Heilige Martyrer unter den Dienstboten
(Im Originaltext wiedergegeben aus: „Kleine Ehehalten-Legend, oder Lebens-Beschreibung Heiliger Dienstbotten beyderley Geschlechts, welche in dem weltlichen Stand selig verschieden, und zu den ewigen Freuden berufen worden.“ P. Jacob Schmid, der Gesellschaft Jesu, Augsburg 1770)
„Von vilen heiligen Martyrern und Dienstbotten eines Römischen Burgermeisters.
Gleichwie die Stadt Rom der Hauptsitz, ja das Herz des Catholischen Christenthums ist, also ist es auch der vornehmste Schauplatz vor Zeiten gewesen, auf welchen die meiste heilige Martyrer und Blutzeugen aufgetretten, und darauf Rittermäßig, mit Hinterlassung ihres Lebens für Christo, und den Christlichen Glauben gekämpfet. Kein Alter noch Geschlecht ware zu finden, welches nicht Hauffenweis ihre Martyrer zehlen kunte; kein Stand, so doch er auch war, der nicht mit vergossenem Blut noch mehrers geadlet wurde. Einer aus disen ist auch gewesen der Heil. Palmatius, Römischer Burgermeister, welches Amt damalens bey denen Römern von so grossem Ansehen und Würde war, daß sie scheinten lauter König zu seyn.
Dieser Palmatius hielte es anfänglich mit denen Heyden, und eiferte mächtig für den blinden Götzendienst; GOtt aber, der ihne zu Nutzen vieler anderer auserwählet, hat disen Herrn eben dazumahlen erleuchtet, als er dem Abgott Mercurio Opfer schlachtete; dann eine Jungfrau, Juliana mit Namen, welche zum Dienst dises Götzens gewidmet war, ist gähling von dem Teufel ergriffen, und eingenommen worden, daß sie überlaut aufgeschryen, und in dise Wort hervor gebrochen: der GOtt Callixti, diser ist der lebendige, und wahre GOtt: Er ist wider eure Schandthaten, und eure Republicq: oder gemeines Weesen erzürnet, und er wird euer zeitliches Reich zerknirschen, weilen ihr nicht anbettet die Warheit. Also Juliana die Götzendienerin. Hie ist zu mercken, daß erwähnter Callixtus, oder Callistus zu selber Zeit, als Römischer Pabst den Stuhl Petri besasse, nachmals aber auch zur Martyrcron gelanget. Als Palmatius solches gehöret, daß der Teufel selbsten aus Krafft GOttes gezwungen, die Warheit des Christenthums bekennen muste, macht er sich gantz allein und unvermerckt von dem Greul des heydnischen Opfers hinweck, lauffet zu dem heiligen Pabst Callixtus, und bittet ihne eines Bittens, Ihme den Heil. Tauff mitzutheilen, und der Schaar der Christglaubigen beyzugesellen. Der heiligste Vatter wolte nicpt gleich daran, weilen ihme des Palmatii Eifer für die Götzen, hingegen der Haß wider das Christenhäufflein gar wohl bekannt ware; dahero argwohnte er, Palmatius begehre nur verstellter Weis den heiligen Tauff; bis er den Ernst gesehen, und wahrgenommen, daß es ein wunderliche Veränderung der Hand GOttes bey Palmatio seye.
