Mariä Lichtmess

Den du, o Jungfrau, im Tempel aufgeopfert hast.
Den du, o Jungfrau, im Tempel aufgeopfert hast.

 

2. Februar

 

Als das Kind Jesus vierzig Tage alt war, brachten es Maria und Josef zum Tempel nach Jerusalem, um es dem Herrn darzustellen, wie es im Gesetz befohlen war.

 

Bereits am Tag vorher machte sich die Heilige Familie von Betlehem aus auf den Weg. Der heilige Josef schritt voran, auf dem Rücken trug er einen Rucksack. In der Linken hielt er einen hohen Stock, wie es damals Brauch war, und mit der Rechten führte er am Zügel den Esel, auf dem die Mutter Gottes saß. Im Arm trug Maria das göttliche Kind, das sie sorgsam in ein dickes Wolltuch eingeschlagen hatte, denn es herrschte ein nasskaltes Winterwetter, und ein scharfer Wind blies den Wanderern ins Gesicht. Gegen Abend kam die kleine Reisegesellschaft in der heiligen Stadt Jerusalem an und verbrachte die Nacht bei Bekannten.

 

Weil die Darstellung Jesu im Tempel schon vor dem Morgenopfer stattfinden musste, standen Maria und Josef in aller Frühe auf, als es noch dunkel war, zogen die Sonntagskleider an, die sich im Rucksack befanden, und stiegen, Maria wieder mit dem Jesuskind im Arm, die steile Straße zum Tempel hinan. Voll Erwartung und Freude waren sie.

 

So kamen sie schnell dem Tempel näher, und schon hatten sie den ersten, sogenannten Heidenvorhof durchschritten und näherten sich dem Haupttor, da trat ihnen ein alter Mann in den Weg, eine ehrwürdige Gestalt mit langem Silberbart, und der Kranz seines schneeweißen Kopfhaares stand ihm wie ein Heiligenschein. Simeon war es, ein gerechter und gottesfürchtiger Greis, der vom Heiligen Geist die Verheißung erhalten hatte, dass er den Tod nicht schauen werde, bevor er den Gesalbten des Herrn erblickt habe. Jahrelang stand er deshalb jeden Tag in der Frühe am Tempeltor und wartete mit brennender Sehnsucht auf den, der da kommen sollte.

 

An diesem Morgen sollte sich endlich Simeons Wunsch erfüllen. Als er nämlich die Heilige Familie herankommen sah, wurde ihm innerlich bedeutet, wer die drei Ankömmlinge waren. Hocherfreut trat er vor, verbeugte sich tief und betete im Herzen den Heiland an, und als Maria die Andacht des alten Mannes sah, schlug sie das Tuch zurück und zeigte ihm das göttliche Kind. Jesus aber lächelte Simeon an und streckte verlangend die Ärmchen nach ihm aus, und als Simeon seinerseits es ebenso machte, legte ihm die Mutter Gottes den lieben Heiland zart und behutsam in die Arme. Ehrfurchtsvoll, wie ein Priester das Allerheiligste trägt, empfing der begnadete Greis das Heil der Welt, und weil er wegen seiner altersschwachen Augen kurzsichtig war, hob er das göttliche Kind empor, und da ging von dem Kind ein Licht aus, in dessen Widerschein Simeons Antlitz wie vom Glanz einer brennenden Kerze aufleuchtete, und mit einer Stimme, die vor Freude zitterte, sprach er: "Nun entlässt du, Herr, deinen Diener nach deinem Wort in Frieden, denn es haben geschaut meine Augen dein Heil, das du bereitet hast vor dem Angesicht aller Völker, ein Licht zur Erleuchtung der Heiden und zum Ruhm deines Volkes Israel."

 

So redete Simeon, und nach diesen Worten geschah es, dass er im Geist verzückt wurde. Die Zukunft tat sich vor ihm auf, er sah von dem Kind auf seinen Armen ein Licht ausgehen, das die ganze Welt in eitel Sonne kleidete, aber daneben erblickte er auch tiefschwarze Schatten, die gegen das Licht kämpften, und zu Maria gewendet, sprach er prophetisch die ahnungsschweren Worte:

 

"Siehe, dieser ist bestimmt zum Fall und zur Auferstehung vieler in Israel und zu einem Zeichen, dem man widersprechen wird. Und auch deine Seele wird ein Schwert durchdringen, dass die Gedanken vieler Herzen offenkundig werden."

 

Alles, was Simeon da sagte, ist später in Erfüllung gegangen. Den Heiland hat man ans Kreuz geschlagen, und neben dem Kreuz stand eine Mutter mit sieben Schwertern im Herzen, aber das Licht zur Erleuchtung der Heiden strahlt heute noch in die Welt, und kommen wird der Tag, an dem das Licht die Finsternis endgültig besiegt. Und damit wir an diese Tatsache erinnert und in diesem Glauben gestärkt werden, findet heute bei der heiligen Messe die Weihe der Kerzen statt, deren Licht ein Sinnbild Christi ist.

  

 

Von der "heiligen Sippe"

 

Vor einigen Jahrzehnten wurde das Fest der "Erscheinung des Herrn" das "Fest der Reinigung Mariä und Aufopferung Jesu Christi im Tempel" genannt. Noch weiter zurück in der Geschichte war das Fest den heiligen Vätern und sämtlichen Christen unter dem Namen der "Entgegenkunft des Herrn" schon längst lieb und heilig. Papst Sergius hat die Feier dieses Festes durch die Prozession, die man an diesem Tag mit geweihten Kerzen vornimmt, vermehrt. Die Kirche rückt uns an diesem Tage die Reinigung Mariä und die Opferung des Kindes Jesus ins Gedächtnis. Der heilige Thomas von Villanova sagt: "Diese doppelte Erinnerung soll unsere Freude und Andacht verdoppeln, indem wir den Sohn und die Mutter durch die Feier zugleich verehren." Nach dem heiligen Sophronius nehmen wir dabei brennende Kerzen in die Hand, teils um den dadurch zu ehren, der als das ewige Licht die schädlichen Finsternisse in und um uns zerstreut und mit dem Strahlen seiner Gottheit alles beleuchtet; teils um den reinen Glanz unserer Seele, mit der wir Christus entgegengehen sollen, zu zeigen.

 

Bitten wir daher Gott am Fest Mariä Lichtmess um die Gnade, allen seinen Geboten und den Geboten seiner Kirche nachzukommen. Wir wollen uns selbst und die, die zu uns gehören, Gott aufopfern und uns, besonders für die bevorstehende Fastenzeit, vornehmen, jede Sünde gegen die Mäßigkeit und Reinheit zu meiden, denn dadurch würden wir das Herz Jesu und das Herz Mariä wie mit einem Schwert durchbohren. Auch verwenden wir etwas von unserem Geld und viel von unserer Zeit zur Ehre Gottes und Mariä oder für einen armen Menschen. Tun wir manches in den kommenden Wochen bis zum Osterfest, wozu wir nicht ausdrücklich verpflichtet sind, weil auch die seligste Jungfrau mehr tat, als sie tun musste. Unterlassen wir keine guten Werke aus Menschenfurcht! Lassen wir, nach den Worten von Jesus selbst, unser Licht leuchten vor den Menschen, damit sie die guten Werke sehen, und den himmlischen Vater preisen. Beim Anblick eines Lichtes bitten wir Gott, er möge unser Herz mit seiner Liebe entzünden, und einst sowohl uns selbst als allen verstorbenen Gläubigen das ewige Licht leuchten lassen. Begleiten wir an Mariä Lichtmess die Prozession, so denken wir dabei, wie Jesus, das Licht der Welt, von seinen heiligen Eltern in den Tempel getragen worden ist. Wir bitten dann demütig, dass wir durch das Befolgen seiner lichtvollen Lehre, auf die Fürsprache Marias und Josefs, Simeons und Hannas, nach dieser Zeit zur Gesellschaft der Heiligen aufgenommen werden. Empfehlen wir uns Maria, dass sie uns beistehe in jenem wichtigen Augenblick, in dem ein guter Mensch uns vor unserem Sterben das geweihte Licht in die Hände gibt und die Sterbegebete für uns spricht. Unsere Augen mögen dann erleuchtet werden, damit wir nicht in die ewige Finsternis kommen, sondern des ewigen Lichtes, der ewig seligen Anschauung Gottes, teilhaftig werden.

