Geiz

 

(von Leopold Kist, Pfarrer zu Stetten in der Erzdiözese Freiburg, 1863)

 

Es hatte einst eine gute Mutter ihrem Sohn, der in die Fremde ging, die schreckliche Lehre mit auf den Weg gegeben: „Lass dich schimpfen, lass dich treten, lass dich werfen ins Hundeloch, nur werde bald reich!“ Vier kurze, kleine Worte: „nur werde bald reich!“ und doch beherrschen sie schon sechs lange Jahrtausende, im ganzen und großen, die Welt. Vier kleine, kurze Worte, und doch klebt entsetzlich viel Blut, Meineid, Gottesraub, ein Judaskuss, Totschlag, Tränen und Elend daran. Diese vier kurzen Worte könnte man füglich das Evangelium der Welt nennen, das Evangelium der Weltkinder, deren es unberechenbar mehr sind, als der wahren und eigentlichen Gotteskinder. Es ist nur ein anderer Ausdruck, es sind nur andere Worte für die ganz gleiche Sache, wenn das verkehrte Sprichwort sagt: „Geld regiert die Welt.“ Traurig aber wahr! Nicht Religion und Glauben, nicht Christentum und Tugend, nicht Wahrheit und Gerechtigkeit, sondern „Geld regiert die Welt“, ist in sehr vielen Fällen, leider, nur zu wahr. Und um nun an der Regierung der Welt teilnehmen, d.h. seine eigenen Pläne durchführen und sich ein sogenanntes glückliches Los bereiten zu können, rennt und jagt und geizt die Welt nur nach Geld, sie dürstet einzig danach, bald reich zu werden. Für Geld ist fast alles feil, Geld öffnet fast jede Tür, mit Geld setzt man fast alles durch, mit Geld deckt man fast alles zu. Man schätzt und wiegt, man bemisst und berechnet fast alles nach dem Geld. Wenn jemand Geld, viel Geld hat, so ist er geachtet, geehrt und angesehen, er wird überall vorgezogen und berücksichtigt, er kommt überall durch und setzt alles durch, man neigt sich tief vor ihm, buhlt um seine Gunst und streut ihm ehrerbietig Weihrauch. Siehe, wie alles in den Gang kommt, wie es vorwärts geht, wenn man mit Geld nachhilft und „schmiert“, wie man zu sagen pflegt! Siehe, wie oft die heiligste und gerechteste Sache ins Stocken gerät und verloren geht, wenn das Geld fehlt! Siehe, wie oft der reiche Bösewicht ungestraft bleibt, während der Arme kleinere Vergehen schwer und lange büßen muss! Siehe, wie die Großen und Mächtigen der Erde oft um etliche Quadratmeilen blutige Kriege führen und ihre Untertanen zur Schlachtbank schleppen! Siehe, wie oft käufliche, bezahlte Kreaturen der Großen und Reichen Schandtaten zu Tugenden stempeln und ihrem Hochmut Triumphbogen und Ehrenpforten errichten! Siehe, wie alles Denken, Sinnen und Trachten der meisten Menschen nur auf den Erwerb zeitlicher Güter, auf Reichtümer und Schätze gerichtet sind, wie Geiz und Habsucht die Triebfeder aller ihrer Handlungen sind!

 

„Nur werde bald reich!“ ist das nicht der oberste Grundsatz und die Richtschnur der Weltkinder? Glaub was du willst, treib was du willst, leb wie du willst – nur wird bald reich! Ist das nicht der Welt Glaubens- und Sittenlehre! Werden nicht nach diesem Katechismus die Kinder erzogen, d.h. dressiert und abgerichtet? Sei raffiniert und spar und werde bald reich! Ist das nicht in so mancher Familie der Grundsatz der ganzen Erziehung? Man redet vor den Kindern nur von zahlen, leihen und borgen, von Geld und Gut, von Kapital und Zins, vom größten Glück, das im Reichwerden, und vom größten Unglück, das im Armwerden bestehen soll, man pflanzt ihnen einen hohen Respekt vor dem Geld ein, man übergibt ihnen schon frühzeitig Geld und sagt ihnen dann, wie reich sie seien, und weckt und nährt so Habsucht und Geiz in ihrem jugendlichen Herzen.

 

Diesem falschen Evangelium der Welt: „nun werde bald reich“ und „Geld regiert die Welt“ tritt nun Jesus Christus mit seinem Evangelium gegenüber, das da lautet: „eher kommt ein Kamel durch ein Nadelöhr, als ein Reicher ins Himmelreich“ Mt 19, 24, und „Ihr sollt euch auf Erden keine Schätze sammeln, wo sie der Rost und die Motten verzehren, und wo sie die Diebe ausgraben und stehlen; sondern sammelt euch Schätze im Himmel, wo sie weder Rost noch Motten verzehren, und wo sie die Diebe nicht ausgraben und stehlen“, Mt 6,19+20.

 

Und dieses Evangelium will ich dir verkünden, damit du dich nicht beladest mit Schätzen und Gütern dieser Welt, die dich hindern würden, einzugehen durch die enge Pforte, die zum Leben führt.

 

Sind Gold und Silber sündhafte Dinge?

 

Der heilige Bernhard sagt: „Gold, Silber und dergleichen Dinge, sind, was die Seele betrifft, weder gut noch böse. Der rechte Gebrauch dieser Dinge ist gut, der Missbrauch aber böse, die Sorge um sie aber noch schlimmer.“ Ein wahres Wort. Gold und Silber sind an und für sich ganz gleichgültige Dinge, für den sündhaften Menschen aber, durch seine eigene Schuld, werden sie für ihn verführerische und darum gefährliche Dinge.

 

Gott selbst hat Gold und Silber, Perlen und Edelsteine erschaffen, sie sind sein Werk, also an sich nichts Sündhaftes. Gott hat diese Dinge dazu erschaffen, dass sie uns Mittel seien, sie zu guten Zwecken zu gebrauchen und zu verwenden. Wir sollen sie dazu verwenden: Gott damit zu verherrlichen, die Ausbreitung seiner heiligen Kirche zu fördern, seinen bedrängten Kindern zu helfen, unsere Kräfte und Fähigkeiten auszubilden, das tägliche Brot, Nahrung, Kleidung und Wohnung uns zu verschaffen und den Himmel zu erkaufen.

 

Gott selbst hat uns Kräfte gegeben, damit wir zeitliche Güter zum angegebenen Zweck erwerben. Und er will, dass wir im Schweiß unseres Angesichtes unser Brot essen, niemand zur Last fallen, den Müßiggang fliehen und uns durch unserer Hände Arbeit ehrlich ernähren und fortbringen. „Bestrebt euch, ein stilles Leben zu führen“, sagt der heilige Apostel Paulus, 1 Thess 4,11, „euer eigenes Geschäft zu treiben und von niemand etwas zu begehren“. Und in seinem 2. Brief an die Thess. 3,11+12 schreibt derselbe Apostel: „Wir haben gehört, dass einige unter euch unruhig leben, nicht arbeiten, sondern unnütze Dinge treiben. Solchen aber entbieten wir und beschwören sie im Herrn Jesus Christus, dass sie in der Stille arbeiten und ihr eigenes Brot essen“, und ferner sagt er: „Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen“, 2 Thess 3,10. So ist`s recht: Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen. Wer aber fleißig arbeitet und, wohlgemerkt, auch betet, damit Gott die Arbeit segne, wer vernünftig haust und spart, unnötige Ausgaben vermeidet und dem Dürftigen seine Hand öffnet, der wird sein Aus- und Fortkommen finden, keine Not und keinen Mangel leiden, ja in der Regel vermögend werden. Sollte das etwa sündhaft sein und vom Himmelreich ausschließen? Gott bewahre! Ist Gott selbst nicht unendlich reich? Ist er nicht der König des Himmels und der Erde? Verspricht er seinen treuen Dienern nicht himmlischen, ewigen, hundertfältigen Lohn? Die zeitlichen Güter sind also nichts an und für sich Sündhaftes und nichts an und für sich Gutes, so wenig als ein Messer, ein Löffel, ein Glas, ein Strick, an und für sich etwas Gutes oder Böses sind. Die zeitlichen Güter sind bloß Mittel zur Erreichung gottgefälliger Zwecke, sind Geschenke Gottes, die er seinen Kindern anvertraut hat, damit sie sie weise benützen. Nun kann der Mensch aber, weil er von Gott Freiheit erhalten hat, wie in allem anderen, so auch in diesem Stück, sich gegen Gottes Willen und Absichten entscheiden, sich Gott widersetzen und das, was Gott ihm zur Erreichung heiliger Zwecke anvertraut hat, zur Sünde missbrauchen. Weil nun der Mensch die zeitlichen Güter missbrauchen kann, darum sind sie für ihn, durch seine eigene Schuld, etwas Gefährliches, und, im Fall des wirklichen Missbrauchs, etwas Verderbliches. Der sündhafte Mensch kann die zeitlichen Güter missbrauchen zu Geiz und Habsucht, zu Genusssucht und Weichlichkeit, zu Unkeuschheit und Ausschweifung, zur Befriedigung von Stolz und Hochmut, von Hass und Neid usw. Er kann sie dazu missbrauchen, dass er sie liebt, dass er sein Herz an sie hinhängt, dass er über ihnen Gott vergisst und seinen Dienst vernachlässigt. Und dieser Missbrauch ist Sünde, schwere Sünde, und darum sagt der heilige Apostel Paulus: „Die reich werden wollen, fallen in Versuchung und Fallstricke des Teufels und viele unnütze und schädliche Begierden, die die Menschen in Untergang und Verderben stürzen“, 1 Tim 6,9. Um nun durch die zeitlichen Güter nicht in Versuchung und Fallstricke des Teufels, in Untergang und Verderben gestürzt zu werden, sollst du sie so besitzen, als besäßest du sie nicht. Du darfst und sollst sie erwerben, aber ehrlich und redlich, mit Maß und Ziel. Du darfst und sollst sie besitzen, aber nur als Verwalter Gottes, dem sie gehören. Du darfst und sollst sie verwenden, aber nur zu guten, gottgefälligen Zwecken. Du sollst dir Freunde machen vermittelst des betrügerischem Reichtums, damit, wenn es mit dir einst zu Ende gehen wird, sie dich in die ewigen Wohnungen aufnehmen, sagt Jesus Christus selbst. Wenn du dazu zeitliche Güter erwirbst und also verwendest, so findet auf dich das Wort des Herrn keine Anwendung: „eher kommt ein Kamel durch ein Nadelöhr, als ein Reicher ins Himmelreich.“ Der Reichtum bringt freilich die meisten Menschen in die Hölle, doch nicht der Reichtum als solcher, sondern die Ungerechtigkeit, mit der sie ihn zusammenscharrten, der Geiz und die Habsucht, womit sie ihn erwarben und zusammenhielten, die Hartherzigkeit, mit der sie ihn besaßen, die Sünden, die sie durch ihn verübten: das bringt in die Hölle, das schließt vom Himmelreich aus.

 

Heinrich II., der Heilige, war deutscher Kaiser, und als solcher gewiss reich, sehr reich und doch wurde er heilig. Aber wie viele Klöster und Kirchen hat er mit seinem Reichtum gestiftet und wie viele Werke der Barmherzigkeit geübt. Der heilige Stephan war König von Ungarn und gewiss sehr reich, und doch wurde er heilig und selig. Die heilige Elisabeth war Königin von Portugal und hatte gewiss über viele zeitliche Güter zu verfügen, und doch wurde sie heilig und selig. So kannst also auch du, obgleich begütert, heilig und selig werden – wenn du willst – denn das hängt einzig von dir ab.

 

Gott selbst hat das Verlangen nach Reichtum in den Menschen gelegt. Reich werden zu wollen, kommt von Gott. Nun hat aber Gott dieses Verlangen nach Reichtum deswegen in das Menschenherz gelegt, damit er reich zu werden trachte an Gnade vor Gott, an Tugenden, an guten Werken und an Verdiensten, an diesen himmlischen Schätzen, von denen Jesus sagt, dass kein Rost sie verzehren, keine Motten benagen und keine Diebe stehlen können. Nur insofern als uns die zeitlichen Güter dazu behilflich sind, gute Werke zu üben und Verdienste für den Himmel zu sammeln, ist es nicht sündhaft, sie zu erwerben und zu besitzen. Sammelt der Mensch zeitliche Schätze, bloß um sie zu besitzen, um sie zu lieben, um sein Herz daran zu hängen, legt er ihnen einen anderen Wert bei, als damit Gutes zu tun und missbraucht er sie sogar zur Sünde, so ist er

 

Erstens ein Tor und

Zweitens versündigt er sich dadurch schwer.

