und klugen Jungfrau`n eine,

Mit hell`rer Lamp` und als die Erst` erfunden!

Du fester Schild der zagenden Gemeine

Gegen des Schicksals und des Todes Lanze,

Durch den wir Rettung erst, dann Sieg gefunden!

Du Kühlung gegen Glut, in die entbunden

Die blöden Menschen tauchen!

O Jungfrau, jene Augen,

So trauernd einst die grausam bittern Wunden

An deines Sohnes süßen Gliedern sahen,

Lenk` her nach meinem Wehe!

Ratlos ich stehe, Rat hier zu empfahen.

 

O reine Jungfrau, durch und durch voll Wahrheit,

Die du uns Licht, dem Himmel Schmuck gegeben,

Du Kind und Mutter deiner Frucht! der Erde

Ward dein und Vaters Sohn durch dich gegeben,

(Erlauchtes Gnadenfenster voller Klarheit!)

Dass in der letzten Zeit Er Heiland werde.

Und unter allen Wohnungen der Erde

Warst du allein geweihet,

O Jungfrau benedeiet,

Dass Eva`s Schmerz sich wieder froh gebärde.

Verleih`, dass seine Gnade bei mir wohne,

Du, endelos beglücket,

Und schon geschmücket mit des Himmels Krone.

 

O heil`ge Jungfrau, aller Gnaden Quelle,

Die du durch Demut zu des Himmels Wonne,

Wo du mein Flehen hörst, dich aufgeschwungen!

Der Liebe Springquell und der Wahrheit Sonne,

Dass sie mit ihren Strahlen rings erhelle

Die finstre Welt, sie sind aus dir entsprungen.

Drei süße Namen sind in dir verschlungen:

Kind, Mutter und Verlobte.

O Jungfrau, Hochgelobte!

Des Königs Braut, Der uns der Schmach entrungen,

Der Freiheit gab der Welt und Himmelsfrieden,

In dessen heil`gen Wunden

Mein Herz gesunden will und ruhn hienieden.

 

O einz`ge Jungfrau, einzig ohn` Exempel,

Die du des Himmels Raum erfüllt mit Liebe,

Für die nicht erste sich noch zweite findet!

Dein keusches Tun, die heilig frommen Triebe

Dem wahren Gotte haben sie zum Tempel

Den reinen jungfräulichen Leib gegründet.

Du hast am Leben Freude mir entzündet!

Auf dein Gebet, du Eine!

O Jungfrau, Süße, Reine!

Den größten Sünder größte Gnad` entbindet.

Zu dir erheb` ich tiefgebeugt die Hände -

O wolle mich begleiten,

Den Irren leiten zu ersehntem Ende!

 

O lichte Jungfrau, unvergänglich Feuer,

Du treuer Hort den treuen Schiffern allen,

Du Stern auf Meeres wild bewegter Höhe,

Sieh, wie von Stürmen furchtbar überfallen

Allein umher ich treib` und sonder Steuer,

Und wie so nah dem Untergang ich stehe!

Von dir nur hofft, dass es ihm wohl ergehe,

Das sündige Gemüte.

O Jungfrau du, verhüte

Des Widersachers Spott ob meinem Wehe!

Gedenke, wie aus deinem Schoß geboren,

Dass er uns Retter werde,

Den Leib der Erde Gott sich auserkoren.

 

O Jungfrau, wie so viel hab` ich der Tränen,

Gebet` und Schmeichelworte schon verloren,

Und Angst mir nur erworben und Beschwerden!

Seit an des Arno Strand ich war geboren,

Umhergetrieben rings von blindem Sehnen,

War andres nicht als Weh mein Los auf Erden.

Sterbliche Reize haben und Gebärden

Und Worte mich berücket.

O Jungfrau, hochbeglücket!

Dem Todesnahen komm ein Schirm zu werden!

Wohl flüchtiger sind meine Tag` als Pfeile,

Von Schmach und Sünd` umfangen,

Dahingegangen, und zum Tod ich eile.

 

O Jungfrau, sie ist Staub und füllt mit Schmerzen

Mein Herz, dem lebend Tränen sie entrungen!

Sie wusste nichts von meinen tausend Plagen,

Und wusste sie es auch, was draus entsprungen,

Doch wär`s geschehn. Hegt` andres sie im Herzen,

Mir hätt` es Tod, ihr aber Schmach getragen.

Du, Himmelskönigin, und, darf ich`s sagen,

Du Göttin hocherhaben,

O Jungfrau reicher Gaben,

Du siehst es ganz! Was sie nicht durfte wagen,

Ist nichts für deine Kraft, o Tugendreiche!

Den Schmerzen gnädig wehre,

Dass draus dir Ehre, Rettung mir entsteige.

 

O Jungfrau du, in der mir Trost erwachte,

Du kannst und willst mich meiner Not entraffen!

Verlass mich nicht in meinem letzten Sehnen!

Nicht mich, nur den, der mich aus Gnad` erschaffen,

Nicht meine Kraft, sein Abbild nur beachte!

Das möge mir, dem Armen, dich versöhnen.

Zum Stein schuf mich Medusa und mein Wähnen,

Dass eitle Flut ihn kränke.

O Jungfrau du, bedenke

Mein müdes Herz mit frommen, heil`gen Tränen

Dass mindest sich zu Gott die letzte kehre,

Dem Erdenschlamm entnommen,

Nicht wahnentklommen, wie die erste Zähre.

 

O milde Jungfrau, Feindin stolzer Triebe,

Gedenke des gemeinsamen Beginnes!

Schau huldreich mein zerknirschtes Herz, das schwache!

Da ich so wunderbar getreuen Sinnes

Ein Häuflein nicht`gen Erdenstaubes liebe,

Was soll ich gegen dich, so hehre Sache?

Wenn ich aus meinem Irrsal je erwache

Durch deiner Hände Walten,

O Jungfrau, dann gestalten

Sich heiliger für dich Verstand und Sprache,

So Herz als Zunge, Seufzer so als Tränen.

Führ` mich zu besserm Pfade,

Nimm an in Gnade mein verwandelt Sehnen.

