Säg` am Kreuz nichts ab!

 

Der Kampf ist heiß, die Last ist schwer,

Oft seufzt du müde: "Ich kann nicht mehr!"

 

Doch halte nur aus, einst wird dir`s klar,

Wie nötig hier unten das Kreuz dir war.

 

Auf hartem Stein am Waldesrand

Sitzt müde ein Mann, den Stab in der Hand.

 

Er kann nicht weiter, er ist zu matt,

Weil er so viel Schweres zu tragen hat.

 

Still schaut er im Geiste den Weg, den er kam,

Er fing einst so herrlich mit Sonnenschein an.

 

Noch denkt er mit stiller Wehmut zurück,

Doch liegt in Trümmern, was einst war sein Glück.

 

Nichts ist ihm geblieben, so arm und allein

Muss er bis ins hohe Alter nun sein.

 

Da krampft sich das Herz zusammen vor Weh:

"Mein Gott, warum muss diesen Weg ich geh`n?"

 

Und über dem Denken und über dem Sinnen

Ihm heiß von der Wange die Tränen rinnen. -

 

Doch nach und nach wird`s still in der Brust,

Er ist sich der Gotteskindschaft bewusst.

 

Drum schaut er im Glauben hinauf zur Höh`,

"Dort wird sich ja klären, was ich nicht versteh`."

 

So fasst er den Stab, und mit schwerem Gang

Zieht zur Hütte er dort am Bergeshang,

 

Legt müde vom Wandern zur Ruh` sich hin,

Noch zieht ihm so manches durch den Sinn. -

 

Auf all seine Sorgen und was er geklagt,

Im Traume Gott selbst ihm die Antwort sagt:

 

Er sieht sich als Pilger, den Stab in der Hand,

Von Ort zu Ort wandern im Pilgergewand.

 

Das Ziel seiner Wand`rung ist jene Stadt,

Die Gott, der Herr, selbst gegründet hat.

 

Und auf dem Rücken ein Kreuz er trägt,

Das ist die Last, die Gott auferlegt.

 

Er wandert mutig, das Ziel winkt von fern,

Schon glänzt die Stadt wie ein goldener Stern.

 

Doch heiß brennt die Sonne, das Kreuz drückt sehr,

Er muss einmal ruhen, er kann bald nicht mehr.

 

Dort steht ja ein Häuschen so schmuck und klein,

Da nimmt er das Kreuz ab, da ruht sich so fein.

 

Als er dann weiter des Weges will geh`n,

Sieht eine Säge er neben steh`n,

 

Da denkt er: Dein Kreuz ist zu lang und schwer,

Du sägst etwas ab, dann drückt dich`s nicht mehr.

 

Gesagt, getan. Nun war leichter die Last.

Er denkt: Wie gut, dass du´s abgesägt hast.

 

Nun geht das Wandern bequem und leicht,

Jetzt ist das Ziel viel schneller erreicht. -

 

Bald sieht er die Stadt auch schon vor sich steh`n,

Wie herrlich und schön ist sie anzuseh`n!

 

Ein Graben nur trennt ihn von der Stadt, 

Der aber gar keine Brücke hat.

 

Er läuft entlang, er sucht und sinnt,

Doch eine Brücke er nirgends find`t. -

 

Da fällt ihm das Kreuz auf dem Rücken ein.

Vielleicht könnte das ihm jetzt Brücke sein.

 

Er nimmt`s und schiebt`s übern Graben her,

Doch, s`ìst zu kurz, es reicht nicht mehr.

 

Es fehlt das Stück, das er abgesägt. -

"Ach hätt ich`s doch nicht", seufzt er tiefbewegt,

 

"Nun stehe ich hier so nahe am Ziel,

Und kann nicht hin, weil mir`s Kreuz nicht gefiel."

 

Er weint und schreit, er klagt sich an,

Weil er schuld, dass er zur Stadt nicht kann. -

 

Da naht ein Pilger, der auch ein Kreuz trägt,

Von dem er aber nichts abgesägt.

 

Der kommt zum Graben, schiebt`s Kreuz drüber hin

Und geht zur Stadt mit frohem Sinn. -

 

Da denkt unser Pilger: "Ich will doch seh`n,

Ob über dies Kreuz ich hinweg kann geh`n."

 

Er tritt hinzu, o weh - es kracht, -

Mit einem Schrei ist er aufgewacht.

 

Er sieht sich im Zimmer, er ist noch hier. -

"Mein Gott, o von Herzen danke ich Dir!"

 

Es war nur ein Traum, doch die Angst und Qual

Möcht ich durchkosten nicht noch einmal.

 

Ich seh` nun mein Kreuz an als göttliche Gab`

Und säg` von demselben nichts mehr ab.

 

So muss es sein, wie der Vater es macht,

Und geht auch mein Weg durch Trübsal und Nacht,

 

Ich harre still aus, trag` Kreuz und Leid,

Es ist mir ja Brücke zur Herrlichkeit!

 

Und du, der du auch ein Kreuze trägst

Und auch gern ein Stückchen davon absägst,

 

Tu`s nicht: denn es ist eine göttliche Gab`,

Denn sägst du, dann sägst du den Segen ab. -

 

O Jesus, ewiger Hoherpriester, der Du aus Liebe zu uns die Menschheit durch Dein Leiden und Deinen Kreuzestod erlöst hast, nimm durch die gebenedeiten Hände Deiner Mutter mein Leiden gütigst an. Amen.

 

"Wer mir nachfolgen will,

der verleugne sich selbst

und nehme sein Kreuz auf sich

und folge mir nach."

Matthäus 16,24