 

Matthias Hergert

 

 

Auf dem Fest Mariä Lichtmess ruht der letzte Glanz von Weihnachten. Darum ist es wohl so beliebt. Es heißt aber zugleich Abschied nehmen von der Heiligen Nacht. Zum letzten Mal im Kirchenjahr begegnet uns die Mutter mit dem Kinde lieb. Noch muss sie es auf dem Arm tragen; ganz Mutterliebe und Mutterglück.

 

Es ist nämlich ein Tag stolzen Mutterglückes für die selige Jungfrau und junge Mutter. Sie darf ihren Erstgeborenen, der bei den meisten Völkern mehr gilt als die Nachgeborenen, weil in ihm sich Gottes Segen in der Ehe geoffenbart hat und weil er zum Stammhalter bestimmt erscheint, in die Öffentlichkeit ihres Volkes tragen und die Frucht ihres gesegneten Schoßes allen Mitmenschen zeigen. Ja, Maria als fromme Israelitin darf ihn sogar dorthin tragen, wo das Herz ihres auserwählten Volkes schlägt, in das Bundesheiligtum. Sie darf ihn hintragen vor das Antlitz ihres Gottes, von dem sie ihr Kind in so wunderbarer Weise erhalten hat, dem noch mehr als bisher die ganze Liebe ihres reinen Herzens gilt. Ihr Kind ist freilich mehr als die Erstgeburt anderer Mütter. Ihn, den Sohn Gottes, brauchte sie eigentlich nicht erst zum Tempel zu bringen, um darzutun, dass er nach dem Gesetz Eigentum Gottes sei. Denn sein Leib ist ein viel hehrerer und kostbarerer, ein mehr von Gottes Gegenwart erfüllter und ihm mehr zu eigener Tempel als das Heiligtum in Jerusalem. Dennoch beugt sich Maria dem Gesetz, weil sie in ihm den Willen Gottes sieht; demütig reiht sie sich in die Schar gewöhnlicher Mütter ein.

 

Das ließ Gott nicht unbelohnt. Unerwartet durfte sie Segensübermittlerin sein. Fromme Seelen, angetrieben vom Heiligen Geist, warten schon auf sie und das Kind, warten auf den schönsten Tag ihres Lebens, an dem sie schauen durften: „Das Licht zur Erleuchtung der Heiden und den Ruhm des Volkes Israel.“ Nun, da sie vom Arm Mariens Christus empfangen hatten, hatte ihr Leben seine Erfüllung gefunden.

 

Nicht das erste Mal war die junge Mutter Segensvermittlerin gewesen. Noch ehe sie das Kind geboren hatte, diente sie ihm als Gnadenvermittlerin für das Haus ihrer Base Elisabeth. In der lichtumflossenen Nacht reichte sie ihn den Hirten. Die Weisen aus dem Morgenland fanden in dem Kind auf ihrem Schoß den Lohn einer mühseligen Reise.

 

Doch meinen wir nicht, nur dem noch kleinen Erlöser habe die Mutter als Vermittlerin dienen dürfen. Das erste Wunder Jesu bei der Hochzeit zu Kana spricht die gleiche Sprache. Und die Kirche lehrt uns, die im Himmel weilende Gottesmutter als unsere allmächtige Fürbitterin zu verehren. Willst du demnach zu Christus: lass ihn dir von der Mutter reichen! Wenn Maria dir Christus vermittelt, dann wird deine Begegnung mit ihm für dich eine segensreiche.

 

Kirchengebet

 

Allmächtiger ewiger Gott, wir flehen in Demut zu Deiner Majestät: wie Dein eingeborener Sohn am heutigen Tag in unserer menschlichen Natur im Tempel dargestellt wurde, so lass auch uns mit geläutertem Herzen Dir dargestellt werden. Amen.

 

Zur Geschichte des Festes: Entsprechend den Zeitangaben in der Heiligen Schrift wird dieses Fest 40 Tage nach Weihnachten gefeiert; im Orient einst 40 Tage nach dem Epiphanietag, den man als den Geburtstag des Herrn auffasste. Seinen Namen hat es von dem Wort des greisen Simeon: „Ein Licht zur Erleuchtung der Völker“. Es ist darum an erster Stelle ein Christusfest und wird als solches auch heute noch in der Kirche des Ostens gefeiert. In Jerusalem ist dieses Fest bereits im 4. Jahrhundert bekannt. Im Jahr 542 wird es für Konstantinopel, bzw. für das ganze byzantinische Reich, angeordnet. Die Veranlassung dazu gab das Erlöschen einer Pestepidemie.

 

Vom Orient ging dieses Fest im 6. Jahrhundert auf die römische Kirche über. Von Rom aus verbreitete es sich im 7. Jahrhundert nach Spanien und von dort nach Frankreich und Deutschland. In der Festfeier der abendländischen Kirche steht aber mehr Maria im Vordergrund, die Mutter, die das Licht, Jesus, uns geschenkt hat.

 

Die mit dem Fest verbundene Lichterprozession war schon im Orient ein heiliges Brauchtum, eine Auswirkung des Simeonwortes. In Rom aber verdrängte oder ersetzte sie altgewohnte Fackelzüge, mit denen viel Ausgelassenheit verbunden war.

 

Die Kirche weiht am Lichtmesstag – schon seit dem 10. Jahrhundert – die Kerzen, sowohl für den liturgischen wie auch für den privaten Gebrauch. Diese sollen in den Wohnungen brennen bei häuslichen religiöser Feiern, bei besonderen Familienfesten, bei Gewitter und Gefahr, bei der Krankenkommunion und am Sterbebett.

 

(„So feiert dich die Kirche“, Prof. Dr. Carl Feckes, Maria im Kranz ihrer Feste, Steyler Verlagsbuchhandlung, 1957)

 

Maria, die Jungfrau,

Die durch der Gnade Tau

Rein war und an Tugenden Reich,

Sie wollte sich doch halten gleich,

Wie jede andere Frau auch pflag:

Darum ging sie am vierzigsten Tag

Und opferte den Erstgebornen

Im Tempel, den zum Heil Erkornen.

 

Simeon hieß ein alter Mann,

Gott gänzlich untertan,

Getreu, rein und gut,

In vieler Tugenden Hut,

Wie die Vollkommenen sind;

Man sagt, er war vom Weinen blind.

Der bat, dass Gott den Heiland sende

Und seine Sehnsucht ende.

Und Gott erhörte das Gebet,

Das er mit reinem Willen tät:

Er ließ den greisen Frommen

Erschau`n des Heilands Kommen

Und gab dem treuen Simeon

Für so viel Treue seinen Lohn.

 

Wie er da durfte schauen

Die Frucht der reinsten Frauen,

Das Kind er an sich drückte;

Gott der Herr ihn verzückte

In hohe Prophezieen,

Da er an Marien

Und dem Kinde künftig sah

Das ganze Leid, das noch geschah.

 

O Simeon, du guter,

Im Schauen hochgemuter, 

Wie würdest du erst klagen,

Sähst du in deinen Tagen

Der Heiligen Wunden alle voraus!

Ach, mancher bluttriefende Strauß

Und manches Schwert der Schmerzen

Droht allen frommen Herzen.