 

Es rückt der Tag heran; bald muss er kommen;

Die Zeit enteilt und flieget.

O Jungfrau, unbesieget

Bald hält der Tod, bald Reu mein Herz umklommen.

Befiehl mich ihm, der wahrer Mensch hienieden

Und wahrer Gott zu loben,

Dass er mich droben führe ein zum Frieden.

 

F. Petrarka

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27. Zum Fest Mariä Verkündigung

 

In trauter Kammer zu Nazareth

Verweilt die Gebenedeite,

Dem sündigen Volke gilt ihr Gebet,

Dass Jehova das Heil ihm bereite, -

Da himmlisches Licht in dem Raum sich ergießt,

Verklärender Glanz die Reinste umfließt:

Ein Engel steht ihr zur Seite.

 

Der spricht manch trostreiches Wort zu ihr

Von der Würde, zu der sie ersehen,

Der sündigen Menschheit soll von ihr

Der verheißene Retter ausgehen;

Ihr Kindlein lässet kraft göttlicher Macht

Die Adamskinder aus Zornesnacht 

Zum Heile wieder erstehen.

 

Maria sinnt, und begreifet nicht,

Wie sie solche Botschaft verstehe;

Doch der leuchtende Bote liebreich spricht

Von des himmlischen Heiles Nähe.

Die Reinste vernimmt`s, und voll Demut sie sagt:

"Ich bin nur des Höchsten niedrige Magd,

Nach seinem Wort mir geschehe."

 

O, nehmen auch wir in Ergebung an,

Was aus Gottes Hand wir empfangen;

Sein Wort sei Licht unsrer Lebensbahn

Im Glück wie im Leiden und Bangen.

Ein Wandel nach Gottes Gebot und Wort

Lässt einst aus dem irdischen Tränenort

Uns zur ewigen Freude gelangen.

 

R. Grein

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28. Abendbetrachtung einer alten Witwe

 

Einsam im Kämmerlein

Weil` ich, gebückt, allein,

Hoch unterm Dach.

Schon dringt der Sterne Schein

Dämmernd in dich herein,

Stilles Gemach!

 

Wenn auch, dem Leben gleich,

Dieser Tag dornenreich,

Mühevoll war:

Bot doch im Abendglanz

Blüten dein Rosenkranz,

Jungfrau, mir dar!

 

Öffne dich, Fensterlein,

Will mich der Kühlung freu`n

Mutig und wach.

Über der Dächer Höh`n

Send` ich der Blicke Späh`n,

Sonne, dir nach!

 

Sieh, der Paläste Pracht

Sank schon in dunkle Nacht;

Nebel umzieht

Mauern und Stadt bereits;

Aber Liebfrauen-Kreuz

Golden noch glüht.

 

Ach, wie im Purpurduft

Schwebst du in reiner Lust,

Heilige Zier!

Wie du den Flammenstrahl

Sendest ins Nebeltal

Und auch zu mir!

 

Stößt mich der Reichen Haus,

Stößt gleich die Welt mich aus,

Wankt auch mein Lauf:

Glänzt mir doch, Kreuz, dein Stern,

Nimmt doch dein Tempel gern,

Herr, mich noch auf!

 

Heiliger, grauer Turm,

Der in der Jahre Sturm

Trotzte der Zeit!

Bald sind es achtzig Jahr,

Seit mich zum Traualtar

Rief dein Geläut`.

 

Und all mein Lebenlang

Hast du mit Glockenklang,

Moosiger Freund,

Oft mir den Schmerz geheilt,

Mit mir das Glück geteilt,

Mit mir geweint.

 

Wie du zur Vorwelt sprachst,

Heut` du noch mahnst und klagst. -

Silber im Haar,

Ruft mich den Feierlaut,

Dem einst gehorcht die Brat,

Noch zum Altar.

 

Freundlich bei Tag und Nacht,

Wenn mit mir niemand wacht,

Rührst du mein Ohr,

Zählend den Puls der Zeit,

Führst du der Ewigkeit

Wonnen mir vor.

 

"Angelus Domini"

Rufst du in stiller Früh,

Tröstend mir zu;

"Angelus Domini"

Tönt deine Melodie

Abends voll Ruh`!

 

Bald aus der Kammer klein

Regt nach dem Grabe mein

Leichenzug sich.

Wenn dann auch niemand weint,

Wirst du doch, alter Freund,

Klagen um mich!

 

Gotthilf August von Maltitz

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29. Die Mutter und ihr Kind

 

Seiner Blumen treu zu warten,

Rosen, Lilien, Jasmin,

Ging Paulinchen in den Garten

Wollte gar nicht lang verzieh`n.

 

Und die Kleine blieb so lange

Bei den Veilchen, die sie brach;

Meinem Herzen wurde bange,

D`rum schlich ich dem Mädchen nach.

 

Blumen um das Haupt gewunden,

Traut an`s Kreuzlein sich geschmiegt:

So hab` ich mein Kind gefunden!

Engel hatten`s eingewiegt.

 

Leise, so wie Mütter pflegen,

Naht` ich mich der Schläferin,

Gab ihr meinen Muttersegen:

"Gott erhalte deinen Sinn!"

 

D`rauf in heißem Lebensdrange

Küsst` ich`s auf die Wange rot;

Schrecklich kalt war seine Wange!

Ach, mein einzig Kind war tot!

 

Aus dem eiteln Weltgewimmel

Zog es früh der Heimat zu,

Ruft mir nun vom schönen Himmel:

"Liebe Mutter, komm auch du!"

 

"Ach, mein Kind, ich käm` so gerne,

Hab` fürwahr genug geweint!

Schöne Stunde, bist du ferne,

Die mich mit meinem Kind vereint?"

 

"Liebster Jesu! hör` mein Flehen,

Ende meines Herzens Weh;

Lass` mich, lass` mich heimwärts gehen,

Dass ich bald Paulinchen seh`!"

 

H. A. W.

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30. Der Kreuzweg im Wald

 

Schon säuselt wieder ein milder Hauch

Durch des Waldes Stille. An Baum und Strauch

Die grünenden Knösplein sich zeigen.

Der Frühlingssonne goldiges Licht

Durch der Bäume Wipfel verklärend sich bricht

Und märchenhaft rauscht`s in den Zweigen.