Es hatten ihrem Herrn Palmatio zu dem abgöttischen Opfer des Mercurii Gesellschaft geleistet seine Hausfrau, Söhn, und ganze Hausgesind, so in vilen Personen bestunde, und sehr zahlreich war. Dise alle hatten auch selbsten aus dem Mund der Götzendienerin Juliana gehöret, wie der höllische Feind den Christlichen Glauben offentlich für gerecht, und wahr ausgeruffen: deswegen sie gleichfals gewaltig getroffen, anfiengen bessere Gedancken von dem Christlichen Gesatz in dem Herzen zu fassen: kamen auch nachmalens zu Callixto, baten in dem heiligen Glauben unterrichtet zu werden, und von ihme den heiligen Tauff zu empfangen. Callixtus erfreuet sich ab dem Verlangen diser neu angehenden Christen, hat sie in dem heiligen Glauben unterwisen, und Palmatium wie auch seine Ehefrau, die Söhn, und endlich das völlige Hausgesind, Manns- und weiblichen Geschlechts an der Zahl zwey und viertzig, mit dem Heylwasser des Tauffs übergossen, und der Heerde Christi einverleibet, mit unbeschreiblichem Trost seiner selbsten, und dieser neugetaufften Christglaubigen. Worauf Palmatius alsobald seine Glaubensfrücht blicken liesse, indeme er all sein Haab und Gut denen Armen Christen zukommen liesse, die er in allen Wincklen, auch in denen Gefängnussen aufsuchte: worbey, wie es sich nit zweifflen lasset, seine neu getauffte Dienerschafft sich wird tapffer und sorgfältig in so heiligem Werck da sie das Exempel ihres Herrns vor denen Augen sahen, geübet, und das von Palmatio dargestreckte Allmosen, Nahrung, und Kleyder, wohin es nur verlangte, oder die Noth erforderte, getragen und ausgespendet haben.
Es führete damalens den Römischen Reichsscepter Kaiser Alexander Severus, oder der Strenge, zugenannt, bey welchem sonsten Palmatius hoch in Gnaden stunde: als er aber vernommen, von dem Götzendienst zur Christlichen Heerde übergetretten, hat er sich darüber sehr entsetzet, und nachdeme er Palmatio solches verwisen, übergibt er ihne einem Römischen Rathsherrn, Simplicius mit Nahmen: nun aber weilen Simplicius mit allen denen Seinigen denen Fußstapffen des heiligen Palmati, und seiner Hausgenossen in dem heiligen Glauben und Erkanntnuß Christi gefolget, und so gar auf einen Jahr und Tag die Martyr überstanden, über das auch beyder dieser Herrn, und ihrer Dienstbotten Leiden und Pein ganz gleich gewesen, so wollen wir anjetzo von Simplicio, und denen Seinigen handlen: wo zugleich der Leser sehen wird wie es ferners mit des heiligen Palmatii Hausbedienten zugangen, und wie standhaftig sie bey Christo verbliben.“
„Ein anders Zahlreiches Hausgesind eines Römischen Rathsherrn.
Denen glorreichen heiligen Dienstbotten eines heiligen Burgermeisters, folget oben vernommener massen, ein anders zahlreiches Hausgesind eines heiligen Rathsherrns, welcher selbigen, wie Palmatius zur Erkanntnuß Christi vorgegangen, und mit seinem Beyspiel angefrischet.
Nachdem also Kaiser Alexander dem Rathsherrn Simplicio erstbelobten Palmatius übergeben, damit er von Simplicio widerum zum Heydentum umzutretten möchte beredet werden, hat hingegen Palmatius durch die Mirackel, und Wunder-Werk, die er übte den Heil. Simplicius in das Netz Christi gebracht, und denjenigen in dem Evangelischen Garn gefangen, der ein anderes für ihne zugericht. Simplicio gesellte sich in so heiligem Vorhaben seine Hausfrau, die Söhn, und endlich das ganze Hausgesind, Manns und Weibspersonen, welche sich auf zwey und sechzig Seelen an der Zahl belaufften, und alle von dem Heiligen Pabst Callixto das heilige Taufwasser empfangen hatten, nachdem sie gleichfals in denen Stucken unsers allein seeligmachenden Glaubens von ihm unterwisen worden.
Vielleicht wird dem Leser etwas seltsames vorkommen, daß ein Rathsherr so viel der Dienerschaft und Ehehalten solte gezehlet und unterhalten haben? allein wer dasjenige bedenket, was ich anvor von dem Burgermeister zu Rom dem heiligen Palmatio bemerket, daß nemlich diese Würde scheinte einer Königlichen Hochheit, wie uns die Geschichtsschreiber berichten, nicht unähnlich zu seyn, so wird es ihm nicht schwär fallen ein fast gleiches auch von einem Römischen Rathsherrn zu glauben: und wenn schon etwann Simplicius mehr Dienstbotten auch zehlete, als Palmatius, war jener vielleicht mehrer begüttert, mithin an der Würde geringer als Palmatius, doch an Reichthumen ihm überlegen. Wir wollen uns aber zu unsern heiligen Martyrern insgesamt wenden.