 

(Aus: "Goldene Legende der Heiligen"

von Joachim und Anna bis auf Constantin den Großen

neu erzählt, geordnet und gedichtet von

Richard von Kralik, 1902)

 

 

Noch einmal zur Geschichte dieses Festes:

 

Bezüglich der Geschichte dieses Festes "Mariä Reinigung" lässt sich nicht mit Gewissheit ermitteln: wann und wie es entstanden ist und wo es zum ersten Mal gefeiert wurde.

 

Die Bollandisten beweisen, dass man schon vor dem fünften Jahrhundert das "Fest Mariä Reinigung" in Phönizien, Syrien, Zypern und bei den Kopten feierte.

 

Es scheint aber jedenfalls um die Mitte des fünften Jahrhunderts unter der Regierung des Kaisers Marcian, und zwar in der Diözese Jerusalem, aufgekommen zu sein. Auf diese Annahme führt eine Stelle des Cyrillus von Scythopolis in der Lebensbeschreibung des Abtes Theodosius, wo bemerkt ist: Die fromme Matrone Jcelia habe vornehmlich gezeigt, mit Kerzen die "Begegnung des Erlösers, unseres Gottes, zu feiern". Hiernach wäre angedeutet, dass besagte Dienerin des Herrn die Veranlassung war, entweder zur Einführung dieser Feier überhaupt, oder wenigstens des Gebrauches der brennenden Kerzen bei ihr. Höchst wahrscheinlich wurde es zuerst zu Jerusalem kirchlich im Jahr 451, am 5. Januar, zur Zeit des Konzils von Calcedon begangen. Man glaubt, dass an dem genannten Tag - die Geburt unseres Herrn, die Ankunft der drei Weisen, die Darstellung Jesu im Tempel und seine Taufe im Jordan zugleich gefeiert wurden. 

 

Andere Kirchen der Umgegend scheinen bald nachgefolgt zu sein, so dass das Fest schließlich bis Antiochien vordrang, wo man es gleichfalls eingeführt hat.

 

Als bald darauf zu Konstantinopel eine ansteckende Seuche wütete und andere Unglücksfälle über das Volk hereinbrachen, verordnete Kaiser Justinian, am 2. Februar das "Fest der Begegnung" feierlich zu begehen: "damit der Erlöser, der dem Simeon im Tempel entgegengekommen war, auch den Bedrängten gnädig entgegen- oder vielmehr zu Hilfe kommen möge." 

 

Auf diese Weise wurde das alt- und neutestamentliche Fest, das früher nur Lokal- oder Partikular-Fest für Jerusalem und Antiochien war, auf die ganze griechische Kirche ausgedehnt wie Nicephorus in seiner Kirchengeschichte berichtet.

 

Unterdessen soll auch in der römischen Kirche diese Feier eingeführt worden sein, und zwar, nach dem Bericht des Kardinals Baronius, von Papst Gelasius im Jahr 494, in der Absicht: die im Februar zu Rom üblichen Lustrations- oder Reinigungsfeierlichkeiten zu beseitigen, oder vielmehr in christliche zu verwandeln. Über das Letztere - sagt Abbé Migné in seinem Handbuch der katholischen Liturgie - sind die Liturgisten nicht einig.

 

Allerdings feierten die Heiden im Monat Februar zwei Feste: Am 5. die sogenannten "Luperkalien" aus Dankbarkeit Lupa gegenüber, die den Romulus, den Gründer der Stadt Rom, ernährt und des Hirten Faustulus Gemahlin war. - Am Morgen dieses Tages besprengten die Priester mit Reinigungswasser die Stadt, schlachteten dann weiße Ziegen, opferten sie, bedeckten sich mit ihren Fellen, liefen durch die Stadt und versetzten den ihnen begegnenden Frauen Peitschenhiebe zu verschiedenen Zwecken. - In demselben Monat feierten die Römer auch die "Amburbalien". Sie bestanden in feierlichen Aufzügen, bei denen Fackeln getragen wurden, um dadurch die Freude über die Siege auszudrücken, die man über die Nationen der Erde errungen hatte. 

 

Der heilige Ildephons, Erzbischof von Toledo (+ 667) ist der Meinung, dass dieser letzte Ritus derjenigen Heiden wegen, die ins Christentum eintraten, beibehalten wurde, aber nun auf die Verehrung der heiligen Jungfrau bezogen. Hierin findet er den Grund, warum an diesem Tag der Klerus und das Volk mit brennenden Kerzen in Prozessionen einhergehen und währenddessen Loblieder auf die heilige Muttergottes singen. - Dieser Ansicht ist auch Papst Benedikt XIV. beigetreten, und setzt noch hinzu, dass der heilige Papst Gelasius die Luperkalien abschaffte, Papst Sergius I. an die Stelle der Amburbalien die besagte Prozession setzte, die deshalb vom Volk "Lichtmesse" benannt wurde. - Papst Innocenz III. schließt sich dieser Auffassung nicht an, behauptet vielmehr, dass diese christliche Prozession an die Stelle jener heidnischen getreten sei, die man in der Nachtzeit mit Fackeln zu Ehren der Göttin Ceres hielt. Bekanntlich war diese Göttin über den Raub ihrer Tochter Proserpina durch Februus oder Orkus (der auch Pluto oder der Gott der Unterwelt genannt wurde) untröstlich, zündete auf dem Ätna Fackeln an, durcheilte alle Länder und suchte die Geraubte. 

 

Wie sich aber auch immer die Sache verhalten mag, so viel steht fest: dass die Prozession am Fest Mariä Lichtmess keine Nachahmung der heidnischen Gebräuche ist, sondern einzig nur an deren Stelle trat, um die Neubekehrten der wahren und echten Freude und des Glücks recht bewusst zu machen: die einzige Wahrheit und Gnade aufgefunden zu haben, die in Christus Jesus, dem Licht der Welt, dem Sohn Marias, allen Menschen erschienen ist, und ihnen zugleich die Mahnung des Evangeliums zu verdeutlichen, dass sie stets "als Kinder des Lichtes" leben sollten.

 

Bei den Griechen ist Mariä Lichtmess eines der Hauptfeste. Auch bei ihnen wird eine feierliche Prozession gehalten. Nach der Erläuterung von Wilhelm Durandus wird dadurch der Gang Josephs und Marias in den Tempel angedeutet.

 

In Deutschland hat dieses Fest wohl schon im achten Jahrhundert Aufnahme gefunden, denn es wird erwähnt in den Statuten des heiligen Bonifatius und Chrodegang, in denen von Salzburg vom Jahr 799, im Fest-Verzeichnis Karls des Großen und beim Konzil von Mainz im Jahr 813.

 

Die an diesem Tag übliche Segnung der Kerzen scheint späteren Ursprungs zu sein. Alcuin, der den römischen Ordo erläutert und die Prozession ausführlich beschreibt, berichtet nur, dass der Papst den Bischöfen und Kardinälen Kerzen darreiche. - Aus der Beschreibung, die St. Bernhard in seiner zweiten Festrede von der Prozession mit den brennenden Kerzen macht, geht hervor, dass nicht die Kerzen selbst besonders geweiht, sondern dass sie nur an dem gesegneten Licht - der Kirchenlampe - angezündet wurden. - Die jetzt übliche Formel zum Segnen der Kerzen dürfte wohl dem elften Jahrhundert entstammen. - Auch heute noch werden am Fest Mariä Lichtmess allen anwesenden Gläubigen benedizierte und angezündete Kerzen überreicht. Jeder nimmt sie mit nach Hause, bewahrt sie sorgfältig auf und zündet sie an: bei der Ausspendung der heiligen Taufe und der Sterbesakramente. Dem Sterbenden gibt man sie in die Hände und lässt sie leuchten bei seinem Leichnam. Auch bedienen sich die Gläubigen ihrer in der Rorate-Messe während der heiligen Adventszeit und beim Besuch der Gräber am Allerseelentag usw.