 

Und was hebt am schattigen Waldpfad sich jetzt?

Ein Kreuzweg, den fromme Hand einst gesetzt;

Er mahnt, des Erlösers zu denken. -

O sieh des Gemarterten Leidensgestalt,

Sein Blick - wie scheint er mit sanfter Gewalt

Ins klopfende Herz sich zu senken!

 

O Wandrer, hier halte betrachtend an:

Strahlt verjüngte Freude auch deiner Bahn,

Erst erwäge, was Jesus gelitten.

Die Natur hat den Fluch der Menschheit geteilt,

Sie klagte und seufzte und ward erst geheilt,

Da am Kreuz uns ward Gnade erstritten.

 

Wird in Frühlingsahnen das Herz dir weit,

Hier ermahnt dich der Stein, wie in Marter und Leid

Den Helfer die Liebe getrieben.

Verkenne ihn nicht, der so viel für dich tat;

Geh im Geiste mit ihm den dornigen Pfad

Und strebe, ihn dankbar zu lieben.

 

R. Grein

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31. Göttliches in uns

 

Die Erde ist hart, die Erde ist kalt,

Sie brauchet Mühe, sie brauchet Gewalt,

Um ihr zu entringen die Früchte.

Der Himmel ist glühend, der Himmel ist rau,

Versagt oft der Saat den befruchtenden Tau,

Macht oft sie durch Hagel zu nichte.

 

Der Landmann aber bleibt tätig und warm

Und ackert und sät, bis ihm sinket der Arm,

Der früh sich zur Arbeit erhoben.

Und wenn ihm auch Erd` und Himmel nichts gab,

Er lässt auf Gott zu bauen nicht ab,

Ihn anzubeten, zu loben. -

 

Das ist des Menschen innerster Kern

Und zeuget von Gott, wie vom Lichte der Stern,

Wie von dem Sein der Gedanke,

Dass nimmer ihm Glauben und Hoffen entflieht,

Wenn auch sich irdisches Glück ihm entzieht,

Und wie die Natur um ihn schwanke.

 

Eduard von Schenk

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32. Das Himmelsglöcklein

 

Ein Kindlein lag in stiller Rast,

Vom Spielen ward`s ermüdet fast;

Es schlief nun sanft im Abendschein

Ganz ohne Vaterunser ein.

 

So lag es nun geraume Frist.

Da plötzlich, - wie ein Traum es ist,

Ein helles Licht es rings erschaut,

Und Engelstimmen tönen laut.

 

Und hell wie goldner Morgenschein

Die Mutter Gottes tritt herein . . .,

Die hohe Frau mit mildem Blick,

Das Kind nicht fasset solch ein Glück.

 

Die Mutter Gottes aber spricht:

"Mein Kindlein, lebst du oder nicht?

Ich glaubte schon, du wärest tot,

Drum kam ich her in Herzensnot.

 

Denn wenn ein Kind so abends spät

Die Hände faltet zum Gebet,

Es durch den weiten Himmel schallt,

Und dann ein helles Läuten hallt.

 

Und so vernimmt man`s dort im Licht,

Wenn betend fromm ein Kindlein spricht.

Dein Glöcklein aber blieb heut` stumm,

Drum kam ich selbst, zu sehn warum.

 

Denn meine Liebe heißt mich gehn,

Seh` ich ein Glöcklein stille stehn.

Doch nun ich sehe, dass du lebst

Und morgen fromm die Händchen hebst.

 

So will zu Gott ich wieder treten

Und heut`, mein Kind, statt deiner beten."

Und da verschwand das gold`ne Licht

Vor unsers Kindes Angesicht -

 

Und als das Kindlein ward erwacht,

Die Sonne hell durchs Fenster lacht,

Da hebt`s die Händchen zum Gebet

Und dankt dem lieben Gott und fleht.

 

Und seit der Zeit, - ihr könnt`s ermessen,

Hat es zu beten nie vergessen!

 

Paul Lucas

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33. O Haupt voll Blut und Wunden

 

Zur ernsten Zeit der Fasten

Ein Lied empor sich schwingt,

Das jedem tief ins Herze

Und in die Seele dringt.

 

"O Haupt voll Blut und Wunden",

Dies Lied voll Innigkeit,

Es malt uns in die Seele

Ein Bild von Jesu Leid.

 

Es zeigt uns des Erlösers

Schmerzvolles Angesicht,

Und mahnet wie der Sünder

Voll Reue zu ihm spricht,

 

Dass er doch voll Erbarmen

In übergroßer Huld

Verzeihe ihm, dem Armen,

Die große Sündenschuld.

 

Ich möcht` es immer singen

In ernster Fastenzeit,

Vernähm` ich`s doch im Tode

Vor meinem letzten Streit.

 

Könnt` ich, dies Bild im Herzen,

Doch dann von hinnen gehn,

Das Haupt voll Blut und Wunden

Einst in Verklärung sehn.

 

Dann wollt` ich ewig danken

Ihm seine Lieb, sein Leid,

Anbeten ihn und preisen

In alle Ewigkeit.

 

Margarete Feuerhoff

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34. Morgenliedchen

 

Sei ruhig Herz, und klage nicht,

Dein Helfer ist dir nah;

Schon blühet ja sein Morgenlicht,

Schon ist die Sonne da.

 

Sie wandelt ihren großen Pfad,

Wie ihr der Herr gebot,

Ein allbelebend Feuerrad,

So frisch und glühend rot.

 

Und tausend Kelche öffnen sich

Dem gottgesandten Strahl,

Und freuen sich herzinniglich

Auf Alpen und im Tal.

 

Die Lerche trillert in der Luft

Ihr frohes Morgenlied,

Indes in ihre dunkle Kluft

Die Eule krächzend flieht.

 

So flieht, ihr Grillen, flieht auch ihr

In dunkle Grabesnacht.

O munt`re Lerch`, ich folge dir,

Zu preisen Gottes Macht. 

 

Der Sonnen in die Räume warf

Und Würmchen Speise gibt,

Der seines Cherubs nicht bedarf,

Und doch das Gräschen liebt.