Alexander in Anhörung der unerwarteten Veränderung des Rathsherrns Simplicii wurde auf ein neues noch mehrers verbitteret, schicket einen guten Haufen von seinem Kriegsheer, welche die standhafte Bekenner Palmatius, und Simplicius mit ihren Ehefrauen, Kindern, und bey der diser Herren Hausgenossenen, und Dienerschaft enthaubten: und dieses war eben, was die edle Blutzeugen gewunschen: seynd also den zehendten Tag Mayens im Jahr nach der Gnadenreichen Geburt unsers Erlösers zweyhundert zwey und zwanzig durch den Schwerdt-Streich zu Christo glückseelig gelanget.
Ihre heilige Häupter befahle mehrgedachter Kaiser bey unterschidlichen Stadt-Pforten zu Rom aufzustecken, hierdurch die Christen zu schröcken, und zum Abfall zu veranlassen: aber der blinde Heyd merkte nicht, daß er denen Rechtglaubigen vermittelst dieses Schauspiels nur mehr Muth machte, ein gleiches für den Christlichen Glauben zuversuchen; gestaltsam dise leblose Häupter, und in denen Häuptern erstarrte Zungen die zusehende Christen mit einer zwar stillen, jedoch gar nachdrucklichen Beredsamkeit zu einem ritterlichen für Christo ausgestandenen Todt aneiferten, wie es die darauf folgende Zeiten erwisen.“
„Zwey und zwanzig heilige Blutzeugen und Dienstbotten und heiligen Frauen,
und Martyrin Marmenia.
Oftermal pflegt es zu geschehen, daß wann man eine Feusbrunst löschen will, selbige vielmehrers um sich greiffet, und in häftigere Flammen hervor bricht. Fast eine gleiche Bewanntnuß hatte es vor Zeiten in der ersten Kirchen mit denen Christglaubigen. Je mehrers die Heyden das wahre Christenthum suchten zu unterdrucken, und diß Feur in den Hertzen der Rechtglaubigen auszulöschen, desto weiters greiffe es um sich, und zündete nur mehrers andere mit gleichem Eifer an, das Evangelische Gesatz anzunehmen, und nachmals mit ihrem Leben, und Blut zuverfechten; welches dann die grausame Wüttrich, und Christenverfolger jederzeit mit neuer Raserey ansteckete, daß sie noch häftiger darwider tobeten, und grißgrammeten.
In denen Geschichten, und Lebensthaten des glorwürdigen heiligen Pabstens, und Martyrers Urbanus diß Namens des ersten, lesen wir zu unserm Vorhaben in eben diser Sach ein herrliches Beyspihl, in welchem, was wir jetzt beygebracht, gar schön bewähret wird. Die heilige Marmenia ein fürtreffliches Frauenbild, sonderbahr in dem, daß sie mit Rath, und That alles zum Aufnahm des Christlichen Gesatzes beytruge, hatte deswegen von dem Heidnischen Wüttrich Almachius grosse Verfolgung ausstehen müssen: Da sie nun erstlich in den Kercker gestossen worden, und solches ihrer gleichfals heiligen Tochter und Jungfrauen Lucinia zu Ohren kommen, hat dise unverzüglich angefangen, alles was beyden noch übrig war (es machte aber solches nicht wenig aus) den Armen, bevorab den armseeligen Christen auszutheilen; Massen sie wohl schlüssen kunte, daß sowohl ihre liebe Mutter, als sie selbst ihr Leben für den angenommenen heiligen Glauben in kürze dargeben müsten; Wollte also lieber die noch übrige Reichthumen durch die Händ der Armen vorhinein in den Himmel schiken, als nach ihrem Todt dieselbe denen Händen der Heidnischen Menschen-Würgern überlassen. Daß aber Lucinia samt ihrer Mutter, wie auch ihre Hausbediente das Evangelische Gesatz angenommen, kame daher, weilen Carpasius der Ehemann der heiligen Marmenia, und Vatter der heiligen Lucinia, gar grausam wieder den heiligen Urbanus, und seinen Mitgesellen, aus Befelch des Almachius, verfuhre, und dem Götzendienst sehr zugetan ware, deswegen er auch von dem Teufel besessen, und von ihme erdrosslet werden, welches die hinterlassene Marmenia, und Lucinia dergestalten erschröket, daß sie von Stund an sich tauffen lassen, und mit ihrem Beispiel auch die ihrige, samt noch vielen anderen nach sich zogen.