 

Jamin sagt in seinem Werk "Geschichte der Kirchenfeste", dass unter allen Marientagen das "Fest der Reinigung" zuerst dem Sonntag gleich gefeiert worden sei. Dies geschah schon unter der Herrschaft Pipins. Bei den Griechen aber wird es von seiner Einführung an bis auf den heutigen Tag unter die gebotenen Feiertage gezählt. In der orientalischen Kirche steht es den Tagen des Herrn gleich. Dies ist auch nach der Ambrosianischen Liturgie der Fall.

 

Dem Bauern gilt Mariä Lichtmess als ein wichtiger Losungstag. Er ist der einzige Tag im Jahr, an dem man die Sonne nicht zu sehen wünscht:

 

Ist`s zu Lichtmess hell und rein,

Wird ein langer Winter sein;

Wenn es aber stürmt und schneit,

Ist der Frühling nicht mehr weit."

 

Um Lichtmess tröstet man sich auch, dass nun die kurzen Tage zu Ende sind. Es wächst nämlich der Tag, wie es die Bauern ausgemessen haben: Bis Neujahr einen Hahnenschritt, bis Dreikönig einen Mannesschritt, bis Sebastiani (20. Januar) einen Hirschensprung, bis Lichtmess eine ganze Stunde.

An diesem Tag haben es auch die Dorfleute gern, wenn sie heimwärts gehen, dass ihnen die Lerche singend das Geleit übers Feld gebe; denn sie verkündet dann ein fruchtbares Jahr; erscheint sie aber erst später, so stehe ein unfruchtbares Jahr zu befürchten.

 

 

Festbetrachtung

 

(Aus: Leben der hl. Jungfrau Maria von Abbé Orsini)

 

Vierzig Tage nach der Geburt des Erlösers begab sich die heilige Jungfrau Maria nach Jerusalem, um dort der Vorschrift des Leviticus ein Genüge zu tun, die die Reinigung der Mutter und die Loskaufung der Erstgeburt anordnet. Gewiss war Maria diesem Gesetz nicht verfallen, denn was hat die reine Vermählte des Heiligen Geistes mit der Befleckung zu tun? Aber Maria legte, ihres hohen Verstandes ungeachtet, das Gesetz nicht aus; sie befolgte es. Fern davon, der Welt das erstaunliche Wunder ihrer reinen jungfräulichen Mütterlichkeit zu offenbaren, bedeckte sie sich mit einem dreifachen Schleier und wollte sich demütig unter die Menge verlieren. Sie erinnerte sich an ihre Pflichten als Tochter Sions und entsagte, um sie zu erfüllen, ihrem Vorrecht als himmlische Mutter.

 

In demselben Augenblick, als Joseph und Maria mit den Silberfackeln des Loskaufes und den Tauben für das Opfer in den Tempelbezirk traten, kam auch ein heiliger Greis namens Simeon, dem es durch göttliche Offenbarung kund geworden war, dass er nicht sterben werde, ehe er den Gesalbten des Herrn gesehen habe, in den Vorhof, wohin ihn eine Eingebung des Heiligen Geistes getrieben hatte. Beim Anblick der Heiligen Familie erglänzte das Auge des Gerechten von heiliger Begeisterung. Den König-Messias unter den armseligen Windeln des Kindes aus dem Volk erkennend, nahm er es  aus den Armen seiner Mutter, erhob es zu seinem Angesicht und betrachtete es mit Entzücken, während Freudentränen seine ehrwürdigen Wangen herabrollten. "Jetzt, o Herr," rief der fromme Greis, indem er sein tränenfeuchtes Auge gen Himmel erhob, "jetzt lässt du deinen Diener im Frieden sterben, nach deinem Wort, denn meine Augen haben den Heiland der Welt gesehen, den du gibst im Angesicht aller Völker, als ein Licht zur Erleuchtung der Heiden und zur Verherrlichung deines Volkes Israel!" Nachdem er diese Worte gesagt hatte, segnete er die beiden Gatten feierlich und wandte sich dann zu Maria, der er nach einigem ernsten und traurigen Schweigen sagte: "Siehe, dieser ist gesetzt zum Fall und zur Auferstehung vieler in Israel und als ein Zeichen, dem man widersprechen wird; und ein Schwert wird deine eigene Seele durchdringen!"

 

Bei diesem unerwarteten Licht, das eine düstere Helle auf die große Bestimmung Christi warf, offenbarte sich plötzlich dem inneren Auge der heiligen Jungfrau all die Schmach, das bittere Leiden und die Todesnot des Kreuzes. Sie ließ ihr Haupt bei Simeons verhängnisvollen Worten sinken, wie eine Blume das ihrige im Gewittersturm, und in ihrem Herzen fühlte sie martervoll etwas, gleich der Empfindung, die das langsame Einsenken eines glühenden Eisens in das Fleisch gesunder Gliedmaßen hervorbringt. Maria hatte aber gelernt, alles, was von Gott kam, ohne Murren hinzunehmen. Ihre blassen Lippen setzten den Kelch der Wermut und Galle an und tranken ihn aus bis zur Hefe. Ihre Tränen zurückhaltend sagte sie: "Herr, dein Wille geschehe!" Wenn sie es gekonnt hätte, bemerkt der heilige Bonaventura, hätte sie die Qualen und den Tod Christi auch auf sich genommen. Aber aus Gehorsam gegenüber ihrem Gott brachte sie ihm das große Opfer ihres angebeteten Sohnes, die innigste Zärtlichkeit, die sie für ihn hatte, wiewohl unter unsäglichen Schmerzen, sich beherrschend dar.

 

In demselben Augenblick trat eine Prophetin, Anna mit Namen, die Tochter Phanuels aus dem Stamm Asser, hinzu. Diese fromme Witwe hielt sich immerdar im Tempel auf, diente Gott Tag und Nacht in Gebet und Fasten. Beim Anblick des göttlichen Kindes fing sie an, den Herrn laut zu lobpreisen, und mit all denen, die auf die Erlösung Israels warteten, von ihm zu reden.

 

"Nicht nur," sagt bei dieser Gelegenheit Sanct Ambrosius, "verkünden die Engel, die Propheten und die Hirten die Geburt des Heilandes. Auch die Ältesten und Gerechten in Israel offenbaren diese Wahrheit. Beide Geschlechter, jung und alt, bestätigen diesen Glauben, den so viele Wunder bekräftigen. Eine Jungfrau ist fruchtbar, eine Unfruchtbare gebiert, Elisabeth weissagt, der Magier betet an, ein im Mutterschoß verschlossenes Kind gibt Zeichen der Freude von sich, eine Witwe bezeugt diese wunderbare Begebenheit und der Gerechte wartet auf sie!" Da der innere Tempelhof nicht betreten werden durfte, und das Kind, weil es männlich war, daselbst dem Herrn dargebracht werden sollte, trug es Joseph selbst "in den Saal der Erstlingsgeborenen," indem er sich fragte, ob wohl die Auftritte, die sich beim Eingang Jesu in das Haus Gottes ereigneten, auch im Vorhof der hebräischen Priester eine Wiederholung fänden. Aber nichts verriet das göttliche Kind in dem vornehmeren Teil des Tempels. Alles blieb dort stumm und starr vor dem anbrechenden Strahl der "jungen Sonne der Gerechtigkeit". Ein, dem Joseph unbekannter, Opferpriester nahm zerstreut aus den schwieligen Händen des Mannes aus dem Volk die schüchternen Tiere, die das Gesetz vorschreibt, und würdigte den Gesalbten des Herrn auch nicht eines Blickes. Die Liebe zum Gold, dieser schmachvolle Götzendienst, der seinen Kult im Dunkeln treibt, wenn er je noch so viel Scham fühlt, die Liebe zum Gold hatte das enge, feindselige, selbstsüchtige Herz der meisten Fürsten der Synagoge in Stein verwandelt. Sie überließen den einfachen Leviten den Vorzug, Tugenden zu üben und sich Entbehrungen aufzulegen, sie gingen an dem Elenden, der vor ihrer Marmorschwelle, an dem Wanderer, der auf Gebirgspfaden mörderisch überfallen worden war, nun tödlich verwundet da lag, vorüber, wendeten das Haupt gleichgültig weg und liebten im Grunde ihrer Seelen weder Gott noch die Menschen. Das ist es, was unser Herr, er, der ein Priestertum der Liebe gegründet hat, ihnen mit so viel heiliger Ironie in dem erhabenen Gleichnis vom Samariter vorwirft. Auch verfluchte Gott ihre Segnungen, wie Malachias es verkündigt, und wendete sein Angesicht vom Tempel, den er bald dem Feuer und dem Schwert der Römer überantwortete.