 

Er liebt, ich weiß, Er liebt auch mich,

Und aus des Grabes Nacht

Schwingt einst der schönste Morgen sich

In unermess`ner Pracht.

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35. Palmsonntag

 

Noch einmal, o Sion, dein Heil dir naht,

Zu wenden Leid und Verderben.

Drum auf, du schuldbeladene Stadt,

Verlass der Verstocktheit finsteren Pfad:

Noch kannst du Frieden erwerben.

 

Und das Volk - wie scheint es im Geiste erneut!

Eilt jubelnd dem Helfer entgegen.

Erkennt es jetzt den, der Rettung ihm beut,

Dass seinem Pfade Palmen es streut?

Begehrt es Gnade und Segen?

 

Ach nein, die Sünde gewinnt wieder Macht;

Nur etliche Tage verfließen,

Und das Volk hat in der Verblendung Nacht

Den himmlischen Helfer ans Kreuz gebracht

Und die Gnade von sich gewiesen.

 

Des Heilands Tränen, sie künden genug:

Die Stadt wählt Verwerfung für Segen.

O, meiden wir jener Verstocktheit Fluch,

Und das Leid, das Jesus um Sion trug,

Lasst stets uns im Herzen erwägen.

 

R. Grein

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36. Abraham und der Götzendiener

 

Vor seiner Hütte saß im Terebinthenschatten

Der alte Abraham als schon die Sonne sank.

Rings um ihn zogen heim von den betauten Matten

Die Herden, und sein Herz pries Gott in Lob und Dank.

 

Da naht aus ferner Wüste matt am Wanderstabe

Ein schöner Greis, gebeugt doch durch der Jahre Last;

Und Abraham steht auf und spricht: "Zuerst erlabe

An meinem Herde dich, und lege dich zur Rast."

 

So treten sie ins Haus. Bereit ist bald die Speise;

Der Fremdling isst mit Lust und netzt den Gaum vergnügt;

Doch dankt er nach dem Mahl nicht nach Erzväter-Weise,

Was Abraham sogleich mit ernsten Worten rügt:

 

"Wie! du verehrest nicht den Gott, den höchsten Schöpfer

Von Erd` und Himmel?" D`rauf der Fremdling: "Unbekannt

Ist mir dein Gott; doch hab` ich selber mir als Töpfer

Heim einen Gott gemacht mit meiner eigenen Hand;

 

Der bleibt in meinem Haus und muss für alles sorgen."

Da eifert Abraham und fährt den Fremden an:

"Entferne dich von hier, ich weil` mit dir bis morgen

Nicht unter einem Dach!" und treibt den alten Mann

 

Mit Hast der Wüste zu. Doch bald ruft eine Stimme;

Die Stimme Gottes war`s: "Wo ist der Fremdling? Sprich!" -

"Er wollte dich nicht kennen, Herr, in heil`gem Grimme

Verstieß ich ihn, dass er geschreckt zur Wüst` entwich."

 

"Wie!" spricht der Herr darauf: "Ich habe ihn geduldet

Nah` an zweihundert Jahr`, obgleich er Mich nicht mag

Erkennen; o, und du, als Sünder Mir verschuldet,

Du willst ihn dulden nicht bis auf den nächsten Tag?" -

 

Beschämt stand Abraham, dann eilt er in die Wüste,

Bis er den Greis geseh`n und ihn zurück geführt;

Und wie er freundlich nun und herzlich ihn begrüßte,

Ward für den wahren Gott auch bald sein Herz gerührt.

 

W. Smets

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37. St. Hermann Joseph

 

Kinderunschuld, Gottestaube,

Heil`ger Unschuld Spielgenoss`,

Dir ist stets der Himmel offen,

Den der Sünde Schuld verschloss.

 

Kinderunschuld, Himmelsblume,

Die auf öder Erde blüht,

Eine Rose auf der Haide,

Die der kalte Wind umzieht!

 

Jung noch war St. Hermann Joseph,

In die Schule er noch ging,

Und ein Knabe unter Knaben

Noch am Kinderspiel er hing.

 

Doch es schien der Zukunft Klarheit

Dämmernd schon aus ihm hervor,

Gleich den bildbemalten Scheiben,

Wann der Morgen graut empor;

 

Gleich der silberklaren Quelle,

Die im Fels ruht unbekannt;

Gleich der Harfe, voll der Lieder,

Unberührt noch von der Hand.

 

Goldner Sprüch` aus Christi Lehre

Hörte viel das gute Kind,

Wie die Demut und die Liebe

Schönster Schmuck der Weisheit sind;

 

Hörte von dem Gotteslamm,

Das für die am Kreuze starb,

Die an`s Kreuz die Liebe schlugen,

So den Mördern Heil erwarb.

 

Wie von tausend Silberstimmen

Hell erklinget Berg und Tal,

Wenn auf Blume und auf Bäume

Fällt der Sonne erster Strahl:

 

Also ward von dieser Lehre

Hell erweckt des Kindes Brust,

Ward zum reichen Gottesgarten,

Voll Gesang und Himmelslust.

 

Und so oft er ging zur Schule,

Eilt` er zu der Kirche hin,

Vor dem Bild der Muttergottes

Und dem Jesuskind zu knien.

 

Betend blickt er dort zur Mutter

Und erzählt dem Kinde viel;

Streut ihm seine schönsten Blumen,

Ladet`s ein zum Kinderspiel.

 

Lange trieb es so der Knabe,

Wie ein Engel fromm und rein,

Als der Frohe froher einstens

Eilte in die Kirch` hinein.

 

Einen Apfel in der Rechten,

Kniet er nieder ganz geschwind,

Und es lacht der rote Apfel,

Und es lacht das frohe Kind.

 

Und es musste jeder lachen

Ob so heil`ger Unschuld Bild,

Ob dem Knaben mit dem Apfel

Vor der Jungfrau hehr und mild.

 

Und er reichet ihr den Apfel,

Bittet sie gar ernst und heiß,

Dass sie gnädig nehmen wolle

Seinen Apfel rot und weiß.

 

Siehe! was er also flehte

Vor dem Bild von hartem Erz,

Laut erklang`s im Himmel wieder,

Rührte tief der Jungfrau Herz.