 

Das große Bündel

 

Ich habe einmal in einem alten Buch folgenden schönen Vergleich gelesen: „Wem ist der Geizhals zu vergleichen? Antwort: einem Menschen, der in dreißig, vierzig oder fünfzig Jahren eine weite Reise unternehmen soll, der aber bis zu jener Zeit all seine Zeit dazu verwendet, ein großes Bündel zusammenzupacken, von dem er gewiss weiß, dass er es nicht mitnehmen kann und darf.“ Tut das nicht der Habsüchtige, der Geizige? Ist er darum nicht ein Tor? Was soll uns Gold und Silber, Geld und Gut nützen, da wir es nicht mit hinüber nehmen können in die Ewigkeit, da diese Schätze bei Gott keinen Wert und keinen „Kurs“ haben, und da uns nur unsere Werke, die guten und die bösen, nachfolgen werden. Zeitliche Schätze aufhäufen und auf sie vertrauen und von ihnen sein Glück und Heil erwarten zu wollen, wäre so töricht, als wenn du in ein fernes, fremdes Land dich begeben und nur solches Geld mit dir nehmen wolltest, das dort keinen Wert, keinen „Kurs“ hat. Wer nach St. Petersburg reist, nimmt keine Piaster mit, wer nach Konstantinopel reist, nimmt keine Rubel mit, wer nach Amerika reist, nimmt keine Drachmen und wer nach Griechenland reist, keine Dollar mit. Warum willst du aber in die andere Welt, vor den Richterstuhl Gottes, solches Geld mitnehmen, um dir den Himmel zu erkaufen, das dort keinen Wert, keinen „Kurs“ hat? Bei Gott gelten Gold und Silber, Banknoten und Wechsel, Prioritätsaktien und Coupons nichts. Bei ihm gelten nur diejenigen Kapitalien, die in Werken der Liebe und der christlichen Barmherzigkeit angelegt sind, diese rentieren sich allein und ewig bei Gott. O, wirf darum das große, schwere Bündel weg, das du bis jetzt dir schon zurecht gerichtet für deine Reise in – die Ewigkeit, denn du kannst und darfst es ja nicht mit hinübernehmen.

 

Wer reich und dabei geizig ist, der ist entsetzlich arm

 

Der heilige Hieronymus sagt: „Dem Geizigen mangelt, was er hat und was er nicht hat;“ denn was er hat, das getraut er sich kaum anzurühren, geschweige es zu gebrauchen, es ist also so viel, als besäße er es nicht; was er aber nicht hat, das mangelt ihm ohnehin. Ist der Geizige darum nicht entsetzlich arm und darum, weil beim Reichtum arm, ein großer Tor! Wer ist ärger geplagt als ein Habsüchtiger und Geiziger? Tag und Nacht denkt und sinnt er darüber nach, wie und wo er etwas gewinnen und einen Prosit erhaschen könnte. Tag und Nacht quält ihn ein unersättlicher Heißhunger nach noch mehr Geld und Gut. Unaufhörlich geißelt ihn der blasse Neid und die Missgunst. Stets schwebt er in Angst, seinen Mammon zu verlieren, von Dieben und Räubern überfallen und von Betrügern, Gaunern und Beutelschneidern überlistet zu werden. Stets zittert er vor der Zukunft, weil er fürchtet, seinen heißgeliebten Geldsack verlieren zu können oder mit ihm nicht auszureichen. Jeder Heller, den er ausgibt, schmerzt ihn unsäglich; mitten im Überfluss leidet er Mangel und Not, Hunger und Durst. Darum sagt der heilige Bernhard: „Das Sammeln der Reichtümer ist eine mühselige Arbeit, ihr Besitz ist eine beständige Furcht, und ihr Verlust ist voll von Schmerz.“

 

Ein Millionär verhungert bei seinem Mammon

 

Ein Millionär hatte sich, aus Furcht vor Dieben und Räubern, einen feuerfesten, tiefen Keller mit einer Falltür erbauen lassen. Täglich stieg er in ihn hinab, öffnete die eisenbeschlagenen Kisten, zählte sein Geld und ergötzte sich an seinem Glanz. Da vergaß er eines Tages, als er in seine Schatzkammer hinabstieg, die Feder der Falltür außer Wirksamkeit zu setzen. Sie fiel daher hinter ihm ins Schloss und begrub ihn lebendig bei seinen Schätzen. Der arme Mann pochte an der Tür, er rief um Hilfe, er betete, er grub mit seinen Händen tief in den Boden, um unter dem Fundament einen Ausgang zu finden, dich alles vergebens. Was nützten nun dem armen Millionär all seine Schätze. Seine Schätze, ohne Licht und Luft, ohne Speis und Trank. Gerne hätte er Tausende hingegeben für einen Bissen Brot, und Millionen für die Freiheit. Lieber wäre er jetzt ein Bettler, aber frei, gewesen, als ein Millionär, lebendig eingeschlossen bei seinem Mammon, in einem Grab, aus dem es keine Errettung mehr für ihn gab. In wilder Verzweiflung und wahnsinnig vor Heißhunger, riss er sich das Fleisch von Armen und Beinen und starb auf einer offenen Geldkiste an Verblutung. Dort fand man seine Leiche. Wahrlich, eine gerechte Strafe des Himmels für den Geiz und die Habsucht.

 

Ein reicher Bettler vor der Kirchentür

 

In Paris saß lange Jahre täglich an der Tür der Notre-Dame-Kirche ein Mann, in Lumpen gehüllt, und bettelte. Man gab ihm reichlich Almosen, weil sein Anblick höchst bedauernswürdig war. Eines Tages saß der Bettler nicht an der Tür. Man fragte nach ihm, erkundigte sich nach seinem Aufenthalt und fand ihn tot, verhungert, in seinem Bett, das aus halb verfaulten Stroh bestand. Allgemein war die Teilnahme und das Mitleid mit diesem verhungerten Bettler. Doch – was fand man in dem morschen Stroh, was hielt der verhungerte Bettler krampfhaft in seiner linken Hand, die sich in das feuchte Stroh eingewühlt hatte? Eine Börse, in der viele tausend Franken in blankem Gold sich befanden. Der reiche Bettler hatte viele Jahre lang all das, der christlichen Barmherzigkeit abgepresste Geld in Gold verwandelt, in seinem Strohsack verborgen, und wollte lieber Hungers sterben, als etwas von diesem heißgeliebten Gold auszugeben. O, du armer Tor!

 

Die reichbeerbte Haube

 

Vor noch nicht langer Zeit starb zu Berlin eine wohlhabende Frau, nach deren Tod aber fast kein Geld vorhanden war. Das Testament wurde eröffnet, aber auch hier war kein Aufschluss darüber zu finden, wo das zurückgelassene Vermögen zu entdecken sei. Dagegen enthielt es die sonderbare Anordnung, dass der Erblasserin die Haube nach dem Tod nicht abgenommen werden dürfe, sondern dass sie, die Haube auf dem Kopf, beerdigt werden solle. Da diese Frau im Leben sehr geizig gewesen, und, wie allgemein bekannt, Vermögen besessen hatte, niemand aber wusste, wo es sich befinde, und auch das Testament den Schlupfwinkel ihres Mammons nicht verraten wollte. So schöpfte man den Verdacht, die geizige Frau möchte den Entschluss gefasst haben, ihr Geld in der Haube mit sich ins Grab zu nehmen. Man zog ihr daher die Haube ab und fand richtig in ihr mehrere Fünfzigtalerscheine. Diese geizige Närrin liebte also das Geld so wahnsinnig, dass sie es mit ins Grab nehmen wollte und dass sie es weder der Mit-, noch der Nachwelt gönnte. Bei dieser Frau ist fast nicht einmal wahr geworden, was der heilige Bonaventura von dem Geizigen sagt: „Der Geizige gleicht einem Schwein, das, so wie er, nur nach dem Tod Vorteil gewährt.“ Niemand sollte ihr Geld besitzen – es sollte mit ihr gleichsam sterben.

 

Man kann auch finster sterben

 

Eine sehr reiche und grenzenlos geizige Dame lag auf dem Sterbebett. Der Tod nahte, und die Dame fühlte es wohl. Krampfhaft hielt sie den Bund Schlüssel zu ihrem Geld in den Händen, seufzte tief auf und sagte dann zu ihrem Dienstmädchen: „Ach, die teure Medizin! Ich kann sie nun nicht einmal mehr einnehmen, trage sie doch nach meinem Tod sogleich in die Apotheke, damit ihr Wert an der Rechnung abgeschrieben werde. Und nun lösche mir das Licht aus. Wozu das teure Licht verbrennen, man kann ja auch finster sterben!“ Und das war ihr letztes Wort. Sie sank zurück auf das Kissen und war eine Leiche. Glück auf zu deiner Himmelfahrt!

 

Wie man wohlfeil Vergnügungsreisen machen kann

 

Ein reicher Berliner unternahm eine Vergnügungsreise in die Schweiz. Um aber von seinem eigenen Geld nicht zehren zu müssen, kleidete er sich in Lumpen, ließ den Bart wachsen, wusch Gesicht und Hände nicht, stellte sich bucklig, hinkte mit einem Fuß, legte sein Gesicht in tiefe Falten und bettelte von Ort zu Ort. In einer Kreishauptstadt Badens wurde er von der Polizei aufgegriffen und wegen Bettelns und Landstreicherei vor Gericht gestellt. Da wies aber der Mann einen ordnungsmäßigen Pass vor, der ihn als einen vermögenden Berliner Bürger kennzeichnete, und finden sich in seinen Taschen viele, echte Talerscheine. Man glaubte nun einen Generalstrolch, einen Kapitalfechtbruder und Gauner vor sich zu haben, der einen falschen Pass mit sich führte und der durch irgendeinen frechen Diebstahl zu so viel Geld gekommen. Um nun hinter das Geheimnis zu gelangen, wird nach Berlin telegraphiert und dort um Aufschluss gebeten. Und siehe da! Der Telegraph berichtet, dass der Bettler und vermeintliche Dieb und Gauner wirklich ein ganz vermögender Berliner Bürger, aber ein fabelhafter Geizhals und Pfennigspalter sei, der durch Betteln sich bis in die Schweiz habe durchschlagen wollen. Eine angenehme Vergnügungsreise! Wer staunt nicht über solche Schmach und Schande, über solche Tortur und Blessur, die sich der Geizige antut. Dieses Kapitel ist wahrhaft unerschöpflich. Der Geizhals leistet das Übermenschliche. Wenn der Geizteufel seinen Sklaven einmal am Seil hat, so schleppt er ihn durch dick und dünn, von Torheit zu Torheit, von Sünde zu Sünde, von Schandtat zu Schandtat.

 

Der noble Sarg

 

Ein Pärchen, das im Filzen und Feilschen, im „Ruachen (gierig sein) und Rackern“ ein Herz und eine Seele war und sich ein großes Vermögen geschaffen hatte, erhielt vom Sensenmann eine Visite abgestattet, deren kurzer Bescheid dahin lautete: Für die Frau ist die Lebensuhr abgelaufen und wird auf dieser Welt nicht mehr aufgezogen. Statt sich nun als Christen auf Trennung und Tod vorzubereiten, beratschlagte das filzige Paar darüber, wie die Leichen- und Nachhaltungskosten auf das geringste Maß beschränkt werden könnten. „Höre!“ sagte die sterbende Frau, „wir haben noch alte Bretter von dem früheren Saustall übrig. Du könntest mir ja von ihnen einen Sarg zurecht machen, und so könnte diese große Ausgabe für den Schreiner erspart werden.“ Gesagt, getan. Der, einer solchen Frau würdige Mann, bastelte und nagelte aus den alten Saustallbrettern einen Sarg zusammen, und in diesen wurde die Leiche der verstorbenen Frau, ihrem eigenen Willen gemäß, beerdigt. Wahrlich, diese Frau und dieser Mann hatten über sich selbst ein gerechtes Urteil gefällt und sich selbst am besten taxiert. Hat doch auch der Dämon Jesus gebeten, in die Säue fahren zu dürfen, was Wunder, wenn die Geizige in einem Saustall ins Elysium fahren wollte! Es wird sie wohl niemand um ihren noblen Reisewagen begleiten.