 

Die Anwesenheit des Messias, die den Jüngern auf dem Weg nach Emmaus das Herz entzündete, noch ehe sie ihren Meister am Brotbrechen erkannt haben, ging spurlos vorüber an der Seele der Aaroniten, wie der Frühlingsstrahl der Sonne spurlos vorübergeht an dem ewigen Schnee der steilsten Alpen-Kuppen. Unbeachtet ging der feierliche Augenblick vor den "verdunkelten" Augen der Priester und Schriftgelehrten vorüber, der Augenblick, vor dem die um Gott versammelten heiligen Chöre verstummten und die Blicke der himmlischen Scharen sich auf einen Punkt der Erde richteten; der Augenblick, den Aggäus verkündigt, wenn er sagt: "dass die Herrlichkeit des zweiten Tempels die des ersten übertreffen würde". Keiner erkennt das reine, unbefleckte Opfer des Malachias. Der Ersehnte der Völker, der, dessen Weg die Engel bereiten, der so lang verheißene und erwartete große Erlöser war persönlich zugegen in seinem heiligen Haus, und niemand dachte daran, Palmen vor ihm her zu streuen und von des Tempels Zinnen und auf den Dächern Jerusalems zu jauchzen: "Hosannah, dem Sohne Davids!" Sie brauchten einen ihren Privatabsichten unterwürfigen Gott, einen Knecht des Sanhedrin, einen Gott brauchten diese Menschen, bedeckt mit den blutigen Lappen Alexanders!

 

Und das göttliche Kind, das, indem es durch Jerusalem getragen wurde, den Schauplatz der Erlösung wohl erkannte, zählte im Stillen seine Henker unter dieser gravitätischen, vergoldeten Schar; unter den Musikchören, die zum Harfenklang das Lob des Höchsten sangen, unterschied der Gesalbte deutlich die frechen und wilden Stimmen, die späterhin mit heftigem Geschrei ihr: "Kreuziget, kreuziget ihn!" vernehmen ließen.

 

Aarons stolzes Geschlecht, wo bist du jetzt? - Der Odem des Gekreuzigten hat dich wie Strohhalmen nach allen Richtungen des Erdkreises verweht; vermengt mit jenen Massen, die du so verachtest, kennen dich die Gefährten deiner Verbannung nicht mehr! Damals aber brachten die hebräischen Opferpriester noch unbekümmert um die Zukunft, die über ihren Häuptern schwarz heraufzog, dem Gott, der sie verwarf, die auserlesenen Schlachtopfer der Großen und des Volkes. Einer von ihnen nahm also die Tauben Josephs, stieg die Stufen des Sühneopferaltars hinauf und brachte dem Herrn dies einfache und arme Opfer dar.

 

"Und als sie alles nach dem Gesetz des Herrn vollendet hatten," sagt der heilige Lukas, "kehrten sie nach Galiläa in ihre Vaterstadt Nazareth zurück."

 

 

Der Reliquienbehälter mit dem Arm des heiligen Simeon

 

(Aus: Der Reliquienschatz des Liebfrauen-Münsters zu Aachen von Dr. Fr. Bock)

 

Das Mittelalter liebte es, die Überbleibsel der Heiligen in kostbaren Behältern von einer solchen Gestaltung der Form aufzubewahren, deren Äußeres sofort andeutete, welchem Körperteil die betreffende Reliquie angehörte. Deswegen umfasste man die Überbleibsel der Hirnschale meistens mit in Gold- oder Silberblech getriebenen Kopfbildungen oder Büsten, die man "capita pectoralia, hermae oder crania" nannte. - Zur Aufbewahrung von größeren Teilen des Ober- oder Unterarmes fertigte der Goldschmied zierlich in edlen Metallen getriebene Reliquarien in der Form eines Armstückes mit ausgestreckter Hand. 

 

Für die kunstgerechte Beisetzung eines Teils von den Armen des heiligen Simeon, welchen das Liebfrauen-Münster in Aachen so glücklich ist zu besitzen, - hätte man dem Brauch der mittelalterlichen Kunst gemäß ebenfalls wieder ein "brachiale" in der Form eines Armes anfertigen sollen. Da indessen in mittelalterlichen Kirchenschätzen dergleichen Reliquien-Arme in großer Zahl und in vielgestaltiger Abwechslung der Form sich vorfanden, so scheint man bei der Einfassung dieser Reliquie auf eine neue Form gesonnen zu haben, wie denn überhaupt die mittelalterliche Kunst durch ihre höchst genialen und naiven Neuschöpfungen sich auszeichnet.

 

Damit jedoch die äußere Beschaffenheit des Reliquars an den heiligen Greis Simeon erinnere, gestaltete man den Behälter, der einen größeren Teil jener Arme (ulnae) aufzunehmen bestimmt war, die den Herrn bei seiner Darstellung im Tempel zu Jerusalem getragen hatten, in genialer Weise gleichsam als - Altartisch, auf dem die Aufopferung des göttlichen Christkindes im Tempel bildlich veranschaulicht werden sollte.

 

Diese reich verzierte kleine mensa als receptaculum, worin die Reliquie des heiligen Simeon ruht, erhebt sich auf vier gedrungenen Rundsäulchen mit großen Kapitälen voll Laubwerk. Die Oberfläche ist in fünf flache Felder geteilt, von denen das mittlere oblonge eine Phiole in Onyx nebst Emaillierung trägt. Die beiden nächstliegenden vierseitigen Felder stellen in sehr kostbarem durchsichtigen Schmelzwerk einerseits die heilige Gottesmutter Maria mit dem Kind, andererseits einen knienden König mit Heiligenschein dar, wie er eine kostbare kleine, mit roten Kreuzchen geschmückte Lade zum Opfer darbringt. - Mit Rücksicht auf diese Darstellung ist man geneigt, an einen fürstlichen Geschenkgeber, etwa an den deutschen Kaiser Karl IV., zu denken. Die beiden äußersten Felder sind rund und enthalten Pergament-Inschriften in lateinischer Sprache folgenden Inhalts: Zu Seiten Marias "Arm des gerechten Simeon; - vom Schlüssel des Sanct Petrus; - Zahn von Sanct Anastasius; - von Sanct Hieronymus." Zu Seiten des heiligen Simeon: "Reliquien der heiligen Gertrud, der heiligen Lucia, des heiligen Marcellinus, des heiligen Victorinus, des heiligen Cyriacus." - Die vier Hochseiten des Behälters sind gleichmäßig mit einer großen Zahl von kunstreich gefassten Edelsteinen und Perlen verziert, die mit kleinen emaillierten Blättchen abwechseln, die auf gemustertem Tiefgrund phantasiereiche Gebilde aus der Tier- und Pflanzenwelt in vielfarbigem Schmelz (émail translucide) zum Vorschein treten lassen. Selbst die nicht sichtbare Unterseite der kleinen Lade ist mit einem einfachen ziselierten Ornament versehen.

 

Dasselbe System der Ausziehrung ist auf der reichen Fuß- und Deckplatte eingehalten worden, auf der der eben gedachte freistehende befestigt ist. Hier erblickt man ebenfalls eine größere Zahl von ungeschliffen gefassten Edelsteinen, die mit Figuren-Darstellungen und Emaillierungen abwechseln und so die breite Fläche des unteren Fußstückes beleben, das auf vier ziselierten Ständern in Form von Löwentatzen sich erhebt.