 

Freundlich blickt sie auf den Knaben,

Und das starre, kalte Bild

Nimmt des Knaben fromme Gabe,

Lächelt hold und danket mild.

 

Und es hat die Gnadenreiche

Freundlich stets auf ihn geblickt,

Große Gnaden dem erwecket,

Der so hoch ihr Herz entzückt.

 

Kinderunschuld, Gottestaube,

Heil`ger Unschuld Spielgenoss`,

Dir ist stets der Himmel offen,

Den der Sünde Schuld verschloss.

 

G. Görres

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38. Ostern!

 

Die Morgensonne im Osten sich hebt,

Ihr milder Strahl die Natur belebt,

Drin Freude und Jubel erklingen.

Die duftige Blüte erschließt sich dem Licht,

Und im blauen Äther die Lerche fliegt,

Der Allmacht ein Loblied zu singen.

 

Heut` ward die Natur vom Fluch ja befreit,

Darin sie wehklagte so lange Zeit, 

Da des Vaters Antlitz verborgen.

Jetzt ist das Werk der Erlösung vollbracht;

Besiegt ist der Tod, zerstört seine Macht,

Jetzt glänzt der Erlösungsmorgen.

 

Das kündet der Glocken lieblicher Schall

Weithin durch das freudenverklärte All,

Es mahnet, den Starken zu loben,

Der glorreich die Fesseln des Todes zerschlug,

Der von uns wandte Verderben und Fluch

Und beschämte der Hölle Toben..

 

Und ihm gilt das Lied, das aus Flur und Wald

In tausend Weisen jetzt aufwärts schallt,

Ihn preiset das Grünen und Prangen,

Mit Recht die Natur da sich schmücken mag,

Sie ahnt, was am Auferstehungstag

Sie an Segen vom Heiland empfangen.

 

Und was kann, o Christ, dir hindernd denn sein,

In Freude und Lobpreis zu stimmen ein?

Hält die Welt dein Herz noch umnachtet,

Die dir schmeichelnd das Gift der Sünde gereicht,

So dass deine Seele dem Moder gleicht

Und nicht nach dem Heile mehr trachtet?

 

O wisse, noch kannst du glücklich sein!

Auf, mache von Schuld die Seele rein,

Entraff` dich den höllischen Banden!

Der himmlischen Gnade nun öffne dein Herz,

Dann jubelt voll Dankes es himmelwärts:

"Mein Heiland ist auferstanden!"

 

R. Grein

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39. Der arme Greis

 

Zu Olsberg an der Klosterpforte

Klopft leise an ein armer Greis,

Und schmieget an die Stellungspforte

Sein zitternd Haupt so silberweiß;

Müd` lässt er seine schwachen Glieder

Auf eine alte Steinbank nieder.

 

Der Winter stürmt mit Wut, der kalte,

Es dringt der Wind durch Mark und Bein,

Und ach, der schwache, arme Alte

Liegt halb bewusstlos auf dem Stein;

Es decken ihm des Schnees Flocken

Das leichte Kleid, die greisen Locken.

 

Da hört er Tritte an der Pforte,

Er lauschet freudig nach ihr hin;

Doch mit dem harten rauen Worte

Eröffnet sie die Pförtnerin:

"Was soll das ungestüme Pochen?

Ein Bettler! Nun, geschwind gesprochen!"

 

Und auf des Greises schüchtern Flehen

Um einen stillen Sterbeort,

Heißt ihn die Nonne weiter gehen,

Stößt in den Sturm ihn drohend fort.

Es rührt sie nicht das Fleh`n des Armen,

Sein schwaches Alter zum Erbarmen.

 

Da steht der Heiland vor der Nonne,

Statt des Gebeugten, schwach und alt,

Und leuchtend mit dem Glanz der Sonne

Spricht ernst die göttliche Gestalt:

"Gebt, und es wird euch auch gegeben

In diesem und im andern Leben."

 

Und schon ist die Gestalt verschwunden;

Noch steht wie starr die Pförtnerin,

Sie hat im Herzen tief empfunden

Des milden Wortes ernsten Sinn,

Und fürder gibt sie gern den Armen,

Und hat mit fremden Leid Erbarmen.

 

Odo

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40. Das Buch ohne Buchstaben

 

Vor seiner Tür ein Bäu`rlein saß,

In einem kleinen Büchlein las -

Die liebe Einfalt war der Greis;

Sein Haar und Bart war silberweiß,

Doch rötlich noch sein Wangenpaar,

Benetzt mit Tränlein hell und klar.

 

Schmelfungus auch des Wegs herkam,

Und wahr des armen Bäu`rleins nahm -

Der dicke Herr, gar hochgelehrt,

Das Bäu`rlein mit dem Gruß beehrt:

"Was machst du alter Narre da?

Du kennst ja nicht einmal das A."

 

"Herr Doktor, in dem Büchlein steht

Nicht A noch Z, wie ihr da seht!

Leer sind die Blättlein allzumal,

Nur ihrer Sechse an der Zahl.

Die Farben sind auch sechserlei -

Merkt, was mir die Bedeutung sei!"

 

"Das erste Blatt ist himmelblau,

Und sagt: Mensch, oft nach oben schau!

Das andere, wie Rosen rot,

Mahnt an des Heilands Blut und Tod;

Das dritte wie die Lilie weiß,

Spricht: Rein zu leben dich befleiß!

 

Das vierte Blatt, so schwarz wie Ruß,

Lehrt, dass ich auf die Bahre muss;

Des fünften feuerfarb`ner Schein

Erinnert an der Hölle Pein;

Das sechste Blatt vom Golde ganz,

Mahnt an des Himmels Pracht und Glanz.

 

Bedenk` ich, was das Büchlein spricht,

Mein Aug` sich netzt, das Herz mir bricht -

Was ich nur brauch`, mein Büchlein lehrt,

D`rum halt` ich`s tausendmal mehr wert,

Als euere Elephanten all`

In euerem großen Bücherstall."

 

Still gehet der gelehrte Mann;

"Hm," denket er, "es ist was d`ran!