 

Der Geiz geht barfuß

 

Eine reiche, reiche Frau, die aber vor lauter Geiz aussah wie die teure Zeit, wie eine der sieben mageren Kühe, die König Pharao im Traum aus dem Nil emporsteigen sah, zog regelmäßig die Schuhe aus, wenn sie über Feld ging, um die Sohlen zu schonen. Dieselbe Frau sammelte tagtäglich, wenn der Morgen graute, vor ihrem Haus, an dem die Landstraße vorüberführte, den Mist der Pferde und Rinder, die während der Nacht dort vorübergegangen waren und zum Sammeln dieser landwirtschaftlichen Beiträge Anlass gegeben hatten. Und diese Frau war steinreich. Doch genug dieser Schattenbilder aus der camera obscura, aus denen sattsam hervorgeht, welche Torheit Geiz und Habsucht sind. Hoffentlich bist du noch kein so hartgesottener Filz, dass diese nicht ausreichten, dich zu erweichen und diese törichte und schändliche Leidenschaft in dir zu ersticken.

 

Wer nicht selbst von dieser Leidenschaft verblendet ist, der erkennt klar und deutlich, welche Torheit Geiz und Habsucht sind

 

Ursprünglich gab es gar kein Geld, es gab kein allgemeines Mittel, um den Wert der Menschen, Tiere, Liegenschaften und Speisen, Getränke, Kleider usw. zu bestimmen, es gab nur einen Tauschhandel. Für Schafe und Rinder tauschte man z.B. Äcker und Wiesen ein, für Kleider – Waffen, für Waffen – Sklaven. Als aber die Gegenstände des täglichen Bedarfs sich mehrten, legte man dem Gold und Silber, als einem selten vorkommenden Metall, und den raren Edelsteinen einen eingebildeten Wert bei und tauschte für Geld und Edelsteine Waren ein, d.h. man kaufte sie mit Geld und Edelsteinen. Der weise Gesetzgeber hatte als allgemeines Tausch- und Kaufmittel das Eisen eingeführt, um, abgesehen von seinen anderweitigen Absichten, die er dadurch erreichen wollte, Geiz und Habsucht unmöglich zu machen, da es sich nicht leicht denken lässt, dass ein Mensch ein rostiges Stück Eisen liebe. Gold und Silber sind also von den Menschen erfundene Tausch-, Handels- und Kaufmittel, und hätte man ebenso dem Holz, dem Leder, den Kieselsteinen, den Eselskinnbacken oder den Papageifedern denselben Wert, wie dem Gold und Silber, beilegen können. Eisen und Bei, Kalk und Holz, Salz und Wasser sind uns viel notwendiger und haben für uns einen viel höheren Wert, als Gold und Silber. Iss und trink einmal Gold und Silber, wenn du Hunger und Durst hast, baue ein Haus und ziehe Kleider an aus Gold und Silber, wärme dich an dem kalten Gold und Silber, wenn du zitterst vor Frost und Kälte. O, da hat ein einziges Scheit Holz einen höheren Wert für dich als goldene Berge. Darum hat der Weise von jeher das Geld verachtet und ihm nur insofern Wert beigelegt, als man mit ihm Gutes stiften kann und es zur Anschaffung notwendiger Dinge braucht. Der heilige Apostel Paulus sagt, Philipper 3,8: „Ja ich halte auch alles für Schaden wegen der alles übertreffenden Erkenntnis Jesu Christi, meines Herrn, um dessentwillen ich auf alles verzichtet habe und es für Kot halte, damit ich Christus gewinne.“

 

Diogenes im Fass

 

Alexander der Große hatte die damals bekannte Welt erobert und sich unermessliche Schätze gesammelt. Da begegnete er auf seinem Kriegs- und Siegeszug dem Philosophen Diogenes, der auf der ganzen Welt nichts sein Eigen nennen konnte. Ein Fass diente ihm zur Wohnung, aus dem Bach trank er, Wurzeln und Kräuter aß er. Alexander forderte nun den armen Diogenes auf, sich eine Gnade von ihm zu erbitten, und erwartete, er werde sich etwas sehr Wertvolles, Kostbares und Ehrenvolles ausbitten. Diogenes aber sagte zu Alexander: „Ich bitte dich, dass du mir aus der Sonne gehst!“ Das war seine ganze Bitte. Alexander staunte über diese Genügsamkeit des Diogenes und seine Verachtung aller irdischen Güter, die er sonst noch bei keinem Menschen gefunden, und rief aus: „Wahrlich, wenn ich nicht Alexander wäre, möchte ich nur Diogenes sein!“ Ich dagegen sage: Lieber Diogenes, als ein Geizhals sein, lieber Lazarus, als der reiche, geizige Prasser sein, denn als Diogenes und Lazarus kann man in den Himmel kommen, nimmermehr aber als reicher, geiziger Prasser, da St. Paulus sagt, 1 Kor 6,10: „. . . Weder Diebe noch Geizige, noch Säufer, noch Lästerer, noch Räuber, werden das Reich Gottes besitzen.“ Und zum Überfluss wiederholt er den Ausspruch, Eph 5,5, und beteuert ihn mit den Worten: „Das wisst und erkennt, dass . . . kein Unzüchtiger oder Geiziger, der ein Götzendiener ist, ein Erbteil am Reich Christi und Gottes habe.“ Natürlich, denn was sollte Gott mit diesen Geldsäcken im Himmel anfangen. Diese Judasbeutel würden auch im Himmel schachern und handeln, Schmuh und Profit machen wollen. Wenn Gott Geldsäcke hätte selig machen wollen, so hätte er keine Menschen, keine unsterbliche Seelen erschaffen, erlöst und geheiligt. Und doch, wer sollte es glauben, hoffen viele von denjenigen, die das Geld lieben, dem Geld dienen, die geizig und habsüchtig sind, selig zu werden. O eitle, törichte Hoffnung! Weißt du nicht, dass Christus, der Herr, sagte: „Niemand kann zwei Herren dienen“? Lk 16,13 Machst du das Geld zu deinem Gott, so kann nicht auch der wahre Gott dein Gott sein, denn zwei „wahre Gott“ kann es nicht geben, „zwei Gott“, der wahre und ein falscher, haben nicht Raum in einem Herzen. Wenn du also Geiz und Habsucht nicht ablegst, so verzichte nur gleich auf Gott und seinen Himmel, denn dir bleibt wahrlich nichts anderes übrig, als mit Judas und seinen und deinen Silberlingen zur Hölle zu fahren. Siehe, so macht dich dein Geiz und deine Habsucht zeitlich und ewig unglücklich. Und das ist doch gewiss eine Torheit, wenn ein vernünftiger Mensch sich zeitlich und ewig unglücklich macht.

 

Der Geiz macht zeitlich unglücklich

 

Das wahre Glück kann nur von demjenigen kommen, der die Urquelle aller Glückseligkeit ist. Wer an ihm Teil hat, wer bei ihm Glückseligkeit sucht, der findet sie auch bei ihm. Fern von ihm, und ohne ihn, kann es gar kein Glück geben, fern von ihm, und ohne ihn, gibt es nur Täuschung und Sinnentaumel, einen kurzen Wahn, einen flüchtigen Traum. Wie könnte es anders sein. Hat Gott nicht dieses Herz gebildet, das in dir schlägt, und nach Liebe, Frieden und Glückseligkeit dürstet? Liebe ist deines Herzens Lebenselement, Liebe bringt ihm Frieden und Glückseligkeit. Der Gegenstand der Liebe muss aber deines Herzens würdig sein und muss deine Liebe erwidern können, sonst kann er nimmermehr ihm Frieden und Glückseligkeit bringen. Und wer ist dieser Gegenstand, einzig würdig der Liebe deines Herzens und einzig fähig der höchsten, innigsten Gegenliebe? Dieser Gegenstand, diese Person, ist Gott, der Schöpfer deines Herzens, das höchste und liebenswürdigste Gut, das höchste und unverlierbare Gut. Die Liebe deines Gottes macht dein Herz wahrhaft zufrieden und glücklich. Wie sollte totes, kaltes Metall der Liebe deines Herzens wert sein. Welche Schmach, welche Erniedrigung und welche Wegwerfung deiner selbst, wenn du dein Herz und seine unsterbliche Liebe hinhängst an einen Klumpen Gold, den vielleicht gemeine Verbrecher in Kalifornien oder Ozeanien ausgegraben wurde, und der durch tausend Hände geiziger Menschen bis zu dir gewandert ist. Wie sehr vergisst du deiner Würde als Mensch und Kind Gottes, wenn du an die schmutzige Scholle dein Herz, deine Seele und deinen Leib hinhängst, und ihr deinen Gott und deinen Himmel zum Opfer bringst. Wahrlich, wenn ein Mensch irgendein Geschöpf, einen seiner Mitmenschen oder selbst ein Tier, statt seinen Gott liebt, ja einen Menschen sogar sündhaft liebt, so ist solche Verirrung doch noch entschuldbar, denn er liebt doch ein lebendes Wesen, ein Wesen, das Herz und Liebe in sich trägt, aber das kalte, tote Metall zu lieben – nein – diese Erniedrigung ist zu tief. Und die gerechte Strafe für solche Erniedrigung ist die eigene Herzlosigkeit und Gefühllosigkeit. Menschen, deren Herz dem kalten, toten Metall gehört, werden herzlos, hart und kalt und ersterben für jedes bessere, edlere Gefühl. Was ist aber ein Mensch ohne Gefühl, ohne Herz und ohne Gemüt!

 

Der Mann mit dem steinernen Herzen

 

Einem reichen Mann, den ich wohl gekannt, starb seine Frau, nach langer Krankheit. An jenem Ort war es üblich, dass vermögende Leute, nach dem für die Verstorbene abgehaltenen Seelenamt, ein Almosen unter die Ortsarmen verteilen ließen. Nun kamen Geiz und Stolz bei diesem Mann miteinander in harten Kampf. Ehrenhalber musste er, als reichbegüterter Mann, ein Almosen austeilen lassen, und doch sträubte sich dagegen sein grenzenloser Geiz. Endlich schien das bisschen Ehrgefühl und Bürgerstolz zu siegen: sieben Gulden sollten unter die Armen verteilt werden, so lautete die Ordre für den Geistlichen, der am Grab diese Heldentat noch extra auszuposaunen hatte. Doch was geschieht? Unmittelbar vor der Beerdigung erscheint die erwachsene Tochter des Pfennigspalters, die ebenso geizig war, und meldet, dass bloß drei Gulden und dreißig Kreuzer Almosen zu verkünden seien. Der Geizteufel hatte also an den sieben Gulden schon die Hälfte wieder „abgezwackt“. Hatte wohl dieser Mann nicht ein steinernes Herz!

 

Die Kappe ist mehr wert als der Knabe

 

In Paris fiel ein Knabe, der auf einem schwach überfrorenen Weiher Schlittschuhe lief, ins Wasser, da die dünne Eisdecke unter seinen Füßen brach. Ein beherzter Mann sprang ihm nach, tauchte unter und suchte den Knaben unter dem Wasser, fand ihn, brachte ihn glücklich an das Ufer und übergab ihn seinem Vater, der den sich auf dem Eis tummelnden Knaben zugesehen hatte. Statt nun dem Lebensretter seines Sohnes Dank zu sagen, fing der reiche Herr darüber zu lamentieren an, dass die Kappe seines Sohnes unter dem Eis geblieben war, und ersuchte nun den edlen Menschenfreund, der seinen Sohn vom Tot errettet hatte, die verlorene Kappe aus dem Wasser, unter dem Eis, zu holen. Hatte nicht auch der ein steinernes Herz!

