Unsere Armen Seelen
Der Reinigungsort
Dante hat das Geheimnis des Fegfeuers im zweiten Teil seiner "Göttlichen Komödie", im Purgatorio, in ergreifenden Bildern und Szenen geschildert. Der Berg des Reinigungsortes erhebt sich in Kreisen, wo die büßenden Seelen sich von den Makeln der sieben Hauptsünden reinigen: die Stolzen, die Neidischen, die Zornigen, die Trägen, die Geizigen, die Schlemmer und die Wollüstigen. Sie alle reinigen sich durch die ihren einstigen Sünden entgegengesetzten Tugendwerke: Demut, Sanftmut, strenges Fasten usw. Erst auf der Spitze des Läuterungsberges winkt das irdische Paradies, und von diesem aus erhebt sich Dante, nachdem seine letzte Läuterung im Lethestrom vollzogen ist, zum Aufflug in den Himmel.
Herr, erbarme dich ihrer - Christus, erbarme dich ihrer - Herr, erbarme dich ihrer
Gott Vater vom Himmel - erbarme dich ihrer
Gott Sohn, Erlöser der Welt - erbarme dich ihrer
Gott Heiliger Geist - erbarme dich ihrer
Heilige Dreifaltigkeit, ein einiger Gott - erbarme dich ihrer
Heilige Maria - bitte für sie
Heilige Gottesgebärerin - bitte für sie
Heilige Jungfrau über allen Jungfrauen - bitte für sie
Schmerzhafte Mutter - bitte für sie
Königin des Himmels - bitte für sie
Heiliger Erzengel Michael - bitte für sie
Alle heiligen Engel - bittet für sie
Heiliger Johannes der Täufer - bitte für sie
Heiliger Joseph - bitte für sie
Alle heiligen Patriarchen - bittet für sie
Alle heiligen Apostel und Evangelisten - bittet für sie
Alle heiligen Jünger des Herrn - bittet für sie
Alle heiligen Unschuldigen Kinder - bittet für sie
Alle heiligen Märtyrer - bittet für sie
Alle heiligen Bischöfe und Bekenner - bittet für sie
Alle heiligen Kirchenlehrer - bittet für sie
Alle heiligen Priester und Leviten - bittet für sie
Alle heiligen Mönche und Einsiedler - bittet für sie
Alle heiligen Jungfrauen und Witwen - bittet für sie
Alle Heiligen Gottes - bittet für sie
Sei ihnen gnädig - verschone sie, o Herr
Sei ihnen gnädig - erhöre sie, o Herr
Von allem Übel - erlöse sie, o Herr
Von deinem Zorne - erlöse sie, o Herr
Von der tiefen Traurigkeit - erlöse sie, o Herr
Von der schmerzhaften Sehnsucht - erlöse sie, o Herr
Von der harten Gefangenschaft - erlöse sie, o Herr
Von allen Strafen - erlöse sie, o Herr
Durch deine wunderbare Menschwerdung - erlöse sie, o Herr
Durch deine Geburt - erlöse sie, o Herr
Durch deinen heiligen Namen - erlöse sie, o Herr
Durch deine Taufe und dein heiliges Fasten - erlöse sie, o Herr
Durch deine tiefe Demut - erlöse sie, o Herr
Durch deinen vollkommenen Gehorsam - erlöse sie, o Herr
Durch deine Armut - erlöse sie, o Herr
Durch deine Geduld und Sanftmut - erlöse sie, o Herr
Durch deine unendliche Liebe - erlöse sie, o Herr
Durch dein bitteres Leiden - erlöse sie, o Herr
Durch deinen blutigen Angstschweiß - erlöse sie, o Herr
Durch deine Gefangenschaft - erlöse sie, o Herr
Durch deine schmerzliche Geißelung - erlöse sie, o Herr
Durch deine peinvolle Dornenkrönung - erlöse sie, o Herr
Durch deine schimpfliche Verspottung - erlöse sie, o Herr
Durch deine ungerechte Verurteilung - erlöse sie, o Herr
Durch deinen mühseligen Kreuzweg - erlöse sie, o Herr
Durch deine grausame Kreuzigung - erlöse sie, o Herr
Durch deine Verlassenheit - erlöse sie, o Herr
Durch deinen heiligen Tod - erlöse sie, o Herr
Durch deine heiligen fünf Wunden - erlöse sie, o Herr