 

Um den Inhalt des Reliquars anschaulicher zu machen, hat der Goldschmied in getriebener Arbeit die Aufopferung im Tempel in folgender Weise bildlich wiedergegeben.

 

An der Ehrenseite des Altars rechts erblickt man in faltenreichem, vergoldeten Gewand die allerseligste Jungfrau Maria in dem Augenblick, wo sie nach der Gesetzesvorschrift am Tag der Reinigung die Gabe der Armen, - ein Paar Turteltauben, darbringt. Auf der linken Seite der mensa steht das in Silber getriebene, vergoldete Standbild des greisen Simeon, wie er, um seine Ehrfurcht zu bezeugen, mit verhüllten Händen den lang und heiß ersehnten Gottheiland auf seine Arme nimmt und das hehre Loblied anstimmt: "Nun lässt du, o Herr, deinen Diener in Frieden scheiden, weil meine Augen dein Heil gesehen haben!" - Als ausfüllendes Ornament hat der Künstler zweckmäßig zwischen diesen beiden handelnden Figuren ein zierliches Gefäß mitten auf der Oberfläche des kleinen Schreins befestigt, das in Form einer Phiole von geschliffenem Achat in einem Schwämmchen von dem Öl enthält, das aus einer Reliquie der heiligen Martyrin Catharina geflossen ist. Die Phiole ist als Blumentopf aufgefasst, aus dem eine silberne Lilie mit vielen Blüten hervorgewachsen ist.

 

Dieser so kostbare Reliquien-Behälter scheint, nach seiner ganzen Fassung zu urteilen, aus der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts zu stammen.

 

Und mit solch opferwilligst gebotenem Reichtum haben unsere frommen Vorfahren den Arm geschmückt, welcher der Gnade gewürdigt wurde, das süße Jesuskind tragen zu dürfen! Welche Liebe, welche rührende Liebe zu dem Gottheiland, seiner gebenedeiten Mutter und seinem Diener Simeon ist in all diesen Gaben und Arbeiten aufs Herrlichste ausgeprägt!

 

 

Gemütliche Fest-Begehung

 

(Aus: Heinrich Suso`s, genannt Amandus, Leben und Schriften)

 

Aus diesem lieblichen Büchlein, das der Kardinal und Fürstbischof von Breslau, Melchior von Diepenbrock, aufs neue, jedoch in der altertümlichen Sprachweise, veröffentlicht hat, ersieht man, wie kindlich gemütlich der selige Heinrich Suso dieses Fest im Geist gefeiert hat. - Es erzählt:

 

"An Unser Frauen Tag zu der Lichtmess bereitete er vorhin drei Tage mit Gebet eine Kerze der himmlischen Wöchnerin Maria; und die Kerze war gewunden in dreien Stangen also: Die erste Stange in der Meinung ihrer reinen jungfräulichen Lauterkeit; die andere ihrer grundlosen Demütigkeit; die dritte ihrer mütterlichen Würdigkeit, welche Dreie sie allein hatte vor allen Menschen. - Diese geistliche Kerze bereitete er vorhin alle Tage mit drei "Magnificat!"

 

So der Tag der Kerzenweihe kam, früh ehe dass jemand zur Kirche ging, so ging er vor den Frohnaltar und wartete da in seiner Betrachtung der hohen Wöchnerin, wann sie käme mit ihrem himmlischen Hort (dem Kleinod des Christkindes). Da sie nahte der äußern Pforte der Stadt, lief er in seines Herzens Begierde allen vor und lief ihr entgegen mit der Schar aller Gott liebenden Herzen; er lief in der Straße vor sie hin und bat sie, still zu halten mit ihrem Zug eine Weile, bis dass er ihr ein Lied gesungen; er hub dann an und sang mit geistlichem stillen Getön, dass der Mund ging und es doch niemand hörte: "Inviolata! Du Unbefleckte! usw." so er immer lieblichst konnte, und neigte sich ihr von Grunde, wenn er das sang: "O benigna, o benigna! O Gütige, o Gütige! usw." und bat sie, dass sie ihre milde Güte an einem armen Sünder erzeigte, und stand dann auf und folgte ihr mit seiner geistlichen Kerze, in der Begierde, dass sie die brennende Flamme des göttlichen Lichtes in ihm nimmer erlöschen ließe. - Darnach, so er zu der Schar aller minnenden Herzen kam, so hub er an den Gesang: "Adorna thalamum! Schmücke dein Brautbett! usw." und ermahnte sie, dass sie den Heiland lieblich empfingen, und begierlich seine Mutter umfingen, und führte sie also mit Lob und Gesang zum Tempel.

 

Darnach trat er mit herzlicher Begierde dar, ehe dass die Wöchnerin und dem greisen Simeon den Heiland gab, und kniete nieder und hub seine Augen und seine Hände auf und bat sie: dass sie ihm das Jesuskind zeigte und ihm das auch zu küssen erlaubte; und da sie ihm das gütlich bot, so erbreitete er seine Arme in die endlosen Teile der ganzen Welt, und empfing und umfing den Geminnten in einer Stunde zu tausend Malen; er beschaute seine hübschen Äuglein, er besah seine kleinen Händlein, er küsste sein zartes Mündlein und alle die kindlichen Glieder des himmlischen Hortes durchsah er, und hub dann auf seine Augen und erschrie von Wunder in seinem Herzen: dass der Himmelsträger so groß und so klein ist, so schön in dem Himmelreich und so kindlich im Erdreich, und beging sich dann mit ihm, wie es ihm zu tun gab, mit Singen und mit Weinen und mit geistlichen Übungen, und gab ihn dann zuhand seiner Mutter wieder und ging mit ihr hinein, bis alles vollbracht war."

 

Seliger Heinrich Seuse (Suso)

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Mariä Reinigung

 

Demütig naht mit brünstigem Gebete

Die heil'ge Mutter mit dem Jesusknaben,

Und zu dem Tempel trägt sie Opfergaben,

Sie Gott zu weihen an der heil'gen Stätte;

 

Und als sie betend kniet am Hochaltare,

Das teure Kind am jungfräulichen Herzen,

Da nahet ihr, verklärt vom Schein der Kerzen,

Ein hoher Greis mit bleichem Silberhaare;

 

Simeon ist's, dem Gottes Geist verkündet,

Nicht würde er von dieser Erde gehen,

Bevor er nicht das Heil der Welt gesehen:

Das Himmelslicht, vor dem die Nacht verschwindet;

 

Und hingezogen zu dem heil'gen Kinde,

Das freundlich lächelt mit holdsel'gen Blicken,

Umfasst er es im seligen Entzücken,

Hell wird sein Geist, es sinkt der Augen Binde:

 

"Ja, ruft er aus, Du lässest, Herr, geschehen,

Was Deine Worte dunkel offenbaren!

Nun lass Du Deinen Knecht in Frieden fahren,

Denn er hat froh das Licht der Welt gesehen!"