 

Dem Geizhals ist die eigene Frau kaum einen Zwölfer wert

 

Eine hochadelige Familie machte an einem schönen Sommertag einen Ausflug nach einem hohen, steilen Felsen, von dem man eine reizende, entzückende Aussicht genießt. Der Felsen ist schwer zu ersteigen, aber noch viel schwerer ist es, von ihm herabzukommen. Die sehr korpulente Frau Gräfin vermochte wohl den Felsen zu erklimmen, allein von ihm herabzusteigen, war ihr rein unmöglich. Auch der zärtliche Gemahl und die eigene Tochter samt Bedienstetem und Kammerzofe verschwendeten umsonst Kunst und Kraft, die hohe Dame herabzuführen. Da war guter Rat teuer. Man schrie um Hilfe, man durchstreifte den umliegenden Wald, um jemanden zu finden, der die adelige Frau vom Felsen herabbrächte. Aber lange zeigte sich keine Spur von einem Menschen. Endlich kam ein riesiger Bauer, der im Wald gearbeitet hatte, auf den Hilferuf herbei. Er erkletterte den steilen Felsen, umfasst die adelige Frau mit seinen starken Armen, und trägt sie, wie ein Kind, sicher und wohlbehalten den gefährlichen Felsen herab. Da herrschte denn ein Jubel und eine Freude, und man überhäuft den wackeren Bauer, dem man die Armut aus Gesicht und Kleidern lesen kann, mit Lobeserhebungen und Danksagungen. Als der Bauer wieder zu gehen sich anschickt, erinnert die Dame ihren Gemahl schüchtern daran, ihren Lebensretter zu belohnen. Hierauf verzieht der Graf das Gesicht, zieht aber doch die Börse und gibt dem armen Bauern, nach langem Suchen, einen – Zwölfer. So viel Wert hatte für diesen adeligen Filz seine Frau. Wieviel mag aber er selbst wohl wert gewesen sein? Ich halte dafür, dass er keinen Heller wert gewesen war, selbst für den Fall, dass er tausend Gulden bei sich in seiner Börse trug. Ja, der Geiz macht das Herz kalt und tot, wie das kalte, tote Metall, woran es hängt. Können wohl solche Menschen hienieden glücklich sein!

 

Der Geiz ist ein blutrünstiges Tier

 

Einst kehrte ein polnischer Krieger (es war im Jahr 1618) in einer Wirtsstube zu Pultawa ein, ließ sich zu essen und zu trinken geben, sprach sehr freundlich mit den Wirtsleuten, begehrte ein Nachtlager und übergab dem Wirt, bevor er sich zur Ruhe niederlegte, einen schweren Geldbeutel, mit der Bitte, ihm denselben bis zum nächsten Morgen aufzubewahren. Da erwachten Habsucht und Geiz im Herzen des Wirtes. Er wog den schweren Beutel in seinen Händen, öffnete ihn und fand in ihm lauter blankes Gold. Um sich in den Besitz dieses Goldes zu setzen, fasste er den schrecklichen Entschluss, den Kriegsmann zu ermorden. Er offenbarte diesen schwarzen Plan seiner Frau, und sie willigte, ohne langes Zögern ein in die blutige Tat. Leise schlichen sie sich in das unverschlossene Schlafgemach des Soldaten, der in tiefem Schlummer auf dem Bett lag. Kaltblütig ergriff die Frau das scharfe Messer und stieß es ihm tief in die Brust, so dass er augenblicklich eine Leiche war. Mit ruhiger Überlegung trugen sie den Leichnam hinab in den Garten und verscharrten ihn dort in einer Grube. Kaum war die grauenhafte Arbeit vollendet, als jemand an der Tür des Wirtshauses pochte. Zitternd öffnete die Wirtin. „Wo ist der Bruder?“ ruft die Tochter, die bei der ersten Morgendämmerung aus dem benachbarten Ort herbeigeeilt war, ihren Eltern die Freudenbotschaft zu bringen, dass der polnische Krieger kein anderer sei, als der längst vermisste, totgeglaubte Sohn. „Was, wer,“ rufen außer sich die Eltern, „dein Bruder!“ „Ja,“ antwortete die Tochter, „ich traf ihn gestern Abend, und wäre sogleich mit ihm zu Euch gekommen, wenn er sich nicht den Scherz hätte erlauben wollen, sich als Fremdling zu zeigen und nicht sogleich zu erkennen zu geben, um zu sehen, ob Ihr ihn erkennen würdet. O, wie hat er sich gefreut, seine lieben Eltern wieder zu finden und ihnen sein erspartes Geld übergeben zu können! Doch was zögern wir! Wo ist er, schläft er denn noch?“ Wohl schlief er! Vor Entsetzen starr standen die Eltern da. Sie, die Eltern selbst, hatten also aus Geiz ihr Kind ermordet! In Verzweiflung ging der Vater hinaus und erwürgte sich und die Mutter tötete sich mit demselben Messer, mit dem sie ihr eigenes Kind gemordet hatte. Ja, der Geiz ist ein blutdürstiges Tier!

 

Der Menschenmezger

 

Zu Ende der 1830er Jahre zogen drei Handwerksburschen durch das Städtlein Offenburg. Zwei davon wollten dort übernachten, denn sie waren müde von der Reise, und es war schon spät in der Nacht. Der Dritte aber machte den Vorschlag, noch bis Hoffweier zu gehen und dort zu übernachten, weil dort, in einem Dorf, die Nachtherberge viel wohlfeiler zu stehen komme. Die zwei anderen willigten, nach einigem Zögern, in diesen Vorschlag ein. Als sie nun eine halbe Stunde Wegs zurückgelegt hatten, blieb derjenige, der den Vorschlag gemacht hatte, der Wohlfeilheit wegen in Hoffweier zu übernachten, etwas zurück, wickelte einen Stein in sein Taschentuch, lief dann wieder schneller, bis er die beiden anderen erreicht hatte, und schlug nun dem einen den schweren Stein mit solcher Gewalt aufs Haupt, dass er zusammenstürzte, und eine Leiche war. Nicht so leicht ging es mit dem anderen. Dieser setzte sich zur Wehr, wurde aber, nach langem Ringen, von dem Mörder, der ein Metzger war, zu Boden geworfen und überwältigt. Während nun der Metzgerbursche sein Messer zog, bat ihn der am Boden Liegende bei Gott und allen Heiligen, ihm das Leben zu schenken. Er schwor ihm hoch und teuer, keinem Menschen je den begangenen Mord entdecken zu wollen, er erbot sich, ihm freiwillig all sein Geld zu geben, nach Amerika zu gehen und nie mehr etwas von sich hören zu lassen, damit der Mörder ohne Furcht vor Verrat leben könne. Doch umsonst. Kaltblütig metzgerte der Unmensch diesen jungen Mann, beraubte dann beide ihres Geldes, ergriff die Flucht und beabsichtigte mit dem geraubten Geld nach Amerika sich zu begeben. Allein der Arm der Gerechtigkeit erreichte ihn. Er wurde gefangen genommen, gestand den Doppelmord und wurde dann auf dem Schafott enthauptet.

 

 Und wer kennt nicht die schauderhafte Mordtat des Rößlewirts von Urloffen, der um etlicher hundert Gulden willen mehrere Personen erschlug? Wer hat seiner Zeit nichts erfahren von dem schauderhaften und raffinierten Mord einer Dame in Görlitz? O, welch ein ingrimmiges, blutdürstiges Tier sind nicht Geiz und Habsucht, wer möchte in ihre Krallen fallen. Nun siehe, lieber Leser, wenn du nun durch Geiz und Habsucht auch nicht gerade zu einem Mörder wirst, so ist dieses Laster, wenn du es in deinem Herzen nährst, doch ganz dasselbe, das schon so viele zu Mördern gemacht hat und das ganz gewiss auch dich vor Gott zum Mörder macht durch innere Gedanken, Begierden und Wünsche. Sagt nicht der heilige Apostel Johannes: „Jeder, der seinen Bruder hasst, ist ein Menschenmörder, und ihr wisst, dass kein Menschenmörder das ewige Leben in sich wohnend habe?“ 1 Joh 3,15. Der Geizige aber hasst die ganze Welt, in seinem Herzen glimmt kein Funken Liebe, er meint es mit niemand gut, er opfert seiner schändlichen Leidenschaft alles, er verwandelt die Welt in eine Räuberhöhle, er macht sich und andere entsetzlich unglücklich.

 

Wie viel Hass und Feindschaft stiften Geiz und Habsucht unter den Menschen, wie viel Hass und Feindschaft unter den nächsten Verwandten, zwischen Eltern und Kindern, zwischen Geschwistern, Ehegatten, Schwiegereltern und Verschwägerten: wegen Geld, Erbschaft, Teilung Leibgeding, Heiratsgut, Prozess, Schulden und Kapitalien. Da schreit eines: Ich bin zu kurz gekommen! Ein anderes heult: Ich bin übervorteilt! Ein drittes jammert: Ich bin zurückgesetzt! Ein viertes lamentiert: Ich bin ruiniert! Ein fünftes räsoniert! Ich geh vors Gericht! Da führen Eltern und Kinder, dort Schwiegereltern untereinander, wo anders Eheleute beständig Krieg miteinander wegen einiger schäbiger Batzen. Da quälen sich zwei ledige, alte Jungfern bis aufs Blut und bis aufs Totenbett wegen dem vermaledeiten Geld. Dort wollen zwei Geizhälse einander nicht verzeihen wegen etlichen lumpigen Talern, auch wenn sie deswegen ewig in die Hölle kämen. Hier speit einer Gift und Galle, wie jener Lindwurm, den St. Georg getötet hat, wegen einigen abgeschliffenen Groschen, um die er betrogen worden ist. Und andere fallen in Ohnmacht oder Gicht oder bekommen Krämpfe, wenn ihr Nachbar in der Lotterie gewonnen hat. Da verflucht ein entarteter Sohn seine Eltern unter dem Boden, weil sie ihm weniger, als der Schwester, vermacht haben. Dort schimpft eine gottlose Frau, wie ein Rohrspatz, über die alten Schwiegereltern und wünscht ihnen täglich den Tod, weil sie sich das Wohnungsrecht im „Hinterstüble“ vorbehalten. Da wird gelogen und falsch geschworen, betrogen, übervorteilt und diesseits und jenseits der Grenze geschmuggelt: aus Geiz und Habsucht. Hier werden Handschriften gefälscht und Goldstücke beschnitten: aus Geiz und Habsucht. Hier wird betrogen in Maß und Gewicht, dort am Tagelohn und Akkord: aus Geiz und Habsucht. Da werden Marksteine verrückt, dort wird Holz gefrevelt im Wald: aus Geiz und Habsucht. Hier wird der Sonntag und dort das Fastengebot übertreten: aus Geiz und Habsucht. In dem einen Haus wird fleißig gebetet: „Gib uns heute unser täglich Brot und bewahre uns vor Blitz, Hagel und Ungewitter,“ im andern aber findet man gar keine Zeit zum Gebet: - alles aus Geiz und Habsucht. Da drangsaliert man die Dienstboten, dort lässt man die Armen und Kranken verhungern: aus Geiz und Habsucht. Hier kommt einer auf lange Jahre ins Zuchthaus, dort einer an den Galgen: wegen Geiz und Habsucht. Da leugnet einer die Vaterschaft, dort treibt eine ihr Kind ab oder wirft eine ihr Kind in den, salva venia, Abtritt: aus Geiz und Habsucht. O, du blödsinnige, törichte und schlechte Welt: um des Geldes, um des Geizes und um der Habsucht willen. Trifft nicht dieses fluchwürdige Laster einen großen Teil der Schuld, dass die Erde ein Jammer- und Tränental ist?

 

Der Geiz macht zum Selbstmörder

 

Alljährlich erhängen, erschießen, vergiften, ersäufen sich viele Menschen aus Geiz und Habsucht. Da wo Spielbanken sind, z.B. in Baden-Baden, Homburg, Wiesbaden, Nauheim, Berlin usw. fallen jährlich etliche Menschen dem Geiz und der Habsucht zum Opfer. Ist das Geld verspielt, ist die letzte Hoffnung geschwunden, reich zu werden, konnte Geiz und Habsucht nicht befriedigt werden, so schießen sich solche verzweifelten Toren gewöhnlich eine Kugel durch den Kopf.

 

Am 20. März 1863 erschoss sich in Rheinhessen ein junger Bursche, und zwar aus keinem anderen Grund, als weil seine Mutter ein zweites Kind, einen Knaben geboren hatte, mit dem er die Erbschaft einst hätte teilen müssen.