Durch dein heiliges Herz - erlöse sie, o Herr
Durch deine glorreiche Auferstehung - erlöse sie, o Herr
Durch deine wunderbare Himmelfahrt - erlöse sie, o Herr
Durch die Sendung des Heiligen Geistes - erlöse sie, o Herr
Durch die Verdienste und die Fürbitte deiner heiligen Mutter - erlöse sie, o Herr
Durch die Verdienste und die Fürbitte aller deiner Heiligen - erlöse sie, o Herr
Wir armen Sünder - wir bitten dich, erhöre uns
Dass du die armen Seelen aus ihrer Pein und Qual erretten wollest - wir bitten dich, erhöre uns
Dass du sie aller guten Werke der ganzen Christenheit teilhaftig machen wollest - wir bitten dich, erhöre uns
Dass du unser Gebet für sie allzeit erhören wollest - wir bitten dich, erhöre uns
Dass du sie durch den heiligen Erzengel Michael und seine Engel trösten und zum ewigen Lichte führen wollest - wir bitten dich, erhöre uns
Dass du sie bald mit deiner seligen Anschauung begnadigen wollest - wir bitten dich, erhöre uns
Dass du unsern verstorbenen Eltern, Geschwistern, Freunden und Wohltätern die ewigen Güter verleihen wollest - wir bitten dich, erhöre uns
Dass du unsere verstorbenen Bischöfe und Priester mit der Krone der Herrlichkeit belohnen wollest - wir bitten dich, erhöre uns
Dass du den gefallenen Soldaten den Frieden in der ewigen Heimat schenken wollest - wir bitten dich, erhöre uns
Dass du der armen Seelen, deren niemand auf Erden gedenkt, dich mildreich erbarmen wollest - wir bitten dich, erhöre uns
Dass du allen Christgläubigen barmherzige Liebe zu den armen Seelen einflößen wollest - wir bitten dich, erhöre uns
Dass du den abgeschiedenen Seelen die ewige Ruhe verleihen wollest - wir bitten dich, erhöre uns
König der Herrlichkeit - wir bitten dich, erhöre uns
Jesus, du Sohn Gottes - wir bitten dich, erhöre uns
O Lamm Gottes, das du hinweg nimmst die Sünden der Welt – verschone sie, o Herr
O Lamm Gottes, das du hinweg nimmst die Sünden der Welt – erhöre sie, o Herr
O Lamm Gottes, das du hinweg nimmst die Sünden der Welt – erbarme dich ihrer
Lasset uns beten. Gott, Schöpfer und Erlöser aller Gläubigen, schenke den Seelen deiner Diener und Dienerinnen Nachlass aller Sünden, damit sie die stets ersehnte Verzeihung durch unsere frommen Fürbitten erlangen; durch Christus unseren Herrn. Amen.
Läuterung
Das Fegfeuer ist die Einsicht in die verlorenen Möglichkeiten des Lebens. Und da die versäumten Augenblicke einander ins Unendliche steigern, steigert sich auch die Qual der Erkenntnis dieser Verlorenheit. Ich habe einmal, vielleicht in der Jugend, die Hand Gottes nicht ergriffen. Später wird mir angeboten, über eine Brücke zum richtigen Ufer hinüberzugehen. Aber ich denke: Wie könnte ich über die Brücke gehen, da ich damals die Hand nicht ergriffen habe? Und wieder später: Wie soll ich ans andere Ufer kommen, da ich es versäumte, über die Brücke zu gehen, da gar keine Brücke mehr vorhanden ist? Nach jeder neuen Abweisung fehlt ein Glied in der Kette. Das Fegfeuer ist wie eine ganz gründliche Beichte, in welcher der Herr der Beichtvater wäre, der die vergessenen Sünden nacheinander und immer tiefer aufdeckt; und mit der steigenden Einsicht geht mir erst die Ahnung auf, wie sehr das alles Sünde war, und mit der Ahnung die Erkenntnis, und mit der Erkenntnis die Bitterkeit, und ganz allmählich die Reue, die wirkliche Reue um des Herrn willen.