Wer wenig tut, weiß er gleich viel,

Der kommet nimmermehr zum Ziel,

Wer wenig weiß, es aber tut,

Ist noch so weise, froh und gut."

 

Christoph von Schmid

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41. Ave Maria Geläute

 

 

 Wenn der junge Tag aus Purpurgluten

Länder so innig grüßt und Meeresfluten,

Und, zum Morgenliede, in den Hainen

Vögel sich einen;

 

Wenn des Mittags Sonnenfeuer glühen,

Und, erschöpft von regen Lebensmühen,

Menschenkinder von des Schöpfers Gaben

Dankend sich laben;

 

Und wenn spät der Quell des Tages sinket,

Und das Abendrot zur Ruhe winket,

Und die Vögelein auf grünen Zweigen

Schlummernd sich neigen;

 

Schallen rings des Tempels Feierglocken,

Deren Töne alle Herzen locken,

Dass, o Jungfrau! sie zu deinen Füßen

Festlich dich grüßen;

 

Die allein in dieses Lebens Wüste

"Gnadenvolle!" Gottes Engel grüßte,

Als die Botschaft, die die Welt entsündigt,

Er dir verkündigt.

 

Als du, Hohe, die du Gott erkanntest,

Dich in Demut Seine Magd nur nanntest,

Und dich neigtest, Seinen ew`gen Willen

Treu zu erfüllen:

 

Schwang der Himmelsbote sein Gefieder,

Und es stieg des Vaters Wort hernieder

Und ward Fleisch, von grauser Nacht des Bösen

Uns zu erlösen!

 

O Maria, du, der Frauen Krone!

Bitt für uns bei diesem milden Sohne!

Schirme die Erlösten, Seine Kinder,

Zuflucht der Sünder!

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42. Todesseufzer

 

"Wann, ach wann, ersehnte Stunde,

Wann erscheinst dem Kranken du?

Da des Herzens tiefer Wunde

Heilung wird, dem Müden Ruh`;

Schon so lange

Seufzet bange

Dies mein ängstlich klopfend Herz,

Zög` so gerne himmelwärts.

 

Ist doch dieses Tal der Tränen

Nimmermehr mein Vaterland!

Meines Herzens heißes Sehnen

Ist ein sichres Unterpfand,

Dass ob jenen

Fernen Höhen,

Wo der Sterne Pracht erglüht,

Meine wahre Heimat blüht.

 

Schöne Heimat! geht`s noch lange,

Bis ich deine lichten Au`n -

Nach so manchem herben Gange

Meiner Pilgerschaft darf schau`n?

Geht`s noch lange

Bis vom Drange,

Der mein krankes Herz durchsticht,

Dieses Lebens Fessel bricht?

 

Jesus, meine einz`ge Liebe,

Komm, o komm, ich flehe Dich!

Stille meine heißen Triebe,

Komm, ach komm, erlöse mich!

Hab Erbarmen

Mit dem Armen,

Ende meines Herzens Pein,

Mich verlangt bei Dir zu sein!"

 

Da erklang`s gleich Harfentönen:

"Harre, Sohn! im Kampfe aus!

Bald, ja bald werd` Ich dich krönen

Dort in Meines Vaters Haus;

Ich verweile

Dir zum Heile

Hier zu tilgen deine Schuld,

D`rum, mein Kind, hab` noch Geduld!"

 

Und die bleiche Lippe küsste

Neugestärkt das Kreuz des Herrn:

"Dir, Der für mich Armen büßte,

Dir zu Liebe leid` ich gern;

Seele, stille

Nicht mein Wille,

Gottes Wille soll gescheh`n!"

War des Dulders brünstig Fleh`n.

 

Und es kam die letzte Stunde,

Des Befreiers Sichel klang:

Plötzlich heilte jede Wunde,

Gottes milder Engel schwang

Voll Erbarmen

Sich zum Armen,

Drückte sanft zu ew`ger Ruh`

Müdgeweinte Augen zu.

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43. Der Tag der ersten heiligen Kommunion

 

Jene Segensstunde

Jetzt bevor euch steht,

Die mit Herz und Munde,

Kindlein, ihr erfleht; -

Jesus hat geladen

Euch zum Quell der Gnaden,

Der auf allen Pfaden

Fürder mit euch geht.

 

Seht, er wollte wohnen

Euch im Herzen rein;

Euch mit Heil zu lohnen,

Zog er segnend ein;

Strebt, es rein zu halten,

Schuldlos zu gestalten;

Sündigen Gewalten

Lasst`s verschlossen sein!

 

Denn wo Sünde weilet,

Wohnet Jesus nicht;

Wenn er euch enteilet

Weicht auch Heil und Licht.

Einmal ist dem Leben

Dieser Tag gegeben,

Der verkehrtem Streben

Einst das Urteil spricht.

 

Doch bei frommem Wallen,

Einem Born er gleicht,

Der, wann wir gefallen,

Trost und Labsal reicht.

Wo Versuchung lauert,

Bang das Herz erschauert

Und im Dunkel trauert,

Sichern Pfad er zeigt.

 

Geht denn mit Vertrauen

Eure Lebensbahn;

Kämpft, wenn Leid und Grauen

Tritt an euch heran!

Sorgt, dass euch zur Seite

Jesus schirmend schreite,

Dass er aus dem Streite

Führ` euch himmelan!

 

R. Grein

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44. Der heilige Wenzeslaus

 

Alles liegt im Schnee begraben

Stadt und Feld und Wald,

Auf die weiße Silberdecke

Scheint der Mond so klar und kalt.

 

Wohlbehaglich hüllt der Reiche

In die warmen Kleider sich:

Doch der Arme müd und hungrig

Seufzt zum Himmel innerlich.

 

Sieh, wer kommt daher geschritten,

Wie ein Bot aus Bethlehem,

Schweres Holz auf seinen Schultern,

Auf dem Haupt ein Diadem.

 

Mild und edel ist`s ein König,

Der das Holz zur Hütte trägt,

Der die Ärmsten seines Reiches

Liebend wie ein Vater pflegt.

 

Seufzend spricht der alte Diener:

Weh` ich halt es nimmer aus,

Ich erstarre schon vor Kälte,

Hilf mir König Wenzeslaus!