 

Der Geiz bringt um Glauben, Religion und Christentum

 

Der Kirchenlehrer Tertullian sagt vom Geizigen: „Der Geizige ist ein Götzendiener. Diesem Götzen opfert er alle Sorgen und Gedanken seines stets unruhigen Kopfes, er opfert ihm all sein Sinnen und Trachten. Es ist aber dies noch wenig. Er opfert ihm allen Schweiß seines Angesichtes. Und selbst dies ist noch wenig. Er schlachtet ihm ein weit größeres Opfer, nämlich seine Seele und Seligkeit, hier und in der Ewigkeit.“ Diese Worte bestätigt sowohl die heilige Schrift als auch die Erfahrung. Vom Geizigen gilt, was Christus vom Kamel und vom Nadelöhr gesagt hat. Vom Geizigen gilt, was Jesus von den Ungläubigen, von den Lieblosen, von en Unbarmherzigen, vom treulosen Knecht, von den geladenen Gästen, die nicht bei der Mahlzeit erschienen sind, weil sie ihr gekauftes Landgut und ihr Joch Ochsen dem Ruf Gottes vorzogen. Was er von den Winzern, die den Weinberg an sich gerissen, und von dem unbarmherzigen Schuldner gesagt hat. Und täglich sehen wir es vor Augen, das Geiz und Habsucht den Menschen um Religion, Glauben und Christentum bringen, dass diejenigen, deren Herz am Mammon hängt, ihre Christenpflichten vernachlässigen, gewissenlos, lieblos und hartherzig sind und in ihrer Leidenschaft, ohne Buße und Bekehrung sterben.

 

Die Religion ist die völlige Hingabe des Menschen an Gott. Wer Religion hat, gehört Gott an mit Leib und Seele, mit allen Kräften und Fähigkeiten seines Körpers und Geistes. Wer Religion hat, der glaubt an Gott und seine Offenbarung, der liebt Gott von ganzem Herzen, der unterwirft sich Gott und dient ihm aus allen Kräften. Kann das der Geizige, der Habsüchtige? Wie könnte er es! Er gehört ja ganz und gar mit Leib und Seele, mit Kopf und Herz, mit Sinn und Gedanken, mit allen Gefühlen und Empfindungen, mit allen Wünschen und Hoffnungen, mit allem Sehnen und Verlangen, dem Geld an. Was bleibt also noch für den wahren Gott übrig? Nichts, als vielleicht Lippenwerk und leerer Schein. Betrachte sie nur einmal, diese vom Geiz regierten, besessenen Toren, ohne Gott und ohne Religion!

 

Ich war einst auf der Börse in London

 

Da sah ich denn die Millionäre, die Bankiers, die Spekulanten und die Großhändler jener Riesenstadt, des größten Handelsplatzes der Welt. Welch ein Anblick! Welche Physiognomien, welche, von der hässlichen Leidenschaft des Geizes und der Habsucht verzerrten und zerrissenen, Gesichter, welche Fratzen, welche Katzenaugen, welche Gottverlassenheit im Antlitz, in diesem Spiegel der Seele! Welch ein Vulkan mag in ihrem entmenschten Inneren wüten! Jede Bewegung des Telegraphs setzt diese Geldsäcke in Fieberhafte Aufregung und presste ihnen Worte des Staunens, der Furcht und der Hoffnung aus. Die aus Frankfurt, Paris, New York, Konstantinopel usw. angekommenen „Kurszettel“ wurden heißhungrig verschlungen, in wilder Hast suchten sich die Assoziierten und Interessierten. Mit solcher Heftigkeit und Gestikulation, mit solchem Nachdruck und hexenartigen Mienenspiel wurde debattiert, kalkuliert und spekuliert, dass man hätte meinen sollen, die ganze Welt stehe in Brand, oder im nächsten Augenblick werde der Himmel unfehlbar zusammenstürzen. Es schien mir dieser Ort viel Ähnlichkeit mit einem Narrenhaus, mit einer Irrenanstalt zu haben, und wurde es mir unter diesen Nachkommen Abrahams ganz „wind und weh“, und suchte ich daher schleunigst die Straße zu gewinnen, was übrigens in dem Ameisenhaufen keine Kleinigkeit war, sintemalen ich meine Rippen und Hühneraugen bei keiner Lebensversicherungsgesellschaft untergebracht und geborgen hatte. Ich habe damals gedacht: Mögen wohl all diese Menschen ein Quäntchen Religion und Christentum haben, mag wohl einer von ihnen heute ein andächtiges „Vater unser“ gebetet haben? Es schien mir rein unmöglich zu sein.

 

Der Geiz ist ein Zeichen des größten Misstrauens gegen Gott

 

Davon will der Geizige nichts wissen, was Jesus Christus verlangt: „Trachtet vor allem nach dem Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit, dieses alles wird euch zugegeben werden; darum sorgt nicht ängstlich für den morgigen Tag!“ (Mt 6,33-34) Er begreift nicht, wie der heilige Apostel Petrus schreiben konnte: „Alle eure Sorgen werfet auf ihn; denn er sorgt für euch!“ 1 Petr 5,7) Nein, sagt der Geizige, ich muss sorgen, wer weiß, was kommen wird, was kommen kann, wer weiß, ob Gott meiner nicht vergisst. Ich will es gewiss und zuverlässig, die Toren mögen es riskieren. Ein Sperling in der Hand ist mir lieber, als eine Taube auf dem Dach. Ist das nicht ein Zeichen des größten Misstrauens Gott gegenüber, seiner Weisheit, seiner Vorsehung, seiner Vatergüte gegenüber! Es ist wahr: der Mensch soll arbeiten, er soll im Schweiße seines Angesichts sein Brot verdienen und essen, er soll sparsam, haushälterisch, nüchtern und mäßig sein, er soll auch für die Zeit des Alters und der Krankheit vorsorgen, er soll einen Notgroschen ersparen, er soll nicht faulenzen, die Hände nicht müssig in den Schoß legen, nicht leichtsinnig in den Tag hinein leben und nicht auf Kosten seiner Mitmenschen zehren. Aber trotz allem sind Geiz und Habsucht zu verdammen. Hausen und sparen, erwerben und sammeln soll der Christ, mit Maß und Ziel, vernünftig und weise, mit Berücksichtigung und Beobachtung der Pflichten der Gerechtigkeit und Billigkeit, der Nächstenliebe und Barmherzigkeit, mit Genügsamkeit und Zufriedenheit, und nicht auf Kosten des Nächsten, der unsterblichen Seele und des Himmelreiches. „Euer Wandel sei ohne Geiz, seid zufrieden mit dem, was ihr jetzt habt“, schreibt der heilige Apostel Paulus. (Hebr 13,5)

 

Der Geizige ist kein Nachfolger Jesu Christi und seiner Heiligen

 

Jesus Christus ist das vollkommenste und erhabenste Muster freiwilliger Armut. Die ganze Erde war sein Eigentum. Was konnte er aber sein eigen nennen, solange er als Mensch auf Erden lebte? Das Stroh in der Krippe, die Dornen in seiner Krone, die Nägel in seinen Händen und Füßen. Er hatte nicht, wo er sein Haupt hätte zur Ruhe niederlegen können, nicht einmal den Zinsgroschen konnte er zahlen. Und seine Apostel, diese Armen Fischer, was konnten sie als ihr Eigentum nennen? Den Spott und Hohn der Welt, die Ketten an ihren Händen und Füßen, das Schwert und das Beil, mit dem sie gemartert wurden. Und nenne mir einmal einen Heiligen – nur einen einzigen, der, wenn er reich war, geizig und habsüchtig gewesen wäre, der nicht mit vollen Händen Almosen gegeben, in den Armen Christus unterstützt, in den Kranken Christus gepflegt hätte. Nenne mir einen Heiligen, ich begnüge mich mit einem, der, wenn er von Geburt, von Haus aus, arm gewesen, in der Nachfolge, und durch die Nachfolge Christi, reich geworden wäre. Du kannst mir keinen nennen, denn es hat keinen gegeben, und wird auch bis ans Ende der Welt keinen geben. Kannst du aber ein Christ sein, ohne Christus und seinen Heiligen ähnlich zu sein, oder wenigstens ohne das sehnliche Verlangen, es zu werden? Und predigen dir, zu diesem Ende, nicht so viele Ordenspersonen: Genügsamkeit, Selbstverleugnung, christliche Barmherzigkeit und Gottvertrauen? Wie viele Ordenspersonen leben nicht in gänzlicher, freiwilliger Armut. Nichts, gar nichts, können sie ihr Eigentum nennen, nicht das Bett, in dem sie schlafen, nicht den Löffel, mit dem sie essen, nicht den Habit, den sie auf dem Leib tragen. Ja viele bereichern noch Tausende, obgleich sie selbst kein Eigentum besitzen. Diese Ordenspersonen liefern den Beweis und überzeugen dich, dass der Mensch wirklich den Geiz und die Habsucht bemeistern kann, dass wirklich wahr ist, was Jesus Christus sagt: „Sucht vor allem das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit, dieses alles wird euch dann zugegeben werden!“ und dass Gott für die Seinen sorgt. Damit will ich aber nicht sagen, dass alle Welt in Klöster sich bergen und von der Vorsehung Gottes leben soll, o nein, denn dazu haben nur wenige Menschen den Beruf von Gott, sondern ich will damit dich nur auffordern, für dich und deine Verhältnisse, für deinen Stand und Beruf, von den Ordenspersonen zu lernen: Genügsamkeit, Zufriedenheit, Selbstverleugnung und Gottvertrauen, denn das sind nicht bloß klösterliche Tugenden, sondern Vollkommenheiten, die Gott von jedem Christen verlangt.

 

Man geht gerne barfuß, wenn man bedenkt, dass andere nicht einmal Füße haben

 

Der arabische Gelehrte Lockmann hatte sehr arme Eltern und darum in seiner Jugend viele harte Entbehrungen zu ertragen. Oft litt er Hunger und Durst, und mangelten ihm die notwendigsten Kleidungsstücke. Einst hatte er keine Schuhe und war deswegen unzufrieden und niedergeschlagen. Da sah er aber in der Kirche einen Menschen, der keine Füße hatte, und der Anblick dieses unglücklichen Menschen tröstete ihn und machte ihn wieder zufrieden. „Als ich jenen Unglücklichen sah“, (mit diesen Worten erzählt Lockmann selbst diese Zurechtweisung, die ihm Gott wegen seiner Ungeduld und Unzufriedenheit mit seinem Schicksal zu Teil werden ließ), „war ich mit meinen bloßen Füßen gerne zufrieden und dankte meinem Gott herzlich, dass ich, wenn schon ohne Schuhe, doch gehen konnte. Jener unglückliche Mensch wäre ja sicherlich gerne barfuß gegangen, wenn er nur Füße gehabt hätte.“ Lerne auch du von Christus, seinen Aposteln und seinen Heiligen, sowie von den Ordenspersonen, Zufriedenheit, Genügsamkeit und Gottvertrauen.

 

Der Geizige ist nie zufrieden mit seinem Los und Schicksal

 

Der heilige Augustinus sagt: „So viele Menschen die Hölle auch verschlungen hat, so spricht sie doch niemals: es ist genug! Also spricht auch der Geizige nie!“ Und dieses Laster nimmt gewöhnlich mit den Jahren und mit dem Alter zu, weswegen der heilige Hieronymus sagt: „Andere Laster werden alt, wenn der Mensch altert; der Geiz aber wird im Alter jung.“ Ja, je mehr der Mensch sich von der Welt und ihren betrügerischen Gütern mit den Jahren losschält, je mehr sich seine Sehnsucht, sein Verlangen und seine Hoffnung im Alter himmelwärts heben, je ängstlicher er für seine arme, unsterbliche Seele sorgen, je reicher er vor Gott durch Tugenden und Verdienste vor dem Tod werden sollte, desto geiziger wird er gerade mit den Jahren, im Alter, vor seinem Tod. Je weniger der Mensch für seine noch übrigen Tage braucht, desto mehr will er haben und besitzen, desto geiziger und habsüchtiger wird er, desto mehr nehmen seine Sorgen für das Zeitliche zu, desto ängstlicher klammert er sich an seinen Mammon und desto mehr entfernt er sich von Gott, wird ihm entfremdet, abgeneigt und mit ihm unzufrieden. Es quält ihn eine ewige Furcht: sein Geld könnte nicht ausreichen, er könnte noch Not und Mangel leiden müssen, er könnte beraubt und bestohlen werden, es könnte Krieg und Hungersnot ausbrechen, und darum scharrt er unersättlich zusammen und verschmäht auch halbe Kreuzer nicht. Besitzt er auch noch so viel, so zürnt er dennoch Gott und grollt mit seinem Schicksal, weil es ihm nicht alle Schätze in den Schoß geschüttet und alle anderen leer ausgehen ließ. Vom Dank Gott gegenüber ist keine Rede, Neid und Missgunst und Schadenfreude verzehren ihn.