(Adrienne von Speyr, Die Apokalypse, 144)
Im Fegfeuer wird die Selbsterkenntnis hinfällig, weil das Maß an Gott übergeht: der Mensch soll der werden, als den Gott ihn kennt. Am Anfang steht eine totale Forderung, die weit über meine höchsten Fähigkeiten hinauslag. Die unwillkürliche Reaktion ist: "Nein, das kann ich nicht." Diese Wand ist viel zu steil, als dass ich sie erklettern könnte! Aber wer ist das Ich, das so redet? Ich erhalte einen kurzen Rückblick auf mein Leben, und ich erkenne: es wäre zu leisten gewesen. Die Rückschau dient dazu, die Selbstsicherheit zu erschüttern. Daraus steigt eine Bitte hervor: "Mach mich gefügig." Das darin liegende Ja ist kein Ja der Einsicht, sondern der Übergabe meiner Einsicht in die Sicht Gottes. Es ist wie eine Bewegung der Macht Gottes in meiner Ohnmacht. Es ist kein Gebet, das freudig stimmt, es ist affektlos, sogar realitätslos. Wichtig ist nur, dass die Tiefe der Verdemütigung gespürt wird. Die verdemütigende Macht ist unendlich fremd, und es gibt keine mögliche Annäherung, keine Anbiederung, keine Neugierde. Diese Macht ist von einer erschreckenden Sachlichkeit, sie "arbeitet voran", auch wenn es mir unerträglich scheint. Man ist an eine "Abbruchfirma" verkauft, weil hier ein Neubau entstehen soll.
Das ganze lebenslängliche Besserwissen des Menschen muss bis ins Mark erschüttert werden, alle zurechtgelegten Meinungen und Systeme, alle präformierten Ideen und Angewöhnungen müssen fallen, mehr noch, gewaltsam eingerissen werden, damit Raum entsteht für Gott.
Die Mitmenschen spielen beim Ganzen überhaupt keine Rolle. Sie existieren nicht, somit gibt es auch kein Mitteilungsbedürfnis. Man ist für den Augenblick auf etwas hin gebannt, das keine Zerstreuung duldet: ich stehe zum ersten Mal nackt vor dem Herrn. An seinem Blick erkenne ich, dass der Herr mich immer schon nackt gesehen hat.
(Adrienne von Speyr, Objektive Mystik, 343.344-348)
Es ist gleichsam der große Trick des Fegfeuers, dass wir, ehe wir unsere ganze Schlechtigkeit und Sünde einsehen lernen, die Güte des Herrn erfahren. So werden wir unsere Taten erfahren, nicht von unserem Standpunkt aus, sondern von dem der Güte und Liebe des Herrn aus. Ich soll nicht nur innerhalb meiner Sünde beschämt werden, sondern soll meine Unreinheit in der Reinheit Gottes erleben. Am eigenen Zustand (der mir gar nicht mehr gehört) lässt sich kein Fortschritt ablesen, höchstens an der Veränderung des Herrn, am Deutlicherwerden seiner Liebe zu mir. Man beginnt sein Gebet zu sehen. Der Punkt, wo der Übergang stattfindet, ist das Leiden des Herrn. Die Angst des Sünders, sich preiszugeben, wird unterfasst von der Angst des Herrn um der Sünde willen. Das tiefste Gebet im Fegfeuer ist deshalb die tiefste Bereitschaft, sich durch den Herrn die eigene Sünde zeigen zu lassen und so für das Geheimnis des Kreuzes zugänglich zu werden. Allmählich sehe ich: meine Sünde ist viel größer, als ich anfänglich dachte. Je mehr mein Schuldgefühl zunimmt, desto mehr weiß ich, dass die Strafe verdient ist, so sehr verdient, dass ich im Grund noch viel mehr verdient hätte. Und im Augenblick, da ich nach diesem "Mehr" rufe, ist das Ende des Fegfeuers nahe. Man hofft, man werde tragen dürfen. Hier setzt die wahre Hoffnung ein: dass der Herr nicht solange wird tragen müssen, bis er unter der Last zusammenbricht, dass vielmehr irgendeiner sich bereit erklären wird, mitzutragen. Und hier setzt auch das wahre Gebet ein: dass man dieser Tragende sein darf. Und aus dem Gebet entsteht eine Hingabe ohne Grenzen. In der Hingabe aber liegt die Erlösung. Nun öffnet sich der Himmel.
(Adrienne von Speyr, Objektive Mystik, 350 f. 354 f. 359.361.369.381)