 

 

Die dreifache Bedeutung der Kerzen

 

 

Unser Herr und Heiland Jesus Christus ist in diese Welt gekommen, wie dies sein eigenes Wort uns bezeugt: "Zu suchen und selig zu machen, was verloren war". (Lukas 19,10) Dies ist auch angedeutet in der heutigen Fest-Verheißung des ehrwürdigen Simeon, indem er mit innigstem Dank Gott gegenüber beim Anblick des Christuskindes ausgerufen hat: "Du hast vor dem Angesicht aller Völker ein Licht bereitet zur Erleuchtung der Heiden!" Dies beweist auch jene Frau, die ihre Drachme verloren hatte und deshalb ein Licht anzündete, mit dem sie das ganze Haus durchsuchte, bis sie die Münze fand. (Lukas 15) Jene Frau bedeutet nämlich die Vorsehung Gottes, die den fleischgewordenen Christus als ein Licht entzündete, "denn", wie St. Gregor der Große bemerkt, "die Leuchte ist ein Licht in einem Gefäß; das Licht des Heils in dem Gefäß aber ist die Gottheit im Fleisch". Mit dieser Leuchte oder Fackel nun wird der Mensch überall und an allen Orten gesucht, daher auch in dem heiligen Evangelium so oft von den Lichtern und ihrem Glanz die Rede ist. So umstrahlte die Hirten auf dem Feld nach Lukas 2 ein großes Licht. Die drei Weisen führte ein Stern bis an die Krippe hin (Matthäus 2); bei der Verklärung glänzte das Angesicht Christi wie die Sonne. Und auch bei der Aufopferung Christi am heutigen Festtag ist, nach der Behauptung des Priesters Timotheus aus Jerusalem in seiner Rede über Simeon, die seligste Jungfrau Maria von einem göttlichen Lichtglanz umflossen erschienen. Und schließlich sagt Christus selbst von sich: "Solange ich in der Welt bin, bin ich das Licht der Welt!" (Johannes 9,5)

 

Da nun Maria, die seligste Jungfrau, heute das Licht der Welt auf ihren Armen in den Tempel getragen hat, so tragen auch wir heute ein Licht. Dieser äußere Gebrauch der Kerzen aber ist deswegen, weil wir dadurch unsere heilige Freude öffentlich an den Tag legen, und sie uns ein dreifaches Sinnbild darstellt; denn:

 

I. Die geweihte Kerze bedeutet Jesus Christus selbst; und dieser Vergleich fußt auf einem dreifachen Grund.

 

1. Die Kerze stellt gewissermaßen die ewige Geburt Christi dar, kraft der er der Sohn Gottes ist. Der heilige Basilius sagt deshalb in seinem zweiten Buch gegen Eunominus: "Du musst die göttliche Zeugung von Gott als eine schmerzlose, außerhalb der Zeit geschehene verstehen, gleich einem vom Licht ausgehenden Strahl." Denn so wie der Strahl vom Licht oder das Licht von einem lichtvollen Körper in der Luft erzeugt wird, ohne alle Minderung oder Schwächung des Lichtes oder aber der Luft, so wird auch der Sohn Gottes, der vom heiligen Apostel Paulus in seinem Brief an die Hebräer (1,3) "der Abglanz der Herrlichkeit und das Ebenbild des Wesens Gottes" genannt wird, vom Vater ohne irgend eine Abschwächung erzeugt. - Dann, wie der Glanz mit dem Licht gleichzeitig ist (ein Beispiel haben wir an der Sonne: wenn die Sonne von Ewigkeit gewesen wäre, würde sie auch von Ewigkeit geleuchtet haben): so ist auch der Sohn gleich ewig wie der Vater. - Endlich, wie das Licht nicht abnimmt, obgleich es aus seiner Mitte ein neues Licht hervorbringt, wie eine Kerze dadurch, dass eine andere an ihr angezündet wird, durchaus nicht verliert, sondern die Flamme dieselbe bleibt, die sie war, bevor aus ihr und durch sie eine andere entstand: ebenso empfängt auch der Sohn, der im Nicänischen Glaubensbekenntnis "Licht vom Licht" genannt wird, seine ganze Natur vom Vater in der Art, dass er ihm dadurch gar nichts benimmt.

 

Ein anderes Gleichnis dieser Art führt der heilige Basilius an. Er nimmt die Mitteilung der Kunst als Beispiel: "Wenn die Lehrer," sagt er, "den Schülern ihre Kunst auch ganz mitteilen, so bleiben die Lehrer doch vollkommen in deren Besitz, und die Schüler erlangen die Vollkommenheit in der Kunst gleich ihren Lehrern." So verhält es sich auch mit der Geburt Christi von Ewigkeit her. Es ist des Vaters ewiger Abglanz.

 

2. Es ist die Kerze aber auch ein Sinnbild der zeitlichen Geburt Christi; denn so wie bei einer Kerze drei Dinge sind, und aber doch nur eine Kerze bilden, nämlich das Licht, das Wachs und der Docht: so machen auch die drei verschiedenen Wesenheiten in Christus, nämlich seine Gottheit, sein Fleisch und seine Seele, die eine Person Christi aus. - Das Licht oder das Feuer bedeutet seine Gottheit, gemäß der Worte im Buch Deuteronomium (4,24): "Dein Gott ist ein verzehrendes Feuer!" Wie nämlich das Element des Feuers alle Elemente an Klarheit, Feinheit, Leichtigkeit, Tätigkeit und Erhabenheit übertrifft, so Gott alles Erschaffene. - Das Wachs bedeutet das Fleisch Christi; denn wie das Wachs von den Bienen aus dem reinsten Saft, den sie aus den wohlriechenden Blumen gesogen haben, ohne irgend eine Befleckung oder einen Nachteil derselben bereitet wird: so wurde auch das Fleisch Christi aus dem reinsten Blut der Gottesmutter Maria ohne irgend eine Beschädigung derselben gebildet. - Der vom Wachs umhüllte Docht endlich ist das Bild der Seele Christi. Wie der Docht, wenn er Feuer fängt, eben dadurch gleichfalls feurig wird und glüht, nicht so aber das Wachs: so war auch die Seele Christi seit ihrer ersten Vereinigung mit der Gottheit selig und mit den Gaben der Seligkeit geschmückt, nicht so jedoch der Leib Christi, außer nach seiner Auferstehung.

 

3. Endlich deutet die Wachskerze auf das Leben und Leiden Christi hin; auf sein Leben: denn so wie die Kerze leuchtet, erwärmt, reinigt, entzündet, verzehrt und andere Dinge in Glut verwandelt, fortwährend brennt und glänzt: so hat auch Christus die Blinden und Unwissenden erleuchtet, die Kranken erquickt, die Aussätzigen gereinigt, die Erkalteten in Liebe entzündet, die Liebe zur Welt hinweggenommen und sie in Liebe zu ihm verwandelt; dann hat er sich bei Tag und Nacht um unseretwillen ermüdet und endlich allwärts geglänzt durch den Ruf seiner Heiligkeit und Wunder. - Sein Leiden deutet sie an, weil Christus nicht nur leuchtete wie der Sonnenball oder ein glänzender Rubin, welcher durch sein Glänzen keinen Schaden erleidet, sondern auch brannte und durch sein Brennen sich verzehrte, indem er sich durch seinen Eifer für Gottes Ehre und das Heil der Seelen mittels Wachen, Ermüdungen, Hunger, Durst usw. und endlich am Kreuz durch seinen Tod gänzlich aufgeopfert hat. Darum wenden auch die Jünger Christi jene Weissagung im Psalm 69,10: "Der Eifer für dein Haus verzehrt mich!" - auf Christus an; denn wie von dem Feuer das Wachs allmählig verzehrt und in die Natur des Feuers verwandelt wird, so wurde auch das Leben Christi von seinem Eifer verzehrt, der von der Liebe ausgeht, wie von dem Feuer die Hitze. Wie überdies die Flamme den, wenn auch noch so weißen Docht völlig schwärzt, so hat auch der Eifer Christi nicht nur sein Fleisch verzehrt, sondern neben dem auch den niederen Teil seiner Seele verwundet und gewissermaßen geschwärzt, indem er ihn jeder Freude am Kreuz beraubte, was auch der Herr mit jenen Worten bezeugt: "Mein Gott, mein Gott! warum hast du mich verlassen?"