Da entzeischen Marmenia in dem Kerker lage, liesse Almacius auch die Tochter Lucinia mit dem übrigen Hausgesind gefänglich einhollen, und zu ihme herbey führen. Als sie nun vor seinem Richterstuhl stunden, sache der Tyrann mit blizenden Augen die Bekenner Christi an, und sprach folgender gestalten zu Ihnen: sagt mir her, was Stands seyet Ihr? Was ist euer thun, und lassen? Worauf die Heilige antworteten: Du fragest, was Stands wir in dieser Sterblichkeit seyen? Du solst wissen, daß wir Bediente seyen dieser unseren Frauen Marmenia. Anbelangend aber unsern Wandel, so bekennen wir uns, durch die Gnad GOttes, zum Christlichen Glauben. Hiernächst versezte Almachius: Wie ich verspühre, so seyd ihr dann auch alle Christen? Besser ist es, wiederholten die Heilige, erkennen, und sich bekennen zu dem Weeg, welcher Christus ist, und auf welchem wir zu dem Vatterland, das ist, zu dem ewiden Leben, gelangen müssen, als denen falschen Götzen uns unterwerffen, oder euch weichen, und eurem gottlosen Befelch nachkommen.
Diese so herzhafte Bekanntnuß der starkmüthigen Blutzeugen roche dem Almachius gewaltig in die Nasen, also daß er voller Gall, und Zorn dem Tarquinius (nemlich einem gleichen Christenfeind) Befehl gabe, alle sammentlich ohne Verzug von dem Leben zum Tod hinzurichten, beyfügend: Dergleichen Gattung der Menschen mag man nicht zum Gehorsam bringen, als durch schwäre Peinen, oder durch angethanen Tod selbsten. Aus welchem erhellet die ungemeine Standhaftigkeit der ersten Christen in mitte der Trohungen, Pein, und Tormenten, bey Verlurst alles Haabs, und Guts, ja des Lebens selbsten: Wormit sie aber die Zaghaftigkeit der jetzigen Christen zu schanden machen, welche den Muth sinken lassen, ob es schon keine Tyrannen mehr abgibet, und es um ein weit schlechteres zu thun ist.
Tarquinius verweilte nicht lang den aufgetragenen Befelch zu vollziehen. Er liesse sie erbärmlich zuvor abprüglen, und führte sie darauf zu dem Götzenbild des Martis (nach Mars benannt), oder Kriegsgottes, daß sie ihme opfern solten. Die Heilige weigerten sich beständig, bis sie endlich alle Enthauptet, der ewigen Martyrcron gewürdiget worden, an der Zahl, wie ich gesagt, zwey und zwanzig, beyderley Geschlechts. Nachdem der herrliche Kämpfern denen anderen Rechtgläubigen kund worden, haben sie sich bey eitler Nacht versammlet, und in Beiseyn des heiligen Fortunatus eines Priesters, der sie zuvor getauffet, die Leiber der Enthaupteten unter trostreichen Lobgesängern von dem Ort hinwek getragen, und bey dem Leib des heiligen Pabstens Urbanus begraben, nemlich in dem Haus der heiligen Marmenia, allwo sie selbst, nach ihrer Bekehrung, dem heiligen Pabst Urbanus, nebst vielen andern Martyrer, recht herrlich ein Grabmahl zubereiten lassen, und sie darinn beschenket. Die Martyr dieser letstere zwey und zwanzig Christlichen Helden hat sich ereignet im Jahr zweyhundert, und dreisig; Ihr Geburtstag zu dem Himmel fallet auf den fünff und zwanzigsten Tag des Mayens, unter dem Kaiserthum des Alexanders, mit dem Beynamen Severus, das ist, des strengen. Mit ihren Bedienten haben auch zu gleicher Zeit die Frau, und Tochter Marmenia, und Luciana das Martyrkräntzlein darvon getragen, ist also aller gleiche Beständigkeit mit gleicher Ehr belehnet worden.“