 

Methusalem

 

Es wird uns im Alten Testament erzählt: Als Methusalem schon 500 Jahre gelebt hatte, habe er sich entschlossen, ein Haus zu bauen. Methusalem war nämlich ein Nomade, die mit ihren Familien und Herden kreuz und quer wandern, in Zelten leben, die nur für so lange aufgeschlagen werden, als am vorübergehenden Niederlassungsort oder Lagerplatz Futter für die Herden und Wasser in den Zisternen für Menschen und Vieh vorhanden sind. Dieses unstete Vagabundenleben wollte Methusalem in seinem fünfhundertsten Jahr seines Lebens nicht mehr. Er sehnte sich nach Ruhe, die man nur in einem festgebauten Haus und an einem Ort findet, wo man sich ansiedelt, das Feld bebaut und im Kreis seiner Familie am eigenen Herd sich niederlassen kann. Aber ein Haus zu bauen, sich anzusiedeln, ein Ökonom zu werden, schien dem Methusalem ein höchst wichtiges Unternehmen, wert der reiflichsten Überlegung und sorgfältigsten Erwägung. Darum übereilte er sich nicht mit der Ausführung seines Planes. Er dachte bei sich selbst: vielleicht lohnt es sich auch der Mühe nicht mehr, ein Haus zu bauen und deine fünfhundertjährige Lebensweise zu ändern, vielleicht wirst du bald zu den Vätern versammelt: wozu dann noch vorher ein Haus bauen und um viele Kosten und Sorgen eine kurze Ruhe erkaufen! Um darüber Gewissheit zu erlangen, fragte er Gott um Rat. Und Gott offenbarte ihm, dass er noch über 400 Jahre leben werde. Eine schöne Zeit. Sicherlich hat nun Methusalem allsogleich bei einem Bezirks-Bauinspektor den Plan zu einem großartigen Herrschaftshaus nebst Ökonomiegebäuden entwerfen und die Ausführung dieses Bauunternehmens in den Zeitungen bekannt gemacht und an den Wenigstbietenden in Akkord gegeben, denn für eine Zeit von 400 Jahren zu bauen, wird er doch der Mühe wertgehalten haben. Du täuschst dich! Methusalem hat kein Haus gebaut wegen dieser, in seinen Augen kurzen Spanne Zeit von 400 Jahren, er blieb Nomade und starb unter seinem Zelt fast 1000 Jahre alt. Nun sieh, im Verhältnis zu Methusalem lebst du, wenn du auch steinalt wirst, etwa 8 bis 9 Jahre und du hältst es der Mühe wert, wegen diesen paar Tagen dich so tief in die Erde einzunisten und einzugraben, dich so fest an die Scholle zu ketten und mit allem möglichen Plunder zu überhäufen und alle drei Naturreiche auszubeuten, dass du offenbar unter dieser Last, Bürde und Menge erdrückt und elend zugrunde gehen musst. Wenn das Theater bald aus ist, der letzte Akt zu Ende geht und schon der Vorhang epileptische Anfälle bekommt, so ziehen die Zuschauer ihre Beine an, knöpfen die Röcke zu, langen Hut und Stock und schicken sich zum Fortgehen an. Du aber setzt dich erst dann zurecht und streckst dich behaglich aus, putzt die Brille aufs Neue und nimmst ein appetitförderndes Mittel ein, wenn der Vorhang deines Lebenstheaters fällt, dein Lebenslicht ausgeblasen und deine Sterbekerze angezündet wird. Ist das vernünftig und klug?

 

Der Geiz tritt Gottes Liebe und Vorsehung hindernd in den Weg

 

Einst stritten die Israeliten in der Wüste gegen die Amalekiter. Mose stand auf einem Berg und streckte seine Hand aus mit dem wunderbaren Stab, damit Israel siege. So lange er die Hand ausgestreckt hielt, unterlagen die Amalekiter, senkte sich aber seine Hand, so unterlagen die Israeliten. Als nun Mose seine Arme vor Mattigkeit nicht mehr ausgestreckt halten konnte, unterstützten ihn zwei Männer, bis zum Untergang der Sonne. Und siehe! Die Israeliten hatten gesiegt, die Amalekiter aber waren gänzlich geschlagen. (Exodus 17) Eine lehrreiche Geschichte. Wie Mose seine Hand ausstreckte zum Heil, Segen und Sieg Israels, so auch Gott. Die Reichen aber müssen den Arm Gottes gleichsam unterstützen, damit er nicht sinkt, sie müssen in die Hand Gottes die Gaben legen, die er den Armen, den Bedrängten, den Notleidenden, den Verlassenen, den Witwen und Waisen spenden will, mit anderen Worten: Gott trocknet und stillt Tränen, er hilft und heilt, er segnet und tröstet durch diejenigen, denen er seine Güter anvertraut, durch diejenigen, die er als Verwalter über seine Güter gesetzt hat. Wehe ihnen, wenn sie Gott hindern, zu segnen, zu heilen, zu helfen, zu trösten, wenn sie der Liebe und Barmherzigkeit Gottes durch Geiz und Habsucht Schranken setzen, wenn sie Anlass geben, dass die Armen und Bedrängten murren und klagen gegen Gott. Geizig und habsüchtig sein, heißt: die Güter Gottes unterschlagen und veruntreuen, heißt: treulos und gewissenlos in der Verwaltung der zeitlichen, von Gott anvertrauten Güter sein, heißt: Gott unter den Menschen verhasst machen, und sein Feind und Widersacher sein. Woher kommt denn die Not und das Elend in der Welt? Woher kommt so viel Gewissenlosigkeit und Gottlosigkeit? Woher so viel Schlechtigkeit und Liederlichkeit? Nicht von Geiz und Habsucht, nicht von Treulosigkeit in der Verwaltung der Güter Gottes? Wenn es keinen Geiz und keine Habsucht gäbe, so gäbe es auch (außer der selbstverschuldeten Armut) keine Not und kein Elend in der Welt. Wenn alle Reichen sich betrachteten als Verwalter Gottes, und ihre zeitlichen Güter zur Ehre Gottes und zum Heil und Segen der Welt verwendeten, wie würden dann Religion und Sittlichkeit blühen, wie wenig Gottlosigkeit und Liederlichkeit gäbe es dann auf der Erde. Was könnte nicht mit all den Milliarden und Millionen Großes geleistet werden, die entweder als totes Kapital in den feuerfesten Geldschränken liegen, oder zum Krieg, oder zur Sünde verwendet werden. Wenn man all die Milliarden, die man für Erbauung von Festungen, für Kriegsschiffe, für Waffen hinauswirft, zur Errichtung von Krankenhäusern, von Waisenhäusern, für Gefangene, für Arme, überhaupt zur Verbreitung des wahren Christentums, wahrer Bildung und Gesittung verwendete, wie ganz anders stünde es dann mit der Welt. Dann wäre auch der Weltfrieden gewahrt und es bedürfte keiner kunstfertigen Menschenschlächtereien mehr, wie an so vielen Orten in der Welt.

 

Der Geiz macht unbarmherzig und grausam

 

Der Geizige ist blind und taub für die Not seiner Mitmenschen. Wenn ein Hungriger ihn um Gottes Barmherzigkeit willen anfleht, so bleibt er kalt und ungerührt – er kann ihn verschmachten sehen. Wenn eine Feuersbrunst ein Dorf oder eine Stadt verzehrt, und die Bewohner ohne Obdach, ohne Kleider, ohne Nahrung, händeringend um Hilfe flehen, so zieht er sich zurück, er macht sich unsichtbar, oder er klagt über schlechte Zeiten, über die Zudringlichkeit und Unverschämtheit des Bettelpacks und Lumpenvolks, oder er bricht den Stab über die, und fällt den Urteilsspruch: sie haben ihr Schicksal verdient, man darf Gottes Gerechtigkeit nicht hindernd in den Weg treten, oder er wirft zornentbrannt etliche Groschen hin. Wenn der Geizige jemand etwas schuldet, so lässt er ihn Wochen und Monate lang auf Bezahlung warten, und zieht ihm, wo möglich, noch für die gelieferte Arbeit einen größeren oder kleineren Betrag ab, weil er sie, aus Geiz und Habsucht, tadelnswert und schlecht findet. Wenn er Dienstboten hat, so gönnt er ihnen nichts, ladet ihnen über ihre Kräfte Arbeit auf, gibt ihnen schlechte Kost und macht sich für jeden ihm zugefügten Schaden, durch Abzug an ihrem Lohn, bezahlt. Wenn er Geld ausleiht, so fordert er hohen Zins und treibt ihn auf den verfallenen Termin unbarmherzig ein; er lässt pfänden und vollstrecken und auf die Straße setzen. Es rührt ihn nicht, wenn er dadurch arme Familien gänzlich brotlos und obdachlos macht und Witwen und Waisen an den Bettelstab bringt. Er benützt stets zu seinem Vorteil die Verlegenheit und Not seiner Mitmenschen, um ihnen, wohlfeilen Kaufs, Haus und Hof, Feld und Vieh abzujagen. Wenn es gilt, ein gutes Werk zu unterstützen, so hat er entweder kein Geld, oder weiß allen möglichen Tadel an dem Unternehmen, das er unterstützen soll, oder er hat tausenderlei Ausreden in Bereitschaft und gewichtige Einwendungen zu erheben – alles, nur um einen Vorwand zu haben, nichts geben zu müssen und seinen Geiz beschönigen zu können. Habt ihr je gehört, dass ein Geizhals, ein Sparhans, ein Knicker, ein Knauser, ein Linsenspalter, ein Kornwucherer, ein Geldmakler, ein Spekulant und dergleichen Geschmeiß von Menschenfleisch ein Mitglied eines wohltätigen Vereins ist, dass ein solcher von St. Michaels-, den Bonifatius-, den Franziskus Xaverius-, den Borromäus-, den Vincentius-Verein usw. unterstützt?! Lieber sich den Finger abbeißen, als einen Heller zu solch einem Zweck hergeben. Nun behaltet es, ihr Toren, es ist besser eure lachenden Erben fallen nach eurem Tod heißhungrig über eure mühselig ersparten, , mit Furcht und Zittern zusammengehaltenen  und bewachten Schätze her und schlagen sie in kurzer Zeit leichtsinnig durch.