 

O mein lieber, treuer Diener!

Folge mir vertrauensvoll,

Und ich will den Herrn bitten,

Dass er dich erwärmen soll.

 

Näher folgte ihm der Diener,

Schritt vor Schritt durch Schnee und Eis.

Sieh, da dünkten ihn die Tritte,

Wie ein Feuer glühend heiß.

 

Aus dem Eise drang es wärmend

In sein kaltes, armes Herz,

Dass er glühend nimmer fühlte

Jener Kälte grimmen Schmerz.

 

Denn das Feuer heil`ger Liebe,

Das den König heiß durchfloss,

Hatte auch das Eis durchdrungen,

Dass die Flamme aufwärts schoss.

 

Viele Kranke, viele Arme

Wärmte dieses heil`ge Herz,

Das, von Gottes Lieb entflammet,

Linderte der Menschen Schmerz.

 

G. Görres

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45. In der Zelle

 

In der Zelle heil`gem Frieden,

Fern vom Lärm der Welt geschieden,

Malt ein Bruder fromm und mild

Betend ein Marienbild.

 

Seinem Auge, Licht erfüllet,

Scheint Auge, Licht erfüllet,

Scheint die Erde nachtumhüllet;

Bilder einer höhern Welt

Schaut sein Geist von Gott erhellt.

 

Was, umrauscht von Geisteswehen,

Andachtsvoll er so gesehen,

Malt er dann zu Gottes Preis

Mit der Demut stillem Fleiß.

 

Und der Seele Engelklarheit,

Seines Glaubens heil`ge Wahrheit

Leuchtend aus dem Bilde strahlt,

Das der Bruder betend malt.

 

Doch wer naht der reinen Schwelle?

Wer betritt die stille Zelle?

Nicolaus von Gott geweiht

Zum Vater aller Christenheit.

 

Und ergriffen von Entzücken

Sieht er mit gerührten Blicken,

Bald das wundervolle Bild,

Bald den Bruder fromm und mild.

 

Hör` mein Sohn! ich bin gekommen,

Weil ich viel von dir vernommen,

Wie dein Wandel makelfrei,

Deine Kunst so heilig sei.

 

Deinen Lohn sollst Du erblicken,

Sollst Florenz als Bischof schmücken:

Denn der Kirche ziemet nicht

Zu verbergen solches Licht.

 

Flehend sank der Bruder nieder:

Sieh den kleinsten aller Brüder, 

Deine allzugroße Huld

Würde nur zur ew`gen Schuld.

 

Nimm! o nimm von mir die Gabe:

Allzuschwach dem Bischofsstabe,

Wär`s um meine Ruh` gescheh`n,

Müsst ich stets den Richter seh`n.

 

Doch ich weiß der Brüder Einen;

Frömmer, heil`ger gibt es keinen,

O erwähl` zum Bischof ihn,

Wiss` sein Nam` ist Antonin.

 

Als von Tränen unterbrochen,

So der Bruder fromm gesprochen,

Hat der Vater, tief gerührt,

Seines Sohnes Wunsch vollführt.

 

Mit dem Hirtenstab gezieret,

Hat Florenz gar weis regieret

Antoninens milder Geist,

Den die Kirche heilig preist.

 

Und der Bruder fromm und milde,

Malte fort an seinem Bilde,

Wie, von heil`ger Lieb` entzückt,

Er es tief im Geist erblickt.

 

Und in klarem Engelscheine

Glänzt Fiesole der Reine,

Der so hell im Lichte steht,

Weil die Kunst ihm ein Gebet.

 

G. Görres

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46. Weißer Sonntag

 

Ihr Winterwolken, ziehet weiter,

Lach`, Sonnenstrahl, durch Flur und Hag,

Es nahet sacht auf Andachtsschwingen

Der lieben Jugend Ehrentag.

 

Kommt, Vöglein, kommt, verlasst die Stätte,

Dahin euch jagte Not und Plag,

O kommt und jauchzt, singt Jubellieder

Zu unsrer Jugend Ehrentag.

 

Ihr Menschenkinder alle, alle,

Was immer euch auch drücken mag,

O werdet wieder gläub`ge Kinder

An unsrer Jugend Ehrentag.

 

Wilhelm Donner

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47. Die Stimme von Golgatha

 

Wie, klagt der Herr, was hab` Ich dann,

Mein Volk, dir je zu Leid getan,

Und worin dich betrübet?

Hab` Ich dich denn nicht jederzeit

Ganz überhäuft mit Gütigkeit

Und ohne Maß geliebet?

 

Dich sucht` Mein Herz ohn` Unterlass,

Doch du belohnst mit Spott und Hass

All` Meine Lieb` und Treue; -

Liebe zu dir ist`s ja allein,

Dass Ich erdulde Schmach und Pein,

Und auch den Tod nicht scheue.

 

Für dich das Kreuz trug Ich herauf,

Opferte Mich dem Vater auf,

Um deine Schuld zu büßen;

Für dich vergoss Ich all` Mein Blut,

Sterbend Mein Herz dir auf sich tut,

Mit dir den Bund zu schließen.

 

Willst du dem Tod denn nicht entgeh`n,

Willst du das Leben nimmer seh`n,

Und in der Sünde sterben?

Siehe, dein Herr noch wartet hier,

Breitet die Arme aus nach dir,

Will dir dein Heil erwerben.

 

Wär` deine Sünd` auch rot wie Blut,

Wär` dein Vergeh`n wie Purpurglut,

Rein sollst du wieder werden!

Wende zu Mir nur Herz und Sinn!

Um dich an Mich empor zu zieh`n

Bin Ich erhöht von der Erden!

 

Komm` doch, o komm` und säume nicht

Wende zu Mir dein Angesicht,

Eh` wir auf stets geschieden -

Wer treu Mich liebt, hält mein Gebot,

Ihn führ` Ich siegreich durch den Tod

In Meinen süßen Frieden.

 

Johann Emanuel Veith

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48. An Maria - Am Abend - Am Morgen

 

Am Morgen

 

Dein gedenke ich an jedem Morgen,

Holde Mutter, Himmelskönigin!

