Maria, Mutter der Schönen Liebe

 

31. Mai

 

„Gott ist die Liebe.“ Mit dieser Aussage hat der heilige Johannes für alle Zeiten festgelegt, wie Gott der Herr von uns Menschen angeschaut werden möchte. Denn der Eigenschaften Gottes gibt es gar viele, da die Fülle seines Reichtums unermesslich groß ist. Gott könnte von uns verlangen, beachtet zu werden in seiner Unendlichkeit, in seiner Majestät, in seiner Allmacht, in seiner Heiligkeit, in seiner Weisheit oder in seiner Gerechtigkeit. Aber das sind nicht jene Seiten des göttlichen Wesens, die in erster Linie für uns Menschen bestimmt sind. Das soll vielmehr seine unbegrenzte Liebe sein. Und ganz besonders seine sich erbarmende Liebe. Denn so fährt St. Johannes fort: „Gottes Liebe hat sich an uns darin geoffenbart, dass Gott seinen eingeborenen Sohn in die Welt gesandt hat, damit wir durch ihn das Leben haben. Darin zeigt sich die Liebe: Nicht wir haben Gott geliebt, sondern er hat uns geliebt und seinen Sohn als Sühnopfer für unsere Sünden gesandt.“

 

Der überzeugendste Beweis, dass Gott für uns die Liebe sein will, liegt also in der Menschwerdung des Sohnes Gottes, liegt noch stärker darin, dass er für unsere Sünden am Kreuz zum Sühnopfer geworden ist. So ist in ihm uns fürwahr erschienen „die Güte und Menschenfreundlichkeit unseres Gottes“. Maria ist aber die Mutter dieses göttlichen Liebesbeweises und darum die Mutter der Schönen Liebe.

 

Ist Gott die verschenkende Liebe, dann dürfte er wohl diese Liebe in ihrer stärksten Form jenem Geschöpf zugewandt haben, das er eigens zur Mitbewirkerin seines Liebesbeweises aufgerufen hat: der seligsten Jungfrau Maria. Wir können ja in der Tat nicht zu Ende kommen mit Gottes Liebesbeweisen an sie. Das Bewahrtsein Mariens vor der Sünde, ja jede andere Gnadengabe, mit der sie geschmückt wurde, sind Liebesgeschenke dieses Gottes, der die Liebe sein will. Maria ist gleichsam das Auffanggefäß der göttlichen Liebeserweise, der Spiegel der Gottesliebe. „Mutter der Schönen Liebe.“

 

„Geliebte, wenn Gott uns so sehr geliebt hat, dann müssen auch wir einander lieben.“ Diese Folgerung zieht der heilige Johannes aus der Urwahrheit, dass Gott uns die Liebe ist. Auch wir müssen lieben. Wir müssen vor allem diesen Gott der Liebe lieben. Große Liebe, glühende Liebe, heroische Liebe müssen den Lebensweg eines Gotteskindes zeichnen. Aber Johannes stellt dazu fest: „Wenn jemand sagt: Ich liebe Gott, dabei aber seinen Bruder hasst, der ist ein Lügner. Wir haben das Gebot von ihm: Wer Gott liebt, der soll auch seinen Bruder lieben.“ Gottesliebe muss sich in Nächstenliebe bewähren. Gottesliebe und Nächstenliebe sind in der Verkündigung Jesu eins. Sie steigen und fallen miteinander.

Im Leben Mariens, des auserwählten Gotteskindes, standen sie beieinander und trugen sich. Glühende Gottesliebe loderte im Herzen jener, die nichts anderes sein wollte als seine niedrigste Magd. Eifrigste Nächstenliebe füllte ihr Tagwerk bis hin zu jenem heroischen Opfer, da sie ihr vielgeliebtes Kind hingab für uns. Ist Maria nicht auch so: Mutter der Schönen Liebe?

 

Kirchengebet

 

Gott, Du willst, dass wir die allerseligste Jungfrau Maria als Königin aller Heiligen und Mutter der Schönen Liebe verehren. Gewähre uns gnädig, dass wir unter ihrem Schutz Dich hier auf Erden in allem und über alles lieben und im Himmel die selige Gemeinschaft Deiner Heiligen genießen. Amen.

 

Zur Geschichte des Festes: Spanien ist das Mutterland dieses Festes. Dort wird es seit 1870 gefeiert, und zwar in verschiedenen Diözesen des Landes. Von dort aus verbreitete sich diese Festfeier vor allem nach Latein-Amerika. 1884 findet es Eingang in Ekuador. Auch in Nordamerika bleibt es nicht unbekannt und erhält 1897 für die Diözese Milwaukee die kirchliche Approbation.

 

Der Titel „Mutter der Schönen Liebe“ ist biblischen Ursprungs. Er wird zurückgeführt auf die Schriftstelle im Buch der Weisheit (das von der Liturgie in vielen Teilen auf die Gottesmutter angewandt wird): „Ich bin die Mutter der Schönen Liebe und der Furcht, der Erkenntnis und der Hoffnung.“ Dieser Text wurde darum auch als Antiphon zur ersten Vesper der kirchlichen Tagzeiten dieses Festes gewählt.

 

(„So feiert dich die Kirche“, Prof. Dr. Carl Feckes, Maria im Kranz ihrer Feste, Steyler Verlagsbuchhandlung, 1957)