 

Der luftige Erbe

 

Eine unermesslich reiche Dame hatte einen leichtsinnigen Neffen, der sein elterliches Vermögen „verstudiert“, d.h. auf der Universität durch gejagt hatte, im Staatsexamen durchgefallen war, sich als Winkeladvokat mit „Ach und Krach“ durchschlug und jeden verdienten Groschen im Bier vertilgte. Dieser edle Neffe wartete mit Schmerzen auf das Ende seiner reichen Tante, die das ganze Haus mit Geld, Waren und Lebensmitteln förmlich vollgestopft hatte, aber sich fürchtete, etwas davon zu berühren. Waren, Kleiner und Lebensmittel verdarben und wurden vom Ungeziefer verzehrt, allein trotzdem gebrauchte sie sie weder selbst, noch verkaufte oder verschenkte sie sie an andere. Endlich wurde sie krank, gefährlich, tödlich krank. Wer war froher als der durstige Neffe. Er erschien vor dem Krankenlager seiner unschätzbaren Tante, bezeigte sein Mitleid, heuchelte untröstlichen Schmerz, vergoss etliche Krokodilstränen und versprach für sie zu beten, damit Gott ihr doch die Gesundheit wiederschenke. Und er hielt Wort. Er betete wirklich, seit langer Zeit das erste Mal wieder, und sein Gebet ging ihm von Herzen. Er betete aber darum: Gott möge endlich diese schöne Seele erlösen aus ihrem Jammertal, und ihn in das gelobte Land ihrer reichen Verlassenschaft einführen, das, wie er hoffte, von Milch und Honig überfloss. Die Tante starb. Der leichtsinnige, tiefverschuldete Neffe erbte ihr ungeheures Vermögen und – jagte es in netto drei Jahren durch. Vor etwa zwei Jahren ist er sodann in einem Spital gestorben. Ist das nicht Torheit, für geldgierige, geizige, leichtsinnige, verschwenderische Erben so zu hausen und zu sparen und sich um den Himmel zu bringen. Kein undankbareres Geschäft unter der Sonne: als lachende Erben zu bereichern. „Wie gewonnen, so zerronnen“, heißt es gewöhnlich von ererbtem Geld, besonders von demjenigen, was von geizigen und habsüchtigen Verwandten stammt. Wie verlachen und verspotten, oder beschimpfen und verfluchen solche Verwandte oft den verstorbenen Herrn Vetter oder Onkel, die Frau Tante oder Muhme unter dem Boden. Oft gehen sie nicht einmal in das erste Messopfer für den Verstorbenen, lassen keine Heilige Messe für seine Seelenruhe lesen, besuchen sein Grab auf dem Gottesacker nicht und beten kein „Vater unser“ für die arme Seele des Verstorbenen. Doch das ist die gerechte Strafe für den Geiz und für die Habsucht.

 

Der Geiz macht gewissenlos

 

Jedes Mittel, wodurch sich der Geizige bereichern kann, ist ihm willkommen. Er lügt, er heuchelt, er stiehlt, er betrügt, er übervorteilt, er fälscht, er schwört falsch, wenn es an den Geldbeutel geht, er bricht Eid und Vertrag, er verrät Vater und Mutter, Frau und Kind, Ehre und Vaterland.

 

Ephialtes hat sein Vaterland um schnödes Geld an die Perser verraten. Jakobs Söhne haben ihren eigenen Bruder verkauft, Judas hat seinen Meister und Herrn verkauft. Ein Tyroler, mit Namen Raffl, hat den Sandwirt Hofer, den Patrioten, an die Franzosen verkauft.

 

Einen Verräter trifft die gerechte Strafe

 

Im letzten polnischen Aufstand flüchtete sich ein Insurgentenhäuptling, namens Cieszkowski, mit zwei Gefährten in ein sicheres Versteck, und gab dem Bauer, der sie verbarg, tausend polnische Gulden, damit er sie nicht den Russen verrate. Diese tausend Gulden reizten die geizige Frau dieses Bauers so sehr, dass sie ihren Mann überredete, die drei unglückseligen Flüchtlinge dennoch an die Russen zu verraten, weil sie hoffte, die Russen würden einen solchen Fang und Verrat teuer bezahlen. Der ebenfalls geizige Mann ging in die Falle, verriet die Flüchtlinge, erhielt dafür aber nicht nur kein Geld, sondern die Russen nahmen ihm sogar die tausend Gulden und prügelten ihn halbtot. Des anderen Tags kamen die Polen und hingen den schädlichen Verräter samt seiner Frau auf – und ich sage: von Rechts wegen.

 

Wie viele Länder und Völker sind nicht schon um Gold und Silber verschachert worden. Wie viele Kirchen und Klöster hat der Geiz nicht schon geplündert, wie viele Throne und Kronen, wie viele Vermächtnisse und Gräber hat nicht schon der Geiz gestohlen, geraubt und beraubt, und in seinem unersättlichen Rachen verschlungen und begraben. Was hängt Sünde und Verbrechen, Gräuel und Blut am Geiz und seinen Opfern. Darum sagt der heilige Chrysostomus: „Den Götzen wurden Schafe und Rinder geschlachtet, wer hat aber je Seelen schlachten sehen? Verflucht ist der Opferaltar der Habsucht. Wenn du diesen Altar in der Nähe betrachtest, so wirst du daselbst Menschenblut finden, du wirst auf ihm sehen, wie Seelen geschlachtet werden, du wirst da die empörendsten und grausamsten Opfer finden.“ Wie könnte also der Geizige ein wahrer Christ, gläubig, tugendhaft, gottgefällig, vor Gott verdienstlich sein, und wie sollte er ein Kind der ewigen Seligkeit werden können. „Nichts ist lasterhafter, als ein Geiziger . . . Nichts ist größeres Unrecht, als das Geld lieben, denn wer so etwas tut, bietet selbst seine Seele feil“, sagt Jesus Sirach. „Sie bieten ihre Seele an“, aber nicht für Gott, für die Tugend, für den Himmel, sondern für die Hölle. Es ist entsetzlich, es ist haarsträubend und unbegreiflich: um des erbärmlichen Geldes willen ewig verdammt werden zu wollen, und das will der Geizige – er will verdammt werden, denn er nimmt sein Laster, seine Leidenschaft mit hinüber in die Ewigkeit.

 

Ein sterbender Geizhals sieht deswegen das Kruzifixbild an, weil es von Silber war

 

Ein geiziger Kaufmann kam zum sterben. Schnell ließ man einen Priester rufen, und der sprach denn wie ein Galgenpater dem Sterbenden zu, sich zu bekehren, den Geiz fahren zu lassen, an Gott, sein Seelenheil und die Ewigkeit zu denken, mit Gott sich auszusöhnen und die heiligen Sakramente zu empfangen. Stumpf und stier sah der Geizhals den Priester an, als rede er von etwas ganz Unerhörtem mit ihm, kein Zeichen der Zustimmung oder Reue legte er an den Tag – er schien völlig verstockt zu sein. Da der Tod schnell einzutreten drohte, hielt der Priester dem Sterbenden ein Kruzifixbild vor die Augen und sprach ihm die Worte vor: „O Jesus, an dich glaube ich, o Jesus, auf dich hoffe ich, o Jesus, dich liebe ich.“ Und siehe da! Der Sterbende öffnete weit sein Auge, sein Antlitz heitert sich auf, ein Lächeln spielt um seinen Mund, seine Lippen öffnen sich, und er spricht: „Herr Pfarrer, was mag wohl dieses silberne Kruzifix wert sein?“ Und fragen und sterben war eins. Mag er wohl gut gestorben sein?

 

Der letzte wehmütige Blick

 

Einst betete ich einem Sterbenden, von dem ich wusste, dass er sehr am Geld hing, der aber die Sakramente empfangen hatte und alle Zeichen einer wahren Reue äußerte, die Gebete für die Sterbenden vor. Er schien sehr gesammelt und andächtig und heftete bisweilen seinen Blick auf das heilige Kreuzzeichen. Da war seine Frau genötigt, Geld aus dem verschlossenen Geldbehälter des Kastens zu holen. Sie schlich sich also leise an das Bett und begehrte den Geldschlüssel. Erschrocken fuhr der Mann zusammen, gab zögernd den Schlüssel hin, begleitete die Frau mit sterbendem, wehmütigem Blick zu seinem Mammon und als er das Geld rasseln hörte, stieß er einen Seufzer aus, ließ das Haupt sinken und war nicht mehr. Wohl nichts auf Erden mag dem Menschen das Sterben so sehr verbittern, als der Geiz, denn das Geld, das geliebte, das angebetete, nicht mit sich nehmen zu können – welch ein Schmerz. Fast jede andere Sünde verlässt den Menschen in schwerer Krankheit und auf dem Sterbebett. Viele Sünden reizen und versuchen den Menschen nicht mehr auf dem Sterbebett. Nicht so der Geiz. Er hängt sich fest an seinen Sklaven bis zum letzten Atemzug, und der arme Sklave umklammert seine Leidenschaft krampfhaft noch im Tod. Judas warf doch die dreißig Silberlinge von sich, er warf sie in den Tempel, bevor er sich erhängte. Nicht so gewöhnlich der Geizige. Er klammert sich fest an seinen Geldsack, wie der Schiffbrüchige an das rettende Brettstück.

 

Mit der Geldbörse in der kalten Hand, will der Geizige in das andre Land

 

Einem Sterbenden sollte ich einst die heilige Ölung erteilen. Als ich dessen Hände mit dem Krankenöl salben wollte, rechte er mir seine linke Hand nicht hin, sondern hielt sie unter der Bettdecke verborgen. Ich griff daher, ohne ein Wort zu sprechen, unter die Bettdecke, auf die Brust, wo ich die Hand vermutete, und zog sie, nicht ohne Anstrengung, in die Höhe. Großer Gott – was sah ich! Der Sterbende hatte eine schwere Börse in der kalten, halb erstarrten Hand und wollte seinem Mammon im Tod fest umschlungen halten und mit hinübernehmen in die Ewigkeit.

 

Die goldenen Siegeskränze auf dem Sterbebett

 

Als die berühmte Sängerin Rachel in Paris ihre letzte Stunde herannahen fühlte, ließ sie sich all ihre Kostbarkeiten, ihre Edelsteine und Siegeskränze auf das Sterbebett legen, sah sie mit Tränen in den Augen an und nahm von ihnen wehmütig Abschied. O blutige Trennung von euren Göttern, o schrecklicher Tod ohne Hoffnung auf die ewigen Güter im Himmel, o schreckliches Ende eines qualvollen Lebens!

Der Geiz macht also wirklich zeitlich und ewig unglücklich.

 

Wie ist da zu helfen?

 

Rezept

 

Lassen wir hier zwei berühmte Seelenärzte dieses Rezept verschreiben. Zuerst den heiligen Chrysostomus. Er sagt über die Heilung vom Geiz: „Wie wird der Geiz, dieses wilde Tier gezähmt? Vor allem müssen wir wissen, wie dieses Tier wild wird. Wie wird es wild? Nach Art der Löwen, der Panther und Bären. Werden sie eingeschlossen und in einem finsteren Ort gefangen gehalten, so werden sie grimmiger und wütender. Geradeso verhält es sich mit dem Reichtum. Wird er eingeschlossen, so tobt und wütet er ärger als ein Löwe. Führst du ihn aber aus seinem finsteren Kerker heraus und verteilst du ihn unter die Armen, so wird dieses, eingeschlossen so wilde Tier zahm, wie ein Schaf. Der Verräter wird jetzt dein Beschützer und Fürsprecher, die gefährliche Klippe verwandelt sich in einen sicheren Hafen, und der Sturm in liebliche Windstille. Etwas Ähnliches kannst du bei den Schiffen sehen. Sind sie mit zu vielen Waren belastet, so sinken sie unter. Ist aber ihre Last mäßig, so gleiten sie mit Leichtigkeit über die Wellen. So ergeht es auch uns. Hast du viele Reichtümer zusammengebracht, so bedarf es nur eines leichten Sturmes oder eines unerwarteten Missgeschicks, und dein Schiff geht mit Mann und Maus zugrunde. Sammelst du aber nur so viel Vermögen, als du nötig hast, so wirst du, wenn auch ein heftiger Sturm losbricht, doch mit Leichtigkeit über den Wellen dich erhalten. Verlange also nicht mehr, als du brauchst, damit du nicht alles verlierst. Sammle nicht mehr, als du brauchst, damit du nicht alles verlierst. Sammle nicht mehr, als du nötig hast, damit dir nicht auch das Nötige genommen wird. Überschreite nicht Maß und Ziel, damit du nicht von allem entblößt wirst. Entledige dich vielmehr des Überflusses, und behalte nur das Notwendige. Siehst du nicht, dass auch die Weingärtner die Rebe beschneiden, damit ihre Kraft nicht in die Blätter und Ranken schießt, sondern in der Wurzel bleibt, damit sie um so bessere Trauben hervorbringen kann. Tue desgleichen. Schneide die überflüssigen Blätter und Ranken ab, und verwende alle Kraft auf die Hervorbringung von Früchten (für das ewige Leben)!“ Der heilige Franz von Sales sagt zu demselben Thema: „Bist du zum Geiz geneigt, so bedenke oft, welch törichte Sünde der Geiz ist, weil er uns den Dingen dienstbar macht, die zu unserem Dienst erschaffen wurden. . . Vergiss nie, dass man in der Todesstunde alles verlassen muss, und dass vielleicht deine zeitlichen Güter denjenigen in die Hände fallen, die sie missbrauchen werden und denen sie zur ewigen Verdammnis gereichen können. . . Rede oft und viel wider den schändlichen Geiz, lobe die Verachtung der Welt und aller zeitlichen Dinge, gewinne über dich selbst, dass du Almosen gibst und andere Werke der Barmherzigkeit übst. Trachte nicht zu viel nach weltlichem Gewinn, sondern verzichte bisweilen gerne auf zeitlichen Vorteil!“ Wahrhaft goldene Worte. Würden sie von denjenigen befolgt, für die diese gelehrten, weisen, erfahrenen Männer und Seelenärzte sie niedergeschrieben haben.