 

II. Die geweihte Kerze bedeutet aber auch die allerseligste Jungfrau Maria.

 

Die heidnischen Völker hatten, wie schon bemerkt, in diesem Monat Februar eine Festlichkeit, die gewöhnlich mit dem Anzünden von Fackeln gefeiert wurde. Sie geschah zum Andenken und aus Dankbarkeit gegenüber Lupa, die den Romulus, den Gründer der Stadt Rom, ernährt hatte und die Gemahlin des Hirten Faustulus war. - Andere behaupten, dieses Fest sei zu Ehren der Juno gefeiert worden, die deshalb Februata genannt wurde. Die Juno aber war die Mutter des Mars, den sie aus sich allein und nur durch Berührung und durch den Geruch einer Blume empfangen haben sollte. - Was nun auch immer an dieser Sache erfabelt ist: mit Recht hat die Kirche dieses Fest der Lupa oder der Juno als gleichsam zweien ungerechten Besitzern entzogen und auf Maria die Jungfrau übertragen. Denn sie ist es, die Christus, den Begründer der Stadt Gottes, d.i. der Kirche, an ihren heiligen Brüsten gesäugt und ihn als unseren Kriegsgott Mars, als den Bändiger der Hölle und den Beherrscher des Erdkreises einzig durch den Anhauch des Heiligen Geistes aus sich allein geboren hat. 

 

Mit Recht tragen wir also heute zu Ehren Marias die brennenden Kerzen und zwar wegen ihrer dreifachen Reinheit, und bezeugen so, dass sie der gesetzlichen Reinigung keineswegs bedurft hätte.

 

Denn 1. war Maria rein von den Folgen der Geburt, die andere Frauen bei der Entbindung erleiden; denn so behaupten es mehr als zweihundert Väter auf der Trullanischen Synode und andere. Wie nämlich das Feuer ohne irgend einen Schmutz den reinsten Strahl von sich aussendet, so hat auch die seligste Jungfrau Jesus Christus geboren.

 

2. War Maria nach der Lehre aller heiligen Väter und nach dem Ausspruch der heiligen Kirche niemals von der geringsten Makel einer Sünde befleckt, weshalb sie auch mit Recht mit dem Licht einer Kerze verglichen oder durch das Feuer versinnbildet wird, das nichts Unreines duldet, sondern vielmehr alles reinigt.

 

3. War Maria dem Leib nach unversehrt und Jungfrau - vor, in und nach ihrer Geburt. - Ein Bild ihrer Keuschheit ist das Wachs als das Werk der Bienen, die durch keinerlei Vermischung befleckt werden, sondern in jungfräulicher Tätigkeit das Wachs bereiten, weshalb sie sich auch, wie die Naturforscher behaupten, nicht einmal auf verwelkte Blumen oder erstorbene Körper niederlassen.

 

In ähnlicher Weise hat auch der Heilige Geist im Schoß der allerseligsten Jungfrau Maria gleichsam als in einem Bienenkorb wie die keuscheste Biene Wachs und Honig bereitet, d.h. er hat mit ihrer Jungfrauschaft die Fruchtbarkeit ohne irgend eine Befleckung zustande gebracht.

 

Darum also tragen wir heute eine brennende Kerze in unseren Händen, damit wir die Reinheit der Gottesmutter öffentlich bezeugen und gegen alle ihre Feinde vor der Welt kundtun.

 

III. Die geweihte Kerze bedeutet den Christgläubigen, und zwar sein dreifaches Leben:

 

1. Sein natürliches Leben, das wie das Kerzenlicht aus Wachs, d.h. aus einem Leib, aus einem Docht, d.h. aus einer Seele, und aus Feuer, d.h. aus der Lebenswärme besteht. Wenn unser Leb nicht das Feuer des Lebens durchdringt, woher "der Hauch, der wie ein Rauch in unserer Nase atmet?" (Weisheit 2,2) Zeigt dieser Odem nicht ein im Inneren verborgenes und unterbrochen glimmendes Feuer an? Wie nun im Feuer das Wachs allmählich verschmilzt und es endlich ganz verzehrt wird, so schwindet auch im Menschen nach und nach die Lebenswärme und mit ihr erlischt auch das Leben. "Täglich sterben wir," sagt der heidnische Philosoph Seneka, "denn täglich wird uns ein Teil unseres Lebens genommen, ja selbst da, wo wir noch wachsen, nimmt das Leben ab. Erst erlischt das Kindesalter, dann das Jugendalter, und so ist denn alles an uns vorübergegangen bis zum gestrigen Tag, und selbst diesen Tag, den wir erleben, teilen wir mit dem Tod!" 

 

Wie außerdem die Wachskerze, wenn man nicht fleißig darauf achtgibt und sie öfters putzt, leicht ausgehen kann, bevor sie noch verzehrt ist, so auch das Leben des Menschen. Es sollte daher ein jeder sein Leben wie eine Kerze betrachten und die Kürze und Hinfälligkeit seines Daseins erwägen. Er sollte beherzigen, wo er steht und in welcher Gefahr er schwebt. - Um dies erkennen zu können, betet David (Psalm 39,5) also: "Herr, tu mir mein Ende kund und die Zahl meiner Tage! Lass mich erkennen, wie sehr ich vergänglich bin!" (Alte Übersetzung: "Tue mir, o Herr, mein Ende kund, und welches die Zahl meiner Tage ist, damit ich weiß, was mir noch mangelt! Siehe, ein Maß setzt du meinen Tagen!") Der heilige Chrysostomus liest nach dem Hebräischen diese Stelle so: "Eine Hand breit machtest du meine Tage!", d.h. etwa so lange, als eine Kerze dauert. Aus dieser Erwägung wirst du leicht lernen, die irdischen Schätze, Ehren usw. zu verachten, da sie so leicht und schnell vergehen werden.

 

2. Das Leben der Gnade. Von ihm sagt der Herr (bei Lukas 12,35): "Brennende Lichter seien in euren Händen!" Dieses Licht der Gnade wird in uns angezündet bei der heiligen Taufe, weshalb auch den Paten eine brennende Kerze in die Hand gegeben wird. Aber es muss auch erhalten werden im weiteren Leben gemäß den Worten im dritten Buch Mose (6,13): "Das ist das ewige Feuer, das nimmer erlöschen soll auf dem Altar," d.i. die Gnade im Herzen. Diesen Sinn und Zweck anzudeuten, tragen wir auch heute brennende Kerzen. Schließlich muss dieses Licht des Gnadenlebens nach dem Befehl Gottes selbst (Matthäus 25) bis zum Tod bewahrt werden, um mit dieser brennenden Lampe dem kommenden Bräutigam entgegenzugehen, wie uns das Gleichnis von den klugen und törichten Jungfrauen das Nähere lehrt. Daher auch die Sitte, dass den Sterbenden ein Licht dargereicht wird.

 

Man muss aber auch auf dieses Licht der Gnade um so häufiger sein Augenmerk richten, da es viel leichter ausgelöscht wird, als jenes erstere, und man muss mit ihm um so sorgfältiger umgehen, da es viel edler ist, als jenes. Darum sagt auch Gott der Herr selbst bei Lukas (11,35): "Siehe wohl zu, dass nicht das Licht, welches in dir ist, Finsternis sei!" Und in der Offenbarung des heiligen Johannes (3,1) lesen wir: "Ich weiß nun dein Tun, du hast den Namen, dass du lebst, und bist tot!" Ja, der Herr weiß es, aber wir wissen es nicht: ob unser Licht der Gnade brennt oder erloschen ist?

 

Wie die Kerze, wenigstens wenn sie nicht öfters gereinigt wird, nur dunkel leuchtet und manchmal sogar erlischt, so auch das Licht der Gnade, wenn wir es nicht öfters durch den Empfang der heiligen Sakramente und durch Ausrottung der lässlichen wie der schweren Sünden erneuern. Die lässlichen Sünden vermindern wenigstens das Feuer der Liebe und löschen es zuweilen ganz aus, indem sie zu Todsünden führen.

 

Endlich muss man dieses Licht der Gnade auch vorsichtig tragen,