Dir empfehl` ich alle meine Sorgen,

Alles was ich habe, was ich bin.

Dein gedenk ich, wenn ich aufwärts schaue,

Wenn zum Himmel sich mein Blick erhebt;

Du, der Stern, auf den ich fest vertraue,

Wenn auch grause Nacht mich rings umwebt.

 

O wie fühl` ich, fühl` ich süße Freuden

In dem Herzen, wenn es dein gedenkt;

Du, die mir in jedem Erdenleiden

Süßen Trost und Himmelslabsal schenkt:

Die, so oft ich kindlich zu ihr flehe,

Mich lässt fühlen ihre holde Macht;

Die, wo ich nur immer geh` und stehe,

Schützend über meinem Heile wacht.

 

O dein will ich immerdar gedenken,

Will voll Liebe dir ergeben sein;

Will mein Herz dir ganz zum Opfer schenken,

Und es treu der Pflicht und Tugend weih`n.

Ja, ich will auf deinen Spuren wandeln,

Will nur eifern stets für Recht und Pflicht;

Will, wie du, nur streben recht zu handeln,

Bis mein Auge einst im Tode bricht.

 

O dann wirst du meiner auch gedenken

Dort bei Jesus, deinem lieben Sohn;

Und Er wird aus Gnade mir dann schenken

Der Gerechten ew`ge Siegeskron`:

Wird mich nehmen auf in`s Reich der Freuden,

Wo ich Ihn und dich werd` ewig seh`n, 

Und, befreit von allen Erdenleiden,

Selig werd` vor Seinem Throne steh`n.

 

Am Abend

 

Dein gedenk` ich, sinkt die Sonne nieder,

O Maria! schwindet ihre Pracht;

Dir erschallen meines Mundes Lieder

Wie beim Morgen, so auch bei der Nacht.

Strahlt mir nur das Antlitz deiner Milde,

Wird die Nacht mir zu des Tages Licht;

Denn die Sonne muss weichen deinem Bilde,

Ungleich schöner ist dein Angesicht!

 

So vernimm denn meines Mundes Lieder,

Holde Mutter! bei des Tages Schluss:

Eh` ich mich zur Ruhe lege nieder,

Send` ich dir noch einen Herzensgruß.

Und im Schutze deiner Muttertreue

Schlafe ich denn bald ganz selig ein;

Kommt der Morgen, sing` ich dir auf`s neue,

Und dein Lob soll meine Freude sein.

 

J. Kremer

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49. Frühling

 

Die rauen Stürme endlich ruh`n und schweigen,

Der heit`re, blaue Himmel lacht uns wieder;

Belebend glänzt das Sonnenlicht hernieder,

Und Grün und zarte Blumen rings sich zeigen.

 

Und Wohlgerüche auf zum Himmel steigen

Wie Dankgebet vom kaum erschloss`nen Flieder;

Gleich Jubelruf erklingen uns die Lieder

Der Vöglein von den grüngeschmückten Zweigen.

 

Da wird das Menschenherz mit fortgerissen,

Die ungetrübte Freude zu genießen. -

Ja, nehmen wir, was uns von Gott gegeben.

 

Doch lasst das Herz zu ihm hinauf sich heben

Um Preis und Dank dem Gütigen zu bringen,

Dem alle Wesen heut ihr Loblied singen.

 

R. Grein

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50. Maria betrachtet das schlafende Jesuskind

 

Der Himmel ließ geschwinde

Verstummen seinen Sang,

Als bei dem Jesuskinde

Mariens Schlaflied klang.

 

Die Jungfrau, voll ntzücken,

Mit göttlich süßem Ton,

Ihr Herz in ihren Blicken,

Sprach also zu dem Sohn:

 

"Mein Sohn, mein Gott, wie sachte

Schläfst Du an meiner Brust!

Ich, wenn ich Dich betrachte,

Ich sterbe fast vor Lust.

 

Kannst mich, mein Schatz, nicht sehen,

Das Aug` geschlossen ruht;

Doch Deines Odems Wehen

Füllt mich mit Liebesglut.

 

Wenn so mich schon getroffen

Geschlossene Äugelein,

Was wird es, wenn sie offen,

Was wird es dann erst sein!

 

Die rosenroten Wangen

Bezaubern gänzlich mich;

Mein Gott, o mein Verlangen,

Wie gern stürb` ich für Dich!

 

Lass, Liebling, lass mich küssen

Die Lippen, gar so schön!

Wirst schon gewähren müssen,

Ich kann nicht widesteh`n."

 

Sie schweigt und drückt das Kindchen

Ganz lind an ihre Brust,

Und küsst sein göttlich Mündchen

Mit inn`ger Herzenslust.

 

Der Liebling nun erwachet;

Mit holdem Blick, worin

Die Lieb` und Freude lachet,

Sieht Er zur Mutter hin.

 

O Gott, wie drang in Eile

Mit süßem Liebesschmerz,

Gleich einem spitzen Pfeile,

Der Blick in`s Mutterherz!

 

Und welche Kält`, o siehe,

Umfängt dich, mein Gemüt,

Da liebevoll Marie

Zu ihrem Jesus glüht!

 

Was denkst du? Red`, o rede!

Reizt and`re Schönheit dich?

Nur Missgestalt ist jede;

Hier zeigt die wahre sich.

 

Ja, ja, es soll nun siegen

Der Liebesdrang in mir!

Ich fühl`mich unterliegen

Der Doppelschönheit hier.

 

Wenn ich, ihr göttlich Schönen,

Erst spät für Euch erglüht,

So soll nun ewig tönen

Mein zärtlich Liebeslied.

 

Gott und die Makellose,

Die Mutter und ihr Kind,

Die Lilie und die Rose

Mein Ziel der Liebe sind.

 

Die Frucht mit ihrer Blüte,

Die Pflanze mit der Frucht,

Die liebet mein Gemüte,

Nichts and`res wird gesucht.

 

Ich will auch nicht Vergnügen,

Nicht Dank und Lohn ich such`;

Die Liebe muss genügen,

Die Lieb` ist Lohn genug.

 

Nach Liguori von J. v. Orsbach

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