 

Lass das wilde Tier los, befreie es aus seinem finsteren Kerker. Erfahre, dass geben seliger ist, als nehmen. Verkoste, wie süß es ist, mit dem zeitlichen Gut die Tränen der Leidenden zu trocknen, die Not der Darbenden zu stillen, die Gebeugten aufzurichten, Segen zu spenden. Ist das nicht ein göttliches Werk? Tut dasselbe nicht auch der himmlische Vater? Wirst du ihm dadurch nicht ähnlich, und will er es nicht gerade durch dich tun? Hat er nicht darum dich mit zeitlichen Gütern gesegnet? Willst du dich solchen Vorrechts unwürdig zeigen? Willst du das Vertrauen, dass Gott dir schenkt, zu Schanden machen? Willst du der wunderbarsten Freuden und des schönsten Lohnes dich berauben? Was du den Armen, den Notleidenden, den Bedrängten gibst, hast du ja dem Herrn selbst gegeben, denn er beteuert: „Wahrlich, ich sage euch, was ihr einem dieser meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Matthäus 25,40). Willst du einst nicht das beseligende Wort aus dem Mund deines Richters hören: „Kommt, ihr Gesegnete meines Vaters, besitzt das Reich, das seit Grundlegung der Welt euch bereitet ist.“? Willst du lieber das Schreckenswort hören, das dich auf ewig in die Hölle schleudert: „Weicht von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das dem Teufel und seinen Engeln bereitet worden ist.“? (Matthäus 25,34+41) Wähle klug und weise. Verscherze um des miserablen Mammons willen, den du ja doch nur einige Minuten besitzt, nicht deinen Himmel und deine ewige Seligkeit. Das längste Leben ist ein Traum, schnell fließt es hin wie Regenbäche. Im Pfarrfamilienbuch wird jede Person eingetragen und erhält vier Kolonnen, d.h. durch Striche begrenzte Abteilungen. In der ersten steht: „geboren,“ in der zweiten steht: „getraut,“ in der dritten: „deren Kinder,“ und in der vierten: „gestorben.“ Wie viele Kolonnen sind von dir schon ausgefüllt? Vielleicht schon drei, es bleibt also nur noch eine übrig: die Sterbkolonne, und die ist gar bald ausgefüllt. Und solch ein flüchtiges Wesen, von dem man in der Regel nur sagen kann: geboren, verehelicht, gestorben, sollte sich so sehr an das Zeitliche und Vergängliche hinhängen, dass es darüber das ewige Leben verliert. Nach dem Tod nützen dir ja ohnehin all deine zeitlichen Güter, die du im Leben so wahnsinnig geliebt hast, nichts mehr. Was nimmst du mit hinüber? Ein Leichentuch und sechs Brettlein. Doch nein. Auch das musst du noch zurücklassen im Grab – nur deine unsterbliche Seele und deine Werke, die nimmst du mit hinüber. Bedenke also oft, wie der heilige Franz von Sales sagt, dass man in der Todesstunde alles verlassen muss, vor diesem Gedanken flieht der Geiz, wie die unheimlichen Nachtvögel vor der Sonne.

 

Das Leichentuch

 

Der türkische Kaiser Saladin hatte unermessliche Schätze aufgehäuft und dürstete dennoch in unersättlicher Habsucht nach immer noch größeren. Als er seine Todesstunde herannahen fühlte, erkannte er die Nutzlosigkeit, Eitelkeit und Treulosigkeit seiner gesammelten Schätze und ließ sich darum seinen Herold rufen und gab ihm den Befehl, das Leichentuch, in dem er begraben werden sollte, an eine hohe Stange zu befestigen und dasselbe durch alle Straßen der Residenzstadt zu tragen und auszurufen: „Seht, das ist der ganze Reichtum, den Sultan Saladin von allen seinen unermesslichen Schätzen mit sich ins Grab nimmt!“ Nimmst du mehr mit dir? Ist das nicht auch deine Mitgift ins Grab? Und um dessentwillen, was du zurücklassen musst nach deinem Tod, was dir deine Verantwortung so sehr erschweren wird vor dem Richterstuhl Gottes, was dich zu so vielen Sünden verleitet, willst du dein zeitliches und ewiges Glück hinopfern?! Was plagt und quält und peinigt dich nicht dein Reichtum. Was hast du dir nicht gefallen lassen, was hast du nicht ausgestanden, gelitten und erduldet, bis du ihn erworben hast. Was hast du nicht ausgestanden, gelitten und erduldet, seitdem du ihn schon besitzt, und was wirst du durch ihn zu leiden haben an Qual und Pein in deiner letzten Stunde, wenn du dich von ihm blutig losreißen musst und nicht vorher freiwillig von ihm losgemacht haben wirst. Diese Opfer und Leiden, Qualen und Peinen, wären einer besseren Sache wert. Glaube mir, wenn du für Gott und für den Himmel nur den zehnten Teil von dem dir gefallen lässt und leidest und duldest, was du für Geiz und Habsucht, für Geld und Gut, die gefallen lässt, leidest und duldest, du müsstest vollkommen und selig werden. So reiße dich zusammen, raffe dich auf, schleudere den Geldsack von dir, diesen treulosen Freund, diesen deinen Peiniger, deinen Verräter, deinen Verführer, deinen Todfeind.

 

Das Brennus-Schwert

 

Der gallische Feldherr Brennus zerstörte anno 390 vor Christi Geburt Rom und belagerte hierauf das Kapitol, eine feste Burg in dieser Stadt. Nach siebenmonatiger Belagerung und tapferer Gegenwehr mussten die Römer aus Hungersnot mit Brennus kapitulieren. Hart waren die Bedingungen, unter denen Brennus den Römern freien Abzug bewilligte: tausend Pfund Gold waren franko ins gallische Lager zu spedieren. Mit harter Not brachten die Römer so viel Gold zusammen, und sendeten diese ungeheure Summe mit blutendem Herzen in das Lager des Brennus. Als das Gold gewogen wurde, bemerkten die Römer, dass Brennus falsches Gewicht in Anwendung brachte, und beschwerten sich deswegen über dieses schreiende Unrecht. Brennus aber verhöhnte die Römer, warf sein Schwert, samt Wehrgehänge, noch zu dem falschen Gewicht und Forderte, dass auch sein Schwert mit Gold aufgewogen werde, indem er rief: „Wehe den Besiegten!“ Das war aber doch zu viel für die Römer, die Geduld riss ihnen. Entrüstet verließen sie das gallische Lager, rafften sich auf, erklärten dem Brennus den Krieg und begannen nun, unter dem tapferen Feldherrn Kamillus, einen Verzweiflungskampf auf Leben und Tod, aus dem sie als Sieger hervorgingen.

 

Wir sehen, der Geiz ist solch ein falscher, übermütiger Brennus und ein Brennusschwert, das du mit deiner Seele und ihrer Seligkeit aufwiegen sollst. Der Geiz ruft auch dir entgegen: „Wehe den Besiegten!“ Sollte dir da nicht auch die Geduld reißen, solltest nicht auch du dich ermannen und einen Kampf mit diesem deinem Todfeind führen, einen Kampf auf Leben und Tod, einen Kampf um Himmel und Hölle? Besiegst du ihn, so bist du gerettet, wirst du aber von ihm besiegt, so bist du ewig verloren. Erleichtere dein Lebensschifflein, befreie es vom gefährlichen Ballast, wirf über Bord, was dir mit dem Untergang droht, und bringe gute Früchte hervor durch weise Anwendung deiner zeitlichen Güter, wie der heilige Chrysostomus sagt.

 

Das Gold ersäuft

 

Als einst die Bayern in Italien einfielen, floh der König der Longobarden, namens Aribert, nach Pavia, einer festen Stadt in Oberitalien. Über diese Feigheit ihres Königs und Kriegsherrn ergrimmt, zettelten die Soldaten eine Verschwörung gegen sein Leben an. Aribert, hiervon in Kenntnis gesetzt, ergriff die Flucht, belud sich aber vorher mit so vielen Schätzen, als er nur bei sich tragen konnte. Sein Weg führte ihn an den Fluss Tessin, und da keine Brücke hinüberführte, seine Verfolger ihm aber auf den Fersen waren, so versuchte er es, über ihn zu schwimmen. Das Gewicht des Goldes zog ihn aber, trotz aller Anstrengung, in die Tiefe und er ertrank in den Fluten. So zieht Geiz und Habsucht, Geld und Gut, die Seele hinab in der Hölle Schlund. Willst du nicht lieber diesen unnützen, lebensgefährlichen und verderblichen Plunder von dir werfen und wohlbehalten hinüberkommen an das Gestade der Ewigkeit, in die Gefilde der ewigen Ruhe?

 

Das Gold purgiert und massakriert

 

Als Jerusalem durch Titus hart belagert wurde, und in der Stadt Hungersnot, Seuchen und täglicher Aufstand wüteten, zogen es viele Juden vor, zu den Feinden überzugehen. Gewöhnlich wurden sie aber, im feindlichen Lager angekommen, von den römischen Soldaten geplündert. Um nun der Plünderung zu entgehen, verschlangen sie auf dem Weg zwischen Jerusalem und dem feindlichen Lager das mitgenommene Gold. Doch auch das schützte sie vor Plünderung nicht. Die raubgierigen Soldaten entdeckten bald diesen Kniff der Juden, nahmen die zweibeinigen Goldbergwerke gefangen, gaben ihnen Purgiermittel ein oder rissen ihnen kurzweg den Bauch auf und wühlten in ihren Eingeweiden nach verschlungenen Goldstücken.

 

Geld und Geiz strangulieren

 

Ein Geizhals hatte einen reichen Verwandten um des Geldes willen ermordet. Nach der grausigen Tat schiebt er den Leichnam in einen kurzen Sack, bindet sich den Sack kreuzweise über Brust und Schultern, so dass er fest auf seinem Rücken hing, und trägt ihn zum nahen Fluss, um ihn dort ins Wasser zu werfen. Unterwegs muss er aber ausruhen, denn der Sack ist schwer, sehr schwer, er drückt ihn fast zu Boden. Er lehnt sich daher an das oben abgerundete Brückengeländer, setzt den Sack darauf und ruht ein wenig aus. Plötzlich gleitet der Sack aber über das Geländer, zieht die Schnüre über der Brust an und herauf bis an den Hals des Mörders, und nun ist er förmlich stranguliert. Auf der einen Seite hängt der Ermordete im Sack, auf der andern sein Mörder. Hat hier nicht die Vorsehung Gottes gewaltet und gerichtet? Willst du vielleicht diesem Unmenschen gleichen, mit ihm, durch Geiz und Habsucht, auf derselben Stufe stehen, wenn du auch in der Wirklichkeit gerade kein Mörder bist und keiner wirst? Soll dich dein Geldsack vielleicht für ewig strangulieren? Verwende daher dein Geld und Gut nach den heiligen Absichten Gottes, die dir, als einem Christen, nicht unbekannt sein können. Übe Wohltätigkeit, unterstütze arme, kranke, würdige Personen, vermach dein Vermögen zu wohltätigen Zwecken, verlass dich ja nicht auf die guten Werke deiner Anverwandten, Bekannten und Erben, sonst bist du betrogen. Nur was du selbst tust, ist dir gewiss. Siehe, solche gute Werke, solche Almosen und getrocknete Tränen der Witwen und Waisen werden dir dann zu kostbaren Perlen und Edelsteinen, die Engel vor Gottes Thron tragen, und die einst jene Krone schmücken werden, die Gott dir, als seinem treuen Diener, darreichen wird. Diese Perlen und Edelsteine der guten Werke sind der Preis, um den du allein die ewigen Güter im Himmel erkaufen kannst, die ich dir von ganzem Herzen wünsche.